Gericht | AG Oranienburg Einzelrichter | Entscheidungsdatum | 21.11.2023 | |
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Aktenzeichen | 21 C 213/22 | ECLI | ECLI:DE:AGORANI:2023:1121.21C213.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1 Die Beklagten werden verurteilt, gesamtschuldnerisch der Mieterhöhung für die Wohnung …, Haus …, Erdgeschoss, …straße … in …H…, von bisher monatlicher Grundmiete in Höhe von 469,20 Euro auf 536,37 Euro ab dem 01.10.2022 zuzustimmen.
2. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger 159,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2022 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 73 % zu I tragen, die Klägerseite zu 27 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Parteien streiten um Rechtmäßigkeit einer Mieterhöhung in einem Wohnungsmietvertrag.
Die Beklagte zu 2. schloss über die o. g. Mieträume einen Mietvertrag ohne die Geltung von Preisbindungsvorschriften. Der Beklagte zu 1. wurde später in den Mietvertrag aufgenommen. Seit dem 01.09.2019 war eine monatliche Grundmiete in Höhe von 469,20 Euro zzgl. Vorauszahlungen vereinbart. Es handelt sich um eine 2-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 62,66 qm im Erdgeschoss eines Hauses, das im Jahre 1994 erbaut wurde. Die Wohnung hat und hatte ein Bad mit WC ohne Fenster mit mehr als 8 qm Fläche, ein wandhängendes WC mit in der Wand eingelassenem Spülkasten; einen Einbauschrank bzw. einen Abstellraum innerhalb der Wohnung, Rollläden, einen wohnungsbezogenen Kaltwasserzähler, bei dem die Beklagten nicht die Kosten für Miete oder Leasing im Rahmen der Betriebskosten tragen, eine barrierearme Wohnungsgestaltung; einen Energieverbrauchskennwert des Gebäudes von weniger als 100 kWh/qma. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Abreden wird auf den Mietvertrag in der Anlage zur Klageschrift Bezug genommen. Mit Erhöhungsverlangen vom 17.07.2022 forderte die Klägerseite die Beklagten auf, der Anhebung der monatlichen Grundmiete von 469,20 Euro auf 562,06 Euro mit Wirkung ab dem 01.10.2022 zuzustimmen. Darin wurde Bezug genommen auf den Mietspiegel der Stadt H… für das Jahr 2022.
Der Kläger behauptet, 8,97 Euro pro qm netto-kalt entspreche der ortsüblichen Vergleichsmiete. Er ist der Ansicht, als Orientierungshilfe könne der Berliner Mietspiegel zur Spanneneinordnung herangezogen werden. Dazu trägt er vor, das Bad sei mit moderner, gesteuerter Entlüftung ausgestattet, darüber hinaus mit Strukturheizkörpern als Handtuchwärmer. Die Küche sei mit einer Einbauküche mit Ober- und Unterschränken sowie Herd mit Dunstabzug und Spüle ausgestattet. Innerhalb des Gebäudes befinde sich ein abschließbarer, leicht zugänglicher Fahrradabstellraum. In der Nähe befinde sich darüber hinaus ein vermieterseits gestelltes Pkw-Parkplatzangebot, welches ausreichend dimensioniert sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, einer Erhöhung der Netto-Kaltmiete für die von ihnen innegehaltene Wohnung im Haus …straße , … H…, Haus …, EG, Wohnung …, von bisher 569,20 Euro um 92,86 Euro auf 562,06 Euro monatlich zzgl. Umlagen ab 01.10.2022 zuzustimmen,
die Beklagten zu verurteilen, an ihn 220,27 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.12.2022 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie tragen vor, eine Küchenausstattung sei zu Mietbeginn vermieterseits nicht gestellt worden, die Küche sei vielmehr vollkommen leer gewesen.
Es ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugin ... .Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 17.10.2023. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage ist nur wie erkannt begründet, im Übrigen war sie abzuweisen. Dem Kläger steht gegen die Beklagten gem. § 558 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geltenden Mietvertrag ein Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung für die Wohnung auf 536,37 Euro monatliche Grundmiete zu.
Das Mieterhöhungsverlangen des Klägers ist formwirksam. Es ist nach §§ 558 a Abs. 1, 126 b BGB in Textform erklärt und unter Bezugnahme auf den qualifizierten Mietspiegel der Stadt H… für das Jahr 2022 begründet wordän.
Die Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB ist eingehalten worden. Die Miete hat sich nicht um mehr als 20 % innerhalb der letzten drei Jahre erhöht.
Die Mieterhöhung ist in der Sache - im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - gerechtfertigt. Das Gericht geht zunächst davon aus, dass hinsichtlich der Spannwerte des Mietspiegels nach § 558 d Abs. 3 BGB die Vermutungswirkung des § 292 ZPO greift. Nach § 558 d Abs. 3 BGB wird - widerlegbar - vermutet, dass die in einem qualifizierten Mietspiegel enthaltenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben, wenn die Vorschrift des § 558 d Abs. 2 BGB - wie hier - eingehalten wurde. Dem H… Mietspiegel des Jahres 2022 zur Folge gilt für eine Wohnung, welche zwischen dem 03.10.1990 und 31.12.2011 erbaut wurde und die 60 qm bis 80 qm groß ist, ein Mittelwert von 7,96 Euro pro qm netto-kalt. Der untere Spannwert liegt bei 6,95 Euro pro qm netto-kalt und der obere Spannwert bei 8,97 Euro pro qm netto-kalt.
Innerhalb dieser Spanne ist - ausgehend vom Mittelwert - anhand zusätzlicher, qualitativ einzelfallbezogener, den individuellen Wohnwert bestimmender Faktoren, die konkrete ortsübliche Vergleichsmiete im Sinne einer Einzel Vergleichsmiete zu ermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 13.02.2019, VIII ZR 245/17). Die Ermittlung der Einzelvergleichsmiete erfolgt im Rahmen freier tatrichterlicher Schätzung nach § 287 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 ZPO. Die Einordnung innerhalb der Spanne ist eine normative Bewertung, die der Mietspiegel gerade nicht vornehmen kann, da er eine abstrakte generelle Datenbasis darstellt, in die jede Wohnung eingeordnet werden muss. Letztendlich wird also nur vermutet, dass die ortsübliche Vergleichsmiete für die konkrete Vertragswohnung nicht höher als der Oberwert der Spanne und nicht niedriger als der Unterwert der Spanne ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.04.2005, VIII ZR 110/04).
Die Orientierungshilfe des Berliner Mietspiegels zur Spanneneinordnung kann in entsprechender Anwendung als Schätzgrundlage nach § 287 ZPO zur Orientierungshilfe innerhalb der hier vorgegebenen Spanne herangezogen werden. Ein qualifizierter Mietspiegel für die Stadt H… besteht zwar, dieser führt jedoch nicht in vergleichbarer Weise dazu aus, wann eine Mieterhöhung bis zum obersten Wert der Spanneneinordnung gerechtfertigt ist. Danach gilt im Regelfall der Mittelwert des jeweiligen Feldes und die Spannen drücken mögliche Qualitätsunterschiede, nicht erfasste Qualitätsmerkmale oder von der ortsüblichen Vertragsgestaltung abweichende mietvertragliche Regelungen aus. Die Orientierungshilfe des Berliner Mietspiegels zur Spanneneinordnung nennt hingegen konkrete Merkmale, anhand derer die Einordnung der Wohnung innerhalb der Spanne erfolgen kann.
Danach werden fünf Merkmalgruppen unterschieden, die die ortsübliche Vergleichsmiete innerhalb der Spanne - ausgehend vom Mittelwert positiv oder negativ - mit jeweils 20 % für folgende Merkmalgruppen beeinflussen: die Ausstattung des Bades / WC, die Ausstattung der Küche, die Ausstattung der Wohnung, die Ausstattung des Gebäudes sowie das Wohnumfeld. Überwiegen in einer Merkmalgruppe die wohnwerterhöhenden Merkmale, ist ein Zuschlag von 20 % des Unterschiedsbetrages zwischen Mittelwert und Spannoberwert gerechtfertigt. Überwiegen die wohnwertmindernden Merkmale in einer Merkmalgruppe, ist ein Abzug von 20 % des Unterschiedsbetrages zwischen Mittelwert und Spannunterwert angemessen. Das Überwiegen der Merkmale innerhalb einer Gruppe ergibt sich durch einfache Überzahl. Die fünf Merkmalgruppen ergeben in Summe 100 % und werden gegeneinander aufgerechnet.
Unter Zugrundelegung der im Berliner Mietspiegel aufgeführten „Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung“ gilt hinsichtlich der Merkmalgruppen vorliegend folgendes:
Merkmalgruppe 1 (Bad / WC):
Wohnwertmindernd war zu berücksichtigen, dass in dem Bad keine Fenster vorhanden sind, dem steht wohnwerterhöhend die Größe des Bades mit mehr als 8 qm sowie das Vorliegen eines wandhängenden WC's mit in der Wand eingelassenem Spülkasten entgegen. Damit überwiegen die wohnwerterhöhenden Merkmale innerhalb dieser Gruppe.
Merkmalgruppe 2 (Küche):
Diese Merkmalgruppe bleibt neutral. Das Gericht hat davon auszugehen, dass die streitgegenständliche Küche vermieterseits ursprünglich mit Herd und Dunstabzugshaube, Spüle und Kühlschrank ausgestattet war. Von weiterer Kücheneinrichtung, insbesondere Ober- und Unterschränken, konnte das Gericht hingegen nicht ausgehen. Die Beklagten konnten den Nachweis nicht führen, dass zum Zeitpunkt des Mietbeginns keinerlei Kücheneinrichtung vermieterseits gestellt wurde. Sie waren aber aufgrund des Begehungsprotokolls zumindest dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass weder Herd, noch Dunstabzugshaube, Spüle und Kühlschrank vorhanden waren, da diese in dem Begehungsprotokoll ausdrücklich aufgeführt waren. Das aber führt zu einer Umkehr der Beweislast (vgl. Amtsgericht Cham, Urteil vom 05.03.2010, 8 C 647/08). Vor dem Einzug der Beklagten zu 2. in die streitgegenständlichen Mieträume fand eine Wohnungsbegehung statt, in deren Rahmen der Zustand der Räume in einem unterzeichneten Begehungsprotokoll dokumentiert wurde. Darin sind die o. g. Elemente aufgeführt. Auch im Ergebnis der Beweisaufnahme konnte nicht mit der hinreichenden Sicherheit festgestellt werden, dass keine Kücheneinrichtung vorhanden war. Die Zeugin hat zwar bekundet, dabei gewesen zu sein, als die Beklagte zu 2. in die Wohnung im Jahre 2005 eingezogen sei. Sie habe sie damals begleitet, als das Übergabeprotokoll gemacht worden sei. Die Beklagte zu 2. habe eine schwere Zeit - nach der Trennung von ihrem Lebenspartner - gehabt und zunächst eine Wohnung in der H... bezogen, in der sie auch kurz gewohnt habe. Von dort habe sie die Kücheneinrichtung mitgenommen. In der streitgegenständlichen Wohnung sei keine Küchenzeile drin gewesen, es habe sich um eine Wohnküche mit Wohnzimmer in einem Raum gehandelt. Da sei nichts - außer Auslegeware - drin gewesen. Die Zeugin berichtet zwar durchaus detailliert in einigen Elementen, insgesamt hat das Gericht jedoch Zweifel, dass sich die Zeugin an die Einzelheiten der Küchenausstattung - entsprechend den tatsächlichen Gegebenheiten - nach etwa 18 Jahren erinnern kann. Wenn die Beklagte zu 2. die Küche tatsächlich aus ihrer alten Wohnung mitgenommen hatte, mag die Zeugin falsch erinnern, dass sich ursprünglich in der Küche nichts befunden habe. Darüber hinaus ist die Zeugin seit zwanzig Jahren mit der Beklagten zu 2. befreundet, mit Rücksicht darauf bestehen auch Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin.
Dass sich mehr als die o. g. Elemente in der Küche befunden hätten, ist zwar von Klägerseite vorgetragen, aber nicht hinreichend unter Beweis gestellt worden. Das Begehungsprotokoll spricht dabei nur von event. weiterer vorhandener Küchenausstattung, daraus kann kein für die Klägerseite günstiger Schluss gezogen werden. Aufgrund der Küchenausstattung, von der das Gericht im Rahmen der Bewertung auszugehen hat, kann weder von wohnwerterhöhenden, noch von wohnwertmindernden Gegebenheiten ausgegangen werden.
Merkmalgruppe 3 (Ausstattung der Wohnung):
Wohnwerterhöhend wirkt sich das Vorhandensein eines Einbauschrankes bzw. Abstellraumes innerhalb der Wohnung, barrierefreie Gestaltung, aus. Zudem verfügt die Wohnung über Rollläden und einen wohnungsbezogenen Kaltwasserzähler, bei dem die Beklagten nicht die Kosten für Miete oder Leasing zu tragen haben. Damit überwiegen die wohnwerterhöhenden Merkmale der Merkmalgruppe 3.
Merkmalgruppe 4 (Gebäude):
Wohnwerterhöhend ist der Energieverbrauchskennwert mit weniger als 100 kWh/qm a.
Darüber hinaus ist auch der Fahrradabstellraum auf dem Grundstück zu berücksichtigen. Damit überwiegen die wohnwerterhöhenden Merkmale der Merkmalgruppe 4.
Merkmalgruppe 5 (Wohnumfeld):
Zwar hat der Kläger ausgeführt, es gäbe in der Nähe des Gebäudes Pkw-Parkplatzangebote, die von ihm gestellt würden. Nach allgemeinen Regeln ist der Kläger dafür aber darlegungs- und beweispflichtig, das entsprechende Beweisangebot ist der Kläger aber schuldig geblieben. In dieser Merkmalgruppe überwiegen damit weder wohnwerterhöhende, noch wohnwertmindernde Merkmale, so dass diese Merkmalgruppe neutral bleibt.
Im Ergebnis ergibt sich folgender Wert innerhalb der Spanne vom Mittelwert bis zum Oberwert von 7,96 Euro bis 8,97 Euro: 60 % oder 0,60 Euro. Dementsprechend ergibt sich eine ortsübliche Einzelvergleichsmiete in Höhe von 8,56 Euro pro qm netto-kalt. Bei der 62,66 qm großen Wohnung folgt daraus eine monatliche Netto-Kaltmiete in Höhe von 536,37 Euro.
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten haben die Beklagten gesamtschuldnerisch - aufgrund Verzuges und auf Basis eines Streitwertes von bis zu 1.000,- € - zu zahlen. Sie waren zur Zustimmung bis zur erkannten Höhe verpflichtet.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 1.114,32 Euro