Gericht | VG Potsdam 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 29.01.2024 | |
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Aktenzeichen | VG 8 K 2240/18 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2024:0129.8K2240.18.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 12 KAG, § 8 KAG |
Der Beitragsbescheid vom 27. März 2018 und der Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2018 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag.
Er ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung , Flur 2, Flurstück , postalisch...
Mit Beitragsbescheid vom 4. April 1995 setzte der damalige Abwasserzweckverband E_____für das Grundstück gegenüber dem Vater des Klägers, Herrn auf der Grundlage der Beitragssatzung vom 10. November 1993 einen Kanalanschlussbeitrag i.H.v. 7.680 DM fest. Dabei wurde von einer gesamten Grundstücksfläche von 1.060 m² und einer anzurechnenden Fläche laut Satzung von 640 m² ausgegangen und der Beitragssatz von 12,00 DM/m2 zugrunde gelegt. Davon wurden 6.000 DM für eine Teilbeitragsfläche von 500 m² erhoben, wovon 2.000 DM abgezogen wurden, weil kein Hausanschluss verlegt worden sei. Fällig gestellt wurde demnach ein Beitrag i.H.v. 4.000 DM. Anschließend wurde ausgeführt:
„Für die restlichen Grundstücksflächen werden Beiträge erhoben, sobald Sie Ihr Grundstück zum Zwecke der Bebauung teilen oder so bebauen, dass hierdurch eine neue wirtschaftliche Grundstückseinheit entsteht.“
Gegen diesen Beitragsbescheid wurde am 28. April 1995 von der Miteigentümerin und Mutter des Klägers Widerspruch mit der Begründung erhoben, es handele sich nicht um Bauland. Der Amtsdirektor des damaligen Amtes teilte ihr unter dem 12. Juni 1995 mit, dass das Flurstück nach Auffassung des Bauamtes des Amtes bebaubar sei. Aufgrund der Lage des Flurstücks am Anfang der (damaligen) sowie der Bebauung auf der gegenüberliegenden Seite liege das Grundstück innerhalb der bebauten Ortslage der Gemeinde R_____und sei gemäß § 34 BauGB bebaubar. Unter dem 7. Juli 1995 bescheinigte der Amtsdirektor ihr, dass für das Grundstück kein Bebauungsplan vorliege, es aufgrund der Lage innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortslage von R_____liege und demnach bebaubar sei. Der damalige Abwasserzweckverband wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 1995 zurück. Klage wurde dagegen nicht erhoben.
Ausweislich einer Notiz in den Verwaltungsvorgängen vom 27. Februar 2018 ist der Kläger der alleinige Sohn der verstorbenen und . Mit Schreiben vom 21. Februar 2018 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Gemeinde am 15. September 2015 eine Änderung der Klarstellungssatzung beschlossen habe, die auch das streitgegenständliche Flurstück betreffe. Somit liege nun das gesamte Grundstück im Innenbereich der Gemeinde und werde mit einer Restfläche von 420 m² beitragspflichtig.
Mit Beitragsbescheid vom 27. März 2018 zog der Beklagte den Kläger zu einem Anschlussbeitrag für die verbleibende Fläche des Grundstücks von 420 m² unter Ansatz eines Vollgeschossmaßstabs von 1,25 und des Beitragssatzes von 2,41 Euro/m2 zu einem Beitrag i.H.v. 1.265,25 Euro heran. Der Bescheid ergehe aufgrund der Änderung der Klarstellungssatzung vom 15. September 2015. Von der mit Beitragsbescheid vom 4. April 1995 beschiedenen Fläche von 640 m² sei eine Teilbeitragsfläche von 500 m² fällig gestellt und die restliche Fläche von 140 m² gestundet worden, bis das Grundstück zum Zwecke der Bebauung geteilt oder so bebaut werde, dass eine neue wirtschaftliche Grundstückseinheit entstünde. Da dies bisher nicht der Fall gewesen sei, bleibe dieser Teil der Fläche weiterhin gestundet. Mit dem Beitragsbescheid vom 27. März 2018 erfolge die Festsetzung des Beitrags für die Fläche, die sich aus der Klarstellungssatzung ergebe.
Gegen den Beitragsbescheid vom 27. März 2018 erhob der Kläger am 12. April 2018 Widerspruch. Die Beitragsfestsetzung sei verjährt. Das Grundstück werde lediglich gärtnerisch genutzt und befinde sich innerhalb einer vorhandenen Umgebungsbebauung im Sinne eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles. Insoweit komme es nicht auf die satzungsrechtlichen Aktivitäten der Gemeinde, sondern allein darauf an, wie die vorgefundene Lage baurechtlich einzuschätzen sei. Das Grundstück sei als klassische Baulücke stets baulich nutzbar gewesen. Die Beitragspflicht sei im Zusammenhang mit der Erschließungsmaßnahme entstanden, die maßgeblich gewesen sei für den Beitragsbescheid vom 4. April 1995, so dass spätestens mit dessen Bekanntgabe die Beitragspflicht insgesamt entstanden sei. Unabhängig davon sei der Beitragsbescheid vom 4. April 1995 nicht hinreichend bestimmt gewesen, weil offengeblieben sei, welche konkrete Fläche des beitragsrechtlichen Grundstücks betroffen sein solle.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2018, zugestellt am 12. Juni 2018, zurück. Die Festsetzungsfrist sei nicht abgelaufen gewesen. Die Beitragspflicht sei nicht für das gesamte Grundstück zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 4. April 1995 entstanden. Nach der Beitragssatzung vom 10. November 1993 seien Grundstücke im unbeplanten Innenbereich nur bis zu einer Tiefenbegrenzung von 40 Metern beitragspflichtig gewesen. Dementsprechend sei das Grundstück veranlagt worden. Für die restliche Fläche sei die Beitragspflicht nicht entstanden, unabhängig davon, dass sie mangels wirksamer Satzung nicht habe entstehen können. Es könne offenbleiben, ob die damalige Einschätzung, das Grundstück habe im unbeplanten Innenbereich gelegen, zutreffend gewesen sei. Vielmehr dürfte es nach der früheren Umgebung Außenbereich gewesen und erst durch die Klarstellungssatzung vom 9. Oktober 2015 in den Innenbereich einbezogen worden sein. Der Bescheid vom 4. April 1995 sei auch hinreichend bestimmt gewesen. Die anzurechnende Fläche habe sich nur aus der Breite des Grundstücks multipliziert mit der anzusetzenden Tiefe von 40 Metern – gerechnet ab der straßenseitigen Grundstücksgrenze – ergeben können. Es liege kein Verstoß gegen das Doppelbelastungsverbot vor, da der Bescheid vom 27. März 2018 die frühere Beitragsfestsetzung und -zahlung berücksichtigt habe.
Der Kläger hat am 12. Juli 2018 Klage erhoben. Das Grundstück sei mit Beitragsbescheid vom 4. April 1995 zu einem Anschlussbeitrag herangezogen worden, indem das Flurstück benannt worden und eine vermeintliche Teilflächenbegrenzung weder hinreichend bestimmt beschrieben noch aus einer Kartenanlage hinreichend bestimmt erkennbar gewesen sei. Mithin habe sich die Wirkung des Bescheides nur auf das angegebene Flurstück XXX insgesamt beziehen können. Das satzungsrechtliche Tätigwerden der Gemeinde in der Absicht, den Innenbereich festzulegen oder abzurunden, schließe nicht aus, dass auch andere, über diese Grenzziehung hinausgehenden Flächen dem Innenbereich angehörten.
Der Kläger beantragt,
den Beitragsbescheid vom 27. März 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2018 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Begründung des Widerspruchsbescheids und führt ergänzend aus, dass die in § 3 Abs. 3a der Beitragssatzung vom 10. November 1993 vorgesehene Tiefenbegrenzungsregelung die Bescheidung der im Jahr 2018 beschiedenen Teilfläche zum damaligen Zeitpunkt ausgeschlossen habe. Es sei seit langem anerkannt, dass weitere Flächen eines Grundstücks im grundbuchrechtlichen Sinne zu einem Zeitpunkt beitragspflichtig werden könnten, der nach dem Zeitpunkt der ersten Anschlussmöglichkeit liege, und dann im Wege der „Nachveranlagung“ zu einem weiteren Beitrag herangezogen werden könnten. Das sei insbesondere der Fall, wenn ein Teil des Grundstücks im grundbuchrechtlichen Sinne baurechtlich im Innenbereich und ein anderer Teil im Außenbereich liege. Dann spreche vieles dafür, dass zwar grundbuchrechtlich ein Grundstück, beitragsrechtlich aber zwei Grundstücke im wirtschaftlichen Sinne vorlägen. Im Ergebnis treffe dies auch auf das Grundstück des Klägers zu. Gemäß Klarstellungs- und Ergänzungsatzung der Gemeinde vom 16. November 2001 habe sogar das gesamte Flurstück nicht zum Innenbereich gehört. Erst die 2. Änderungssatzung vom 25. September 2015 habe das Flurstück in den unbeplanten Innenbereich einbezogen. Im Jahr 1995 habe es keine Umgebungsbebauung gegeben, die das Grundstück in kompletter Tiefe einbezogen habe.
Der Einzelrichter richtete am 5. September 2023 eine Anfrage an die untere Bauaufsichtsbehörde des Landrates des Landkreises, wann für insgesamt neun Flurstücke in unmittelbarer Umgebung des streitgegenständlichen Flurstücks (erstmals) Baugenehmigungen erteilt bzw. eine Bauanzeige eingereicht worden sind und wann der mitgeteilte Zeitpunkt der Fertigstellung bzw. Nutzungsaufnahme war. Die Bauaufsichtsbehörde beantwortete diese Anfrage mit Schreiben vom 4. Oktober 2023 und teilte folgende Daten mit:
Flurstück |
Hausnr. |
Vorhaben |
Baugenehmigung |
Fertigstellung / Nutzungsaufnahme |
Keine Angaben |
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EFH und Doppelgarage |
1.2.2002 |
11.4.2003 |
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Keine Angaben |
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Neubau EFH mit Einliegerwohnung |
17.11.2003 |
21.5.2004 |
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Neubau EFH |
15.5.2002 |
03.11.2003 |
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Keine Angaben |
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Neubau EFH und Garage |
21.12.1998 |
10.06.1999 |
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Neubau EFH |
10.05.2013 |
29.08.2013 |
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Keine Angaben |
Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die Verfahrensakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (eine Heftung), die vorgelegen haben und zum Gegenstand der Entscheidungsfindung gemacht worden ist.
Der Einzelrichter konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
Der Beitragsbescheid des Beklagten vom 27. März 2018 und der Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2018 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beitragsbescheid beruht zwar auf einer wirksamen Rechtsgrundlage (1.) und die satzungsrechtlichen Vorgaben sind bei der Beitragserhebung eingehalten worden (2.). Die Beitragsforderung ist jedoch festsetzungsverjährt (3.).
1. Der Beitragsbescheid beruht auf § 8 KAG i.V.m. den beitragsrechtlichen Vorschriften der Beitrags- und Kostenersatzsatzung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes vom 27. November 2017 (im Folgenden: BKS 2017, bekanntgemacht im Amtsblatt für die Gemeinde vom 12. Januar 2018, S. 16). Die Satzung enthält die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG erforderlichen Mindestangaben. Bedenken gegen ihre Wirksamkeit sind weder von dem Kläger geltend gemacht worden noch anderweitig ersichtlich.
2. Die Vorgaben der BKS 2017 sind bei der Beitragserhebung eingehalten worden. Das Flurstück erfüllt die Voraussetzungen der satzungsrechtlichen Vorteilslage nach § 2 Abs. 1 Buchstabe b) BKS 2017. Danach unterliegen Grundstücke der Beitragspflicht, die an die zentrale öffentliche Schmutzwasseranlage angeschlossen werden können, für die ein Anschlussrecht besteht und für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen und bebaubar oder gewerblich so nutzbar sind, das Schmutzwasser anfällt oder anfallen kann. Das Flurstück verfügt über eine tatsächlich und rechtlich gesicherte Anschlussmöglichkeit und ein Anschlussrecht nach §§ 3, 4 der Satzung über die zentrale Schmutzwasserbeseitigung des Verbandes des Beklagten vom 10. Januar 2002 i.d.F. der 3. Änderungssatzung vom 6. Dezember 2018 an den Schmutzwasserkanal. Das Flurstück lag zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2018 ersichtlich im bauplanungsrechtlichen Innenbereich und wird von der 2. Änderung der Satzung über die Festlegung des im Zusammenhang bebauten Ortsteils des Ortsteils (§ 34 Abs. 4 Nr. 1 BauGB) vom 25. September 2015, bekannt gemacht am 16. Oktober 2015 (abrufbar unter https://geoportal-klosterlehnin.de) diesem auch zugeordnet.
Die Festsetzung des Beitrags auf der Grundlage der nach Abzug der bereits im Jahr 1995 beschiedenen Fläche verbleibenden Fläche des Flurstücks (§ 4 Abs. 2 Buchstabe d) BKS 2017), eines Nutzungsfaktors für eine zweigeschossige Bebauung (§ 4 Abs. 3, Abs. 7 Buchstabe a) BKS 207) und des Beitragssatzes begegnet keinen rechtlichen Bedenken und wurde von dem Kläger auch nicht gerügt.
3. Die Beitragsforderung ist jedoch festsetzungsverjährt. Die Festsetzung eines Anschlussbeitrags ist nicht mehr zulässig, wenn die vierjährige Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 12 I Nr. 4 Buchstabe b) KAG i.V.m. §§ 169, 170 AO), welche mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem die Beitragspflicht entstanden ist. Voraussetzung dafür ist die Vorteilslage und das Inkrafttreten einer rechtswirksamen Beitragssatzung (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KAG). Die wirksame BKS 2017 ist rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten. Die Beitragsforderung wäre daher festsetzungsverjährt, wenn die satzungsrechtliche Vorteilslage bis spätestens 31. Dezember 2013 vorgelegen hätte.
Das ist bei dem klägerischen Flurstück der Fall. Es lag spätestens im September 2013 mit seiner gesamten Fläche im bauplanungsrechtlichen Innenbereich (a.). Die Einbeziehung des Flurstücks in den Innenbereich durch die 2. Änderung der Klarstellungssatzung vom 25. September 2015 schließt nicht aus, dass das Flurstück nach den allgemeinen Regeln des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bereits vor Erlass dieser Satzung zum Innenbereich gehörte (b.). Der Klarstellungssatzung vom 16. November 2001 und deren 1. Änderungssatzung vom 15. April 2014, die das Flurstück nicht in den Innenbereich einbezogen haben, kommt keine Ausschlusswirkung in der Weise zu, dass außerhalb der Grenzen gelegene Grundstücke allein aufgrund der satzungsrechtlichen Zuordnung dem Außenbereich zuzurechnen wären (c.).
Auf die Frage eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung (vgl. dazu Urteil der Kammer vom 26. April 2021 - 8 K 5044/16 -, juris Rn. 40 ff.) kommt es demnach nicht mehr entscheidungserheblich an.
a. Das Flurstück lag spätestens im September 2013 mit seiner gesamten Fläche innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Ausschlaggebend für die Annahme eines Bebauungszusammenhangs ist, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die betrachtete Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden (st. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur Beschluss vom 30. August 2019 - 4 B 8.19 -, juris Rn. 8; Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 -, juris Rn. 11 ff., jeweils m.w.N.).
Auf der Grundlage der Auskunft des Landrates des Landkreises als untere Bauaufsichtsbehörde vom 4. Oktober 2023, des Plandokuments der Klarstellungs- und Ergänzungssatzung der Gemeinde vom 16. November 2001 und ergänzend der historischen Luftaufnahmen im „Brandenburg Viewer“ stellt sich die Bebauung in der Umgebung des Flurstücks im Zeitpunkt der Fertigstellung des Einfamilienhauses auf dem Flurstück zum 29. August 2013 (Abnahmeverzicht) als letzter Veränderung der Bebauungssituation im hier zu betrachtenden zeitlichen Rahmen wie folgt dar.
aa. Nördlich des Flurstücks ist das Flurstück seit dem Jahr 2003 im vorderen, an die Straße „“ grenzenden Teil mit einem Einfamilienhaus und im mittleren Bereich mit einer Garage bebaut, während der hintere Teil offenbar gärtnerisch oder vergleichbar genutzt wird. Die Flurstücke (Abnahmeverzicht 29. August 2013) und (1999) sind ebenfalls mit Einfamilienhäusern bebaut, das Flurstück bildet ausweislich der aktuellen Luftaufnahme im „Brandenburg Viewer“ mit dem Flurstück eine wirtschaftliche Einheit, da es mit einer Garage bebaut und im Übrigen gärtnerisch genutzt wird. Für das Einfamilienhaus auf dem Flurstück 3XX konnte die Bauaufsichtsbehörde keine Daten angeben, allerdings ist es bereits auf der mit „2009-2001“ gekennzeichneten historischen Luftaufnahme im „Brandenburg Viewer“ erkennbar, so dass es spätestens im Jahr 2009 fertiggestellt worden sein muss.
bb. Östlich des Flurstücks ist das Einfamilienhaus auf dem Flurstück ebenfalls bereits auf der mit „2009-2001“ gekennzeichneten historischen Luftaufnahme im „Brandenburg Viewer“ erkennbar, so dass es spätestens im Jahr 2009 fertiggestellt worden sein muss. Die Bebauung der Flurstücke und mit straßenseitigen Wohngebäuden und rückwärtigen Nebengebäuden, welche im Fall des Flurstücks auf das angrenzende Flurstück 2XX hinüberreichen, ist bereits auf dem Plandokument der Klarstellungs- und Ergänzungssatzung vom 16. November 2001 verzeichnet. Die Flurstücke und werden darüber hinaus jedenfalls im vorderen Bereich durch diese Klarstellungssatzung auch dem Innenbereich zugeordnet. Eine solche Innenbereichsabgrenzung durch eine Klarstellungssatzung ist für das Gericht bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Beitrags maßgeblich und verbindlich. Denn für die Beitragserhebung ist grundsätzlich von der Rechtsverbindlichkeit bauplanerischer Satzungen auszugehen, solange – wofür hier keine Anhaltspunkte bestehen – diese nicht aufgehoben oder durch (allgemein-)verbindlichen Ausspruch in einer gerichtlichen Entscheidung, ggf. in einem Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO für nichtig bzw. unwirksam erklärt worden sind (vgl. OVG Magdeburg, Urteil vom 11. September 2012 - 4 L 155/09 -, juris Rn. 93; VG Cottbus, Urteil vom 1. April 2020 - 6 K 1918/16 -, juris Rn. 18; Blomenkamp, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 1465 [Bearbeitungsstand 3/2007]; a.A. OVG Bautzen, Beschluss vom 5. September 2016 - 5 B 121/16 -, juris Rn. 10; Beschluss vom 2. März 2010 - 5 D 149/09 -, juris Rn. 5).
Zwar ist die Gemeinde bei der Aufstellung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB an die Grenzen des tatsächlich vorhandenen Innenbereichs gebunden. Sie ist nicht ermächtigt, planerisch über die Zugehörigkeit von Flächen zum Innenbereich zu entscheiden. In diesem Sinne hat eine Klarstellungssatzung lediglich deklaratorische Wirkung (BVerwG, Urteil vom 22. September 2010 - 4 CN 2.10 -, juris Rn. 14). Entscheidend im Rahmen der Prüfung einer beitragsrechtlichen Vorteilslage ist aber, dass der Klarstellungssatzung gegenüber öffentlichen Planungsträgern und sonstigen öffentlichen Stellen Bindungswirkung zukommt. Insbesondere ist die Baugenehmigungsbehörde an die Festlegung der Grenzen gebunden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. September 2010 - 4 CN 2.10 -, juris Rn. 19; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Oktober 2011 - OVG 10 A 11.08 -, juris Rn. 20; Beschluss vom 3. März 2006 - OVG 2 S 106.05 -, juris Rn. 7). Damit ist aus Sicht des Beitragsrechts von einem wirtschaftlichen Vorteil auszugehen, solange die Klarstellungssatzung nicht aufgehoben oder gerichtlich in einem Normenkontrollverfahren für nichtig bzw. unwirksam erklärt worden ist.
cc. Südlich des Flurstücks ist eine Bebauung der heutigen Flurstücke und ebenfalls bereits auf dem Plandokument der Klarstellungs- und Ergänzungssatzung vom 16. November 2001 eingezeichnet und sind Veränderungen in der Bebauung auf den historischen Luftaufnahmen im „Brandenburg Viewer“ spätestens seit der mit „2001-2009“ gekennzeichneten Aufnahme nicht erkennbar. Die genannten Flurstücke werden von der Klarstellungssatzung vom 16. November 2001 auch mit im vorliegenden Verfahren verbindlicher Wirkung dem Innenbereich zugeordnet. Gleiches gilt für das Flurstück . Für dieses Flurstück ist auf dem Plandokument aus dem Jahr 2001 keine Bebauung verzeichnet, jedoch auf den historischen Luftaufnahmen im „Brandenburg Viewer“ spätestens ab dem mit „2009-2001“ gekennzeichneten Foto eine Bebauung mit einem Wohnhaus im vorderen, straßenseitigen Bereich erkennbar.
dd. Westlich des Flurstücks und jenseits der Straße „“ sind die Flurstücke (seit 2003) und (seit 2004) in einer Tiefe von etwa 20 bis 25 Metern mit Einfamilienhäusern bebaut. Jenseits dieser Tiefe zuzüglich einer jedenfalls auf dem Flurstück anschließenden Nutzung als Hausgarten gehen die langgestreckten Flurstücke in den unbebauten Außenbereich über. Zusammen mit den (heutigen) Flurstücken , für die bereits im Plandokuments der Klarstellungs- und Ergänzungssatzung vom 16. November 2001 und den historischen Luftaufnahmen im „Brandenburg Viewer“ eine Bebauung eingezeichnet bzw. erkennbar ist, werden sie durch die Klarstellungssatzung vom 16. November 2001 auch dem Innenbereich zugeordnet. Auf dem Flurstück ist seit der historischen Luftaufnahme „2001-2009“ eine Bebauung mit einem Wohnhaus erkennbar.
ee. In dem hier zu betrachtenden Zeitpunkt September 2013 war das klägerische Flurstück demnach sowohl auf den beiden unmittelbar angrenzenden Flurstücken von einer straßenseitigen Bebauung mit jeweils einem Einfamilienhaus umgeben als auch auf den daran angrenzenden Flurstücken im Norden (Flurstücke ), Osten (Flurstücke ), Süden (Flurstücke ) und Westen (Flurstücke ). Bei dem Gebäude auf dem Flurstück dürfte es sich der Größe nach um ein Mehrfamilienhaus handeln.
Das unbebaute Flurstück wurde durch diesen Bebauungszusammenhang auch geprägt und mit seiner vollen Tiefe einbezogen. Eine unbebaute Fläche unterbricht nicht den Bebauungszusammenhang, wenn sie von der umgehenden Bebauung so geprägt wird, dass aus ihr hinreichende Zulässigkeitsmerkmale für ihre Bebauung entnommen werden können (vgl. Söfker/Hellriegel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB § 34 Rn. 21, Bearbeitungsstand Oktober 2020). Nach den Maßstäben des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB wäre im Zeitpunkt September 2013 auf dem Flurstück ebenso wie auf den Flurstücken eine Bebauung mit einem zur Straße „“ gelegenen Einfamilienhaus gegebenenfalls mit einem rückwärtigen Hausgarten zulässig gewesen. Das Flurstück stellte sich in diesem Zeitpunkt als Baulücke dar und unterbrach nicht den vorhandenen Bebauungszusammenhang. Ein dort errichtetes Einfamilienhaus würde sich als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen und zuvor beschriebenen Wohnbebauung darstellen. Dafür spricht angesichts der Größe des Flurstücks (1.060 m2) auch die von einigen Oberverwaltungsgerichten (vgl. Fundstellen bei BVerwG, Beschluss vom 30. August 2019 - 4 B 8.19 -, juris Rn. 9) angewandte „Faustformel“, dass eine unbebaute Fläche von zwei bis drei Bauplätzen als Baulücke angesehen werden kann, die den Bebauungszusammenhang nicht unterbricht, die vom Bundesverwaltungsgericht als derartige „Faustformel“, die bei Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall auch zu abweichenden Ergebnissen führen kann, nicht beanstandet worden ist (BVerwG, a.a.O. Rn. 8 f.). Aus dem gleichen Grund scheidet es auch von vornherein aus, die unbebauten rückwärtigen Flächen auf den Flurstücken etwa als „Außenbereichsinsel“ im Innenbereich (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 15. September 2005 - 4 BN 37.05 -, juris Rn. 3) anzusehen, zumal auch die umliegenden Flurstücke, welche eine deutliche größere Tiefe als Breite zur Straße hin aufweisen, im rückwärtigen Bereich jeweils für einen Hausgarten genutzt werden (z.B. ).
b. Die Einbeziehung des Flurstücks in den bauplanungsrechtlichen Innenbereich durch die 2. Änderung der Klarstellungssatzung vom 25. September 2015 schließt es nicht aus, dass das Flurstück nach den allgemeinen Regeln des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bereits vor Erlass dieser Satzung zum Innenbereich gehörte. Wie bereits ausgeführt, ist die Gemeinde bei der Aufstellung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB an die Grenzen des tatsächlich vorhandenen Innenbereichs gebunden. Sie ist nicht ermächtigt, planerisch über die Zugehörigkeit von Flächen zum Innenbereich zu entscheiden. In diesem Sinne hat eine Klarstellungssatzung lediglich deklaratorische Wirkung (BVerwG, Urteil vom 22. September 2010 - 4 CN 2.10 -, juris Rn. 14). Die Einbeziehung eines Grundstücks in den Innenbereich durch eine Klarstellungssatzung setzt also mit anderen Worten gerade voraus, dass das Grundstück bereits vor Erlass der Klarstellungssatzung zum Innenbereich gehörte. Für das klägerische Flurstück traf dies wie vorstehend unter a. bereits ausgeführt, nicht erst zum Zeitpunkt des Erlasses der 2. Änderung der Klarstellungssatzung im September 2015, sondern bereits zwei Jahre vorher, im September 2013 zu.
c. Der Klarstellungssatzung vom 16. November 2001 und deren 1. Änderungssatzung vom 15. April 2014, die das Flurstück nicht in den Innenbereich einbezogen haben, kommt keine Ausschlusswirkung in der Weise zu, dass außerhalb der durch die Satzungen jeweils festgelegten Grenzen gelegene Grundstücke wie das Flurstück allein aufgrund der satzungsrechtlichen Zuordnung dem Außenbereich zuzurechnen wären. Die Gemeinde ist – wie bereits mehrfach ausgeführt – nicht ermächtigt, im Wege einer Klarstellungssatzung planerisch über die Zugehörigkeit von Flächen zum Innenbereich zu entscheiden, so dass die Wirkung der Grenzfestlegung lediglich deklaratorischer Natur ist. Deshalb kommt Klarstellungssatzungen keine Ausschlusswirkung für Grundstücke zu, die nach den allgemeinen Regeln dem Innenbereich zuzuordnen gewesen wären, aber diesem nicht zugeordnet worden sind (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Oktober 2011 - OVG 10 A 11.08 -, juris Rn. 39; Söfker/Hellriegel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 34 Rn. 99, Dokumentenstand Mai 2023; a.A. für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Anschlussbeitrags VG Cottbus, Urteil vom 1. April 2020 - 6 K 1918/16 -, juris Rn. 18). Ungeachtet des Umstands, dass das streitgegenständliche Flurstück in dem vorstehend zitierten Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus nach den Angaben im Tatbestand anders als vorliegend das Flurstück auch nach allgemeinen Maßstäben im Außenbereich gelegen haben könnte, ist der Auffassung, die eine „Ausschlusswirkung“ einer Klarstellungssatzung annimmt, nicht zu folgen. Der Erlass einer Klarstellungssatzung erfolgt ohne Verpflichtung zur Berücksichtigung und Abwägung der Belange betroffener Grundstückseigentümer. § 34 Abs. 6 Satz 1 sieht für die Klarstellungssatzung auch keine Beteiligung vor. Die Gemeinde ist zudem nicht verpflichtet, die Grenzen des jeweiligen gesamten Ortsteils festzulegen. Schließlich wäre es im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG bedenklich, eine Entscheidungskompetenz der Gemeinde anzunehmen, wenn die Abgrenzung – wie hier zumindest im Zeitpunkt September 2013 – „eindeutig“ ist (vgl. Söfker/Hellriegel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 34 Rn. 99, Dokumentenstand Mai 2023).
Der Klarstellungssatzung vom 16. November 2001 und deren 1. Änderungssatzung vom 15. April 2014 kommt jedenfalls für den hier betrachteten Zeitpunkt im September 2013 auch keine wie auch immer geartete „Indizwirkung“ zu, weil sie das Flurstück nicht dem Innenbereich zugeordnet haben. Dass es diesem nach materiellen Kriterien angehörte, ist unter a. bereits dargelegt worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Ein Grund für die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 1 Satz 1, § 124a Abs. 1 VwGO liegt nicht vor.
Der Streitwert wird auf 1.265 Euro festgesetzt, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.