Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 7. Senat | Entscheidungsdatum | 24.05.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 7 N 21.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 7 Abs 1 S 3 AufenthG, § 32 Abs 3 AufenthG, Art 23 Abs 1 KiSchÜbk Haag, Art 4b KSÜ, Art 33 KSÜ, § 7 Abs 1 AdVermiG, § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO, § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 124a Abs 4 S 4 VwGO, § 124a Abs 5 S 2 VwGO |
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das den Klägern am 27. Mai 2011, dem Beigeladenen am 30. Mai und der Beklagten am 1. Juni 2011 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Mai 2011 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen die Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 EUR festgesetzt.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, mit dem die Verpflichtungsklage der minderjährigen Klägerin zu 3. auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug gemäß § 32 Abs. 3 AufenthG zu den hier mit Niederlassungserlaubnissen lebenden Klägern zu 1. und 2. im Hinblick auf einen Adoptionsbeschluss des Landgerichts Körfez der Republik Türkei vom 16. Juni 2005 abgewiesen worden ist, hat auf der Grundlage der gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO allein maßgeblichen Darlegungen der Zulassungsbegründung, soweit sie innerhalb der dortigen zweimonatigen Frist nach Zustellung geltend gemacht worden sind, keinen Erfolg.
Die Kläger berufen sich im Begründungsschriftsatz vom 27. Juli 2011 zunächst auf den Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Solche liegen dann vor, wenn eine Rechtssache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Fragestellungen aufwirft, die sich im Zulassungsverfahren nicht abschließend klären lassen, so dass Ausgang des Rechtsstreits offen ist.
Insoweit machen die Kläger zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe in seinem Urteil auf Seite 4 eingangs des letzten Absatzes selbst ausgeführt, die Frage, ob bei Fehlen der Bescheinigung nach Art. 23 Abs. 1 Haager Adoptionsübereinkommen (HAÜ) die Anerkennung der Adoption ohne Weiteres zu versagen sei, sei in der Rechtsprechung ungeklärt. Besondere rechtliche Schwierigkeiten, die im Zulassungsverfahren nicht abschließend zu klären sind und den Ausgang des Rechtsstreits offen erscheinen lassen, werden mit diesem Vorbringen schon deshalb nicht begründet dargelegt, weil das Urteil in unmittelbarem Anschluss hieran ausführt, selbst wenn „daneben eine Anerkennung im Rahmen von … möglich sein sollte, wäre sie im vorliegenden Fall zu versagen“. Dies wird sodann im Einzelnen mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Schutzzweck des Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) begründet. Hierdurch wird die Entscheidung tragend auf diese Begründung gestützt, so dass die Darlegungsanforderungen insoweit erfüllt sein müssen, um den Ausgang des Verfahrens offen erscheinen zu lassen. Das ist durch das weitere Vorbringen der Kläger jedoch nicht dargelegt, wonach es der durch das Verwaltungsgericht nicht erfolgten Klärung bedürfe, ob und inwiefern das in der Bundesrepublik Deutschland am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Kinderschutzübereinkommen (KSÜ), dessen Vertragsstaat auch die Türkei sei, zur Anwendung komme und Rechtsgrundlage für die Visumserteilung sein könne. Zwar sei das KSÜ u.a. auf Adoptionsentscheidungen und Maßnahmen zur Vorbereitung einer Adoption nicht anwendbar, jedoch habe das türkische Gericht mit der Adoptionsentscheidung auch das Sorgerecht übertragen, so dass sich die bisher ungeklärte Frage stelle, ob eine „aufgrund formaler Verfahrensfehler“ nicht anerkennungsfähige Adoptionsentscheidung - wie vorliegend - notwendigerweise das durch das KSÜ vorgesehene zwischenstaatliche Verfahren in Gang setze, indem die Adoptionsentscheidung als ein Ersuchen auf „Einleitung“ des zwischenstaatlichen Verfahrens nach Art. 33 KSÜ ausgelegt werde. Dafür spreche, dass das Adoptionsbedürfnis auch in einem formgerechten Verfahren vor dem türkischen Gericht festgestellt worden wäre und eine zuständige türkische Behörde am Verfahren beteiligt gewesen sei. Zwar sei im Rahmen einer erneuten Durchführung des Adoptionsverfahrens zwecks Heilung der formalen Fehler auch die zuständige deutsche Behörde zu beteiligen, jedoch könne diese auch am KSÜ-Verfahren beteiligt werden, so dass man letztlich schneller und effektiver zum gleichen Ergebnis käme. Die „Erteilung eines Visums für die Dauer des zwischenstaatlichen Verfahrens nach dem KSÜ“ würde auch dem Kindeswohl dienen und sei deshalb „vorzuziehen“.
Hierbei übersehen die Kläger schon, dass streitgegenständlich nicht die „Erteilung eines Visums für die Dauer des zwischenstaatlichen Verfahrens nach dem KSÜ“ ist, d.h. ein Visum zur Einleitung und Durchführung eines zwischenstaatlichen Verfahrens nach Art. 33 KSÜ über die Unterbringung und Betreuung zum Wohl eines Kindes in einem anderen Vertragsstaat, was der Beigeladene in seiner Stellungnahme vom 16. August 2011 zutreffend als Begehren auf Erteilung einer - im Ermessen der Beklagten stehenden - Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ansieht. Vielmehr haben die Kläger mit ihrer Klage im Hinblick auf eine erfolgte Adoption der Klägerin zu 3. durch die Kläger zu 1. und 2. die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung eines Visums „zwecks Kindesnachzugs“ - so der Antrag bei Klageerhebung - bzw. „zum Zwecke des Familiennachzugs“ - so der Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht - geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hat das Begehren zutreffend als Klage auf Visumserteilung zum Kindernachzug nach § 32 Abs. 3 AufenthG - hierbei besteht kein behördliches Ermessen - verstanden und dieses Begehren abgelehnt. Dem sind die Kläger im Rahmen der Zulassungsbegründung auch nicht entgegengetreten. Insofern betrifft dieses Zulassungsvorbringen einen anderen Streitgegenstand (sogen. Trennungsprinzip: vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 4. September 2007 - 1 C 5.09 -, juris Rz. 12, und vom 9. Juni 2009 - 1 C 11.08 -, juris Rz. 13).
Darüber hinaus zeigen die Kläger mit ihren Darlegungen aber auch keine schwierige Rechtsfrage auf, die den Ausgang des Rechtsstreits als offen erscheinen lässt. Denn das KSÜ findet im Verhältnis zur Türkei keine Anwendung, weil sie – entgegen dem Vorbringen der Kläger – nicht Vertragspartei ist (vgl. Internetportal der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, , unter „Other languages“ / „Deutsch“ / „Übereinkommen“ / „34. Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern“ / „Statustabelle“, Stand: 23. Mai 2013; siehe auch BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 – 10 C 4.12 -, juris Rz. 20).
Soweit die Kläger mit derselben Begründung und ohne weitere Differenzierung das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend machen, ist auf die vorangegangenen Ausführungen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu verweisen.
Ferner berufen sich die Kläger zur Zulassungsbegründung auf das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163 f.) und nicht nur die Begründung der angefochtenen Entscheidung oder nur einzelne Elemente dieser Begründung, sondern auch die Richtigkeit des Ergebnisses der Entscheidung derartigen Zweifeln unterliegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. März 2004 - 7 AV 4.03 -, Buchholz 310 § 124 Nr. 33). Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere, jeweils selbständig tragende Gründe gestützt, müssen die Darlegungsanforderungen hinsichtlich jedes einzelnen tragenden Entscheidungsgrundes erfüllt sein.
Hieran gemessen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Soweit die Kläger sich darauf berufen, das angegriffene Urteil gehe nicht auf die Problematik des KSÜ im Hinblick auf das Sorgerecht ein und befasse sich daher nicht mit allen relevanten rechtlichen Gesichtspunkten, ist dem entgegenzuhalten, dass hierfür nach den obigen Ausführungen mangels Geltendmachung eines solchen Begehrens und wegen des sich hieraus auch materiell nicht ergebenden Anspruchs auf Visumserteilung keine Veranlassung bestand. Verfehlt ist auch die Annahme der Kläger, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung ergäben sich daraus, dass das Gericht das Vorliegen besonderer Umstände, die eine Ausnahme begründen würden, verneint habe, ohne dies näher zu begründen. Es habe sich nicht bemüht, solche Umstände, etwa durch Beweisaufnahme, zu erforschen. Dieses Vorbringen verkennt, dass es im Grundsatz dem Betroffenen im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten obliegt, Umstände, die ein ausnahmsweises Abweichen vom Regelfall begründen, darzulegen. Eine Aufklärungspflicht für das Gericht besteht, soweit Beweisanträge nicht gestellt werden, nur dann, wenn sich dies aufdrängt. Das legen die Kläger jedoch selbst nicht dar.
Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 11. März 2013 geltend machen, die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Adoption seien nunmehr „im Nachhinein“ geschaffen worden, insoweit werde auf das Sitzungsprotokoll des Landgerichts Körfez der Republik Türkei vom 21. Januar 2013 verwiesen, so dass nunmehr Heilung eingetreten sei, kann das vorliegend schon deshalb keine Berücksichtigung finden, weil es sich um eine nach Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist eingetretene Änderung der Sachlage handelt. Eine solche vermag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht zu begründen. Im Übrigen weist der Beigeladene zu Recht darauf hin, dass von einer Wirksamkeit bzw. Anerkennungsfähigkeit der Adoption angesichts der hieraus nicht ersichtlichen Beteiligung zuständiger deutscher Behörden nicht auszugehen ist (vgl. auch die Ausführungen des verwaltungsgerichtlichen Urteils auf Seite 4/5).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).