Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 08.06.2023 | |
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Aktenzeichen | VG 6 K 1298/20 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2023:0608.6K1298.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 4 Abs. 1 RBStV, § 4 Abs. 6 RBStV, II § 7 SGB, § 75 VwGO, WoGG |
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin wehrt sich gegen die Heranziehung zu Rundfunkbeiträgen durch den Beklagten und begehrt vom Beklagten zugleich die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht.
Die am 1_____ 1979 geborene Klägerin wird beim Beklagten zur Rundfunkbeitragsnummer 2_____ als Inhaberin einer Wohnung geführt.
Sie war zuletzt bis zum 30. September 2014 und wieder ab 1. Juni 2017 wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II von der Rundfunkbeitragspflicht befreit. In der Zeit von Oktober 2014 bis Mai 2017 hat die Klägerin an den Beklagten keine Rundfunkbeiträge gezahlt.
Unter dem 24. Oktober 2014 stellte die Klägerin einen Antrag auf Fortsetzung der Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ab Oktober 2014, da sie seit dem 1. Oktober 2014 Auszubildende an der M_____ in C_____sei. Da es sich hierbei um eine schulische Ausbildung handele, erhalte sie keine Ausbildungsvergütung. Aufgrund ihres Alters erhalte sie aber auch kein BAföG. Wegen ihrer besonderen Situation als Geringverdienern sei ihr die Befreiung zu gewähren.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2015 lehnte der Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ab. Zur Begründung führte er aus, dass eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) nur für folgende Personenkreise, nämlich für Sozialhilfeempfänger, für Empfänger von Grundsicherung, für Empfänger von Arbeitslosengeld II und/oder Sozialgeld, für Empfänger von Asylbewerberleistungen, für BAföG-Empfänger, die nicht bei ihren Eltern wohnten, für Empfänger von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB), die nicht bei ihren Eltern wohnten, für Empfänger von Ausbildungsgeld nach §§ 122 ff. des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches, die nicht bei ihren Eltern wohnten, für Sonderfürsorgeberechtigte nach § 27e des Bundesversorgungsgesetzes, für Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem 12. Buch des Sozialgesetzbuchs oder dem Lastenausgleichsgesetz, für Volljährige, die in einer stationären Einrichtung nach § 45 des Achten Buchs des Sozialgesetzbuchs lebten sowie schließlich für Empfänger von Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches möglich sei. Die von der Klägerin eingereichten Unterlagen wiesen nicht nach, dass die Klägerin, ihr Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner oder ein Mitbewohner zu einem der oben genannten Personenkreise gehören würden. Somit seien die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nicht erfüllt.
Mit Schreiben vom 5. August 2015 erhob die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 31. Juli 2015 Widerspruch. Zur Begründung führt sie aus, dass sie eine schulische Vollzeitausbildung absolviere. Für diese Ausbildung sei aktuell kein Ausbildungsgeld vorgesehen, die Ausbildung sei nur durch BAföG förderbar. Nach Stellung eines BAföG-Antrages, sei der Klägerin vom BAföG-Amt mitgeteilt worden, dass das 30. Lebensjahr die Förderobergrenze darstelle. Da die Klägerin bereits über 30 Jahre alt sei, habe sie diese Höchstgrenze bereits überschritten, wodurch sie aufgrund ihres Alters keinen Anspruch auf BAföG-Leistungen habe. Ihre Ausbildung wäre ausschließlich von ihr durch einen Nebenjob selbst zu finanzieren. Ihr selbst stünden monatlich weniger Mittel zur Verfügung als einem Hartz-IV-Empfänger. Es sei für die Befreiung von der Rundfunkgebühr weniger entscheidend welcher Personengruppe man im Einzelnen zugerechnet werde, sondern vielmehr, wie die tatsächliche finanzielle Situation gestaltet sei. Sie beziehe Wohngeld.
Mit Bescheid vom 20. November 2015 lehnte der Beklagte den klägerischen Antrag vom 5. August 2015 auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ab. Der Beklagte habe das Schreiben der Klägerin vom 5. August 2015, mit dem diese Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 31. Juli 2015 erhoben hatte, zugleich als Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aufgrund einer besonderen Härtefalls nach § 4 Abs. 6 RBStV verstanden. Nach Prüfung der besonderen Umstände des klägerischen Einzelfalles lassen sich die Annahme eines besonderen Härtefalls nicht rechtfertigen. Die Härtefallregelung nach § 4 Abs. 6 S. 1 RBStV stelle keinen Auffang- oder Umgehungstatbestand für die allgemeinen Befreiungsvoraussetzungen dar. Das bedeute, dass Personen, die grundsätzlich einen Anspruch auf eine der in § 4 Abs. 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag genannten sozialen Leistungen hätten, diese Leistungen aber aufgrund der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen nicht erhielten, auch keinen Anspruch auf Befreiung nach der Härtefallregelung hätten. Allein der Umstand, dass die Klägerin über geringes Einkommen verfüge, sei keine Voraussetzungen für eine Befreiung nach der Härtefallregelung nach § 4 Abs. 6 S. 1 RBStV. Auch eine Härtefallbefreiung nach § 4 Abs. 6 S. 2 RBStV komme nicht in Betracht, da der Klägerin die BAföG-Leistung nicht wegen Überschreitung des Einkommens verwehrt worden sei.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 erhob die Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten vom 20. November 2015 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass sie aufgrund ihres geringen Einkommens von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien sei. Andere Personengruppen wie etwa Hartz-IV-Empfänger, Auszubildende mit Ausbildungsvergütung usw. könnten problemlos die Befreiung beantragen.
Mit Schreiben vom 14. April 2016 beantragte die Klägerin erneut die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht. Grund hierfür sei ihre finanzielle Situation, da sie zurzeit Auszubildende ohne Ausbildungsvergütung sei.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2016 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 14. April 2016 auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ab. Zur Begründung wiederholte er im Wesentlichen sein Vorbringen in den vorhergehenden Ablehnungsbescheiden.
Mit Schreiben vom 22. Juli 2016 erhob die Klägerin auch gegen den letztgenannten Bescheid Widerspruch. Sie führt aus, dass sie nach wie vor eine schulische Ausbildung absolviere. Die Ausbildung sei unentgeltlich. Zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes gehe sie nach der Schule arbeiten. Ihr monatliches Nettogehalt betrage 649,07 €. Ihre Miete betrage 402,00 €. Sie erhalte als kleine Unterstützung Wohngeld. Die Befreiung von der Rundfunkgebühr sei für Menschen mit geringem Einkommen eingeführt worden. Auch wenn die Klägerin nicht zu den vom Beklagten genannten Personengruppen gehöre, verfüge sie nachweislich über ein sehr geringes Einkommen. Dieses wesentliche Tatbestandsmerkmal setze ihre finanzielle Situation der Situation von Empfängern von Arbeitslosengeld II grundsätzlich gleich. Die klägerische Situation sei ein Härtefall. Hinzu komme, dass die Klägerin wegen der Besonderheiten ihrer Ausbildung mit Hinblick auf grundsätzliche Anwesenheitspflichten und Erfüllung von Ausbildungszeiten hinsichtlich ihrer Finanzierungsmöglichkeiten anders als Studenten eingeschränkt sei, da sie nur am Nachmittag bzw. am Abend nach der Schule arbeiten könne. Im Übrigen gehörten zu den vom Beklagten aufgeführten beitragsbefreiten Personen auch Auszubildende mit Ausbildungsvergütung. Die Alternative zu ihrer Situation sei letztlich ihre Ausbildung hinzuschmeißen und Hartz IV zu beantragen.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2016 sowie 2. Dezember 2016 erinnerte der Beklagte die Klägerin an die Zahlung der Rundfunkbeiträge.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2017 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für einen Zeitraum von Oktober 2014 bis November 2016 Rundfunkbeiträge hinsichtlich einer Wohnung in der H_____ in Höhe von insgesamt 457,28 Euro zusammen mit einem Säumniszuschlag in Höhe von 8,00 € fest.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 22. Februar 2017 Widerspruch. Zur Begründung führt sie ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen aus, dass letztlich nicht nachvollziehbar sei, weshalb Empfänger von Wohngeld bei der Berechnung durch den Beklagten nicht berücksichtigt würden. Vor dem Hintergrund der dargestellten finanziellen und wirtschaftlichen Situation, sei die Erhebung von Beiträgen in ihrem Fall nicht gerechtfertigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2017 wies der Beklagte die klägerischen Widersprüche gegen seine Ablehnungsbescheide vom 31. Juli 2015, vom 20. November 2015 sowie vom 30. Juni 2016 zurück. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht natürlicher Personen seien in § 4 RBStV geregelt. Eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 RBStV sei an den Empfang bestimmter sozialer Leistungen gebunden oder für den Personenkreis taubblindender Menschen möglich. Einen allgemeinen Befreiungstatbestand „geringes Einkommen“ sehe das Gesetz nicht vor. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) RBStV könnten nicht bei den Eltern wohnende Empfänger von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz von der Rundfunkbeitragspflicht befreit werden. Einen Nachweis darüber, dass der Klägerin für den beantragten Zeitraum Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gewährt worden seien, er nicht erhalten. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) RBStV könnten nicht bei den Eltern wohnende Empfänger von Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches von der Rundfunkbeitragspflicht befreit werden. Einen Nachweis darüber, dass die Klägerin für den beantragten Zeitraum Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches gewährt worden sei, habe er ebenfalls nicht erhalten. Die übersandten Wohngeldbescheide als Nachweis einer Bedürftigkeit im Sinne des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages reichten nicht aus. Die Bewilligung des Wohngeldes beruhe nicht auf einer gesetzlichen Grundlage, die der Gesetzgeber als Befreiungsvoraussetzung festgelegt habe. Im Gegensatz zu den in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen diene das Wohngeld nicht der Bedarfsdeckung, sondern werde als Zuschuss zu den Aufwendungen für den Wohnraum zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen Wohnens gewährt. Einem befreiungsberechtigten Personenkreis nach § 4 Abs. 1 RBStV sei die Klägerin damit nicht zuzuordnen. Einen Nachweis darüber, dass der Klägerin eine der anderen § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen gewährt worden sei, sei beim Beklagten nicht eingegangen. Auch seien hierfür keine Anhaltspunkte ersichtlich. Nach § 4 Abs. 6 S. 1 RBStV könne die Rundfunkanstalt unbeschadet der Beitragsbefreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV in besonderen Härtefällen von der Rundfunkbeitragspflicht Befreiung. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber nicht alle Studenten und Auszubildende, die in der Regel über geringe finanzielle Mittel verfügten, in den Kreis der Befreiung berechtigt nach § 4 Abs. 1 RBStV aufgenommen habe, sondern nur BAföG-Empfänger, die nicht bei den Eltern leben, und nicht bei den Eltern wohnende Empfänger von Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Dritten Buch des Sozialgesetzbuches, ergebe sich, dass der Gesetzgeber hier eine differenzierte Regelung habe treffen wollen. Hilfebedürftigen, die im Rahmen einer Ausbildung nicht nach dem dafür vorgesehenen Leistungsgesetz gefördert würden, sei es zuzumuten, sich entweder selbst zu helfen oder von ihrer Ausbildung ganz oder vorübergehend Abstand zu nehmen, um durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ihre Hilfebedürftigkeit abzuwenden. Gemäß § 4 Abs. 6 S. 2 RBStV liege ein besonderer Härtefall insbesondere dann vor, wenn eine Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 RBStV in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt worden sei, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrages überschritten. Dass der Klägern Sozialleistungen aus diesem Grund versagt worden seien, habe sie nicht nachgewiesen. Die Annahme eines besonderen Härtefalles lasse sich im hiesigen Fall nicht rechtfertigen. Das bestehende öffentliche Interesse an der Erhebung aller der Rundfunkanstalt zustehenden Rundfunkbeiträge gehe daher dem Interesse der Klägerin an der Befreiung von der Beitragspflicht vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2017 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Festsetzungsbescheid vom 1. Februar 2017 zurück. Zur Begründung seiner Widerspruchsentscheidungen führt der Beklagte aus, dass Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags der RBStV sei. Im privaten Bereich sei für jede Wohnung von deren Inhaber, vorbehaltlich der Regelungen des § 4 RBStV, ein Rundfunkbeitrag gemäß § 2 Abs. 1 RBStV zu entrichten sei. Die Klägerin sei Inhaberin einer Wohnung, aktuell unter der Anschrift „H_____“, und daher zur Zahlung der Rundfunkbeiträge für die Wohnung verpflichtet. Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 RBStV sowie nach § 4 Abs. 6 RBStV lägen nicht vor. Sowohl Höhe als auch Fälligkeit des Rundfunkbeitrages seien gesetzlich geregelt. Auch sei die zugleich erfolgte Festsetzung der jeweiligen Säumniszuschläge rechtmäßig.
Mit ihrer am 29. September 2017 zur Niederschrift in der Rechtsantragsstelle erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung führt sie ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen aus, dass sie nach dem zum 1. August 2014 zur Aufnahme einer schulischen Vollzeitausbildung eine m_____von P_____ gezogen sei und eine Ausbildungsvergütung für diese Ausbildung von Seiten des Ausbildungsträgers nicht vorgesehen sei, sie sich eine Förderung bemüht habe. Vor diesem Hintergrund habe sie am 8. Juli 2014 einen Antrag auf BAföG beim Amt für Ausbildungsförderung in P_____gestellt. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2017 sei der Antrag mit der Begründung abgelehnt worden, dass die Klägerin bereits das 30. Lebensjahr vollendet habe. Zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes arbeite die Klägerin seit dem 1. August 2015 in der Kinder- und Jugendhilfe. Ebenfalls im August 2014 habe die Klägern einen Antrag auf Arbeitslosengeld II, der für die Zeit ab der Ausbildungsaufnahme, d. h. am 1. Oktober 2014 nicht genehmigt worden sei. Als Begründung des Jobcenters sei die Ausbildungsaufnahme zum 1. Oktober 2014 angeführt worden. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum Auszubildende mit Ausbildungsvergütung zu den Personengruppen bestimmt worden seien, die eine Beitragsbefreiung erhielten und Auszubildende ohne Ausbildungsvergütung, bisher davon ausgenommen seien und somit bisher keine Beitragsbefreiung erhalten hätten, obwohl sich die finanzielle, wirtschaftliche und somit auch die soziale Wirklichkeit von Auszubildenden ohne Ausbildungsvergütung durch die die Ermangelung der monatlichen Ausbildungsvergütung Zahlung wesentlich unsicherer und eingeschränkter gestalte. Die prinzipielle Schlechterstellung der Auszubildenden ohne Ausbildungsvergütung widerspreche der sozialen Werteorientierung der Verfassung unserer demokratischen Gesellschaft. Es müsse auf die tatsächliche finanzielle, wirtschaftliche und soziale Wirklichkeit des jeweiligen Auszubildenden abgestellt werden. Im Übrigen spreche der Wortlaut des § 4 Abs. 6 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vorliegend für eine Befreiung aufgrund eines Härtefalles. Bereits aus dem der Pluralbildung des Wortes „Härtefälle“ folge, dass neben der im Gesetzestext angegebenen Möglichkeit eines Härtefalles, andere Varianten von Härtefällen durch § 4 Abs. 6 RBStV eingeräumt würden. Das reguläre Einkommen der Klägerin habe dem eines Arbeitslosengeld-II- Beziehers entsprochen, da ihr Einkommen, abhängig vom Gehaltszeitraum, entweder unwesentlich über den Leistungen von Arbeitslosengeld II oder unterhalb der Leistungen von Arbeitslosengeld II gelegen habe. Zudem habe das Bundesverwaltungsgericht eine richtungsweisende Entscheidung zu einem vergleichbaren Sachverhalt getroffenen, wonach die Landesrundfunkanstalten Anträge auf Befreiung im Härtefall von einkommensschwachen Personen, die eine zu Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt vergleichbare Bedürftigkeit aufwiesen, prüfen müssten und nicht bloß aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung nach ihren Katalogtatbeständen entscheiden dürften. Nach dieser Entscheidung seien nunmehr die tatsächlichen finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse des einzelnen Antragstellers auf Befreiung im Härtefall maßgeblich. Der Sachverhalt der dortigen Klägerin entspreche grundlegend der hiesigen Situation, da die Klägerin als Auszubildende ohne Ausbildungsvergütung nur dem Grunde nach BAföG berechtigt und ebenso einkommensschwach gewesen sei. Die von der Klägerin bei der Rundfunkanstalt eingereichten Unterlagen wie etwa Wohngeldbescheide seien bisher nur unter dem Aspekt der Katalogbestände des Beklagten betrachtet worden, nicht aber unter der Vorgabe der vergleichbaren Bedürftigkeit. Erfasse aber die zu erteilende Befreiung rückwirkend einen Zeitraum, für den die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt bereits rückständige Rundfunkbeiträge festgesetzt habe, sei diese verpflichtet, den jeweiligen Festsetzungsbescheid insoweit aufzuheben.
Während des anhängigen Gerichtsverfahrens setzte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Juni 2019 gegenüber der Klägerin Rundfunkbeiträge für einen Zeitraum von Dezember 2016 bis Mai 2017 in Höhe von 105,00 € zusammen mit einem Säumniszuschlag in Höhe von 8,00 € fest, gegen den die Klägerin mit Schreiben vom 29. Juni 2019 Widerspruch und mit beim Gericht am 4. Juli 2019 eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben hat. Der Beklagte hat über den Widerspruch noch nicht entschieden.
Die Klägerin beantragt zuletzt schriftsätzlich (sinngemäß),
1. den Beklagten unter Aufhebung seiner Ablehnungsbescheide vom 31. Juli 2015, vom 20. November 2015 sowie vom 30. Juni 2016 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2017, zu verpflichten, die Klägerin von der Rundfunkbeitragspflicht in der Zeit von Oktober 2014 bis Mai 2017 zu befreien;
2. den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2017 aufzuheben sowie
3. den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 4. Juni 2019 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist dem klägerischen Vorbringen entgegengetreten und verweist zunächst inhaltlich auf die Ausführungen in seinen Widerspruchsbescheiden. Ergänzend führt er aus, dass unter Berücksichtigung der Erkenntnisse des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2019 in Hinblick auf die Auslegung der Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 S. 1 RBStV die Klägerin nicht von ihrer Rundfunkbeitragspflicht zu befreien sei. Es handele sich vorliegend um keinen Härtefall im Sinne der Vorschrift. Ausschließlich diejenigen Beitragsschuldner, die nachgewiesenermaßen aus einem anderen Grund als fehlender Bedürftigkeit aus dem System der Befreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV herausfielen, hätten einen Anspruch auf Bedürftigkeitsprüfung und gegebenenfalls Befreiung nach § 4 Abs. 6 S. 1 RBStV. Der Schutz des Existenzminimums könne dann einen besonderen Härtefall rechtfertigen, wenn Beitragsschuldner, die ein den Regelleistungen entsprechendes oder geringeres Einkommen hätten, nicht auf verwertbares Vermögen zurückgreifen könnten, aber von der Gewährung der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen mangels Vorliegen der Voraussetzungen ausgeschlossen seien. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Härtefallregelung des § 4 Abs. 6 RBStV nicht derart aufgeweicht, dass zukünftig allein der Nachweis eines geringfügigen Einkommens zur Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht genügen solle. Es verpflichte gerade nicht Beitragsschuldner von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien, nur weil sie per se ein geringfügiges Einkommen hätten. Vielmehr bedürfe es einer Härtefallprüfung durch den Beklagten nur für den Fall, dass der Beitragsschuldner nachgewiesen habe, dass die Voraussetzungen zur Gewährung eine Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 RBStV bei ihm nicht vorlägen, dass ihm zur Verfügung stehende Einkommen jedoch den Regelleistungen nach den §§ 27 ff. SGB II entspreche oder diese unterschreite und er über kein weiteres verwertbares Vermögen im Sinne des § 90 SGB XII verfüge. Eine Bedürftigkeitsprüfung sei demnach nur bei den Antragstellern vorzunehmen, die nachweisen könnten, dass sie trotz Bestehen der Bedürftigkeit von dem Bezug eine Sozialleistung nach § 4 Abs. 1 RBStV ausgeschlossen seien, also aus einem anderen Grund als dem der fehlenden Bedürftigkeit aus dem System der Befreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV herausfielen. Dies könne etwa bei einem Studenten eines Zweitstudiums der Fall sein. Der Nachweis des Herausfallens aus dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 RBStV sei weiterhin durch Vorlage des ablehnenden Bescheides der Behörde zu führen. Hierdurch werde weiterhin der Sinn und Zweck der Regelung gewahrt, der in der Sicherstellung liege, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht auf ihr Existenzminimum zurückgreifen müssten, um den Rundfunkbeitrag zu bezahlen. Dies werde in der Regel bereits durch die Befreiungsmöglichkeit nach § 4 Abs. 1 RBStV gewährleistet. Die dort ausgeführten Sozialleistungen seien gerade dazu da, das Existenzminimum der Leistungsempfänger zu sichern. Nur in den Fällen, in denen der Sozialgesetzgeber trotz bestehender Bedürftigkeit keine Sozialleistungen gewähre, gehe das System des § 4 Abs. 1 RBStV fehl. Dann sei vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz eine Befreiung nach § 4 Abs. 6 RBStV zu gewähren. Abzugrenzen von den geschilderten und dem Verwaltungsgericht zugrundeliegenden Fall seien weiterhin Personen mit geringfügigem Einkommen. Diese Personen, die mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch auf eine Leistung nach § 4 Abs. 1 RBStV hätten, hätten auch weiterhin keinen Anspruch auf Befreiung als besonderer Härtefall. Eine Befreiung in diesen Fällen sei nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes nur nach § 4 Abs. 6 S. 2 RBStV vorgesehen. Eine Befreiung müsse mithin mit der Begründung versagt worden seien, die Einkünfte des Betroffenen überstiegen die Bedarfsgrenze. Werde die Bedarfsgrenze der Regelbeispiele in Abs. 1 in tatsächlicher Hinsicht um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschritten, sei sodann eine Befreiung möglich. So stellten sich allerdings die tatsächlichen Gegebenheiten der Klägerin nicht dar. Es bestehe keine Vergleichbarkeit zu dem dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegenden Sachverhalt. Die Klägerin vielmehr sei Empfängerin einer Leistung, die keiner dem Katalog des § 4 Abs. 1 RBStV entspreche. Ein Herausfallen aus dem Anwendungsbereich aus einem anderen Grund als mangelnder Bedürftigkeit könne somit nicht festgestellt werden. Vielmehr mache die Klägerin geltend, sie sei aufgrund geringer Einkünfte ebenso bedürftig wie ein Empfänger der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Leistungen.
Mit Beschluss vom 21. Dezember 2020 wurde der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten bezüglich des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten als auch die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts.
Über die Klagen konnte in Abwesenheit der Klägerin verhandelt und entschieden werden, weil die Klägerin auf diese Folge mit der Ladung vom 17. Mai 2023 zum Termin zur mündlichen Verhandlung, die der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 24. Mai 2023 zugestellt wurde, ausdrücklich hingewiesen wurde, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung war gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter zu treffen, dem der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten mit unanfechtbarem Beschluss der Kammer vom 21. Dezember 2020 übertragen wurde.
Die Klagen (vgl. § 44 VwGO) haben insgesamt keinen Erfolg.
Die hinsichtlich des Befreiungsbegehrens (1.) erhobene Klage der seinerzeit nicht anwaltlich vertretenen Klägerin ist als Verpflichtungsklage (sog. Versagungsgegenklage) gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO und die auf Aufhebung des Festsetzungsbescheides vom 1. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2017 (2.) sowie auf Aufhebung des Festsetzungsbescheides vom 4. Juni 2019 (3.) gerichteten Klagen sind als Anfechtungsklagen gemäß § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO statthaft.
Die Klagen sind insgesamt zulässig, aber unbegründet.
1. Zunächst stellen sich die streitgegenständlichen Ablehnungsbescheide des Beklagten vom 31. Juli 2015, vom 20. November 2015 sowie vom 30. Juni 2016 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2017 als rechtmäßig dar und verletzen die Klägerin auch nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Klägerin hat namentlich keinen Anspruch darauf von der Rundfunkbeitragspflicht in dem Zeitraum von Oktober 2014 bis Mai 2017 befreit zu werden, § 113 Abs. 5 VwGO.
Die Klägerin erfüllt unstreitig die Voraussetzungen des § 2 Abse. 1 und 2 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV) und ist somit dem Grunde nach rundfunkbeitragspflichtig (hierzu unten unter 2.).
Die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags und die Pflicht zur Leistung von Rundfunkbeiträgen sind verfassungsgerichtlich geklärt, sodass insoweit dem Vorbringen des Klägers nicht gefolgt werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 18. Juli 2018 für alle Gerichte verbindlich entschieden (§ 31 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG), vgl. jüngst OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. März 2019 – 11 N 109.16, juris; VG Cottbus, Urteil vom 30. Januar 2020 – 6 K 1565/18 –, Rn. 25, juris), dass der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag im Wesentlichen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 BvR 1675/16, 1 BvR 745/17, 1 BvR 836/17, 1 BvR 981/17, juris).
Der rundfunkbeitragspflichtigen Klägerin steht ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nicht zu.
§ 4 RBStV regelt die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht im privaten Bereich für den Inhaber einer Hauptwohnung.
Zunächst liegen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 RBStV im Falle der Klägerin im hier interessierenden Zeitraum von Oktober 2014 bis Mai 2017 nicht vor. Eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht aus wirtschaftlichen Gründen nach § 4 Abs. 1 RBStV kann nämlich nur derjenige beanspruchen, der mittels eines aktuellen Bescheides den Bezug einer der in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 RBStV genannten Sozialleistungen nachweisen kann. § 4 Abs. 1 RBStV sieht insoweit vor, dass von der Beitragspflicht nach § 2 Abs. 1 RBStV auf Antrag folgende natürliche Personen befreit werden: 1. Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialhilfe) oder nach den §§ 27a oder 27d des Bundesversorgungsgesetzes, 2. Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches), 3. Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II einschließlich von Leistungen nach § 22 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches, 4. Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, 5. nicht bei den Eltern wohnende Empfänger von a) Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, b) Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 114, 115 Nr. 2 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches oder nach dem Dritten Kapitel, Dritter Abschnitt, Dritter Unterabschnitt des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches oder c) Ausbildungsgeld nach den §§ 122 ff. des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches, 6. Sonderfürsorgeberechtigte im Sinne des § 27e des Bundesversorgungsgesetzes, 7. Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches oder von Hilfe zur Pflege als Leistung der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz oder von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften, 8. Empfänger von Pflegezulagen nach § 267 Absatz 1 des Lastenausgleichsgesetzes oder Personen, denen wegen Pflegebedürftigkeit nach § 267 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c des Lastenausgleichsgesetzes ein Freibetrag zuerkannt wird, 9. Volljährige, die im Rahmen einer Leistungsgewährung nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches in einer stationären Einrichtung nach § 45 des Achten Buches des Sozialgesetzbuches leben und schließlich 10. taubblinde Menschen und Empfänger von Blindenhilfe nach § 72 des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches oder nach § 27d des Bundesversorgungsgesetzes.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin keine der oben im Katalog des § 4 Abs.1 RBStV wörtlich aufgeführten Leistungen bezieht. Weder der Bezug von Wohngeld, noch der von Arbeitslosengeld I sind in § 4 Abs. 1 RBStV aufgeführt.
Auch lässt § 4 Abs. 1 RBStV für eine analoge Anwendung namentlich auch mit Blick auf den Bezug von Wohngeld bzw. Arbeitslosengeld I keinen Raum (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 30. Januar 2020 – 6 K 1565/18 –, juris).
Hintergrund hierfür ist, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die in § 4 Abs. 1 RBStV aufgenommenen Befreiungstatbestände eng auszulegen und nicht durch eine Analogie aufgrund einer planwidrigen Regelungslücke erweiterbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 C 10/18 –, BVerwGE 167, 20-32, Rn. 19 – 21; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. August 2019 – 2 A 3783/18, juris; VG Cottbus, Urteil vom 30. Januar 2020 – 6 K 1565/18 –, Rn. 37 - 39, juris; VG Cottbus, Urteil vom 27. April 2023 – VG 6 K 1549/20 –, Rn. 32 - 33, juris; vgl. bereits zum früheren Recht: BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 6 C 34.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 62), die aber neben einer vergleichbaren Interessenlage die Voraussetzungen für einen Analogieschluss wäre. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist dann zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (BVerwG, Urteile vom 12. Oktober 2011 - 6 C 34.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 62 Rn. 15 und vom 29. November 2018 - 5 C 10.17 [ECLI:DE:BVerwG:2018:291118U5C10.17.0] - NVwZ-RR 2019, 420 Rn. 11 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im Falle des § 4 Abs. 1 RBStV nicht erfüllt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 C 10/18 –, BVerwGE 167, 20-32, Rn. 19 - 21).
Schon die enumerative Aufzählung in § 4 Abs. 1 RBStV spricht gegen eine erweiternde Auslegung und Anwendung auf Beitragsschuldner, die keine der genannten Sozialleistung erhalten (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 C 10/18 –, BVerwGE 167, 20-32, Rn. 19 - 21).
Vor allem aber sind die in § 4 Abs. 1 RBStV aufgeführten Tatbestände aufgrund des Normzwecks als abschließend anzusehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 C 10/18 –, BVerwGE 167, 20-32, Rn. 19 - 21). Denn das System der bescheidgebundenen Befreiung beruht auf dem Grundprinzip, nur demjenigen einen Anspruch auf Befreiung zuzugestehen, dessen Bedürftigkeit am Maßstab der bundesgesetzlichen Regelungen durch eine staatliche Sozialbehörde geprüft und in deren Bescheid bestätigt wird oder dem vom Staat bestätigt wurde, dass er die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt. Mit diesem System werden schwierige Berechnungen zur Feststellung der Bedürftigkeit auf Seiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vermieden, indem aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung an die bundesgesetzgeberischen Wertungen für den Bezug von Sozialleistungen angeknüpft und diese zur Grundlage der Reichweite einer Befreiung von der Rundfunkgebühr bzw. geltenden Beitragspflicht gemacht werden (vgl. zum früheren Recht: BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2008 - 6 B 1.08 - Buch-holz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 44 Rn. 5 unter Hinweis auf LT-Drs. BY 15/1921 S. 20 f.). Die Landesgesetzgeber haben mit der Einführung dieses Systems die vor Inkrafttreten des Rundfunkgebührenstaatsvertrages noch möglichen Befreiungen wegen geringen Einkommens bewusst abgeschafft und in der Vergangenheit den Katalog der Befreiungstatbestände um verschiedene Fallgruppen erweitert (vgl. im Einzelnen: BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 6 C 34.10 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 62; Beschluss vom 18. Juni 2008 - 6 B 1.08 - Buchholz 422.2 Rundfunkrecht Nr. 44). Dies schließt die Einbeziehung weiterer, bisher nicht erfasster Personengruppen wie etwa Absolventen eines nicht förderungsfähigen Zweitstudiums oder Empfänger von Wohngeld, das nicht der Sicherung des allgemeinen Lebensunterhalts, sondern als Miet- oder Lastenzuschuss der wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens dient (§ 1 WoGG; s.a. Schulte, in: Klein/Schulte/Unkel, WoGG, 2015, § 1 Rn. 4), in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 RBStV aus (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 C 10/18 –, BVerwGE 167, 20-32, Rn. 19 - 21).
Neben dem Ausschluss einer Befreiung nach § 4 Abs.1 RBStV ist vorliegend aber auch eine sog. Härtefallbefreiung nach § 4 Abs. 6 RBStV ausgeschlossen.
Nach § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV liegt ein Härtefall zunächst insbesondere dann vor, wenn eine Sozialleistung nach Abs. 1 Nr. 1 bis 10 der Vorschrift in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten. Dies ist mit Blick auf die von der Klägerin eingereichten Unterlagen hier nicht der Fall.
Der hier zu entscheidende Fall ist schließlich auch von § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV nicht erfasst, obwohl dieser weiter als § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV zu verstehen ist. Eine Befreiung aufgrund eines ungeschriebenen besonderen Härtefalls ist zwar grundsätzlich nicht von vornherein ausgeschlossen, liegt im hiesigen Fall jedoch nicht vor. Anknüpfungspunkt für eine Härtefallbefreiung ist eine atypische, vom Normgeber versehentlich nicht berücksichtigte Situation, denn es handelt sich bei der zitierten Vorschrift nicht um eine allgemeine Härte-Auffangklausel (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 2011 – 6 C 34/10 –, zur entsprechenden Regelung im früheren Rundfunkgebührenrecht, § 6 Abs. 3 RGebStV, zitiert nach juris; VG Cottbus, Urteil vom 31. Januar 2020 – 6 K 856/19 –, Rn. 19 - 21, juris; VG Cottbus, Urteil vom 27. April 2023 – VG 6 K 1549/20 –, Rn. 34 - 36, juris).
Bei § 4 Abs. 6 S. 1 RBStV handelt es sich nach seinem Normzweck um eine Härtefallregelung, mit der grobe Ungerechtigkeiten und Unbilligkeiten vermieden werden sollen, die durch das in § 4 Abs. 1 RBStV verankerte normative Regelungssystem der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit entstehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 C 10/18 –, BVerwGE 167, 20-32, juris). Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, nicht zu den Personengruppen des § 4 Abs. 1 RBStV gehörende Beitragsschuldner von der Beitragspflicht zu befreien, wenn sich ihre Schlechterstellung gegenüber den befreiten Personengruppen nicht sachlich rechtfertigen lässt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 6 S. 1 RBStV, wonach die Befreiung wegen eines besonderen Härtefalls „unbeschadet der Beitragsbefreiung nach Absatz 1“, mithin unabhängig von dem in Absatz 1 zugrundeliegenden Regelungssystem in Betracht kommt. Bestätigt wird dieses Normverständnis durch die Gesetzesmaterialien, aus denen sich ergibt, dass „weiterhin“ die Befreiung wegen eines besonderen Härtefalls in Betracht kommen soll, wenn, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, eine vergleichbare Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann (vgl LT-Drs. BY 16/7001, 16). Eine Berücksichtigung des dem Absatz 1 zugrundeliegenden Konzepts bei der Auslegung des besonderen Härtefalls widerspräche dem Charakter dieser Regelung als Ausnahmevorschrift (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 C 10/18 –, BVerwGE 167, 20-32, juris)
Aus Gründen der durch die Beitragspflicht herbeigeführten wirtschaftlichen Belastung kann die Anwendung des in § 4 Abs. 1 RBStV verankerten Systems der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit jedoch zu groben Unbilligkeiten führen, die dann in bestimmten Fallgruppen die Annahme eines besonderen Härtefalls rechtfertigen. Dies folgt bereits aus der den besonderen Härtefall beispielhaft kennzeichnenden Regelung in § 4 Abs. 6 S. 2 RBStV (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 C 10/18 –, BVerwGE 167, 20-32, juris). Danach liegt ein besonderer Härtefall – wie erwähnt – dann vor, wenn eine Sozialleistung nach Absatz 1 Nummer 1 bis 10 in einem durch die zuständige Behörde erlassenen Bescheid mit der Begründung versagt wurde, dass die Einkünfte die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreiten. Es werden mithin diejenigen Beitragsschuldner befreit, die zur Erfüllung ihrer Beitragspflicht auf Teile ihrer Einkünfte zurückgreifen müssten, die nach den Maßstäben der Sozialgesetze in ihrer Höhe den Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechen und damit ausschließlich zur Deckung des Lebensbedarfs einzusetzen sind. § 4 Abs. 6 S. 2 RBStV dient somit primär dem Schutz des Existenzminimums, da ein Einkommen in Höhe der Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts allein dazu dient, sowohl die physische als auch die soziale Seite des Existenzminimums sicherzustellen; es ist nicht für die Erfüllung der Rundfunkbeitragspflicht einzusetzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2011 – 1 BvR 665/10, BVerfGK 19, 181 <185>).
Dieser Erwägung kommt nun auch bei der Auslegung des § 4 Abs. 6 S. 1 RBStV entscheidende Bedeutung zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 C 10/18 –, BVerwGE 167, 20-32, juris). So erweist sich Absatz 6 S. 2 schon angesichts seines Wortlauts („insbesondere“) nicht als abschließend. Der Schutz des Existenzminimums kann daher auch in anderen Fallgestaltungen eine Rundfunkbefreiung wegen eines besonderen Härtefalls rechtfertigen. Eine solche Fallgestaltung liegt bei solchen Beitragsschuldnern vor, die ein den Regelleistungen entsprechendes oder geringeres Einkommen haben und nicht auf verwertbares Vermögen zurückgreifen können, zugleich aber von der Gewährung der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen mangels Vorliegen der Voraussetzungen ausgeschlossen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 C 10/18 –, BVerwGE 167, 20-32, juris). Denn während die nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 RBStV von der Rundfunkbeitragspflicht befreiten Personen nicht auf das monatlich ihnen zur Verfügung stehende Einkommen in Höhe der Regelleistungen zur Erfüllung der Beitragspflicht zurückgreifen müssen, weil dieses Einkommen ausschließlich zur Deckung ihres Lebensbedarfs einzusetzen ist, muss die erstgenannte Gruppe von Beitragsschuldnern auf ihr der Höhe nach den Regelleistungen entsprechendes oder diese Höhe sogar unterschreitendes Einkommen zurückgreifen, weil sie aus dem System der Befreiung nach § 4 Abs. 1 RBStV herausfallen. Sie werden hierdurch schlechter gestellt, obwohl beide Personengruppen in Bezug auf ihre finanzielle Bedürftigkeit miteinander vergleichbar sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2011 – 1 BvR 665/10, BVerfGK 19, 181, 184). Eine solche Ungleichbehandlung trotz gleicher Einkommensverhältnisse würde dann am Maßstab von Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf einem sachlichen Grund beruhen. Da das System der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit der Verwaltungsvereinfachung dient, weil es auf Seiten der Rundfunkanstalten ohne eine Bedürftigkeitsprüfung auskommt, könnte die Schlechterstellung nur dann sachlich gerechtfertigt sein, wenn Gründe der Verwaltungspraktikabilität es auch im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 6 S. 1 RBStV rechtfertigen, von einer Bedürftigkeitsprüfung abzusehen (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 – 6 C 10/18 –, BVerwGE 167, 20-32, juris).
Diese vom Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung aufgeführten Voraussetzungen liegen im hiesigen Fall entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor. Die Klägerin hat keinen Bescheid eines entsprechenden Sozialträgers vorgelegt, obwohl ihr dies möglich gewesen wäre.
Nach dem System der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit hätte es der Klägerin vorliegend gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 RBStV oblegen, zur Begründung ihres Befreiungsantrags die Voraussetzungen für eine Befreiung entweder durch einen behördlichen Leistungsbescheid oder durch eine entsprechende Bestätigung der Behörde oder des Leistungsträgers nachzuweisen. Es wäre mindestens erforderlich gewesen, dass die Klägerin einen Bescheid oder eine Bestätigung des zuständigen Jobcenters und des zuständigen Sozialamts vorlegt, wonach sie als Auszubildende keine Leistungen nach dem 2. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) oder dem 12. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII) erhält (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 30.01.2020 - 6 K 1565/18 -, juris Rn. 52; VG Göttingen, Urteil vom 25. Januar 2022 – 2 A 82/21 –, Rn. 30, juris; VG Göttingen, Urteil vom 2. Oktober 2020 - 2 A 276/18 -, juris Rn. 24 ff.; VG Oldenburg, Urteil vom 04.11.2021 - 15 A 3506/20 -, V.n.b).
Im Grundsatz ist der Klägerin zwar zuzustimmen, dass Studierende bzw. Auszubildende, die wegen Überschreitung der Förderungshöchstdauer bzw. Überschreitung der Altershöchstgrenze – wie im Falle der Klägerin nach der damaligen Gesetzeslage – keine BAföG-Leistungen erhalten, von dem Bezug von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II nach dem SGB II kraft Gesetzes ausgeschlossen sind (vgl. § 7 Abs. 5). Das Gleiche gilt für den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Von diesem Grundsatz geht auch das BVerwG in seinem maßgeblichen und von der Klägerin ins Feld geführten Urteil vom 30. Oktober 2019 mit Blick auf ein nicht förderfähiges Zweitstudium aus. Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos, sondern es existieren – neben Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Ausschlussvorschriften – sozialrechtliche Härtefallregelungen, auf Grund derer Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII gewährt werden können. Nach § 27 SGB II (in der Fassung vom 20.12.2011, BGBl. I 2011, S. 2854; im Folgenden: a.F. bzw. in der Fassung vom 26.07.2016, BGBl. I 2016, S. 1824; im Folgenden: n.F.) erhalten Auszubildende im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II nach bestimmten Maßgaben Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Zum einen werden Leistungen in Höhe der Mehrbedarfe erbracht (§ 27 Abs. 2 SGB II), zum anderen können Leistungen für Regelbedarfe, bestimmten Mehrbedarf, Bedarfe für Unterkunft und Heizung, Bedarfe für Bildung und Teilhabe und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Darlehen erbracht werden, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 eine besondere Härte bedeutet (§ 27 Abs. 4 SGB II a.F.; § 27 Abs. 3 SGB II n.F.). Die nach diesen Ausnahmevorschriften für Auszubildende im Sinne des § 7 Abs. 5 SGB II erbrachten Leistungen gelten gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht als Arbeitslosengeld II. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (a.F. und n.F.) können in besonderen Härtefällen Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII als Beihilfe oder Darlehen gewährt werden. Die Prüfung, ob ein solcher Härtefall vorliegt, obliegt dem zuständigen Jobcenter (SGB II) bzw. Sozialamt (SGB XII) und setzt einen entsprechenden Leistungsantrag des Betroffenen voraus (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 2. Oktober 2020 – 2 A 276/18 –, Rn. 23 - 29, juris).
Erst die Vorlage eines solchen Bescheids oder einer Bestätigung über das Fehlen der Voraussetzungen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII hätte für den Beklagten überhaupt die Möglichkeit zur Prüfung einer mit derjenigen des Personenkreises nach § 4 Abs. 1 RBStV vergleichbaren Bedürftigkeit eröffnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 C 10/18 -, juris, Rn. 30; VG Göttingen, Urteil vom 2. Oktober 2020 – 2 A 276/18 –, Rn. 23 - 29, juris).
Vor diesem Hintergrund hatte es die Klägerin somit selbst in der Hand, die Befreiungsvoraussetzungen nachzuweisen. Weil sie die entsprechenden Unterlagen nicht vorgelegt hat, kann sie letztlich keine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht beanspruchen. Diesen ist sie allerdings nicht nachgekommen.
Die bloße Vorlage von Wohngeldbescheide stellt für sich bereits kein taugliches Mittel dar, um eine mit den Fällen des § 4 Abs. 1 RBStV vergleichbare Bedürftigkeit nachzuweisen (ebenso: VG Würzburg, Urteil vom 3. Februar 2020 - W 3 K 17.767 -, juris Rn. 30). Dies folgt schon daraus, dass die Vermögensprüfung im Wohngeldrecht nach anderen Maßstäben (§ 21 Nr. 3 des Wohngeldgesetzes (WoGG): Missbräuchlichkeit wegen erheblichen Vermögens) als den für § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV anzulegenden (kein verwertbares Vermögen im Sinne von § 90 SGB XII) erfolgt. Auch die Einkommensberechnung nach dem WoGG muss nicht zwangsläufig mit derjenigen nach §§ 27 ff. SGB XII identisch sein. Nur letztere ist für die Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen des. § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV maßgeblich (s.o., BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - 6 C 10.18 -, BVerwGE 167, 20 = juris Rn. 29; VG Göttingen, Urteil vom 25. Januar 2022 – 2 A 82/21 –, Rn. 50, juris).
2. Der angegriffene Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 1. Februar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2017 ist sowohl in Hinblick auf die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für den Zeitraum von Oktober 2014 bis November 2016 in Höhe von 457,28 Euro als auch in Hinblick auf die mit dem Bescheid zugleich erfolgte Festsetzung eines Säumniszuschlages in Höhe von 8,00 € nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin auch nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Die Voraussetzungen für die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen für einen Zeitraum von Oktober 2014 bis November 2016 durch den Beklagten in der erfolgten Höhe lagen hier vor.
Nach § 10 Abs. 5 RBStV werden rückständige Rundfunkbeiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt – hier unstreitig den Beklagten – festgesetzt.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da die Klägerin trotz Leistungspflicht mit der Zahlung der Rundfunkbeiträge für den hier festgesetzten Zeitraum – eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht lag insoweit nicht vor – zum Fälligkeitszeitpunkt keine Zahlung vorgenommen hat.
Nach § 2 Abs. 1 RBStV ist nämlich im privaten Bereich für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 RBStV ist Inhaber einer Wohnung jede volljährige Person die die Wohnung selbst bewohnt. Als Inhaber wird nach § 2 Abs. 2 S. 2 RBStV jede Person vermutet, die dort nach dem Melderecht gemeldet ist (Nr. 1) oder im Mietvertrag für die Wohnung als Mieter genannt ist (Nr. 2).
Es wurde von der Klägerin nicht in Abrede gestellt, dass sie die in den Bescheiden bezeichnete Wohnung im Festsetzungszeitraum selbst bewohnt hat und somit im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 RBStV Inhaberin der veranlagten Wohnung war.
Die Klägerin war auch mit der Zahlung ihrer Rundfunkbeiträge im Rückstand, da sie trotz Zahlungspflicht die Rundfunkbeiträge (jeweils zum Fälligkeitstermin) nicht leistete. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 RBStV beginnt die Pflicht zur Entrichtung der Rundfunkbeitrag mit dem Ersten des Monats, in dem der Beitragsschuldner erstmals die Wohnung innehat. Nach Abs. 3 S. 1 der bezeichneten Vorschrift ist im Rundfunkbeitrag monatlich geschuldet. Nach Abs. 3 S. 2 der Vorschrift ist der in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate zu leisten. Die letzte Zahlung der Klägerin erfolgte am 25. Juni 2014 in Höhe von 107,88 €.
Schließlich entspricht die festgesetzte Höhe von 457,28 € für 26 Monate im Zeitraum Oktober 2014 bis November 2016 den gesetzlichen Vorgaben. Nach § 8 des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages in der jeweils gültigen Fassung (RFinStV) betrug der Rundfunkbeitrag vom 1. Januar 2013 bis zum 31. März 2015 monatlich 17,98 € und seit dem 1. April 2015 monatlich 17,50 €.
Auch ist gegen die mit den angegriffenen Bescheiden zugleich erfolgte Festsetzung jeweils eines Säumniszuschlags sowohl im Hinblick auf Grund und Höhe nichts zu erinnern.
Nach § 9 Abs. 2 Nr. 5 RBStV in Verbindung mit § 11 Abs. 1 der Satzung des Rundfunk Berlin-Brandenburg über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge vom 6. Dezember 2012 in der gültigen Fassung (Rundfunkbeitragssatzung) durfte der Beklagte Säumniszuschläge in Höhe von einem Prozent der rückständigen Beitragsschuld, mindestens aber 8 €, zusammen mit der Rundfunkbeitragsschuld durch Bescheid festsetzen, da die geschuldeten Rundfunkbeitrage nicht (innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Fälligkeit) durch die Klägerin entrichtet wurden. Formell-rechtlich und materiell-rechtlich begegnet die Rundfunkbeitragssatzung keinen Bedenken. So ist die Rundfunkbeitragssatzung und insbesondere die Praxis der Festsetzung von Säumniszuschlägen durch den Beklagten nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. November 2017 – 11 A 25/13, beck-online), an deren Richtigkeit das Gericht keine Zweifel hat, nicht zu beanstanden.
3. Schließlich hat auch die mit Schriftsatz vom 29. Juni 2019, der am 4. Juli 2019 beim Gericht eingegangen ist, klageerweiternd geltend gemachte Anfechtung des Festsetzungsbescheides vom 4. Juni 2019 keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
Die Anfechtungsklage vom 4. Juli 2019 gegen den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 4. Juni 2019 ist hier zwar als sogenannte Untätigkeitsklage im Sinne des § 75 Satz 1 und 2 VwGO zulässig geworden, obwohl über den Widerspruch der Klägerin vom 29. Juni 2019 durch den Beklagten nicht entschieden worden ist und insoweit den Vorgaben des § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht genüge getan wurde.
Nach den §§ 68 ff. VwGO ist grundsätzlich vor Erhebung der Anfechtungsklage ein Verwaltungsvorverfahren durchzuführen; auf den Widerspruch des Betroffenen hat zunächst die Behörde den Fall nochmals zu prüfen und einen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Dies ist hier nicht geschehen, da die Klägerin den Erlass eines Widerspruchsbescheides durch den Beklagten nicht abgewartet hat.
Nach § 75 Satz 1 VwGO ist die Klage aber ausnahmsweise auch ohne vorangegangenen Widerspruchsbescheid zulässig. Sie kann dann aber gemäß § 75 Satz 2 VwGO nicht vor Ablauf von drei Monaten nach der Einlegung des Widerspruchs erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1966 – I C 24.63 –, BVerwGE 23, 135-140, Rn. 15)
Vorliegend hat die Klägerin zwar mit Schriftsatz vom 29. Juni 2019 Widerspruch gegen den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 4. Juni 2019 und mit Schriftsatz vom selben Tag, das am 4. Juli 2019 beim Verwaltungsrecht eingegangen ist, Klage erhoben, sodass auch den Vorgaben des § 75 S. 2 VwGO nicht entsprochen wurde. Entgegen dem Wortlaut des §§ 75 S. 2 VwGO ist die Klage zunächst unzulässig erhobenen Klage allerdings während des gerichtlichen Verfahren zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 8. Juni 2023 zulässig geworden.
Trotz des auf die Klageerhebung abstellenden Wortlauts der Vorschriften ist die Durchführung des Verwaltungsvorverfahrens nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht eine notwendige Voraussetzung für das gerichtliche Tätigwerden schlechthin, sondern eine "Prozessvoraussetzung" im Sinne einer "Sachentscheidungsvoraussetzung". Es genügt deshalb, wenn diese Prozessvoraussetzung im Zeitpunkt der für die gerichtliche Sachentscheidung maßgeblichen mündlichen Verhandlung erfüllt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1966 – I C 24.63 –, BVerwGE 23, 135-140, Rn. 15, juris).
Nichts anderes gilt für die in § 75 Satz 2 VwGO bestimmte Klagefrist von regelmäßig drei Monaten. Auch ihre Einhaltung ist eine "Prozessvoraussetzung" im Sinne einer "Sachentscheidungsvoraussetzung". Sie soll, wie allgemein das Verwaltungsvorverfahren, der Behörde ausreichende Zeit zur nochmaligen Sachprüfung und zum Erlass einer Verwaltungsentscheidung einräumen und damit das Gericht bezüglich der Sachentscheidung entlasten. Ist die Klage vor Ablauf der in § 75 Satz 2 VwGO bestimmten Frist – wie hier – verfrüht erhoben worden, so ist deshalb auch dieser Mangel durch den Ablauf der Frist während des Verwaltungsgerichtsverfahrens bis zur gerichtlichen Sachentscheidung heilbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1966 – I C 24.63 –, BVerwGE 23, 135-140, Rn. 16 – 19, juris).
§ 75 VwGO soll dem Betroffenen, abweichend von dem regelmäßigen Erfordernis eines vorangegangenen Widerspruchsbescheides, die Klageerhebung erleichtern. Gemäß § 75 Satz 2 VwGO ist dabei zwar regelmäßig eine Wartefrist von drei Monaten einzuhalten; auch insoweit ist aber eine Erleichterung dadurch vorgesehen, dass die Klage schon früher erhoben werden kann, wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Dieser den Kläger begünstigende Zweck der Vorschrift verbietet es, sie unnötig eng zu seinen Ungunsten in einer Weise auszulegen, die ihm die Klageerhebung erschwerte, ohne dass Notwendigkeiten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens dies erfordern. Ob "wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist" als die regelmäßige Frist von drei Monaten, ist im Einzelfall oft schwer zu entscheiden. Es kann geschehen, dass der jeweilige Kläger, dem an einer baldigen gerichtlichen Entscheidung liegt, in gutem Glauben diese Voraussetzung für gegeben hält, während das Verwaltungsgericht die Einhaltung der Dreimonatsfrist noch als zumutbar erachtet. Die Klage ist dann verfrüht erhoben und derzeit unzulässig. Der den Kläger begünstigende Zweck der Regelung und das in der wiedergegebenen Formulierung des § 75 Satz 2 VwGO liegende Unsicherheitsmoment verbieten es aber, deshalb die Klage sogleich als unzulässig abzuweisen; sie gebieten es vielmehr, den Ablauf der in § 75 Satz 2 VwGO bestimmten Frist abzuwarten und ggf. zu diesem Zweck das Verfahren auszusetzen. Andernfalls würde dem jeweiligen Kläger, der wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist für geboten hält und deshalb - was ihm das Gesetz gerade ermöglichen will - die Klage vor Ablauf der Dreimonatsfrist erhebt, ein unangemessen schweres Prozessrisiko aufgebürdet. Zudem rechtfertigt es der Grundsatz der Waffengleichheit der Streitbeteiligten, der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren gilt, den Kläger, der die in § 75 Satz 2 VwGO bestimmte Frist unterschreitet, nicht ungünstiger zu behandeln, als in Anwendung des § 75 Satz 3 VwGO den Beklagten, der die in § 75 Satz 2 VwGO bestimmte Frist mit seiner Verwaltungsgerichtsentscheidung überschreitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 1966 – I C 24.63 –, BVerwGE 23, 135-140, Rn. 16 – 19, juris, m.w.N.).
In der Sache hat die Klage keinen Erfolg.
Der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 4. Juni 2019, mit dem dieser Rundfunkbeiträge für einen Zeitraum von Dezember 2016 bis einschließlich Mai 2017 zusammen mit einem Säumniszuschlag in Höhe von 8,00 € festgesetzt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin auch nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Die Klägerin war in dem festgesetzten Zeitraum beitragspflichtig und mit der Zahlung der Rundfunkbeiträge im Rückstand, sodass die Voraussetzungen für den Erlass des Festsetzungsbescheids nach § 10 Abs. 5 RBStV vorlagen.
Nach allem waren die Klagen insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).