Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 3 U 193/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 06.12.2023
Aktenzeichen 3 U 193/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:1206.3U193.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 21.09.2022, Az. 11 O 435/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Die Berufung hat aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:

1.

Ein Anspruch des Klägers auf Nutzungsentschädigung gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB scheitert bereits an den fehlenden Verzugsvoraussetzungen. Das Schreiben des Klägervertreters vom 10.07.2019 (Anlage K 3) ist - ungeachtet der streitigen Frage, ob dieses der Beklagten zugegangen ist - schon nicht als Verzug begründende Mahnung im Sinne des §§ 286 Abs. 2 BGB zu werten.

Nach § 286 Abs. 1 BGB kommt der Schuldner erst in Verzug, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers nicht leistet, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt.

a)

Das Schreiben des Klägervertreters vom 10.07.2019 konnte die Beklagte ungeachtet des streitigen Zugangs schon deswegen nicht in Verzug setzen, weil die Werkleistung zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig war. Die Parteien hatten keine nach dem Kalender bestimmte Zeit für die Leistung der Beklagten vereinbart. Sind keine Termine oder Fristen vereinbart oder sind sie nachträglich hinfällig geworden, tritt Fälligkeit nach Ablauf der nach den Umständen angemessenen Herstellungsdauer ein (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 631 Rn. 16). Die Beklagte konnte erst nach Erhalt des DEKRA-Gutachtens vom 14.03.2019 überhaupt die nötigen Ersatzteile bestellen. Sie hat die Bestellung noch im März 2019 bei der Firma (X) (einer gängigen Ersatzteillieferantin auch für ausländische Fahrzeuge, für die Ersatzteile nicht in den deutschen Datensystemen Audatex oder DAT gelistet sind) aufgegeben; die Bestellbestätigung erging am 27.03.2019. Daran kann ausweislich der als Anlagen B 1, B 2, B 4 und B 5 vorliegenden Bestellunterlagen und der überzeugenden Aussage des Zeugen N… kein Zweifel bestehen. Die von dem Kläger aufgegriffene Falschbezeichnung „Nissan“ ist angesichts der Identität der bestellten Einzelteile mit den in dem DEKRA-Gutachten genannten unerheblich. Außerdem hat der Kläger selbst mit Schriftsatz vom 25.05.2021 eingeräumt, von der Beklagten am 07.06.2019 die Mitteilung erhalten zu haben, dass die Hinterachse nicht lieferbar sei, was die Beklagte wiederum ihrerseits von ihrem Logistikpartner durch E-Mail vom 20.05.2019 erfahren hatte (Anlage B 7).

Nachdem die Hinterachse über den Logistikpartner nicht lieferbar war, war die Beklagte weder verpflichtet, ein gebrauchtes Ersatzteil über Ebay zu besorgen, noch selbst die Ersatzteile direkt in den USA mit den damit verbundenen Unwägbarkeiten direkt zu bestellen. Denn aus dem Gesetz ergibt sich nicht, ob der Unternehmer oder der Besteller die Materialien oder die für die Herstellung des Werkes erforderlichen Zutaten zu beschaffen hat. Vielmehr ist dies durch Auslegung der getroffenen Vereinbarungen zu ermitteln, wobei sich bei fehlenden ausdrücklichen Vereinbarungen regelmäßig Hinweise aus der Verkehrssitte ergeben (Staudinger/Peters, BGB, Neubearbeitung 2019, § 633 Rn. 118). Zwar war die Beklagte aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen zunächst unzweifelhaft verpflichtet, die Ersatzteile selbst zu beschaffen. Dies beinhaltete aber nicht die Pflicht, auch ungewöhnliche Beschaffungswege zu beschreiten, nachdem die gängige Bestellung über einen Logistikpartner gescheitert war. Weder entspricht es der Verkehrssitte, dass eine typenoffene Reparaturwerkstatt gebrauchte Ersatzteile bei Ebay erwirbt, noch dass sie Ersatzteile für einen zwölf Jahre alten amerikanischen Geländewagen direkt in den USA unter Vorleistung der gesamten Kosten bestellt und die Haftung für damit möglicherweise auftretende Leistungsstörungen übernimmt. Insofern durfte die Beklagte die Fortsetzung der Reparaturarbeiten davon abhängig machen, dass der Kläger die Hinterachse selbst erwirbt und ihr zur Verfügung stellt, wie im Schreiben des Klägervertreters vom 10.07.2019 ausgeführt (Anlage K 3: „Die Reparatur wurde von Ihnen nach wie vor nicht ausgeführt. Als Grund führten Sie an, mein Mandant solle die zu reparierende Hinterachse des Fahrzeugs selbst kaufen.“). Nicht nachvollziehbar ist vor diesem Hintergrund der klägerische Vortrag in der Berufungsbegründung, er habe erst durch das Schreiben vom 27.08.2019 erfahren, dass er selbst die Hinterachse besorgen solle.

Im Übrigen kann aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen N… auch eine diesbezügliche Vereinbarung der Parteien angenommen werden, wie sie der Zeuge N… glaubhaft bekundet hat. Dessen Aussage ist auch nicht durch die gegenbeweislich benannte Zeugin D… widerlegt. Deren Aussage ist nicht belastbar. Denn sie hat behauptet, dem Kläger sei nie mitgeteilt worden, dass die Hinterachse nicht lieferbar sei, obwohl sie nach eigenem Bekunden bei dem Gespräch am 07.06.2019 dabei war, als die Beklagte dem Kläger nach dessen unstreitigem Vortrag genau diese Mitteilung gemacht hat.

Selbst wenn man auch dem nicht folgt, war aber die Fälligkeit der Werkleistung am 10.07.2019 nicht gegeben. Denn die Beklagte hätte selbst dann, wenn sie unmittelbar nach Erhalt der Mitteilung ihres Logistikpartners vom 20.05.2019 die Hinterachse umgehend in den USA bestellt hätte, die Reparatur bis zum 10.07.2019 nicht erledigen können. Legt man nämlich den Vortrag des Klägers zugrunde, wonach die von ihm am 06.09.2019 beauftragte Firma (Y) die Hinterachse am 20.11.2019 bestellt habe und diese am 10.01.2020 geliefert worden sei, ist bei großzügigem Abzug von zwei Wochen für die Feiertage um den Jahreswechsel herum eine Lieferzeit von fünf Wochen und zwei Tagen zu veranschlagen. Hinzu kommen die 11 Tage Reparaturdauer, die die Firma (Y) nach Vortrag des Klägers benötigt hat. Dabei ist aber noch nicht berücksichtigt, dass vor Bestellung der Ersatzteile in den USA eine Nachbegutachtung erforderlich war, wie sich aus dem DEKRA-Gutachten vom 14.03.2019 ergibt, in dem es heißt: „Im Falle einer Schadenerweiterung oder bei Schwierigkeiten der Ersatzteilbeschaffung ist die DEKRA Niederlassung zu benachrichtigen, damit ggf. eine Nachbesichtigung vorgenommen werden kann.“. Nach Vortrag des Klägers wurde die Nachbegutachtung nach Abholung des Fahrzugs am 06.09.2019 durchgeführt und die Reparatur erst am 20.11.2019 freigegeben. Angesichts dieser Umstände war die beauftragte Fahrzeugreparatur am 10.07.2019 noch nicht fällig.

b)

Im Übrigen fehlt es aber auch an einer Mahnung. Denn die für einen Verzug grundsätzlich erforderliche Mahnung muss die bestimmte und eindeutige Aufforderung an den Schuldner enthalten, die geschuldete Leistung zu erbringen; die bloße Aufforderung, sich über die Leistungsbereitschaft zu erklären, reicht nicht aus (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 1749; OLG Brandenburg, NJW-RR 2003, 1515; Grüneberg/Grüneberg, a. a. O., § 286 Rn. 17; BeckOGK/Dornis, BGB, Stand: 01.10.2022, § 286 Rn. 147; MüKo/Ernst, BGB, 9. Aufl., § 286 Rn. 65). Hier hat der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 10.07.2019 lediglich aufgefordert zu erklären, ob sie die übernommenen Reparaturarbeiten durchführen und sich insbesondere auch selbst um die Ersatzteile bemühen wolle.

c)

Selbst wenn man aber das Schreiben vom 10.07.2019 als Verzug begründende Mahnung gelten lassen würde, hat der Kläger den Zugang bei der Beklagten nicht unter Beweis gestellt. Ein Anscheinsbeweis greift bei einfachen Postsendungen nicht, wie das Landgericht bereits unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeführt hat. An dieser rechtlichen Bewertung ändert sich auch nichts in Anbetracht der Teilrechnung der Beklagten vom 12.07.2019. Diese muss nicht zwingend in Reaktion auf das klägerische Schreiben vom 10.07.2019 erfolgt sein.

2.

Ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung gemäß §§ 280 Abs. 1, 281 BGB scheitert hier nicht nur an der bereits erläuterten Vertragstreue der Beklagten, sondern auch an der fehlenden Fristsetzung, wie das Landgericht bereits ausgeführt hat.

3.

Letztlich fehlt es aber auch an einer Darlegung des Nutzungswillens des Klägers, der Voraussetzung für den Anspruch auf Nutzungsentschädigung ist, worauf die Beklagte unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH vom 11.10.2022 - VI ZR 35/22 zutreffend hingewiesen hat.

4.

Die Widerklage ist begründet. Wie das Landgericht bereits unter Bezugnahme auf die einschlägige BGH-Rechtsprechung ausgeführt hat, hat die Beklagte gegen den Kläger einen Anspruch auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, weil diese zur Abwehr der klägerischen Forderung erforderlich war und der Kläger auch erkennen konnte, dass seine Forderung gänzlich unplausibel ist. Der Kläger konnte nicht ernsthaft annehmen, dass nach der unstreitigen Mitteilung der mangelnden Lieferbarkeit der Hinterachse am 07.06.2019 und der ihm bekannten (siehe das Schreiben vom 10.07.2019) und verständlichen Auffassung der Beklagten, diese nicht selbst über Ebay oder direkt in den USA besorgen zu müssen, er einen Anspruch auf Nutzungsentschädidung von täglich 119 Euro für den Zeitraum vom 11.04.2019 bis zum 29.10.2019 haben könnte. Dies gilt umso mehr, als er selbst das Fahrzeug bei der Beklagten erst am 06.09.2019 abholte, ohne dass die Beklagte die Herausgabe zuvor verweigert hätte, und die Ersatzteile nach seinem eigenen Vortrag selbst am 29.10.2019 noch nicht von der anderweitig beauftragten Reparaturwerkstatt bestellt worden waren.

Ob die Beklagte die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bereits beglichen hat, ist ohne Belang. Denn ein Freistellungsanspruch wandelt sich gemäß § 250 S. 2 BGB in einen Zahlungsanspruch des Geschädigten um, sobald der Schädiger - wie hier - jeden Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert (vgl. BGH, NJW 2004, 1868).