Gericht | OLG Brandenburg 3. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 09.01.2024 | |
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Aktenzeichen | 3 U 207/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0109.3U207.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 14.10.2022, Az. 4 O 168/21, abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, den auf dem … See gelegenen Steg, gelegen in südlicher Verlängerung der ...straße, in H… zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
Die Parteien streiten um einen Räumungs- und Herausgabeanspruch betreffend eine Steganlage an der … (… See) in H….
Die klagende Gemeinde hatte am 16.09.1994 die schifffahrtspolizeiliche Genehmigung für den Steg erhalten, wobei zwischen den Parteien unstreitig ist, dass sich diese nur auf den Hauptsteg bezieht.
Am 14.04.2014 schlossen die Parteien den Pachtvertrag (Anl. K2, BI. 7 ff. der Akte), in dessen Präambel folgende Regelung enthalten ist:
„Der Betreiber beabsichtigt, die Steganlage zu erweitern. Die Stromanlage soll erweitert, ein Trinkwasseranschluss gelegt werden. Auch ist die Einrichtung einer Fäkalienentsorgung in der Nähe des Steges geplant.
Die Bau- und Projektunterlagen des vorhandenen Steges sind dem Betreiber bekannt.
An den festen Hauptsteg sollen rechts und links zwei Schwimmstege angefügt werden. In einem ersten Schritt sollen neue technische Einrichtungen für Ver- und Entsorgung geschaffen werden und zwei Schwimmstege am vorhandenen Steg angebaut werden. Soweit hiervon Anliegeplätze am Hauptsteg berührt werden, werden diese an die Schwimmstege verlagert.
Für die geplante Erweiterung des Steges sind verschiedene Genehmigungen und Erlaubnisse erforderlich. Diese wird der Betreiber einholen bzw. beantragen. Solange nicht alle erforderlichen Genehmigungen vorliegen, erfolgt die Betreibung, aber noch keine nachhaltigen Investitionen. Sollten wichtige Genehmigungen nicht zu erhalten sein, kann die Vereinbarung von beiden Seiten zum 31.12.2014 gekündigt werden.“
Der Pachtvertrag wurde für eine Dauer von 15 Jahren abgeschlossen, der Beklagte verpflichtete sich, zunächst eine Jahrespacht i.H.v. 500,00 € zu zahlen, die in der Folge weiter anstieg. Seit dem 01.01.2018 zahlt der Beklagte eine Jahrespacht i.H.v. 1.030,00 €.
Dem Beklagten obliegt im Rahmen des Pachtvertrages die Pflege und Erhaltung des Steges, wozu gemäß § 4 Ziffer 1) des Vertrages auch die Montage, die Demontage, Lagerung und Pflege der Seitenstege gehört.
In § 5 Ziffer 4) des Vertrages heißt es:
„Der Hauptsteg (jetziger Bestand) ist für die Öffentlichkeit zugänglich zu halten, das Hausrecht übt der Betreiber aus. Die neuen Stegteile (Hausbootanleger) können ganz oder teilweise verschlossen werden.“
In § 11 Ziffer 4) des Vertrages heißt es:
„Eine außerordentliche Kündigung ist möglich für die Gemeinde,
a) wenn der Betreiber seinen Investitionsverpflichtungen nicht nachkommt und der Steg am 31.12.2016 nicht gegenüber der Ausgangssituation eine um 45 m verlängerte Anlegefläche aufweist.“
Am 14.02.2017 stellte der Beklagte in der Gemeindevertreterversammlung eine Erweiterungsplanung für den Steg um 96 m vor und bat insoweit um Zustimmung im Hinblick darauf, dass er den Steg anderenfalls wirtschaftlich nicht betreiben könne. Nachdem aus der Gemeinde zunächst Zustimmung signalisiert worden war, sie sich eine Entscheidung aber noch vorbehalten hatten, widersprachen die Gemeindevertreter einem Ausbau um 96 m und stimmten in einer Sitzung am 21.03.2017 einer Verlängerung um 48 m zu.
Im Februar 2018 wurde der Beklagte im Rahmen von Gesprächen mit Vertretern des Landkreises darauf hingewiesen, dass die zu diesem Zeitpunkt ausstehende schifffahrtspolizeiliche Genehmigung nicht ausreicht, sondern auch noch ein Bauantrag zu stellen ist.
Unter dem 07.03.2018 erteilte die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung die Zustimmung zur Erweiterung von acht Stegelementen â 12 m Länge. Ein Ausbau der Steganlage durch den Beklagten erfolgte nicht.
Am 02.08.2018 (Anl. K3, Bl. 11 ff. der Akte) teilte die klagende Gemeinde dem Beklagten mit, dass eine weitere Untätigkeit hinsichtlich der Erweiterung des Steges nicht hingenommen werde und zu erwarten sei, dass die Kündigung des Pachtvertrages wieder auf den Tisch komme.
Hierauf kündigte der Beklagte an, die Klägerin alle vier Monate über den Fortschritt zu unterrichten, was in der Folge nicht geschah. Die Klägerin plante dann in der Folge die Kündigung des Vertrages, woraufhin der Beklagte seinerseits andere Maßnahmen anregte, z.B. den Einbau einer E-Ladesäule.
Am 23.08.2019 schlug der Beklagte eine Erweiterung des Steges durch zwei Schwimmsteg-Elemente mit einer Gesamtlänge von 42 m vor, daraufhin beschloss die Klägerin, die Kündigung auszusprechen.
Mit Schreiben vom 04.09.2019 (Anl. K7, Bl. 14 der Akte) erfolgte die Kündigung des Pachtvertrages unter Berufung auf § 11 Ziffer 4) a. des Pachtvertrages.
Am 20.12.2019 sperrte der Beklagte den Steg und entfernte die Beplankung des Hauptsteges, um Wartungsarbeiten an den PE-Trinkwasserleitungen durchzuführen. Nachdem die Begehbarkeit des Steges bis zum 30.01.2020 nicht wiederhergestellt war, kündigte die Klägerin nach einer Abmahnung vom 20.12.2019 (Anl. K8, Bl. 15 d.A.) das Pachtverhältnis noch einmal fristlos mit Schreiben vom 30.01.2020 (Anlage K 10, Bi. 15 Rückseite d.A.).
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Beklagte sei zur Räumung und Herausgabe des Steges verpflichtet, er habe seine dem Pachtvertrag festgelegten Verpflichtungen nicht erfüllt und insbesondere nicht dafür Sorge getragen, dass der Steg entsprechend den Vorgaben des Pachtvertrages verlängert werde. Daher greife die fristlose Kündigung vom 04.09.2019 durch.
Spätestens mit der weiteren Kündigung vom 30.01.2020 sei das Pachtverhältnis beendet worden, da der Steg entgegen den Vorgaben im Pachtvertrag nicht für die Öffentlichkeit zugänglich gewesen sei. Die vertragliche Regelung sei eindeutig dahingehend, dass die Verpflichtung zeitlich unbeschränkt gelte; der Steg müsse das über ganze Jahr hinweg offengehalten werden.
Die klagende Gemeinde hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, den auf dem H… See gelegenen Steg, gelegen in südlicher Verlängerung der …straße, in H… zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, die Klägerin könne aus der Kündigung vom 04.09.2019 keine Rechte herleiten, diese Kündigungsmöglichkeit sei fast drei Jahre nach Ablauf der im Vertrag gesetzten Frist (31.12.2016) verwirkt. Eine einvernehmliche Verschiebung dieser Frist habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben.
Eine Erweiterung des Steges sei an dem widersprüchlichen Verhalten der Klägerin gescheitert. Der Beklagte habe unmittelbar nach Abschluss des Pachtvertrages mit der Erweiterung und Sanierung der Anlage begonnen. Es seien in der Folge auch Arbeiten ausgeführt worden, dann sei aber die Umsetzung der Planung aus mehreren Gründen ins Stocken geraten. So habe sich herausgestellt, dass der Steg insgesamt gar nicht genehmigt gewesen sei. Er, der Beklagte, habe in der Folge einen Antrag auf Erweiterung der Steganlage gestellt, die eine verlängerte Anlegefläche von 96 m vorgesehen habe. Nachdem die Gemeinde zunächst signalisiert habe, dies so unterstützen zu wollen, sei es dann zu einer Kehrtwende gekommen, dergestalt, dass in der Gemeindevertreterversammlung vom 21.03.2017 lediglich eine Erweiterung des Steges in einer Größe von etwa 48 m genehmigt worden sei. Damit seien die Planung des Beklagten sowie die gestellten Anträge hinfällig gewesen.
Die Kündigung sei auch treuwidrig, der Beklagte habe in den vergangenen Jahren erhebliche Summen in die Anlage investiert.
Soweit die klagende Gemeinde unter dem 30.01.2020 eine weitere Kündigung erklärt habe, könne sie nicht durchdringen, da der Steg in der Vergangenheit in den Wintern regelmäßig demontiert und eingelagert worden sei, was seitens der Klägerin nie gerügt worden sei. Die Aufnahme der Beplankung des Hauptsteges sei erforderlich gewesen, um Rohrleitungen zu überprüfen. Im Übrigen habe die Klägerin selbst in der Zeit um den 05.11.2019 den Seitensteg demontiert, was zwischen den Parteien nicht streitig ist. Der Hauptsteg sei jetzt auch neu montiert worden, die Klägerin weigere sich indes, die Seitenstege wieder anzubringen. Darüber hinaus könne der streitgegenständlichen Regelung im Vertrag auch nicht entnommen werden, dass der Hauptsteg auch im Winter der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen müsse. Die Regelung enthalte insoweit keinen zeitlichen Bezug. Auch verbiete die Klägerin selbst Unbefugten das Betreten der Steganlage.
Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen.
Die ausgesprochenen Kündigungen der Klägerin hätten das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet.
Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Steganlage auf die mit Schreiben vom 04.09.2019 erklärte Kündigung stützt, dringe sie hiermit nicht durch.
Zum Zeitpunkt der von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung habe ein Kündigungsrecht nicht (mehr) bestanden, es sei verwirkt. Maßgeblich sei hierbei, dass es sich bei der von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung um eine fristlose Kündigung handele, die eine Reaktion auf eine (behauptete) Vertragsverletzung seitens des Beklagten darstelle. Ungeachtet des Umstandes, dass es bereits fraglich erscheine, ob überhaupt eine Vertragsverletzung des Beklagten vorliege, der sich um eine Erweiterung der Steganlage bemüht habe, hätte diese Kündigung als Reaktion auf ein vertragliches Fehlverhalten des Beklagten zeitnah nach der behaupteten Vertragsverletzung erklärt werden müssen. Aus dem Pachtvertrag ergebe sich, dass die vereinbarte Erweiterung der Steganlage bis zum 31.12.2016 erfolgen sollte. Die Kündigung sei indes mehr als zweieinhalb Jahre nach diesem Zeitpunkt erklärt worden, sodass sich bereits hieraus ergebe, dass das eventuell bestehende Kündigungsrecht der Klägerin verwirkt gewesen sei. Daher komme es auf die Frage, ob die Klägerin selbst für die Verzögerungen bei der Antragstellung und der nachfolgenden Erweiterung der Steganlage verantwortlich sei oder allein der Beklagte hierfür die Verantwortung trage, nicht an.
Auch die Kündigung vom 30.01.2020 habe das zwischen den Parteien bestehende Pachtverhältnis nicht beendet. Ein Kündigungsgrund, der eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde, liege nicht vor. Die Kündigungserklärung vom 30.01.2020 werde darauf gestützt, dass der Beklagte den Hauptsteg für die Öffentlichkeit trotz entsprechender Aufforderung durch die Klägerin nicht zugänglich gemacht habe.
Aus der durchgeführten Beweisaufnahme ergebe sich zur Überzeugung des Gerichts, dass die Demontage der Steganlage im Winter 2019/2020 erforderlich gewesen sei, um Wartungsarbeiten an der Steganlage, hier genauer an den Leitungen (Wasser- und Abwasserleitung) durchzuführen. Dies ergebe sich aus der glaubhaften Aussage des Zeugen N...
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Das Gericht lasse in seiner Entscheidung offen, woraus es die Verpflichtung der Klägerin abgeleitet habe, zeitnah nach Überschreitung der zum 31.12.2016 vereinbarten Frist die im Vertrag geregelte außerordentliche Kündigung auszusprechen. Auf die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung komme es hier nicht an, da vertraglich geregelt worden sei, unter welchen Voraussetzungen eine außerordentliche Kündigung zulässig sein solle. Deshalb sei nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin zum zeitnahen Ausspruch einer Kündigung verpflichtet sein solle. Diese Ansicht finde weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung Rückhalt.
Dass eine Vertragsverletzung vorliege, sei unstreitig, da der Steg nicht zum vereinbarten Termin erweitert worden sei.
Die Klägerin sei zwar bereit gewesen, im Hinblick auf den erst im Februar 2017 nach Ablauf der Frist vorgelegten Entwurf sich länger zu gedulden. Es seien aber bis zum Sommer 2018 keine zielführenden Bemühungen des Beklagten ersichtlich geworden, die Verpflichtung aus dem Vertrag umzusetzen. Im Sommer 2018 habe die Klägerin zunächst auf eine weitere Vertragsumsetzung gehofft, nachdem der Beklagte zumindest die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung kontaktiert und von dort eine Zustimmung erhalten habe. Im August 2018 sei der Beklagte aber ausdrücklich nochmals darauf hingewiesen worden, dass eine weitere Untätigkeit nicht länger hingenommen werde und gegebenenfalls Konsequenzen gezogen würden, sofern die Umsetzung nicht zügig betrieben werde. Der Beklagte habe aber auch innerhalb des folgenden Jahres keinerlei Aktivitäten mehr entfaltet und stattdessen zweieinhalb Jahre nach Fristablauf lediglich einen weiteren „Vorschlag“ für eine Stegerweiterung gemacht, ohne irgendwelche Schritte hinsichtlich der konkreten Umsetzung unternommen zu haben.
Soweit der Beklagte behaupte, die Steganlage sei nicht genehmigt gewesen, so werde dies bestritten. Auch sei der Einwand nicht relevant, da der Beklagte selbst nicht vortrage, er habe einen Antrag auf Erteilung der Baugenehmigung gestellt und dieser sei mit der Begründung versagt worden, die zu erweiternde Steganlage verfüge über keine Genehmigung.
Soweit das Gericht sich auf Verwirkung des Kündigungsrechts berufe, enthalte das Urteil lediglich Ausführungen zum Zeitablauf, also zum „Zeitmoment“, es fehlten aber jedwede Feststellungen zum „Umstandsmoment“. Anhaltspunkte für die Erfüllung des Umstandsmomentes seien schon deshalb nicht ersichtlich, weil die Klägerin den Beklagten immer wieder darauf gedrungen habe, er möge die Planungen umsetzen und die erforderlichen Anträge stellen und ihn im August 2018 darauf hingewiesen habe, dass sie eine weitere Untätigkeit nicht akzeptieren werde. Es sei dem Beklagten stets bewusst gewesen, dass die Klägerin weiterhin auf die Erfüllung des Vertrags bestehe.
Jedenfalls die Kündigung vom 30.01.2020 sei wirksam gewesen, da der Beklagte seine Pflicht zur Offenhaltung des Steges für die Öffentlichkeit verletzt habe und trotz Abmahnung keine Abhilfe geschaffen habe.
Die Klägerin beantragt unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils,
den Beklagten zu verurteilen, den auf dem H… See gelegenen Steg, gelegen in südlicher Verlängerung der …straße, in H… zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Landgericht habe zutreffend darauf hingewiesen, dass die Kündigung nicht in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der behaupteten Vertragsverletzung ausgesprochen worden sei. Richtig sei weiter, dass es in der Folge keinerlei Abmahnung und keinerlei Nachfristsetzung seitens der Klägerin gegeben habe. Die pauschale Behauptung, man habe mehrfach darauf hingewiesen, dass man das Vertragsverhältnis zu beenden wünsche, könne die notwendigen Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund nicht ersetzen.
Auf die behauptete Vertragsverletzung komme es dabei nicht an. Die weitschweifigen Ausführungen der Klägerin und der erstinstanzliche Vortrag insgesamt belegten bereits, dass die Parteien im Hinblick auf die Umsetzung der Erweiterung der Steganlage in einem engen Kontakt gestanden hätten. Die Entscheidungsfindung bei der Klägerin habe sich schwierig gestaltet. Zudem sei es zwischen den Parteien unstreitig gewesen, dass eine Baugenehmigung für das zu Beginn des Pachtverhältnisses vorhandene „T-Stück“ gefehlt habe.
Die fehlende Genehmigung des ursprünglichen Stegs habe die Planungen des Beklagten erschwert und teilweise blockiert.
Die Umstände, die zu einer Verzögerung der Umsetzung der Stegerweiterung geführt hätten, seien nicht unwesentlich auf das Verhalten der Klägerin selbst zurückzuführen.
Es seit auch zutreffend, dass das Landgericht auch die Kündigung vom 30.01.2020 für unwirksam gehalten habe. Ein Kündigungsgrund, der eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde, habe nicht vorgelegen.
II.
Die nach §§ 516 ff ZPO zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin kann die Räumung des Steges verlangen, da das Mietverhältnis über den Steg wirksam gekündigt worden ist.
Die Kündigung der Klägerin vom 04.09.2019 ist wirksam.
1.
Es bestand nach § 11 Nr. 4 a des zwischen den Parteien bestehenden Vertrages ein Kündigungsgrund.
a)
Vertraglich wurde der Klägerin in § 11 Nr. 4 a des Vertrages ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt, wenn der Beklagte seinen Investitionspflichten nicht nachkommt und der Steg bis zum 31.12.2016 nicht eine gegenüber der Ausgangssituation um 45 m verlängerte Anlegefläche aufweist.
b)
Diese Vereinbarung wurde zu keinem Zeitpunkt (konkludent) abbedungen. Dies scheitert schon an der doppelten Schriftformklausel im Vertrag.
c)
Die Vereinbarung ist wirksam. Es ist zulässig, das - für Mietverträge aller Art in § 543 BGB geregelte außerordentliche Kündigungsrecht aus wichtigem Grund - im Mietvertrag zu präzisieren. Materiell kann das außerordentliche Kündigungsrecht durch eine Spezifikation der wichtigen, zur Kündigung berechtigenden Gründe präzisiert werden. Die Parteien können frei vereinbaren, welche Umstände zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen (Beck OGK, § 314, Rn 25). Auf die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung kommt es dann nicht mehr an.
d)
Die Kündigungsvoraussetzung war (und ist) erfüllt.
Bis zum 31.12.2016 hatte der Beklagte seine Investitionsverpflichtung nicht erfüllt. Eine Verlängerung des Steges gab es zum Stichtag 31.12.2016 und gibt es bis heute nicht.
2.
Die Kündigung ist nicht bereits deshalb unwirksam, weil sie nicht zeitnah zum Eintritt des Kündigungsgrundes, also zeitnah zum 31.12.2016 ausgesprochen worden ist.
Dies ergibt sich nicht aus § 314 Abs. 3 BGB. Dieser ist hier nicht anwendbar.
a)
§ 314 Abs. 2 und 3 BGB regeln die Voraussetzungen, unter denen ein Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, wobei § 314 Abs. 3 BGB besagt, dass der Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen kann, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.
b)
Umstritten ist, inwieweit § 314 Abs. 3 BGB Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens ist und daher auch dann angewendet werden kann, wenn Regelungen zur Kündigungsfrist fehlen bzw. wenn - wie hier der Fall - die Kündigung auf einen Grund gestützt wird, der im Vertrag als Umstand benannt ist, der eine vorzeitige Vertragsbeendigung rechtfertigt, ohne dass es auf die Kündigungsvoraussetzungen des § 314 Abs. 1 BGB oder des § 543 BGB ankommt (Beck OGK, § 314, Rn 89).
c)
Der Bundesgerichtshof hat zwar § 314 Abs. 3 BGB in früheren Entscheidungen bei Gewerbemietverträgen - ohne dies näher zu problematisieren - angewandt (BGH NZM 2007, 400). Eine aktuelle Entscheidung zu Gewerbemietverträgen (oder anderen als Wohnraummietverträgen) des BGH gibt es, soweit ersichtlich allerdings nicht. In einer weiteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu einem Landpachtvertrag (Urteil vom 23.04.2010, WZR 20/09), die einen Landpachtvertrag betrifft, hat der Bundesgerichtshof eine zeitnahe Kündigung für erforderlich gehalten und es offen gelassen, ob dies auf § 314 Abs. 3 oder auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz gestützt werden kann.
d)
Für die Wohnraummiete hat der Bundesgerichtshof aber mit seiner neueren Grundsatzentscheidung vom 13.07.2016 (VIII ZR 296/15) entschieden, dass § 314 Abs. 3 BGB auf die fristlose Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses nach §§ 543, 569 BGB keine Anwendung findet. Die fristlose Kündigung sei für das Mietrecht abschließend - vom Gesetzgeber bewusst - in §§ 543, 569 BGB ohne Verweis auf § 314 Abs. 3 geregelt worden, so dass eine Anwendung des § 314 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sei.
e)
Dieser Entscheidung haben sich in jüngerer Zeit zwei Oberlandesgerichte auch für andere als Wohnraummietverhältnisse angeschlossen (OLG Hamm I -30 U 117/19, Rn 96 ff; ganz aktuell: OLG Celle, Beschluss vom 20.09.2023, 2 U 27/23, Rn 73 ff). Diese Entscheidungen gehen beide davon aus, dass sich der Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus 2016 entnehmen lasse, dass keine Unterscheidung zwischen Wohnraummietverhältnissen und anderen Mietverhältnissen gemacht werden könne (OLG Celle: „Es verbietet sich eine anderweitige Interpretation“).
f)
Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Die Erwägungen des Bundesgerichtshofes aus dem genannten Urteil vom 13.07.2016 unterscheiden nicht zwischen Wohnraummietverhältnissen und anderen Mietverhältnissen. Der Bundesgerichtshof stützt seine Entscheidung auf grundsätzliche Erwägungen, die gleichermaßen für alle Arten von Mietverträgen gelten.
3.
Die Kündigung ist auch nicht aus sonstigen Gründen nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich; es ist auch keine Verwirkung eingetreten. Es fehlt am sogenannten Umstandsmoment.
a)
Bei der Verwirkung müssen neben dem - hier gegebenen Zeitablauf - besondere Umstände - im Verhalten sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten - hinzukommen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (BGHZ 91, 62; 105, 290; BGH NJW-RR 1995, 101; BAGE 97, 326 = BAG NJW 2001, 2907, 2908). Der Berechtigte muss unter solchen Umständen untätig gewesen sein, dass der Eindruck entstehen konnte, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen konnte und ein schutzwürdiges Vertrauen bilden durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (RGZ 158, 108; BGHZ 25, 47, 51f; BGH VersR 1997, 1004; BSG MDR 1997, 951; BGH WM 1999, 796; NJW 2003, 824; 2007, 2183; 2008, 2254 Rn 22; 2014, 1230 Rn 13; 2018, 1013 Rn 22ff; NJW-RR 2018, 579 Rn 20ff; BAGE 97, 326; Haertlein DGVZ 2019, 74, 76ff).
b)
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
aa)
Dass die Klägerin selbst einen erheblichen Anteil an der Verzögerung der Umsetzung des Vertrages hatte, lässt sich nicht feststellen.
Der Beklagte hat zu seinen Aktivitäten bis zum ursprünglich vereinbarten Stichtag (31.12.2016) vorgetragen, er habe bis zum 08.07.2015 den Steg ertüchtigt, dazu parallel die Erweiterung des Steges geplant und am 18.01.2016 auf der Grundlage der Planung einen Antrag auf Zustimmung und Abschluss des Nutzungsvertrages an das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt gestellt. Daraufhin sei die Umsetzung der Planung aus mehreren Gründen ins Stocken geraten, unter anderem sei der Steg entgegen der Präambel der Vereinbarung vom 14.04.2014 nicht umfassend genehmigt gewesen. (Bl 34, 35).
Warum die (etwaige) fehlende Genehmigung des ursprünglichen Steges das Vorhaben entscheidend verzögert haben soll und warum er in der verbleibenden Zeit nicht weiter aktiv werden konnte, erklärt der Beklagte an keiner Stelle nachvollziehbar. Er beruft sich darauf, dass erst wegen der fehlenden Genehmigung des ursprünglichen Steges ein Bauantrag für die Erweiterung erforderlich geworden sei und der ursprünglich am 18.01.2016 gestellte Antrag wegen der fehlenden Genehmigung habe zurückgenommen werden müssen. Dies ist nicht nachvollziehbar und ergibt sich auch nicht aus den eingereichten Unterlagen.
Der Beklagte war selbst von Anfang an verpflichtet, die Baugenehmigung für die Stegerweiterung und etwaige weiter notwendige Genehmigungen einzuholen. Dies ergibt sich aus der Regelung in § 1 Ziffer 3 des Vertrages, in der es heißt:: „Der Betreiber verpflichtet sich, eine Baugenehmigung für eine Stegerweiterung und für Schwimmstege mit Setzung von Dalben, Erneuerung Stromanschluss, Anschluss von Trinkwasser zu stellen. ...“ und aus § 2 Ziffer 1 des Vertrages, der lautet: „Für die Einholung aller erforderlichen Genehmigungen und Gestattungen (WSA, Landkreis - Bau, Wasser, WAV, Fischereigenossenschaft etc.) ist der Betreiber verantwortlich. Die Gemeinde unterstützt ihn im Rahmen ihrer Möglichkeiten“.
Darüber, dass weitere Genehmigungen einzuholen waren, waren sich die Parteien also einig. Die Klägerin hat sich in der Präambel nur auf eine strom- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung für die Steganlage aus dem Jahr 1994 berufen.
Aus dem eigenen Schreiben des Beklagten vom 06.09.2018 (Anlage K 4) an den Amtsdirektor ergibt sich zudem, dass der ursprünglich gestellte Bauantrag des Ingenieurbüros B… „wegen von der Gemeinde geforderten Planungsänderungen an der Steganlage“ zurückgezogen werden musste. Ein Zusammenhang mit einer etwaig fehlenden Genehmigung des ursprünglichen Stegs ist nicht erkennbar.
bb)
Auch aus den Entwicklungen nach Ablauf des ursprünglichen Termins ergibt sich nicht, dass die Geltendmachung des Kündigungsrechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Beklagten als unzumutbar anzusehen ist. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass der Beklagte darauf vertrauen konnte, dass die Klägerin von ihrem Kündigungsrecht keinen Gebrauch mehr machen werde.
Zwar hat sich die Klägerin nach Ablauf des 31.12.2016 zunächst gegen eine Kündigung entschieden, obwohl die Vereinbarung nicht erfüllt war und sich darauf eingelassen, dass der Beklagte auch nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Frist weitere Planungen für die Erweiterung des Stegs vornimmt. Sie war bereit, dem Beklagten mehr Zeit für die Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht zu geben.
Sie hat sich, obwohl die vereinbarte Frist bereits abgelaufen war, in der Gemeindevertreterversammlung vom 14.02.2017 mit der Planung des Beklagten auf eine Erweiterung der Steganlage auf 96 Meter befasst. Sie hat sich aber ausdrücklich vorbehalten, sich auf den Umfang der Erweiterung erst in der nächsten Sitzung vom 21.03.2017 zu einigen (Bl 67) und in der Sitzung vom 21.03.2017 letztlich beschlossen, nur einer Erweiterung um 48 Meter zuzustimmen.
Sofern der Beklagte vor der Beschlussfassung der Gemeindevertretung bereits Planungen für eine Erweiterung auf 96 des Steges vorgenommen hatte und einen Bauantrag hierfür gestellt hat, geschah dies also auf sein eigenes Risiko. Eine Zusicherung der Gemeinde gab es zu keinem Zeitpunkt. Aus dem Protokoll der Sitzung der Gemeindevertretung vom 14.02.2017 ergibt sich, dass die Gemeindevertreter die Beschlussvorlage erst an dem Tag der Sitzung erhalten haben. Ein Kehrtwende der Gemeinde gab es nicht. Spätestens ab dem 21.03.2017 wusste der Beklagte also, dass er weiterhin zur Verlängerung des Steges um 48 Meter verpflichtet war.
cc)
Die Klägerin hat dem Beklagten mit Schreiben vom 02.08.2018 (Anlage K 3) hinreichend deutlich zu verstehen gegeben, dass sie an einer Umsetzung der vereinbarten Verpflichtung festhält und gegebenenfalls von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen werde.
dd)
Der Beklagte hat seinerseits keine konkreten Maßnahmen mehr ergriffen, um das Projekt voranzutreiben und seine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen, so dass er zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung nicht mehr darauf vertrauen konnte, dass die Klägerin von ihrem Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen würde.
Zu Aktivitäten im Jahr 2017 hat er nichts Konkretes vorgetragen. Auch im Jahr 2018 kam es zu keinen konkreten Maßnahmen. Aus dem Schreiben des Ingenieurbüros E… (Anlage B 5) vom 24.09.2019 ergibt sich lediglich, dass der Beklagte Anfang des Jahres mit diesem Kontakt aufgenommen hat, es aber wegen der hohen Arbeitsbelastung erst Mitte des Jahres 2018 zu Besprechungen gekommen ist und man sich Endes des Jahres wegen der Erkrankung des Statikers darauf geeinigt hat, das Auftragsvolumen auf naturschutzrechtliche Belange aus dem Bauantrag zu reduzieren. Aus dem Schreiben der Dipl. Ing. I… T… vom 30.07.2019 ergibt sich nur, dass diese dem Beklagten ein Angebot zur Erstellung der Planungsunterlagen erstellt hat. Dass der Beklagte tatsächlich Planungsaufträge erteilt hat, ergibt sich aus den Unterlagen nicht und hat er auch nicht vorgetragen.
Der Beklagte hat auch, anders als in seinem Schreiben vom 06.09.2018 (Anlage K 4) mitgeteilt, seine Ankündigung, der Klägerin im Abstand von 4 Monaten einen Tätigkeitsbericht zukommen zu lassen, nicht umgesetzt.
Auch im Jahr 2019 hat er keine Aktivitäten zur Verlängerung des Steges entsprechend der getroffenen Vereinbarung entfalten.
Seinem Schreiben vom 16.08.2019 (Anlage K 5) sind Pläne zur Installation einer Elektroladesäule oder einer Photovoltaikanlage zu entnehmen, aber keinerlei Vorschläge für eine Umsetzung der bestehenden Verpflichtung. Der letzte abgeänderte Vorschlag vom 23.08.2019 - eine Erweiterung mit zwei Schwimmstegelementen mit 42 Metern Längen - entspricht ebenfalls nicht der getroffenen Vereinbarung und zeigt auf, dass der Beklagte eine Umsetzung dieser Vereinbarung nicht betrieb.
ee)
Insgesamt ergibt sich aus dem vorgelegten Schriftverkehr, dass der Beklagte in dem Wissen, dass die Klägerin weiterhin auf eine Umsetzung der vertraglichen Vereinbarung bestand, diese hingehalten hat, ohne dass er das Projekt konkret vorangetrieben hat.
Unter diesen Umständen kann er sich auf eine Verwirkung des Kündigungsrechts nicht berufen. Ein schutzwürdiges Vertrauen drauf, dass die Klägerin auch in Zukunft diesen Zustand weiterhin hinnehmen werde und von ihrem bereits entstandene Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen werde, ist bei ihm nicht entstanden.
4.
Da bereits die Kündigung vom 04.09.2019 das Vertragsverhältnis beendet hat, kommt es auf die weitere Kündigung vom 30.01.2020 nicht mehr an.
5.
Eine weitere Schriftsatzfrist zu den Erörterungen im Senatstermin vom 07.11.2023 war dem Beklagten nicht zu erteilen. In dem Termin erfolgten keine Hinweise, auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat oder den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien (§ 139 Abs. 2 ZPO). Der Senat hat darauf hingewiesen, dass er Zweifel an einer Verwirkung des Kündigungsrechtes der Klägerin habe.
Die Frage, ob das Kündigungsrecht bereits wegen des Zeitablaufs verwirkt war, wie das Landgericht seinem Urteil zugrunde gelegt hat - oder zusätzlich das „Umstandsmoment“ vorliegen musste, war zentraler Gegenstand des Berufungsangriffs. Gleiches gilt für die Frage, ob und welche Aktivitäten der Beklagte bis zum Ausspruch der Kündigung zur Umsetzung der vertraglichen Verpflichtung entfaltet hat und ob sich aus dem Verhalten der Gemeinde ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Beklagten entwickelt haben könnte. Dies alles war Gegenstand der zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO, § 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.