Gericht | OLG Brandenburg 1. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 04.12.2023 | |
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Aktenzeichen | 1 U 18/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2023:1204.1U18.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 28. November 2022 - 12 O 292/21 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, die bei ihr gespeicherten Daten der Klägerin dahingehend zu berichtigen, dass Lösch- und Sperrvermerke zu ihren am 22. Mai 2021, 15. Juni 2021, 23. Juli 2021, 29. September 2021 und 22. Juli 2021 gelöschten Beiträgen aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden und der Zähler, der diese den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst hat, insoweit zurückgesetzt wird.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin für das erneute Einstellen des am 22. Juli 2021 gelöschten Beitrags
(Bild entfernt)
auf www…..com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollziehen an ihren Vorständen, angedroht.
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die Klägerin für das Einstellen des am 7. April 2022 gelöschten Video-Beitrags mit der Überschrift „Sahra Wagenknecht - Impfpflicht in 73 Sekunden auf den Punkt gebracht.“
(Bild entfernt)
auf www…..com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wird ihr ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft angedroht, die Ordnungshaft ist zu vollziehen an den Vorständen, angedroht.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 800,40 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung haben die Klägerin zu 75 % und die Beklagte zu 25 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abgewendet werden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.250,00 festgesetzt.
I.
Die Parteien streiten um den Nutzungsumfang des seitens der Klägerin bei der Beklagten auf der Plattform „…“ genutzten Kontos, von dem verschiedene Beiträge der Klägerin in den Jahren 2021 und 2022 mit einer Warnmeldung versehen bzw. gelöscht wurden; mit Blick auf die gelöschten Beiträge wurde das klägerische Konto darüber hinaus viermal gesperrt. Wegen der Einzelheiten der streitgegenständlichen Beiträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, die bei ihr gespeicherten Daten der Klägerin dahingehend zu berichtigen, dass alle Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden und der Zähler, der die den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst, vollständig zurückgesetzt wird,
2. festzustellen, dass der Beklagten kein Recht zustand, den am 22. Mai 2021 gelöschten Beitrag der Klägerin (Bild entfernt) auf der Plattform www…..com zu entfernen,
3. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, den am 22. Mai 2021 gelöschten Beitrag (vgl. Ziff. 2) erneut zu löschen und ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorständen der Beklagten, anzudrohen,
4. festzustellen, dass der Beklagten kein Recht zustand, die nachfolgend unter Ziff. 5 genannten Beiträge der Klägerin auf der Plattform www…..com zu entfernen und gegen die Klägerin wegen dieser Beiträge eine Sperre in Form einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten der Plattform zu verhängen,
5. der Beklagten aufzugeben, die zu den nachfolgend genannten Daten gelöschten Beiträge der Klägerin wieder freizuschalten:
15. Juni 2021
(Bild entfernt)
23. Juli 2021
(Bild entfernt)
und 29. September 2021
(Bild entfernt)
6. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, sie für das erneute Einstellen eines der in Ziff. 5 genannten Beiträge auf www…..com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen und ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorständen der Beklagten, anzudrohen,
7. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, sie für das erneute Einstellen des am 22. Juli 2021 gelöschten Beitrags (Bild entfernt) auf www…..com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen und ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorständen der Beklagten, anzudrohen,
8. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, sie auf www…..com zu sperren (insbesondere, ihr die Nutzung der Funktionen von www…..com wie Posten von Beiträgen, Kommentieren fremder Beiträge und Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten), ohne vorab über die beabsichtigte Sperrung zu informieren und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen und ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorständen der Beklagten, anzudrohen,
9. die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen, ob die Sperren (vgl. Antrag zu Ziff. 4) durch ein beauftragtes Unternehmen erfolgten und in letzterem Fall, durch welches,
10. die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen, ob sie konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder nachgeordneten Dienststellen hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und/oder der Sperrung von Nutzern erhalten hat, und ggf. welche,
11. die Beklagte zu verurteilen, an sie Schadensersatz in Höhe von 1.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. September 2021 zu zahlen,
12. die Beklagte zu verurteilen, ihre Beiträge auf der Plattform www…..com nicht in irgendeiner Weise zu kommentieren, insbesondere mit den Anmerkungen von angeblichen „Faktencheckern“ oder „Faktenprüfern“ zu versehen, und ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorständen der Beklagten, anzudrohen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, ihre Beiträge auf der Plattform www…..com in irgendeiner Weise zu kommentieren, insbesondere mit den Anmerkungen von angeblichen „Faktencheckern“ oder „Faktenprüfern“ zu versehen, ohne ihr zuvor die Möglichkeit zur Gegenäußerung eingeräumt zu haben und ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ihr Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorständen der Beklagten, anzudrohen,
13. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihren nachfolgend genannten Beitrag auf der Plattform www…..com (Bild entfernt) mit den Anmerkungen von angeblichen „Faktencheckern“ oder „Faktenprüfern“ zu versehen, wenn dies geschieht wie nachfolgend aufgeführt: (Bild entfernt) und ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorständen der Beklagten, anzudrohen,
14. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihren nachfolgend genannten Beitrag auf der Plattform www…..com (Bild entfernt) mit den Anmerkungen von angeblichen „Faktencheckern“ oder „Faktenprüfern“ zu versehen, wenn dies geschieht wie nachfolgend aufgeführt: (Bild entfernt) und ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorständen der Beklagten, anzudrohen,
15. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihren nachfolgend genannten Beitrag auf der Plattform www…..com mit den Anmerkungen von angeblichen „Faktencheckern“ oder „Faktenprüfern“ zu versehen, wenn dies geschieht wie nachfolgend aufgeführt (Bild entfernt)
16. festzustellen, dass der Beklagten kein Recht zustand, den am 7. April 2022 gelöschten Beitrag der Klägerin (Bild entfernt) auf der Plattform www…..com zu entfernen und gegen sie wegen dieses Beitrags eine Sperre in Form einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten der Plattform zu verhängen,
17. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, sie für das Einstellen des in Ziff. 16 genannten Beitrags auf www…..com erneut zu sperren oder den Beitrag zu löschen und ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorständen der Beklagten, anzudrohen,
18. die Beklagte zu verurteilen, sie von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 619,40 €, in Höhe von 256,80 €, in Höhe von 256,80 € und in Höhe von 538,95 € durch Zahlung an ihre Prozessbevollmächtigten freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klage – soweit sie mit den Anträgen zu Ziff. 2, 4 und 16 mangels Feststellungsinteresses und zu Ziff. 12 und 13 aufgrund anderweitiger Rechtshängigkeit nicht als unzulässig erachtet wurde – unbegründet sei, weil der Beklagten hinsichtlich der streitgegenständlichen Beiträge aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden vertraglichen Verhältnisses in Verbindung mit einer ergänzenden Vertragsauslegung ein Recht auf Löschung und auf vorübergehende Sperrung des klägerischen Nutzerkontos zugestanden habe.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die die geltend gemachten Ansprüche in zweiter Instanz in vollem Umfang weiterverfolgt, wobei sie unter Abänderung des Klageantrags zu Ziff. 1 nunmehr beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die bei ihr gespeicherten Daten der Klägerin dahingehend zu berichtigen, dass Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden und der Zähler, der die den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst, zurückgesetzt wird, soweit Verstöße erfasst sind, die bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit gezählt worden sind,
hilfsweise,
soweit es die streitgegenständlichen Verstöße betrifft.
Darüber hinaus hat sie ihren Klageantrag zu Ziff. 8 erweitert und beantragt insoweit hilfsweise,
die Beklagte zu der Unterlassung zu verurteilen, sie auf www…..com zu sperren (insbesondere, ihr die Nutzung der Funktionen von www…..com wie das Posten von Beiträgen, das Kommentieren fremder Beiträge und die Nutzung des Nachrichtensystems vorzuenthalten), ohne vorab über die beabsichtigte Sperrung zu informieren und die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen, soweit die Beklagte ihre Maßnahme einzig mit einem Verstoß gegen die vertraglichen Gemeinschaftsstandards begründet und keinen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften behauptet, und ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, zu vollziehen an den Vorständen der Beklagten, anzudrohen.
Ferner hat die Klägerin den Antrag zu Ziff. 18 abgeändert und beantragt nunmehr,
die Beklagte zu verurteilen, an sie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 619,40 €, in Höhe von 256,80 €, in Höhe von 256,80 € und in Höhe von 538,95 € zu zahlen.
Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig. Soweit die Klägerin den Klageantrag zu Ziff. 8 hilfsweise erweitert hat, hat sich die Beklagte rügelos eingelassen, so dass mit Blick auf den Umstand, dass die Einwilligung nach § 533 ZPO auch stillschweigend erteilt werden kann (Münchener Kommentar/Rimmelspacher, ZPO, 6. Auflage, § 533 Rn. 13), von einer entsprechenden Erklärung auszugehen ist (BeckOK/Wulf, ZPO, 49. Edition, § 533 Rn. 10). Da sich der Hilfsantrag zudem auf den der Berufung ohnehin zugrunde liegenden Tatsachenstoff bezieht, begegnet die Zulässigkeit der Klageerweiterung keinen Bedenken.
Die Berufung ist darüber hinaus teilweise hinsichtlich des Hilfsantrags zu Ziff. 1 sowie der Anträge zu Ziff. 7 und 17 begründet.
Nicht begründet ist das Rechtsmittel hingegen, soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass der Beklagten kein Recht zustand, den am 22. Mai 2021 gelöschten Beitrag zu entfernen (Klageantrag zu Ziff. 2), die unter dem Antrag zu Ziff. 5 dargestellten Beiträge zu entfernen und wegen dieser Beiträge eine Sperre des klägerischen Kontos zu verhängen (Klageantrag zu Ziff. 4) sowie den am 7. April 2022 gelöschten Beitrag zu entfernen und wegen dieses Beitrags eine Sperre des klägerischen Kontos zu verhängen (Klageantrag zu Ziff. 16). Wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, ist die insoweit erhobene Feststellungsklage nicht zulässig. Der Zulässigkeit dieser Klageanträge steht bereits grundsätzlich der Vorrang der Leistungsklage entgegen. Die Klägerin kann ihr Rechtsschutzziel – wie mit den Anträgen zu Ziff. 3, 5 und 6, 2. Alt. geschehen – auch durch eine gegenüber der Feststellungsklage vorrangige (vgl. BGH, NJW 2015, 1039 Rn. 35; BGH, NJW 2013, 1744 Rn. 19) Leistungsklage verfolgen, indem sie die Wiederherstellung der gelöschten Beiträge und die Unterlassung der Löschung bzw. hierauf gestützter Kontosperren beantragt (OLG Karlsruhe, GRUR-RS 2023, 14075 Rn. 95; OLG Dresden, NJ 2021, 117, 119; OLG Schleswig, GRUR-RS 2021, 53244 Rn. 23). Mit Blick hierauf steht der Klägerin mangels hierüber hinausgehender Rechtsfolgen des in der Vergangenheit liegenden Sachverhalts für die Zukunft kein Feststellungsinteresse zu (vgl. OLG München, GRUR 2023, 96 Rn. 46 ff.; OLG Frankfurt, MMR 2023, 212 Rn. 31 ff.; OLG Dresden, NJ 2021, 117, 119; OLG Stuttgart, Urteil vom 24. November 2021, Az.: 4 U 484/20, juris Rn. 80 ff.; OLG Hamm, GRUR-RS 2020, 25382 Rn. 62 ff.; OLG München, Urteil vom 18. Februar 2020, Az.: 18 U 3465/19, juris Rn. 60; OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Bamberg, GRUR-RS 2020, 42035 Rn. 27; OLG Nürnberg, ZUM-RD 2021, 16 Rn. 23). Die Zulässigkeit der zwischenzeitlich beendeten Sperrung ist im Rahmen der – hier ebenfalls geltend gemachten – Ansprüche auf Wiederherstellung, Unterlassung und Zählerrücksetzung ohnehin zu prüfen (OLG München, Urteil vom 18. Februar 2020, Az.: 18 U 3465/19, juris Rn. 61).
Im Übrigen ist die Klage zulässig, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Dabei ist hinsichtlich der begehrten Unterlassung durch die Beklagte, bereits gelöschte Beiträge erneut zu löschen (Klageantrag zu Ziff. 3) bzw. die Klägerin wegen verschiedener Beiträge erneut zu sperren (Klageanträge zu Ziff. 6, 7 und 17), sowie der Verpflichtung der Beklagten, die für die Kontensperrung ursächlichen Beiträge wieder freizuschalten (Klageantrag zu Ziff. 5), zunächst zu berücksichtigen, dass die dem Vertragsverhältnis der Parteien zur Zeit der Löschung zugrunde liegenden Vertragsbedingungen unwirksam waren, weil der in den damaligen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthaltene Entfernungsvorbehalt die Nutzer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB benachteiligt hat (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, Az.: III ZR 179/20, juris Rn. 53; BGH, Urteil vom 29. Juli 2023, Az.: III ZR 192/20, juris Rn. 104). Die im Rahmen des § 307 Abs. 1 BGB gebotene Abwägung der wechselseitigen Belange der Vertragsparteien und dabei insbesondere ihrer kollidierenden Grundrechtspositionen führt dazu, dass Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte der Beklagten nur dann nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB angemessen sind, wenn sich die Beklagte in ihren Geschäftsverbindungen dazu verpflichtet, den betreffenden Nutzer über die Entfernung seines Beitrags bzw. eine beabsichtigte Sperrung zu informieren, ihm den Grund dafür mitzuteilen und ihm eine Möglichkeit zur Gegenäußerung einzuräumen, an die sich eine Neubescheidung anschließt, mit der die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags einhergeht (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, Az.: III ZR 179/20, juris Rn. 85; BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, Az.: III ZR 192/20, juris Rn. 97). Diesen Erfordernissen wurde der Entfernungsvorbehalt in den früheren Nutzungsbedingungen der Beklagten nicht gerecht, da sie nicht die Verpflichtung der Beklagten vorgesehen haben, dem Nutzer die Gründe für die Entfernung des betroffenen Beitrags mitzuteilen und ihm eine Gegenäußerung zu eröffnen, die zu einer Neubescheidung führt und die Möglichkeit der Wiederzugänglichmachung des entfernten Beitrags eröffnet. In den früheren Nutzungsbedingungen der Beklagten war lediglich vorgesehen, dass die Beklagte den betroffenen Nutzer über die Entfernung informieren und die Möglichkeiten der Herbeiführung einer weiteren Überprüfung erläutern werde. Wie diese Möglichkeiten gestaltet sind, wird dabei nicht offengelegt. Zudem werden Ausnahmefälle definiert, in denen es nicht zu einer weiteren Überprüfung kommen soll, womit für diese Fälle die gebotene Anhörung und Neubescheidung des Nutzers zu seinen Lasten vorweggenommen wurden.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann ein Löschungsrecht auch nicht ohne Rückgriff auf ihre damaligen Geschäftsbedingungen aus einer Vertragsauslegung hergeleitet werden. Für eine solche Vertragsauslegung nach §§ 133,157 BGB fehlt es an einer – ausdrücklichen oder konkludenten – Parteierklärung, aus der sich ein Entfernungsrecht der Beklagten herleiten lassen könnte. Dem Sachvortrag der Parteien können konkrete Äußerungen oder Verhaltensweisen der Parteien, die dafür herangezogen werden könnten, nicht entnommen werden. Das von der Beklagten in den Blick gerückte Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB führt zu der allgemeinen Pflicht der Vertragsparteien, sich bei der Durchführung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass die Rechtsgüter des anderen Teils nicht verletzt werden (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Auflage, § 241 Rn. 7), ohne dass dies grundsätzlich zu einem Erfüllungsanspruch führt (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Auflage, § 242 Rn. 25 m.w.N.), dessen Realisierung ein uneingeschränktes Entfernungsrecht der Beklagte fördern könnte. Ferner stellt es kein einseitiges und unausgewogenes Ergebnis dar, wenn der Beklagten eine Entfernung vertragswidriger Inhalte nicht gestattet wäre, sondern sie diesbezügliche Unterlassungsansprüche (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Auflage, § 280 Rn. 33 m.w.N.) mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen müsste. Damit ist die Beklagte im Grundsatz nicht anders und nicht schlechter gestellt als die Partei eines jeden Schuldverhältnisses, der Unterlassungsansprüche gegen den anderen Teil erwachsen. Einem etwaigen besonderen Eilbedürfnis der Beklagten wird durch die Möglichkeit der Erwirkung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 935 ff. ZPO genügt (Senat, Urteil vom 7. August 2023, Az.: 1 U 1/22).
Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Beklagten auch kein Löschungsrecht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung zu. Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nur in Betracht, wenn ein Vertrag innerhalb des durch ihn gesteckten Rahmens oder innerhalb der objektiv gewollten Vereinbarung ergänzungsbedürftig ist, weil eine Vereinbarung in einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt (BGH, NJW 2015, 1167 Rn. 24). Dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält; vielmehr muss eine planwidrige Unvollständigkeit des Vertrags gegeben sein und der Vertrag eine Bestimmung vermissen lassen, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin wenn ohne seine Vervollständigung eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen ist (BGH, a.a.O.; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Auflage, § 157 Rn. 3). Eine solche Regelungslücke ist für das Vertragsverhältnis der Parteien nicht anzunehmen. Insbesondere kann es – wie bereits dargestellt – nicht als ein einseitiges und unausgewogenes Ergebnis angesehen werden, dass die Beklagte infolge der Unwirksamkeit des Entfernungsvorbehalts in ihren Geschäftsbedingungen zur Durchsetzung bestehender Unterlassungsansprüche in Bezug auf vertragswidrig in ihr Netzwerk eingestellte Inhalte auf eine Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe angewiesen war. Demgemäß fehlt es bereits an der Grundlage für eine ergänzende Vertragsauslegung und mithin auch unter diesem Gesichtspunkt an einem vertraglichen Entfernungsrecht der Beklagten (vgl. Senat, Urteil vom 7. August 2023, Az.: 1 U 1/22).
Die seitens der Klägerin begehrte Unterlassung durch die Beklagte, den bereits am 22. Mai 2021 gelöschten Beitrag erneut zu löschen (Klageantrag zu Ziff. 3) bzw. sie wegen verschiedener Beiträge erneut zu sperren (Klageantrag zu Ziff. 6), sowie die geltend gemachte Verpflichtung der Beklagten, die für die Kontensperrung ursächlichen Beiträge wieder freizuschalten (Klageantrag zu Ziff. 5), scheiden allerdings aufgrund der jetzigen vertraglichen Vereinbarungen in Verbindung mit Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nach Maßgabe des Grundsatzes „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“ aus, wonach ein schutzwürdiges Interesse für die Geltendmachung eines Anspruchs fehlt, wenn etwas gefordert wird, das alsbald zurückzugewähren ist oder wie vorliegend das Unterlassen eines Verhaltens nicht verlangt werden kann, das zwar nach den zum Zeitpunkt der Begehung geltenden vertraglichen Regelungen unrechtmäßig war, nach den zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts geltenden Regelungen jedoch rechtmäßig ist. Da die Beklagte ihre Nutzungsbedingungen den Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Vorgehensweise im Konfliktfall angepasst hat, begegnen diese mit Blick auf die Vorgaben der §§ 307 ff BGB keinen Bedenken mehr. Insbesondere ist die Beklagte anerkanntermaßen berechtigt, den Nutzern ihres Netzwerks die Einhaltung objektiver und überprüfbarer Kommunikationsstandards vorzugeben, die über strafrechtliche Vorgaben hinausgehen; dabei darf sie sich in diesem Rahmen auch das Recht vorbehalten, bei Verstößen gegen diese Kommunikationsstandards Maßnahmen zu ergreifen, die eine Entfernung einzelner Beiträge und die (vorübergehende) Sperrung des Netzwerkzugangs einschließen (BGH, Urteil vom 27. Juli 2021, Az.: III ZR 179/20, juris Rn. 78; BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, Az.: III ZR 192/20, juris Rn. 90). Da hier bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz die neuen Gemeinschaftsstandards der Beklagten galten, kann sie nicht mehr zur Unterlassung von Maßnahmen im Umgang mit nunmehr vertragswidrigen Inhalten ihrer Nutzer verpflichtet werden.
Die neuen Gemeinschaftsstandards sind wirksam zwischen den Parteien vereinbart worden. Die Beklagte hat ihre Nutzungsbedingungen aus Anlass der vorgenannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs mit Wirkung zum 26. Juli 2022 geändert und hat die Klägerin – wie auch ihre weiteren Nutzer – hierüber bei ihrer Anmeldung auf ihren …-Konten durch ein Pop-Up-Fenster informiert. Die Klägerin wurde auf die aktualisierten Nutzungsbedingungen hingewiesen und gebeten, diesen bis zum 26. Juli 2022 ausdrücklich zuzustimmen. Da sie dieser Aufforderung nicht nachkam, erhielt sie ab dem 27. Juli 2022 bei der Anmeldung auf ihrem Konto die Mitteilung, dass sie im Falle einer fortgesetzten Nutzung der M…-Produkte ihr Einverständnis mit den aktualisierten Nutzungsbedingungen konkludent zum Ausdruck bringe. Indem die Klägerin ihr Konto auch danach weiter genutzt hat, sind die geänderten Vertragsbedingungen daher wirksam vereinbart worden. Insbesondere sind bei diesem Ablauf die Anforderungen des § 305 Abs. 2 BGB erfüllt, da die Klägerin mit dem Pop-up-Fenster die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme der geänderten Nutzungsbedingungen einschließlich der Gemeinschaftsstandards hatte (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, Az.: III ZR 179/20, juris Rn. 36 f.; OLG Frankfurt, MMR 2023, 212 Rn. 56). Schließlich steht der Wirksamkeit der Einverständniserklärung der Klägerin aufgrund des dargestellten Geschehensablaufs auch die Regelung des § 308 Nr. 5 BGB nicht entgegen (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Karlsruhe, GRUR-RS 2023, 14075 Rn. 21).
Nach diesen Vertragsbedingungen sind Fehlinformationen, die wahrscheinlich direkt zur Gefahr einer unmittelbaren Schädigung beitragen und zu deren Ermittlung die Beklagte sich auf die Zusammenarbeit mit Gesundheitsorganisationen während der weltweiten COVID-19-Pandemie bezieht, verboten, vgl. die Ausführungen unter Ziff. II zu gefährlichen Gesundheitsinformationen. Ferner ist die „Beteiligung an gruppenmäßiger Belästigung von Personen aufgrund ihrer Entscheidung, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen oder nicht“ durch „Aussagen über geistige oder moralische Minderwertigkeit aufgrund ihrer Entscheidung“ oder „Aussagen, die ein negatives Ergebnis infolge ihrer Entscheidung befürworten oder behaupten, außer es handelt sich um umfassend nachgewiesene und/oder allgemein anerkannte COVID-19-Symptome oder Nebenwirkungen der Impfung“ ausdrücklich untersagt.
Inwieweit die in den Gemeinschaftsstandards hierzu enthaltenen detaillierten Regelungen teilweise Bedenken begegnen, weil sie über objektive und überprüfbare Kommunikationsstandards hinausgehen und Vorgaben enthalten, die in unzulässiger Weise in das Recht auf freie Meinungsäußerung eingreifen, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da die aufgrund der Klageanträge zu Ziff. 3, 5 und 6 streitgegenständlichen Beiträge Fehlinformationen in Form von unwahren Tatsachenbehauptungen über SARS-CoV-2 enthalten, die die Beklagte jedenfalls zur Löschung berechtigen. Dies gilt für folgende Beiträge:
Ein Video mit folgendem Begleittext der Klägerin: „Der Arzt aus dem Irak zeigt seinen Patienten auf einer zugespitzten Weise, dass Corona nicht gefährlich ist. Diese Patienten sind bei ihm wegen Corona. Der Dame sagt er‚ es gibt kein Corona, wer hat dir gesagt, dass es Corona gibt? Ich werde dich behandeln und es wird dir inshAllah bald gut gehen.’ Beim Kauen der Maske sagt er: Schaue mal, ist das nicht Corona? Am Ende des Videos sagt er, sie verkaufen euch für blöd... glaubt nicht daran, dass wenn ihr infiziert werdet, dann werdet ihr daran sterben.“ (Klageantrag zu Ziff. 3).
Ein weiteres Video mit folgendem Begleittext: „Botschaft an Yvonne Gebauer! Es reicht jetzt, die Sammelklage wird eingeleitet“, in dem sich eine Frau an die nordrhein-westfälische Bildungsministerin wendet und mehrfach behauptet, dass diese Kinder „quälen“ würde, indem sie an der Masken- und Testpflicht festhalte. Weiter heißt es „Sie wissen ganz genau, dass wir erstens keine Pandemie haben, zweitens die Masken nicht helfen und drittens dieser PCR-Test vom Fake-Virologen der reinste Betrug ist“. Yvonne Gebauer wird als „Marionette“ von Jens Spahn und „Mitläuferin“ bezeichnet und es wird gefordert, sie wegen Körperverletzung vor Gericht zu stellen. (Klageanträge zu Ziff. 5 und 6).
Ein Video mit einer Stellungnahme eines US-amerikanischen Senators mit folgendem Begleittext der Klägerin: „Der Senat der Vereinigten Staaten von Amerika gab heute bekannt: Corona ist eine Lüge Die Medien vertuschen die Wahrheit Big Pharma und die WHO werden zur Rechenschaft gezogen“ (Klageanträge zu Ziff. 5 und 6).
Ein Video, das die Klägerin mit dem Zusatz „Dr. Roger Hodkinson - Es ist alles ein Haufen Lügen COVID = altdeutsch Grippe“ veröffentlichte. (Klageanträge zu Ziff. 5 und 6).
In diesen Beiträgen werden unwahre Informationen über die SARS-CoV-2-Infektion verbreitet, indem die Existenz des Virus schlicht geleugnet wird; diese Falschinformationen können naturgemäß zur Gefahr einer unmittelbaren Schädigung Dritter beitragen.
Die Klägerin hat hingegen aufgrund der vertraglichen Beziehungen der Parteien einen Anspruch auf die Unterlassung, sie wegen eines erneuten Einstellens des am 22. Juli 2021 gelöschten Beitrags erneut zu sperren oder diesen Beitrag zu löschen (Klageantrag zu Ziff. 7), da die in diesem Video verbreitete Aussage, dass während einer Pandemie nicht geimpft werden solle, verbunden mit den klägerischen Anmerkungen „Warum also dieser Drang unbedingt zu impfen? Ist das gar politisch beeinflusst?“ eine zulässige Meinungsäußerung darstellt.
Für die Abgrenzung einer Meinungsäußerung von einer Tatsachenbehauptung ist zunächst der Aussagegehalt der Äußerung zu ermitteln. Ausgehend vom Wortlaut sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittenen Äußerungen stehen, und die Begleitumstände, unter denen sie fallen, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder Zuschauer erkennbar sind. Es ist darauf abzustellen, wie eine Äußerung unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser verstanden wird, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig ist, sondern auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, NJW 2009, 1872 Rn. 11; BGH, NJW 2005, 279, 281; BGH, NJW 2004, 598, 599). Während bei Meinungsäußerungen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, ist für Tatsachenbehauptungen die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch. Von einer Tatsachenbehauptung ist auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Verständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offensteht (vgl. BVerfG, NJW-RR 2017, 1003 Rn. 13; BVerfG, Beschluss vom 4. August 2016, Az.: 1 BvR 2619/13, juris Rn. 13; BGH, NJW 2005, 279, 281; BGH, NJW 2002, 1192, 1193; BGH, NJW 1992, 1314, 1316). Meinungsäußerungen sind hingegen durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt und lassen sich daher nicht als wahr oder unwahr erweisen (vgl. BVerfG, a.a.O.; BGH, NJW 2009, 1872 Rn. 15; BGH, NJW 2004, 598, 599). Bei Mischtatbeständen, die sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Elemente der Meinungsäußerung oder des Werturteils enthalten, ist ein Herausgreifen einzelner Elemente nicht zulässig. Für die vorzunehmende Abgrenzung ist entscheidend, ob der Tatsachengehalt so substanzarm ist, dass die Äußerung insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens geprägt ist, oder ob die Äußerung überwiegend durch den Bericht tatsächlicher Vorgänge ihre Prägung erfährt und beim Adressaten als Darstellung in die Wertung eingekleideter Vorgänge, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind, verstanden wird (Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Auflage, § 824 Rn. 4). In Fällen, in denen beide Äußerungsformen miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen, ist der Begriff der Meinung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie als Meinung geschützt, und zwar insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufheben oder verfälschen würde (BVerfG, Beschluss vom 4. August 2016, Az.: 1 BvR 2619/13, juris Rn. 13). Die Wahrheit oder Unwahrheit des Tatsachenkerns ist dann im Rahmen der Abwägung der schutzwürdigen Belange der streitenden Parteien zu berücksichtigen (Grüneberg, a.a.O.).
Danach handelt es sich schon bei der lediglich pauschal geäußerten Einschätzung, nach der während einer Pandemie nicht geimpft werden solle, vorrangig um eine Meinung. Die Bekundung wird weder in einen konkreten medizinischen Sachverhalt eingeordnet noch auf andere Weise erläutert und ist einer objektiven Klärung daher nicht zugänglich. Dies gilt ferner erst recht für die keinem Wahrheitsbeweis zugänglichen kommentierenden Fragen der Klägerin, die den gesamten Beitrag wesentlich prägen. Meinungen genießen jedoch den Schutz des Grundrechts des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, ohne dass es darauf ankäme, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational ist. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung einer Person, etwa im Sinne der geänderten Gemeinschaftsstandards der Beklagten durch eine Belästigung oder Beleidigung von Personen aufgrund ihrer Impfentscheidung, im Vordergrund steht, ist die Äußerung nicht mehr gerechtfertigt. Diese Grenze ist vorliegend jedoch nicht überschritten.
Dies gilt gleichermaßen für den am 7. April 2022 gelöschten Beitrag der Klägerin, in dem eine Rede der Politikerin Sarah Wagenknecht im Deutschen Bundestag gezeigt wird, den sie mit dem Zusatz „Sahra Wagenknecht Impflicht in 73 Sekunden auf den Punkt gebracht.“ kommentiert hatte (Klageantrag zu Ziff.17), so dass ihr auch insoweit der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht. Auch wenn dieser Beitrag seit dem 26. April 2022 wieder auf dem klägerischen Account abrufbar ist, nachdem die Beklagte aufgrund des Widerspruchs der Klägerin gegen die Löschung den Beitrag wieder freigeschaltet und die Nutzungseinschränkung aufgehoben hat, ist die im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr durch die einmalige Sperrung indiziert. Sie kann grundsätzlich nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (Grüneberg/Herrler, BGB, 82. Auflage, § 1004 Rn. 32; BGH, NJW 2012, 3781 Rn. 12), die die Beklagte vorliegend nicht abgegeben hat.
Die Androhung der Ordnungsmittel folgt aus § 890 Abs. 2 ZPO.
Soweit die Klägerin die Unterlassung der Beklagten begehrt, sie zu sperren, ohne sie vorab zu informieren und ihr die Möglichkeit zu einer Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen (Klageantrag zu Ziff. 8), ist die Klage hingegen nicht begründet. Wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, ist nicht in allen Fällen eine vorherige Anhörung der Nutzer erforderlich. Zwar ist es im Falle einer (auch vorübergehenden) Sperrung des Nutzerkontos – im Gegensatz zu der Löschung eines Beitrags – zwar grundsätzlich geboten, den Nutzer vor der Durchführung der Maßnahme anzuhören, jedoch bestehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch eng begrenzte, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen näher zu bestimmende Ausnahmemöglichkeiten (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, Az.: III ZR 179/20, juris Rn. 87).
Darüber hinaus ist auch die in der Berufung insoweit hilfsweise erweiterte Klage unbegründet, mit der die Klägerin die Unterlassung begehrt, sie zu sperren, ohne sie vorab über die beabsichtigte Sperrung zu informieren, und ihr die Möglichkeit zur Gegenäußerung mit anschließender Neubescheidung einzuräumen, soweit die Beklagte ihre Maßnahme einzig mit einem Verstoß gegen die vertraglichen Gemeinschaftsstandards begründet und keinen Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften behauptet. Zum einen ist auch diese Antragstellung mit Blick auf konkrete einer Sperrung zugrunde liegende Umstände und die nach den Geschäftsbedingungen zu berücksichtigenden Ausnahmen nicht hinreichend konkretisiert, zum anderen hat die Klägerin insoweit keine im Rahmen des geltend gemachten Anspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr dargelegt, weil nach dem Vorbringen der Parteien nicht davon auszugehen ist, dass die Beklagte das klägerische Konto unter Zugrundelegung ihrer neuen Vertragsbedingungen, die die Rechte der Klägerin entsprechend regeln, bereits gesperrt hat.
Die mit den Klageanträgen zu Ziff. 9 und Ziff. 10 geltend gemachten Auskunftsansprüche stehen der Klägerin ebenfalls nicht zu, da es insoweit an einer Rechtsgrundlage und auch an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt (Senat, Urteil vom 7. August 2023, Az.: 1 U 1/22; Landgericht Bremen, Urteil vom 20. Juni 2019, Az. 7 O 1618/18, juris Rn. 66). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der von der Persönlichkeitsrechtsverletzung Betroffene Auskunft insoweit erlangen kann, als es zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich ist. Die hier von der Klägerin begehrten Auskünfte sind zur Rechtsdurchsetzung jedoch weder geeignet noch erforderlich. Das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien wird durch die festgestellte Verpflichtung der Beklagten zur Freischaltung, Unterlassung der Löschung und Datenberichtigung abschließend geklärt. Für die Rechtsdurchsetzung ist es daher vollkommen unerheblich, ob die Sperrung durch die Beklagte selbst oder in ihrem Auftrag durch einen Dienstleister vorgenommen wurde und ob die Bundesregierung irgendwelche Erklärungen gegenüber der Beklagten hinsichtlich der Löschung von Beiträgen oder der Sperrung von Nutzern abgegeben hat. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Einschaltung eines dritten Unternehmens weitere Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte begründen könnte (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. Mai 2023, Az.: 10 U 24/22, juris Rn. 266 m.w.N.; OLG München, Urteil vom 7. Januar 2020, Az.: 18 U 1491/19 Pre, juris Rn. 149). Vielmehr ergeben sich aus den Geschäftsbedingungen der Beklagten sehr weitgehende Rechte zur Nutzung und Weitergabe der von den Nutzern ihrer Dienste erhobenen Daten und es ist nicht ersichtlich, dass durch die Offenlegung gegenüber beauftragten Unternehmen ein Schaden entstehen könnte (OLG München, Beschluss vom 22. August 2019, Az: 18 U 1310/19 Pre, BeckRS 2019, 26477 Rn. 22). Letztlich können der Klägerin wegen einer von der Beklagten veranlassten Sperrung ihres Profils ausschließlich Ansprüche gegen die Beklagte zustehen, weil alle denkbaren Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche ihre rechtliche Grundlage in dem zwischen den Parteien bestehenden Nutzungsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB haben. Ein etwaiges Verschulden von ihr mit der Vornahme der Sperrung beauftragter Dritter müsste sich die Beklagte nach § 278 BGB zurechnen lassen, weil diese in Bezug auf die ihr obliegende Pflicht, Rücksicht auf die Rechte und Interessen der Klägerin zu nehmen, ihre Erfüllungsgehilfen wären (OLG München, Urteil vom 7. Januar 2020, Az.: 18 U 1491/19 Pre, juris Rn. 151).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich der mit dem Klageantrag zu Ziff. 9 geltend gemachte Anspruch schließlich auch nicht aus Art. 15 DS-GVO. Danach hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob er betreffend den Nutzer personenbezogene Daten verarbeitet hat. Ist dies der Fall, so hat der Nutzer ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und über die Verarbeitungszwecke und die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen. Die Vorschrift enthält verschiedene Anspruchsinhalte: Nach Art. 15 Abs. 1 Hs. 1 DS-GVO besteht ein Anspruch auf Auskunft bzw. eine Bestätigung, ob der Verantwortliche personenbezogene Daten der betroffenen Person überhaupt verarbeitet. Gemäß Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 Teil 1 DS-GVO besteht Anspruch auf Auskunft über die personenbezogenen Daten, die in Bezug auf die betroffene Person vom Verantwortlichen verarbeitet werden. Ferner besteht ein Auskunftsanspruch hinsichtlich der in Art. 15 Abs. 1 a) bis h) DS-GVO im Einzelnen genannten M…-Informationen (Verarbeitungszwecke, Datenkategorien, Empfänger(kategorien), Speicherdauer, Herkunft der Daten etc.) und auf Unterrichtung über geeignete Garantien gemäß Art. 46 DS-GVO im Falle der Datenübermittlung in ein Drittland, Art. 15 Abs. 2 DS-GVO. Zuletzt besteht gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO ein Anspruch auf Zurverfügungstellung einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind. Die von der Klägerin begehrten Informationen sind in diesem Katalog nicht enthalten. Die Anspruchsgrundlage bezieht sich vielmehr auf die Kenntnis von der Verbreitung der eigenen personenbezogenen Daten. Einen solchen Anspruch macht die Klägerin aber gerade nicht geltend; sie möchte vielmehr über die logistische Beteiligung anderer Unternehmen an Kontensperrungen und Beitragslöschungen informiert werden (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 26. Mai 2023, Az.: 10 U 24/22, juris Rn. 267). Sinn und Zweck der Auskunftsrechte des Art. 15 DS-GVO ist es, der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden (so auch BGH, Urteil vom 15. Juni 2021, Az.: VI ZR 576/19, juris Rn. 23). Die Ausübung des Rechts nach Art. 15 DS-GVO soll der betroffenen Person ermöglichen zu überprüfen, ob sie betreffende Daten richtig sind und auch, ob sie in zulässiger Weise verarbeitet werden (EuGH, Urteil vom 4. Mai 2023, Az: C-487/21, juris Rn. 34). Welcher Dienstleister für die technischen Ausführungen bei der Beklagten zuständig ist, ist für diese Rechtsverwirklichung der Klägerin unerheblich.
Schließlich steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Geldentschädigung zu (Klageantrag zu Ziff. 11). Voraussetzung einer Geldentschädigung ist, dass ein Eingriff in das klägerische Persönlichkeitsrecht schwer wiegt und die entstandenen Nachteile nicht hinreichend auf andere Weise ausgeglichen werden können. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Maßgeblich sind vor allem die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, der Anlass und Beweggrund des Handelnden und der Grad seines Verschuldens (BGH, NJW 1996, 1131, 1134, mwN). Die Gewährung des Anspruchs auf eine Geldentschädigung findet ihre sachliche Rechtfertigung in dem Gedanken, dass das Persönlichkeitsrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen anderenfalls ohne ausreichenden rechtlichen Schutz bliebe. Nach diesem Sinngehalt hat der Geldersatzanspruch zurückzutreten, wenn die Verletzung auf andere Weise hinreichend ausgeglichen werden kann, wozu je nach Sachlage eine Unterlassungsverpflichtung von Bedeutung sein kann (vgl. BGH, GRUR 1971, 529, 531). Im vorliegenden Fall wurden Beiträge der Klägerin gelöscht und hierauf Sperrungen ihres Kontos veranlasst, obwohl die zum damaligen Zeitpunkt vereinbarten Gemeinschaftsstandards unwirksam waren. Mit Blick auf die Zielsetzung eines Geldentschädigungsanspruchs ist aber zum einen zu berücksichtigen, dass einige Beiträge unwahre Tatsachenbehauptungen enthielten, an deren Verbreitung von vornherein kein schützenswertes Interesse anzuerkennen ist, und zum anderen, dass einer der beiden auch unter Berücksichtigung der geänderten Vertragsbedingungen zulässigen Beiträge lediglich für einen Zeitraum von 19 Tagen – mit der Folge einer hierauf gestützten vorübergehenden Kontosperrung und einer Erhöhung des laufenden Zählers – gelöscht war. Insgesamt wiegen die mit den streitgegenständlichen Maßnahmen einhergehenden Beeinträchtigungen des klägerischen Persönlichkeitsrechts daher nicht ansatzweise so schwer, dass ein ihr entstandener Nachteil durch eine teilweise obsiegende Entscheidung nicht hinreichend ausgeglichen wäre.
Die Berufung der Klägerin ist schließlich auch unbegründet, soweit das Landgericht ihre Anträge, die sich auf die Markierung ihrer Beiträge mit Anmerkungen zu „Faktenprüfern“ oder „Faktencheckern“ beziehen (Klageanträge zu Ziff. 12 bis 15), zurückgewiesen hat:
Allerdings sind die Klageanträge zu Ziff. 12 (einschließlich des Hilfsantrags) und Ziff. 13 entgegen der Auffassung des Landgerichts zulässig, da die insoweit geltend gemachten Begehren im Rahmen des vor dem Amtsgericht Strausberg geführten Verfahrens, Az.: 25 C 142/21, im einstweiligen Rechtsschutz geltend gemacht worden sind. Der Eingang eines solchen Antrags bei Gericht begründet anderweitige Rechtshängigkeit nur gegenüber anderen Arrest- oder Verfügungsgesuchen, nicht aber im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren (Münchener Kommentar/Drescher, ZPO, 6. Auflage, 261 Rn. 16), da es lediglich der Sicherung des in diesem Verfahren abschließend zu klärenden Anspruchs dient. Der Anspruch, der im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens gesichert werden soll, ist im prozessualen Sinne nicht Streitgegenstand des Verfügungsverfahrens (BGH, NJW 1980, 191).
Mit dem Klageantrag zu Ziff. 12 begehrt die Klägerin allgemein die Unterlassung der Beklagten, ihre Beiträge in irgendeiner Weise zu kommentieren, insbesondere mit Anmerkungen von angeblichen „Faktenprüfern“ oder „Faktencheckern“. Dieser Antrag ist schon deshalb nicht begründet, weil er der Beklagten jede Art von Kommentar zu jeder Art von Beitrag untersagen würde. Dies kommt – unabhängig von den geltenden Vertragsbedingungen – in dieser Form schon mit Blick auf die beiderseitigen vertraglichen Verpflichtungen nicht in Betracht. Soweit die Klägerin diesen Antrag hilfsweise dahingehend eingrenzt, dass ihr zuvor die Möglichkeit der Gegenäußerung gegeben werden müsse, ist der Antrag ebenfalls nicht begründet, weil es sogar im Falle einer vollständigen Sperrung eines Beitrags ausdrücklich nicht zwingend geboten ist, die – grundsätzlich erforderliche – Anhörung vor Durchführung der Maßnahme durchzuführen; ausreichend ist vielmehr, wenn der Netzwerkbetreiber den Nutzern ein Recht auf unverzügliche nachträgliche Benachrichtigung, Begründung und Gegendarstellung mit anschließender Neubescheidung einräumt (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021, Az.: III ZR 179/20, juris Rn. 88; BGH, Urteil vom 29. Juli 2023, Az.: III ZR 192/20, juris Rn. 99). Dies gilt für die weniger einschneidende Kommentierung eines – nach wie vor vollständig abrufbaren – Beitrags erst recht. Im Übrigen hat die Klägerin auch hier die im Rahmen des geltend gemachten Anspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr nicht dargetan, weil nach dem Vorbringen der Parteien nicht davon auszugehen ist, dass die Beklagte seit Vereinbarung ihrer neuen, diese Rechte regelnden Vertragsbedingungen bereits Beiträge der Klägerin kommentiert hat.
Auch mit Blick auf die seitens der Beklagten erfolgten Anmerkungen zu konkreten Beiträgen der Klägerin (Klageanträge zu Ziff. 13 bis 15) ist die Klage nicht begründet. Insoweit handelt es sich um folgende Beiträge:
Ein Bild mit dem Text „Es ist das erste Mal in der Geschichte der Medizin, dass die fehlende Wirkung eines Medikaments auf die Schuld derer geschoben wird, die das Medikament nicht genommen haben“, zu dem die Beklagte unter Hinweis auf eine Faktenprüfung durch Correctiv den Hinweis „Doch, die Covid-19-Impfstoffe schützen wirksam“ hinzugefügt hat. Ferner enthält ihr Kommentar den Hinweis, dass die gleiche Fehlinformation bereits in einem anderen Beitrag von Faktenprüfern geprüft wurde und diese Informationen laut unabhängigen Faktenprüfern nicht auf Tatsachen beruhen (Klageantrag zu Ziff. 13).
Ein von der Beklagten mit dem Hinweis „Fehlinformationen“ gekennzeichnetes Video, in dem ein selbsternannter Erfinder von mRNA-Impfstoffen namens R… M… ausführt, dass Kinder und Eltern nicht von einer Impfung der Kinder gegen COVID-19 profitieren würden und den Kindern im Gegenteil irreparable Schäden durch die Impfung drohten. Die Impfung führe dazu, dass „giftige Spike-Proteine“ im Körper hergestellt würden, die „häufig dauerhafte Schäden an wichtigen Organen der Kinder“ verursachten. Davon betroffen seien das Gehirn, das Nervensystem, das Herz und die Fortpflanzungsorgane. Auch könne der Impfstoff „grundlegende Veränderungen in ihrem Immunsystem auslösen“. Alle diese Schäden seien „irreparabel“. Letztlich seien die mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 geeignet, Schäden zu verursachen, die sich „auf künftige Generationen Ihrer Familie auswirken können“. Dieses Video betitelte die Klägerin mit „Das wichtigste Video für die Gesundheit unserer Kinder & Enkel! R… M… Erfinder der mRNA-Impfung und Pionier auf dem Gebiet, kein ‚Geschwurbel’, kein ‚Aluhutgequatsche’, keine Theorie! Bitte höre Dir das unbedingt an bevor Du DEIN KIND spritzen lässt!“ (Antrag zu Ziff. 14).
Ein von der Beklagten mit dem Hinweis „teilweise falsche Informationen“ gekennzeichnetes Video mit einem Ausschnitt einer Nachrichtensendung des Senders …, in welchem von einer angeblichen Umfrage der …-Zeitung berichtet wird. Diese Umfrage habe ergeben, dass „teilweise mehr als die Hälfte“ der Patienten, die in die Berechnung der Hospitalisierungsinzidenz in Deutschland eingerechnet würden, aufgrund anderer Krankheiten im Krankenhaus seien. Diesen Beitrag kommentierte die Klägerin mit „Ach was? Viele Menschen, die als Corona-Patienten gezählt werden, sind nicht wegen Corona im Krankenhaus!!!“.
Mit Blick auf den Umstand, dass diese auch falsche Informationen über die SARS-CoV-2-Infektion verbreitenden Beiträge nicht entfernt wurden, sondern trotz der seitens der Beklagten angebrachten Kommentierungen aufrufbar sind und insbesondere die Videos nach wie vor angesehen werden können, handelt es sich gegenüber der Löschung um ein milderes Mittel, so dass aus den bereits dargestellten Gründen auch diese Klagebegehren nicht begründet sind. Die Beklagte verfolgt mit der Veranlassung von Faktencheck-Hinweisen nicht zuletzt legitime wirtschaftliche und zudem von ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht gedeckte Interessen, nicht als Verbreitungsplattform für Falschinformationen in Verruf zu geraten, wobei bei der Prüfung, ob das „Anhängen“ solcher Kommentare gerechtfertigt ist, auch das dem allgemeinen Interesse an einem möglichst freien und umfassenden Meinungsaustausch und -wettbewerb dienende Ziel der Beklagten zu berücksichtigen ist, „Echokammern“ und „Filterblasen“ zu vermeiden; dies ist als ein sachlicher Grund für die Einrichtung und Durchführung einer Faktenprüfung anerkannt (OLG Karlsruhe, MMR 2021, 989 Rn. 15; OLG Karlsruhe, MMR 2021, 164 Rn. 95).
Aus den vorstehend dargestellten Gründen ist die Klage allerdings begründet, soweit die Klägerin mit ihrem Klageantrag zu Ziff. 1 in der geänderten Fassung hilfsweise die Berichtigung ihres Nutzerdatensatzes dahingehend begehrt, dass Lösch- und Sperrvermerke aus dem Nutzerdatensatz gelöscht werden und der Zähler, der die den einzelnen Sperren zugrundeliegenden Verstöße erfasst, zurückgesetzt wird, soweit es die hier streitgegenständlichen Verstöße betrifft. Über diesen Hilfsantrag war zu entscheiden, da der Hauptantrag mangels konkreten Vorbringens der Klägerin zu weiteren Lösch- und Sperrvermerken bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit unbegründet ist. Da sich die Unbegründetheit der auf Unterlassung des erneuten Löschens und Sperren gerichteten Klage nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 7. August 2023, Az.: 1 U 1/22) mit Blick auf § 242 BGB ergibt, ist die Zählung der auf die früheren Gemeinschaftsstandards gestützten Vermerke nicht gerechtfertigt. Insbesondere folgt der Senat weder der teilweise vertretenen Auffassung, dass die dokumentierten Sperrungen und Löschungen unabhängig von ihrer Zulässigkeit tatsächlich erfolgt seien, so dass es sich nicht um zu berichtigende Unrichtigkeiten im Sinne des Art. 16 Satz 1 DS-GVO handele (vgl. LG Frankenthal, Urteil vom 8. September 2020, Az.: 6 O 23/20, juris Rn. 60), noch der seitens der Beklagten vertretenen Auffassung, dass ein solcher Anspruch ausscheide, weil das zukünftige Vertragsverhältnis der Parteien durch die als Vertragsverstöße gewerteten Zähler nicht mehr belastet sei, da diese nach einem Jahr verfallen und nicht mehr als solche im Zähler geführt werden würden. Diesem Vorbringen kann nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, dass die einmal als Verstöße gewerteten Zähler die Klägerin tatsächlich zukünftig nicht mehr beeinträchtigen, denn es bleibt unklar, wie diese in der Datenverarbeitung der Beklagten nach Ablauf des Jahres verwertet werden (können). Nach hiesiger Auffassung schuldet die Beklagte vielmehr unmittelbar aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag eine Zählweise, nach der nur solche Sachverhalte erfasst werden, die einen tatsächlichen Verstoß darstellen (Senat, Urteil vom 7. August 2023, Az.: 1 U 1/22, Seite 17; OLG Rostock, MMR 2022, 492 Rn. 25). Da die streitgegenständlichen Beiträge nicht aus anderen Gründen – insbesondere aufgrund strafrechtlicher Erwägungen – unzulässig gewesen sind, ist der Antrag begründet.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht der Klägerin schließlich aufgrund der vertraglichen Regelungen gemäß § 280 Abs. 1 BGB unabhängig von einem vorherigen Verzug ein Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu, so dass sich unter Berücksichtigung der in erster Instanz erfolgten Streitwertfestsetzung ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 1.250,00 € für den Klageantrag zu Ziff. 1 und jeweils einem Streitwert in Höhe von 2.500,00 € für die Klageanträge zu Ziff. 7 und 17 ein der Berechnung erstattungsfähiger Anwaltsgebühren zugrunde zu legender Betrag in Höhe von 6.520,00 € ergibt. Allerdings wurden die entsprechenden Ansprüche mit gesonderten Schreiben geltend gemacht, und zwar die Rücksetzung des Zählers sowie die Unterlassung der Löschung nach Maßgabe des Klageantrags zu Ziff. 7 vorprozessual mit Schreiben der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 2. November 2021, mithin nach Maßgabe des RVG a.F., und die Ansprüche betreffend den dem Klageantrag zu Ziff. 17 zugrunde liegenden Beitrag mit anwaltlichem Schreiben vom 5. Mai 2022. Die Gebühren für die hier maßgeblichen Beträge sind mit der Neufassung zwar unverändert geblieben, aufgrund der getrennten Geltendmachung konnten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ihre Gebühren allerdings gesondert abrechnen, so dass sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 800,40 € ergibt:
Streitwert |
3.750,00 € nach VV RVG a.F. (eine Gebühr: 278,00€) |
1,3fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG |
361,40 € |
Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG | 20,00 € |
Umsatzsteuer anch Nr. 7008 VV € | 61,02 € |
442,42 € |
Streitwert |
2.500,00 € nach VV RVG a.F. (eine Gebühr: 222,00€) |
1,3fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG |
288,60 € |
Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG | 20,00 € |
Umsatzsteuer anch Nr. 7008 VV € | 49,38 € |
357,98 € |
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.