Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 25.01.2024 | |
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Aktenzeichen | 6 W 117/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0125.6W117.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 08.11.2023, Az.: 15 O 102/22, abgeändert.
Die von der Klägerin an die Beklagte nach dem gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 27.10.2022 sowie nach dem vollstreckbaren Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 09.08.2023, Az.: 11 U 298/22, zu erstattenden Kosten werden auf
3.744,82 €
(in Worten: Dreitausendsiebenhundertvierundvierzig 82/100)
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus 2.486,02 € seit dem 10.11.2020 und aus weiteren 1.258,80 € seit dem 14.08.2023 festgesetzt.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
I.
Nach den im Beschlusstenor genannten Entscheidungen hat die Klägerin die Kosten beider Instanzen des Rechtsstreits zu tragen. Auf dieser Grundlage hat die in Liechtenstein ansässige Beklagte mit Anträgen vom 28.10.2022 (Blatt 317 f. d.A.) und 14.08.2023 (Blatt 324 f. d.A.) die Festsetzung ihrer Anwaltskosten in Höhe von 2.308,28 € (netto) und 1.168,80 € (netto) jeweils zuzüglich eines Betrages in Höhe von 7,7 % beantragt. Hierzu hat sie vorgetragen, wegen der im hiesigen Rechtsstreit in Anspruch genommenen Dienstleistungen ihrer Prozessbevollmächtigten zwar nicht der deutschen Umsatzsteuer, wohl aber im Fürstentum Liechtenstein der 7,7-prozentigen Bezugsteuer zu unterliegen und insofern auch nicht vorsteuerabzugsberechtigt zu sein.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 08.11.2023 hat das Landgericht die der Beklagten von der Klägerin zu erstattenden Kosten auf die Summe der Nettobeträge der geltend gemachten Anwaltskosten nebst Zinsen festgesetzt. Die wegen der Bezugsteuer geltend gemachten Beträge hat es nach Nr. 7008 VV RVG für nicht erstattungsfähig gehalten, weil der Leistungsort des Rechtsanwalts nicht im Inland, sondern in Liechtenstein liege.
Gegen den der Beklagten am 09.11.2023 zugestellten Beschluss wendet sich diese mit einer am 17.11.2023 erhobenen sofortigen Beschwerde. Sie rügt, die Erwägungen des Landgerichts änderten nichts daran, dass die wegen der anwaltlichen Vertretung im vorliegenden Rechtsstreit angefallene liechtensteinische Bezugsteuer für sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig gewesen sei.
Die Klägerin ist dem Rechtsbehelf entgegengetreten. Sie macht geltend, Umsatzsteuer sei nach Nr. 7008 VV RVG nur erstattungsfähig, wenn sie nach deutschem Recht oder dem Recht eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union erhoben werde.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 30.11.2023 nicht abgeholfen und die Sache dem hiesigen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der hier zuständig gewesene Einzelrichter hat das Verfahren mit Beschluss vom 24.01.2024 gemäß § 568 Satz 2 ZPO dem Senat in der Besetzung nach § 122 Abs. 1 GVG übertragen.
II.
Der Rechtsbehelf hat Erfolg.
1.
Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt mit 267,74 € den Beschwerdewert nach § 567 Abs. 2 ZPO.
2.
Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Beklagte beanstandet zu Recht, dass das Landgericht die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Bezugsteuer verneint hat.
Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Zweckentsprechend in diesem Sinne ist eine Maßnahme, die eine verständige Prozesspartei bei der Führung des Rechtsstreits in dieser Lage als sachdienlich ansehen musste. Notwendig sind dann alle Kosten, ohne die die zweckentsprechende Maßnahme nicht getroffen werden könnte (s. etwa BGH, Beschluss vom 10.07.2012 − VI ZB 7/12, NJW 2012, 2734, Rn. 9 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der von der Beklagten in Ansatz gebrachten Bezugsteuer vor.
Die Beklagte hat vorgetragen, für die Rechtsdienstleistungen, welche ihre Prozessbevollmächtigten in dem dem hiesigen Verfahren zu Grunde liegenden Rechtsstreit erbracht haben, in ihrem Sitzland Liechtenstein nach einem Satz von 7,7 % bezugsteuerpflichtig zu sein und die Bezugsteuer nicht als Vorsteuer abziehen zu können. Dieser Vortrag ist schlüssig.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Gebühren und Auslagen der Beklagtenvertreter gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG keinen in Deutschland steuerbaren Umsatz darstellen und daher nicht umsatzsteuerpflichtig sind, weil die Beklagte ihr Unternehmen von Liechtenstein aus betreibt, sodass die Leistungen gemäß § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG als in Liechtenstein ausgeführt anzusehen sind. Davon, dass derartige Leistungen dem Grunde nach gemäß Art. 45 Abs. 1 lit. a), Art. 8 Abs. 1 des liechtensteinischen Gesetzes vom 22.10.2009 über die Mehrwertsteuer (MWSTG) der Bezugsteuer unterliegen, dass diese Steuer gemäß Art. 46, 25 Abs. 1 MWSTG in der bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung 7,7 % beträgt und dass die Bezugsteuer unter den Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 lit. b) MWSTG als Vorsteuer abgezogen werden kann, hat sich der Senat anhand der im Internetangebot der Landesverwaltung des Fürstentums Liechtenstein abrufbaren Gesetzestexte unterrichtet. Weiterer Ermittlungen zum liechtensteinischen Recht bedurfte es gemäß § 293 ZPO nicht, da sich die Vorschriften des MWSTG als Normen einer deutschsprachigen Rechtsordnung sprachlich ohne weiteres erschließen, dessen die Bezugsteuer betreffenden Regelungen der Systematik nach mit den Vorschriften der § 13b Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 UStG vergleichbar sind und umstrittene Auslegungsfragen nicht ersichtlich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 30.03.2021 – XI ZB 3/18, NJW-RR 2021, 916, Rn. 63).
Der Senat ist auch mit dem nach § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO erforderlichen Grad an Gewissheit davon überzeugt, dass die Beklagte wegen der Rechtsdienstleistungen, die ihre Prozessbevollmächtigten in dem dem hiesigen Verfahren zu Grunde liegenden Rechtsstreit erbracht haben, mit der Bezugsteuer in Höhe von 7,7 % der nach dem RVG angefallenen Anwaltskosten belastet worden ist. Gemäß § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO genügt zur Berücksichtigung eines Ansatzes im Kostenfestsetzungsverfahren, dass er glaubhaft gemacht ist, also eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des Ansatzes gegeben sind (allg. zu dem für die Glaubhaftmachung erforderlichen Grad der richterlichen Überzeugungsbildung s. BGH, Beschluss vom 11.09.2003 – IX ZB 37/03, BKR 2003, 900, 901). Dabei bezieht sich das Erfordernis der Glaubhaftmachung sowohl auf die Entstehung der Kosten als auch auf deren Notwendigkeit im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO (s. etwa BGH, Beschluss vom 13.04.2007 – II ZB 10/06, NJW 2007, 2187, 2188 m.w.N.). Die Beklagte hat im Beschwerdeverfahren auf den 29.12.2023 datierte Bestätigungen der liechtensteinischen Steuerverwaltung vorgelegt, wonach sie – die Beklagte – betreffend die Bezugsteuer seit dem 01.01.2002 im Verzeichnis der Mehrwertsteuerpflichten, derzeit aber nicht als vorsteuerabzugsberechtigtes Unternehmen im Mehrwertsteuer-Register eingetragen ist. Ferner hat sie eine eidesstattliche Versicherung des für Finanzen zuständigen Mitglieds ihrer Geschäftsleitung vom 03.01.2024 zur Akte gereicht, in welcher bestätigt wird, dass sie wegen Rechtsdienstleistungen, die sie im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten von Prozessbevollmächtigten in Deutschland empfängt, bezugsteuerpflichtig ist, dass sie die Bezugsteuer an die Steuerverwaltung Liechtenstein entrichtet und dass die Bezugsteuer nicht gem. Art. 28 Abs.1 b) MWSTG als Vorsteuer abziehbar ist.
Danach hält es der Senat für ohne weiteres überwiegend wahrscheinlich, dass die Beklagte wegen der hier in Rede stehenden Rechtsdienstleistungen mit der Bezugsteuer in Höhe von insgesamt 267,74 € belastet ist und dass die Belastung mit dieser Steuer eine notwendige weil unausweichliche Konsequenz einer zweckentsprechenden Maßnahme der Rechtsverteidigung, nämlich der Beauftragung inländischer Prozessbevollmächtigter mit der Verteidigung gegen die im Inland erhobene Klage, ist.
Die vom Landgericht und von der Klägerin für ihre hiervon abweichende Auffassung angeführten Erwägungen zu Nr. 7008 VV RVG gehen am Streitfall vorbei. Die Vorschrift bildet die Grundlage des Anspruchs des Rechtsanwalts gegen seinen Auftraggeber auf Erstattung der auf seine Vergütung entfallenden Umsatzsteuer: Soweit der Rechtsanwalt diese zu entrichten hat, hat er seinem Auftraggeber die angefallene Steuer als Auslage in Rechnung zu stellen und umfasst der prozessuale Kostenerstattungsanspruch dieses Auftraggebers gegen den unterlegenen Gegner die Umsatzsteuer, und zwar gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO ohne dass es einer Prüfung der Notwendigkeit dieser Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bedarf (vgl. BGH, Beschluss vom 02.11.2011 – XII ZB 458/10, BeckRS 2011, 27187, Rn. 35). Hat der Rechtsanwalt keine Umsatzsteuer zu entrichten, etwa weil er Kleinunternehmer im Sinne des § 19 Abs. 1 UStG oder – wie vorliegend – für einen im Nicht-EU-Ausland ansässigen Auftraggeber tätig ist, kann er seinem Auftraggeber die Auslage nach Nr. 7008 VV RVG nicht in Rechnung stellen. Tut er es dennoch, begründet sich hieraus kein Erstattungsanspruch des Auftraggebers gegen den unterlegenen Gegner, weil die Steuer in diesem Fall nicht zu den gesetzlichen Auslagen des Rechtsanwalts im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO zählt und sie nach dem Vorstehenden auch nicht notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist (s. etwa OLG Jena, Beschluss vom 11.07.2011 – 9 W 303/11, BeckRS 2011, 147876, Rn. 4).
Die vorliegend in Rede stehende Fallgestaltung, in der es nicht um die Ersatzfähigkeit der der obsiegenden Partei von ihrem Rechtsanwalt in Rechnung gestellten Umsatzsteuer, sondern um die Erstattungsfähigkeit einer Steuer geht, die die obsiegende Partei wegen der empfangenen Rechtsdienstleistungen in ihrem Heimatland im sog. Reverse-Charge-Verfahren selbst abzuführen hat, wird von den Vorschriften der Nr. 7008 VV RVG und § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO hingegen nicht erfasst. Sie beurteilt sich – wie ausgeführt – gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO danach, ob die obsiegende Partei den geltend gemachten Steuerbetrag aufgrund ihrer notwendigen Vertretung durch einen deutschen Prozessbevollmächtigten im betreffenden Rechtsstreit tatsächlich zu tragen hat (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.03.2023 – 13 W 31/22, juris, Rn. 18).
Insofern gilt im Grundsatz nichts anderes als für den Fall, dass die im Ausland ansässige Partei einen ausländischen Prozessbevollmächtigten – sei es als Hauptbevollmächtigten oder als Verkehrsanwalt – beauftragt. Für diese Konstellationen entspricht es herrschender Auffassung, dass der Kostenerstattungsanspruch zwar grundsätzlich nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf die Kosten eines deutschen Prozessbevollmächtigten beschränkt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14.06.2005 – VI ZB 5/05, NJW-RR 2005, 1732, 1733), die im Ausland angefallene Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer jedoch selbst über den deutschen Steuersatz hinaus beansprucht werden kann, wenn der Erstattungsberechtigte auch bei Beauftragung eines deutschen Anwalts eine entsprechende Steuer in seinem Heimatland zu entrichten gehabt hätte (vgl. OLG München, Beschluss vom 11.03.2004 – 11 W 2889/02, NJW-RR 2004, 1508; OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.05.2007 – 8 W 202/07, juris, Rn. 17; s. auch OLG München, Beschluss vom 16.02.2011 − 11 W 224/11, NJW-RR 2011, 1207, 1208).
Eine andere Beurteilung des vorliegenden Streitfalls rechtfertigt sich selbst nach der Gegenauffassung nicht, die es für durchgreifend bedenklich hält, für die Berücksichtigung der Umsatzsteuer nicht auf die fiktive Rechtslage bei der Beauftragung eines inländischen Anwalts abzustellen, sondern über den Gesamtbetrag der fiktiven Kosten eines inländischen Anwalts hinaus eine tatsächlich angefallene und auf eine ungleich höhere Vergütung berechnete Mehrwertsteuer zusätzlich zu erstatten (so – allerdings nicht tragend – OLG Celle, Beschluss vom 25.04.2008 – 2 W 39/08, BeckRS 2008, 8860; dem im Ergebnis folgend, aber ebenfalls nicht tragend: OLG Naumburg, Beschluss 18.09.2013 – 2 W 51/12, GRUR-RS 2013, 22093). Denn so liegt der hiesige Sachverhalt nicht. Die von der Beklagten in Ansatz gebrachte Bezugsteuer ist auf der Grundlage der von der Klägerin zu erstattenden (Netto-) Anwaltskosten und nach einem die deutsche Umsatzsteuer unterschreitenden Steuersatz berechnet worden. Der nach den genannten Entscheidungen bestehende Meinungsstreit kann demnach für das vorliegende Verfahren dahingestellt bleiben.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO liegen nicht vor.