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allgemeines Verwaltungsrecht faktischer Vollzug Herausgabe des (fahrlehrerrechtlichen) Anwärterscheins


Metadaten

Gericht VG Potsdam 3. Kammer Entscheidungsdatum 19.02.2024
Aktenzeichen VG 3 L 47/24 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2024:0219.3L47.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 80 Abs. 5 VwGO

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 18. Januar 2024 gegen Ziffer 2 des Bescheids des Antragsgegners vom 10. Januar 2024 aufschiebende Wirkung hat. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 3 des Bescheids wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der wörtliche Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 18. Januar 2024 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. Januar 2024 wiederherzustellen,

bedarf der Auslegung. Die Antragstellerin möchte erreichen, dass sie erneut die Gelegenheit erhält, eine für die Erteilung einer Fahrlehrererlaubnis erforderliche Lehrprobe abzulegen. Um dieses Ziel – das nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist – zu erreichen, muss sie sich gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. Januar 2024 wenden, dessen Suspendierung sie im hiesigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes begehrt. Darin wurde der Antragstellerin im Bescheidtenor die beantragte Fahrlehrererlaubnis versagt (Ziffer 1) und ihr unter Androhung eines Zwangsgeldes (Ziffer 3) aufgegeben, den ihr erteilten Anwärterschein innerhalb von einer Woche ab Zustellung des Bescheids zurückzugeben (Ziffer 2). Zur Begründung von Ziffer 2 wird im Bescheid ausgeführt, nach § 14 Abs. 1 FahrlG sei die der Antragstellerin am 19. April 2022 erteilte Anwärterbefugnis zurückzunehmen, da die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrlehrererlaubnis nicht vorlägen, weshalb die Antragstellerin zur Aushändigung des Anwärterscheins verpflichtet sei. Ob Ziffer 2 des Bescheids vor dem Hintergrund dieser Begründung auch als Rücknahme der Anwärterbefugnis zu verstehen ist, obwohl dies im Tenor nicht ausdrücklich geregelt ist, kann indes dahin stehen.

Da die Zwangsgeldandrohung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 16 VwVGBbg von Gesetzes wegen sofort vollziehbar ist, ist insoweit ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 18. Januar 2024 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Hinsichtlich der Ziffern 1 (soweit überhaupt Verfahrensgegenstand, s.u.) und 2 dürfte die Antragstellerin ihr Ziel bereits durch Erhebung eines Widerspruchs und den damit eintretenden Suspensiveffekt (vgl. § 80 Abs. 1 VwGO) erreichen. Die aufschiebende Wirkung dürfte insoweit nicht entfallen. Denn diesbezüglich sind die Regelungen – einschließlich einer ggf. erfolgten Rücknahme der Anwärterbefugnis (s.o.) – nicht gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Auch dürfte Ziffer 2 Satz 2 des Bescheids, wonach die Pflicht zur Rückgabe der Erlaubnisurkunde auch gelten soll, wenn die Antragstellerin „Rechtsmittel“ einlegt, eingedenk der Ausführungen des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 6. Februar 2024 nicht als Anordnung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO zu qualifizieren sein. Ob die Formulierung nach dem objektiven Empfängerhorizont entsprechend §§ 133, 157 BGB dennoch dahingehend auszulegen ist, kann letztlich aber dahingestellt bleiben.

Denn der Antragsgegner bringt gleichwohl zum Ausdruck, dass die Antragstellerin trotz Erhebung ihres Widerspruchs gegenwärtig verpflichtet ist, der auferlegten Verpflichtung nachzukommen. Er führt aus, die Formulierung in Ziffer 2 Satz 2 des Bescheids sei vor dem Hintergrund von § 9 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 14 Abs. 4 FahrlG erfolgt, wonach bei „Zurücknahme“ der Anwärterbefugnis der Anwärterschein unverzüglich zurückzugeben sei. Dies lässt sich nur dahingehend interpretieren, dass der Antragsgegner von einem gesetzlich angeordneten Sofortvollzug der Pflicht zur Herausgabe des Anwärterscheins (und der ggf. erfolgten Rücknahme der Anwärterbefugnis) ausgeht. Die Androhung eines Zwangsgeldes in Ziffer 3 bestärkt diese Einschätzung, da eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung einen sofort vollziehbaren Verwaltungsakt voraussetzt. Geht der Antragsgegner irrtümlich von einer sofortigen Vollziehbarkeit aus (sog. faktischen Vollzug), richtet sich der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz auf die Feststellung, dass der Widerspruch aufschiebende Wirkung hat. Allerdings dürfte der Antragsgegner nur von einer sofortigen Vollziehbarkeit von Ziffer 2 Satz 1, nicht aber von Ziffer 1 des Bescheids ausgehen. Für letzteres sind auch angesichts der systematischen Stellung von Ziffer 2 Satz 2 des Bescheids keine Anhaltspunkte ersichtlich. Zugunsten der Antragstellerin ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz daher dahin auszulegen, dass er sich nicht auf die Versagung der Fahrlehrererlaubnis in Ziffer 1 im Bescheid bezieht.

Nach alledem müsste der Antrag der Antragstellerin sinngemäß lauten,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 18. Januar 2024 gegen Ziffer 3 des Bescheids des Antragsgegners vom 10. Januar 2024 anzuordnen und festzustellen, dass der Widerspruch gegen Ziffer 2 aufschiebende Wirkung hat.

Der so verstandene Antrag hat Erfolg.

Der Antrag ist hinsichtlich der Verpflichtung zur Herausgabe der Anwärterbefugnis (Ziffer 2 Satz 1) begründet, weil dem Widerspruch der Antragstellerin – wie aufgezeigt – insoweit aufschiebende Wirkung zukommt.

Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids ist der Antrag ebenfalls begründet, weil die Regelung rechtswidrig ist. Denn es fehlt an einem sofort vollziehbaren Verwaltungsakt, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 VwVGBbg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und entspricht dem hälftigen Auffangstreitwert.