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Entscheidung 1 O 92/23


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 1. Zivilkammer Entscheidungsdatum 21.12.2023
Aktenzeichen 1 O 92/23 ECLI ECLI:DE:LGNEURU:2023:1221.1O92.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 53.910,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin schloss mit der Beklagten zu 1. am 28.07.2021 einen Factoring-Vertrag ab. Bezüglich des Inhalts wird auf die zu den Akten gereichte Kopie des Vertrages Bezug genommen (Anl. K1). Die Beklagte zu 2 gab als Geschäftsführerin der Beklagten zu 1 am 28.07.2021 eine Garantieerklärung für den vorgenannten Vertrag ab.

§ 1 d des Factoring-Vertrages lautet:

„Forderungskauf: Der FACTOR kauft im Wege des echten Factorings nach Maßgabe dieser Factoring- und Dienstleistungsbedingungen Forderungen aus Lieferung und Leistung der FIRMA gegen deren Debitoren an. Der FACTOR übernimmt damit in Bezug auf die von ihm angekauften Forderungen das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Debitors (Delkredererisiko) und führt das Debitorenmanagement sowie den Forderungseinzug der angekauften Forderungen im eigenen wirtschaftlichen Interesse durch.“

§9 Abs. 1 lit. b des Vertrags sah vor, dass die Forderungen mangelfrei sowie frei von sonstigen Einreden oder Einwendungen und nicht mit Rechten Dritter belastet sind und dies bis zu ihrer Tilgung durch Zahlung auch so blieb. Die Folge des Verstoßes sollte die Rückabwicklung des Forderungskaufes sein.

Nach § 3 Abs. 1 der Vereinbarung verpflichtete sich die Beklagte zu 1 alle künftig entstehenden Forderungen gegen ihre Leistungsempfänger der Klägerin zum Kauf anzubieten. Dabei sollte das Angebot zum Kauf durch Hochladen der Rechnungen über die Forderung in einem Online Portal der Klägerin erfolgen.

Die Beklagte zu 1 lud im Laufe der Zeit diverse Rechnungen in das Online Portal hoch, darunter auch Forderungen gegen die Firma T... GmbH. Konkret handelt es sich um die Rechnungen mit den Rechnungsnummern: 20211011501 vom 14.10.2021 in Höhe von 19.590,00 Euro, 20211111201 vom 12.11.2021 in Höhe von 10.110,00 Euro, 2021111801 vom 02.11.2021 in Höhe von 21.360,00 Euro und 2021110802 vom 02.11.2021 in Höhe von 2.850,00 Euro. Die Klägerin nahm das Angebot jeweils an. Die Zahlung der T.. GmbH blieb in Folge aus. Die Klägerin forderte die Beklagte zu 1 auf einen Nachweis über den rechtlichen Bestand der bestrittenen Forderungen zu erbringen. Am 22.04.2022 stellte die Klägerin der Beklagten zu 1 die Forderung in Rechnung. Zudem versuchte sie die Forderung per Lastschriftverfahren einzuziehen. Nach weiteren erfolglosen Versuchen die Forderung einzutreiben beauftragte die Klägerin das Inkasso Unternehmen …, welches den Beklagten am 03.09.2022 zur Zahlung aufforderte. Bis zum Prozessbeginn erfolgte keine Zahlung. Die Beklagte zu 1 ging gerichtlich bezüglich weiterer hier nicht streitgegenständlicher Werklohnforderungen gegen T… GmbH vor und erwirkte gegen diese ein Versäumnisurteil am 03.02.2023 vor dem Landgericht Berlin.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass bei den Forderungen gegen die Firma T… GmbH die Leistungen der Beklagten zu 1 nicht ordnungsgemäß erbracht seien. Es bestünden Einwendungen gegen die besagten Forderungen. Es handele sich bei den einzelnen Forderungen um Abschlagzahlungen, die aufgrund von Schlussrechnungsreife bereits erloschen seien. Der Klägerin sei insgesamt ein Schaden in Höhe von 60.625,15 Euro entstanden. Darunter 53.910,00 für die ausgebliebene Zahlung der Forderung, 4.901,79 Euro Zinsen, 5,00 Euro vorgerichtliche Mahnkosten, 1.804,90 Inkassokosten und 3,46 Euro für angefallene Rücklastgebühren.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 53.910,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 11.05.2023 sowie Zinsen für den Zeitraum vom 06.05.2022 bis 10.05.2022 in Höhe von 4.901,79 Euro nebst 5 Euro an vorgerichtlichen Mahngebühren, 1.804,90 an angefallenen Inkassokosten sowie 3,46 Euro an angefallenen Rücklastgebühren zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass keine Einreden oder Einwendungen von der T… GmbH gegen die Forderung bestünden. Insbesondere handele es sich bei den Forderungen um Stundenlohnarbeiten und nicht um Abschlagszahlungen. Bezüglich des Zeitpunktes des Vorliegens der möglichen Einwendungen käme es darüber hinaus allein auf den Zeitpunkt der Abtretung an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 60.625,15 Euro nach §§ 346, 323, 453 I, 437 Nr. 2 BGB in Verbindung mit § 9 lit. b des Factoring-Vertrages.

Es liegt ein Schuldverhältnis zwischen den Parteien in Form des Rechtskaufes nach § 453 BGB vor. Bei einem Factoring-Vertrag handelt es sich um einen typengemischten Vertrag, der Elemente des Auftragsvertrags und des Dienstvertrags enthält. Das „echte Factoring“ wird jedoch als Rechtskauf nach § 453 BGB behandelt. Die Mängelrechte nach §§ 434ff. BGB werden entsprechend angewendet.

Die Klägerin ist nicht wirksam von den Einzelforderungskäufen bezüglich der Forderungen gegen die T… GmbH nach §§ 346, 323, 453 I, 437 Nr.2 BGB in Verbindung mit § 9 lit. b des Factoring-Vertrages zurückgetreten.

Es fehlt bereits an der erforderlichen Rücktrittserklärung gemäß § 349 BGB.

Entgegen der Auffassung der Klägerin enthält das E-Mail-Schreiben vom 22.4.2022 keine hinreichend klare Erklärung eines Rücktritts. Zwar bedarf die Rücktrittserklärung grundsätzlich keiner besonderen Form und kann auch konkludent erklärt werden. Es ist hier jedoch lediglich von einer Verrechnung mit Salden bzw. einem angekündigten Lastschrifteinzug die Rede. Die genügt angesichts der erheblichen Bedeutung der Ausübung des Rücktrittsrechts als unwiderrufliches Gestaltungsrecht nicht um unter Berücksichtigung des maßgeblichen Empfängerhorizontes hierin eine unmissverständliche Rücktrittserklärung zu begründen.

Unabhängig davon steht der Klägerin kein Rücktrittsrecht nach § 437 Nr.2, 323 BGB in Verbindung mit § 9 b Vertrages zu. Zum Zeitpunkt der Abtretung bzw. des Forderungskaufes lag kein Rechtsmangel vor. Die Beklagte hat konkret vorgetragen, dass die streitgegenständlichen Abrechnungen zum Zeitpunkt der Abtretung an die Klägerin fällig und nicht einredebehaftet waren. Rechtshindernde Einwendungen lagen zum Zeitpunkt der Abtretung am 22.07.2021 nicht vor.

Bei den Forderungen handelte es sich um Werklohnforderungen nach § 631 Abs.1 BGB der A…GmbH gegen die T… GmbH. Anhand der vom Beklagten eingereichten Rechnungen ist ersichtlich, dass es sich um werkvertragliche Arbeiten am „…“ handelte. Die Klägerin macht geltend, dass es aufgrund der Schlussrechnungsreife keinen Anspruch auf die Abschlagszahlungen mehr gäbe.

Es kann dahinstehen, ob die Rechnungen Abschlagsrechnungen auf den Hauptvertrag darstellten, oder isoliert abzurechnende Zusatzleistungen beinhalteten. In beiden Fällen wäre die Abrechnung seitens der Beklagten zu 1. zum maßgeblichen Zeitpunkt der Abtretung berechtigt gewesen. Soweit die Klägerin dies unter Bezugnahme auf Äußerungen der Schuldnerin bestreitet, bleibt dies zu pauschal.

Soweit der Vertrag eine Verlagerung des maßgeblichen Zeitpunktes, der für das Vorliegen des Mangels entscheidend ist, auf einen späteren Zeitpunkt enthält, ist diese Regelung in § 9 lit. b des Factoring Vertrages unwirksam nach § 307 I BGB.

Bei den Vertragsklauseln, insbesondere in § 9 handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nach § 305 BGB für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert waren und die von der Klägerin in die Vertragsverhandlungen eingebracht wurden.

Die Inhaltskontrolle findet nach Maßgabe des § 310 Abs. 1 BGB Anwendung.

Die Klausel verstößt gegen das Klauselverbot nach § 307 Abs.1 S.1 BGB. § 307 Abs.1 S.1 BGB gilt auch für die Verwendung von AGB gegenüber Unternehmern.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt eine unangemessene Benachteiligung i. S. des § 307 BGB vor, wenn der Verwender der Klausel einseitig seine eigenen Interessen ohne Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange seines Vertragspartners durchzusetzen versucht (BGH, NJW 1998, 3200 = WM 1998, 1869 [1870] m.w. Nachw.). So ist es hier. Durch die Klausel werden die Sicherungsrechte der Klägerin über ihr anerkennenswertes Interesse hinaus unangemessen ausgedehnt.

Ist, wie im vorliegenden Fall, ausdrücklich eine „echtes Factoring“ vereinbart, hat der Factoringkunde nur für die Verität und die Mangelfreiheit der Forderung einzustehen. Fehlt es an der Verität, weil die Forderung nicht besteht, nicht übertragbar ist oder nicht vom Debitor übertragen werden kann, liegt anfängliche oder nachträgliche Unmöglichkeit vor, für die der Factoringkunde als Verkäufer nach § 311a Abs. 2 oder § 280 Abs. 1, 3 iVm § 283 haftet, wenn er dies zu vertreten hat, was nach § 311a Abs. 2 S. 2 und § 280 Abs. 1 S. 2 vermutet wird. Ist die Forderung mit Rechten belastet oder mit Einwendungen oder Einreden behaftet, liegt darin ein Rechtsmangel. Für fehlende Bonität, also die Zahlungsfähigkeit des Debitors, hat der Factoringkunde beim echten Factoring grundsätzlich nicht einzustehen.

Deshalb ist nach Auffassung der Kammer die Erweiterung der Veritätshaftung durch eine Klausel in den AGB des Factors, nach der sich nach Abtretung in erster Linie das Bonitätsrisiko verwirklicht als überraschend (§ 305 c) und unangemessen (§ 307 II Nr. 1) anzusehen.

Die Parteien haben hier in § 9 lit b des Vertrags geregelt, dass es bis zu dem Zeitpunkt der Zahlung durch den Dritten, hier die T… GmbH, nicht zu Mängeln bezüglich der Verität kommen darf. Diese Regelung verstößt jedenfalls beim sog. „echten Factoring“ gegen § 307 Abs.1 S. 1 BGB, da sie den Beklagten unangemessen benachteiligt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Verschaffung des bestehenden Rechts an welchem dieses frei von Mängeln sein muss, ist grundsätzlich die Übertragung des Rechts, in der Regel der Abschluss des Abtretungsvertrags (§§ 398, 413 BGB).

Die vorgenannte Klausel weicht insgesamt wesentlich davon ab, indem sie den Zeitpunkt bei dem es auf das Vorhandensein des Mangels ankommt zeitlich nach hinten verlagert. Aus der entsprechenden Anwendung des § 433 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt sich, dass es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Übertragung des Rechtes ankommt. Hier sind die maßgeblichen Zeitpunkte der 14.10 2021, der 02.11.2021 und der 12.11.2021. Die Verschiebung des Zeitpunktes bis zur Zahlung durch den Dritten, stellt eine einseitige Risikoverteilung zu Lasten der Beklagten dar. Typischerweise muss der Factoringkunde mit einer solchen Klausel deshalb auch nicht rechnen.

Nach alledem war die Klage insgesamt abzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S.1 Abs.1 ZPO.