Gericht | VG Potsdam 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 21.11.2023 | |
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Aktenzeichen | VG 8 K 2442/20 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2023:1121.8K2442.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 12 KAG, § 8 KAG |
Der Beitragsbescheid des Beklagten vom 25. Juli 2019 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag.
Sie sind jeweils zur Hälfte Eigentümer des Grundstücks Gemarkung , postalisch . Die heutigen Flurstücke bildeten in den 1990er Jahren das Flurstück . Spätestens im Jahr 1997 wurde das Flurstück in zwei Flurstücke - - zerlegt. Die heutigen Flurstücke sind aus der Zerlegung des Flurstücks in zwei Flurstücke am 11. Dezember 2017 hervorgegangen.
Der Verband des Beklagten betreibt unter anderem auf dem Gebiet der Gemeinde die Beseitigung des Schmutzwassers als öffentliche Einrichtung. Der Verband bzw. dessen Rechtsvorgänger – der Abwasserzweckverband – hat in den Jahren 1993, 1999, 2002, 2006, 2010 und zuletzt 2017 Beitragssatzungen beschlossen.
Der Beklagte zog die Kläger durch gleichlautende Schreiben vom 25. Juli 2019 zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag i.H.v. 2.609,73 Euro heran. In den Schreiben waren jeweils beide Kläger als Bescheidempfänger ausgewiesen und es wurde darauf hingewiesen, dass sie als Gesamtschuldner herangezogen würden. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bescheid ergehe aufgrund der 1. Änderung der Innenbereichs- und Abrundungssatzung für den Ortsteil der Gemeinde vom 7. Juli 2015, bekannt gemacht am 14. August 2015. Mit einem Beitragsbescheid vom 5. Juli 1996 sei für das damalige Flurstück eine Fläche von 2.920 m2 – wovon 1.870,70 m2 auf das heutige Flurstück entfielen – als anzurechnende Fläche laut damaliger Satzung beschieden worden. Erhoben und fällig gestellt worden sei eine Fläche von 500 m2. Die restliche Fläche von 1.370,7 m2 werde laut damaligem Bescheid erhoben, sobald das Flurstück zum Zwecke der Bebauung geteilt oder so bebaut werde, dass neue wirtschaftliche Grundstückseinheiten entstünden. Dies sei bisher nicht der Fall gewesen, weshalb dieser Teil der Fläche weiter gestundet bleibe. Mit dem aktuellen Bescheid erfolge die Festsetzung nur für diejenige Fläche, die nicht bereits 1996 beschieden worden sei.
Die Kläger erhoben mit Schreiben vom 23. August 2019 Widerspruch. Es sei Festsetzungsverjährung eingetreten, weil das Flurstück bereits seit Jahrzehnten und damit auch im Jahr 1996 in der gesamten Tiefe bebaut gewesen sei. Es handele sich um einen sogenannten Vierseithof, wobei sich das Wohn- und die beiderseitigen Nebengebäude auf dem bereits 1996 veranlagten Grundstücksteil befänden und die seitlich geführten Neben- und Stallgebäude sowie insbesondere das quer zur vorderen Grundstücksgrenze stehende Scheunengebäude auf dem neu hinzugerechneten Grundstücksteil aufstehend seien. Die Heranziehungsmöglichkeit auch der hinteren Fläche des Flurstücks habe bereits im Jahr 1996 bestanden.
Mit Anhörungsschreiben vom 11. März 2020 nahm der Beklagte zu dem Widerspruch der Kläger Stellung. Ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbelastung liege nicht vor, weil im Beitragsbescheid vom 25. Juli 2019 die bereits veranlagte Fläche von 1.870,7 m² abgezogen worden sei. Erst mit der Innenbereichs- und Abrundungssatzung aus dem Jahr 2000 sei für das Flurstück eine Festsetzung des Geltungsbereichs des Innenbereichs auf 16 Meter erfolgt. Entsprechend der Tiefenbegrenzungsregelung in der Beitragssatzung vom 10. November 1993 sei das Flurstück auch nur bis zu einer Tiefe von 40 Metern veranlagt worden. Das Argument, dass bereits im Jahr 1996 das gesamte Grundstück zur Bebauung zur Verfügung gestanden habe, sei nicht relevant, da die Beitragssatzung 1996 keine über 40 Meter hinausgehende Bescheidung zugelassen habe. Erst durch die 1. Änderung der Innenbereichs- und Abrundungssatzung vom Juli 2015 sei das Grundstück komplett in den Innenbereich einbezogen worden. Festsetzungsverjährung sei daher nicht eingetreten.
Die Kläger nahmen dazu mit Schreiben vom 23. März 2020 Stellung. Auch eine Tiefenbegrenzungslinie könne nicht die Flächen aus der Heranziehung zu einem Beitrag ausnehmen, deren bauliche Nutzung über die Tiefenbegrenzungslinie hinausginge, da damit über die der Tiefenbegrenzungsregelung zugrunde liegenden Vermutung hinaus der Nachweis der baulichen Nutzung und damit auch der Vorteilswirkung erbracht worden sei. Dies widerspräche der Vorteilsgerechtigkeit. Es komme insoweit nicht darauf an, wie das damalige Satzungsrecht ausgestaltet gewesen sei, weil eine starre Tiefenbegrenzung bei vorhandener Bebauung über die Tiefenbegrenzungslinie hinaus eine nicht vorteilsgerechte Heranziehung darstelle.
Die Kläger haben am 1. Oktober 2020 Klage erhoben. Dabei wiederholen und vertiefen sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Das damalige Flurstück sei bereits im Jahr 1996 auch im hinteren Teil intensiv bebaut gewesen mit Scheunen- und Hallengebäuden. Es handele sich insgesamt bei der auf dem Grundstück vorhandenen Bebauung um Altbestand. Eine im Jahr 1996 geltende Tiefenbegrenzung habe nur diejenige Fläche begrenzen können, die nicht tatsächlich darüber hinausgehend einer baulichen oder gewerblichen Nutzung unterlegen habe.
Nachdem die Kläger ursprünglich die Bescheidung ihres Widerspruchs durch den Beklagten begehrt hatten, beantragen sie nunmehr,
den Bescheid vom 25. Juli 2019 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unzulässig. Die Bescheidungsklage sei unzulässig und der Klageänderung werde nicht zugestimmt. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, weil der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt der Bescheidung nicht verjährt gewesen sei. Die sachliche Beitragspflicht sei erst durch die Änderung der Innenbereichs- und Abrundungssatzung vom Juli 2015 entstanden. Derartige Satzungen könnten für die Grenzbereiche konstitutiv den Innenbereich festlegen. Zuvor habe der hintere Teil des Grundstücks nicht im unbeplanten Innenbereich gelegen. Aus dem Plan zum Beitragsbescheid vom 5. Juli 1996 ergebe sich, dass zu diesem Zeitpunkt lediglich Scheunen im hinteren Bereich als Bebauung vorhanden gewesen seien. Westlich oder östlich der Scheunen habe es keine Bebauung gegeben, die zur Annahme eines Innenbereichs hätten führen können. Es sei in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass weitere Flächen eines Grundstücks im grundbuchrechtlichen Sinne durch eine Änderung der baurechtlichen Situation zu einem späteren Zeitpunkt beitragspflichtig und dann im Wege der Nachveranlagung zu einem – weiteren – Beitrag herangezogen werden könnten. Das sei insbesondere der Fall, wenn ein Teil des Grundstücks baurechtlich im Innenbereich und ein anderer Teil im Außenbereich liege und der Teil im Außenbereich zu einem späteren Zeitpunkt in den Innenbereich einbezogen werde.
Das Gericht hat die Beteiligten im vorbereitenden Verfahren darauf hingewiesen, dass nach den über den „Brandenburg Viewer“ einsehbaren historischen Luftaufnahmen davon auszugehen sein dürfte, dass sich die Bebauung der Flurstücke sowie der Grundstücke in der Umgebung entlang der Straße „“ mindestens seit dem Jahr 1997 nicht mehr maßgeblich verändert habe.
Die Kläger haben auf Fragen des Berichterstatters schriftsätzlich zu den Nutzungs- und Anschlussverhältnissen der Flurstücke (ehemals ) vorgetragen. Der Kläger zu 2. ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch dazu befragt worden. Nach seinem Vortrag verfügten die Gebäude Nr. 5 und 8 auf der als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung genommenen Karte seit langem über eine Toilette mit Waschraum bzw. Duschen und seien an die Kanalisation angeschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift der Sitzung vom 21. November 2023 Bezug genommen.
Dem hält der Beklagte entgegen, dass die landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Nebengebäude im hinteren Teil des heutigen Flurstücks sowie auf dem heutigen Flurstück jedenfalls nicht vor dem Jahr 2000 an die Kanalisation angeschlossen worden seien. Auf dem heutigen Flurstück sei im Jahr 1996 ein Hausanschluss gelegt worden. Weitere Anschlüsse seien bei dem Beklagten nicht verzeichnet. Gebührenmäßig werde lediglich das Grundstück „“ abgerechnet, wobei ein Hauptzähler, ein zweiter Hauptzähler (Eigenversorgung) „WC Nebengebäude-Werkstatt“ und ein Gartenwasserzähler erfasst seien. Der damalige Eigentümer habe bei einer Besprechung im Jahr 2010 in Vorbereitung der Beitragserstellung für die Flurstücke erklärt, es habe zum damaligen Zeitpunkt auf dem Grundstück nur Stallgebäude ohne sanitäre Anlagen gegeben. Dies habe der Vertreter der damaligen Eigentümerin auch in dem Schriftsatz vom 20 Juni 2005 in dem vor der Kammer geführten Rechtsstreit VG 8 K 2897/02 ausgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge in diesem Verfahren und dem Verfahren VG 8 K 2436/20, dessen Akten beigezogen worden sind.
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
I. Den Übergang von der ursprünglich auf die Verpflichtung des Beklagten nur zur Bescheidung des Widerspruchs der Kläger vom 23. August 2019 beschränkt erhobenen Klage zur Anfechtungsklage sieht die Kammer als jedenfalls sachdienliche Klageänderung gemäß § 91 Abs. 1 Var. 2 VwGO an, vgl. auch § 264 Nr. 2 ZPO. Der identische Streitstoff bleibt eine verwertbare Entscheidungsgrundlage, so dass die geänderte Klage zur endgültigen Klärung des streitigen Rechtsverhältnisses führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. August 2005 - 4 C 13.04 -, juris Rn. 22).
Die geänderte Klage ist zulässig. Insbesondere ist der erfolglose Abschluss eines Vorverfahrens nach § 75 VwGO vorliegend nicht erforderlich, weil der Beklagte über den Widerspruch der Kläger vom 23. August 2019 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht entschieden hat. Gründe dafür wurden vom Beklagten nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
II. Die Klage ist auch begründet. Der Beitragsbescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beitragsbescheid beruht auf § 8 KAG i.V.m. den beitragsrechtlichen Vorschriften der Beitrags- und Kostenersatzsatzung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes vom 27. November 2017 (im Folgenden: BKS 2017, bekanntgemacht im Amtsblatt für die Gemeinde vom 12. Januar 2018, S. 16). Die Satzung enthält die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG erforderlichen Mindestangaben. Bedenken gegen ihre Wirksamkeit sind weder von den Klägern geltend gemacht worden noch anderweitig ersichtlich.
Der Beitragserhebung steht jedoch entgegen, dass die Kläger Vertrauensschutz gegenüber der Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. genießen. Denn im Zeitpunkt der Gesetzesänderung (1. Februar 2004) hat in Bezug auf das Beitragsgrundstück bereits die Lage einer „hypothetischen Festsetzungsverjährung“ bestanden.
Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 (1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14, juris, Rn. 39) verstößt die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl. I S. 294, im Folgenden KAG a.F.) in Fällen, in denen Beiträge schon nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in der zuvor geltenden Fassung vom 27. Juni 1991 (KAG a. F.) nicht mehr hätten erhoben werden können, gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn ein potenziell beitragspflichtiger Grundstückseigentümer nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. in der verbindlichen Auslegung, die die Vorschrift durch das Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) (Urteil vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, juris, Rn. 43 ff.) erfahren hat, aufgrund eines unwirksamen ersten Satzungsversuchs des zuständigen Einrichtungsträgers darauf vertrauen konnte, dass ein weiterer, nunmehr wirksamer Satzungsversuch zwar die Beitragspflicht zur Entstehung bringen würde, diese aber im gleichen Moment verjährt wäre. Das trifft − in entsprechender Anwendung der Verjährungsbestimmungen nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b KAG i. V. m. § 169 Abs. 2 Satz 1, § 170 Abs. 1 AO − auf Satzungen zu, die spätestens im Jahre 1999 erlassen worden sind bzw. bestimmten, dass die sachliche Beitragspflicht spätestens im Jahre 1999 entstehen sollte, wobei die satzungsmäßige Vorteilslage ebenfalls spätestens im Jahre 1999 gegeben sein musste (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Dezember 2022 - OVG 9 B 34.18 -, juris Rn. 18, 27; Beschluss vom 14. September 2021 - OVG 9 N 70.19 -, juris Rn. 5 ff.; Urteil vom 15. Juni 2016 - OVG 9 B 31.14 -, juris Rn. 44; Urteil vom 11. Februar 2016 - OVG 9 B 1.16 -, juris, Rn. 29 ff.).
Der Abwasserzweckverband hatte bereits am 10. November 1993 eine (unwirksame) Beitragssatzung beschlossen, deren Regelungen rückwirkend durch die (ebenfalls unwirksame) Abwassergebühren- und Beitragssatzung vom 26. April 1999 (AGBS 1999, veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis vom 28. September 1999, S. 33) ersetzt worden sind (vgl. § 27 AGBS 1999).
Ebenso bestand vor dem 1. Januar 2000 eine dauerhaft gesicherte Anschlussmöglichkeit. Diese hat auch eine beitragsrechtliche Vorteilslage begründet. Das damalige Flurstück zerfiel zum Zeitpunkt der ersten Beitragserhebung mit Bescheid vom 5. Juli 1996 in zwei beitragsrechtliche Grundstücke, wobei das vordere, an die Straße „“ angrenzende Grundstück in der Tiefe zumindest bis zum letzten Baukörper auf dem heutigen Flurstück reichte und in diesem Umfang auch bereits zum damaligen Zeitpunkt vollständig beitragspflichtig geworden war (dazu im Folgenden 1.). Die vorliegend streitgegenständliche Fläche wäre aber auch auf der Grundlage der von dem Beklagten vertretenen Sichtweise – Zerfall des damaligen Flurstücks in die wirtschaftlichen Grundstücke „Wohnnutzung“ und „landwirtschaftliche Nutzung“ – schon im Jahr 1996 bevorteilt und damit zu einem Anschlussbeitrag heranzuziehen gewesen, weil auch das landwirtschaftlich genutzte Grundstück jedenfalls in der gesamten Tiefe des heutigen Flurstücks beitragspflichtig gewesen wäre (2.). Der daraus resultierende Vertrauensschutz schlägt auch auf das Beitragsgrundstück des Bescheides vom 25. Juli 2019 durch (3.).
1. Das Grundstück im beitragsrechtlichen Sinn im vorderen, unmittelbar an die Straße „“ grenzenden Teil des damaligen Flurstücks reichte zum Zeitpunkt der Beitragserhebung im Juli 1996 von der straßenseitigen Grenze zumindest bis in die dem Abschluss der Baukörper der Gebäude Nr. 4 und 5 auf der als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung genommenen Karte (die Nummerierung von Gebäuden bezieht sich im Folgenden stets auf diese Karte) entsprechenden Tiefe.
Nach der vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Beschluss vom 14. September 2021 - OVG 9 N 70.19 -, juris Rn. 15; Beschluss vom 28. August 2015 - OVG 9 N 153.12 -, juris Rn. 8; Beschluss vom 20. März 2014 - OVG 9 N 35.11 -, juris Rn. 8; Urteil vom 14. November 2013 - OVG 9 B 35.12 -, juris Rn. 56) fortgeführten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) (Urteil vom 26. September 2002 - 2 D 9/02.NE -, juris Rn. 46) schreibt das Brandenburgische Kommunalabgabengesetz den sogenannten wirtschaftlichen bzw. beitragsrechtlichen Grundstücksbegriff vor. Danach ist Grundstück im Sinne der anschlussbeitragsrechtlichen Vorschriften regelmäßig jeder demselben Eigentümer gehörende Teil der Grundfläche, der selbständig baulich oder gewerblich genutzt werden kann. Ausgangspunkt bei der Bestimmung wirtschaftlicher Einheiten bleibt das Buchgrundstück, denn in der Mehrzahl der Fälle sind Grundstücke im Sinne des Grundbuchrechts zugleich auch wirtschaftliche Einheiten. Davon ausgehend ist jeweils festzustellen, ob das Buchgrundstück zur Bildung einer wirtschaftlichen Einheit um Flächen vergrößert oder verkleinert werden muss. Das kann in der Weise geschehen, dass nicht selbständig baulich nutzbare Buchgrundstücke zusammengefasst werden oder das Buchgrundstück auf die baulich oder gewerblich nutzbaren Flächen reduziert wird, um die Grundflächen desselben Eigentümers, denen ein einheitlicher Vorteil durch den Kanalanschluss oder die Ausbaumaßnahme vermittelt wird, als wirtschaftliche Einheit zu erfassen.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass das Flurstück schon zum Zeitpunkt vor seiner Zerlegung spätestens im Jahr 1997 mindestens mit einer Tiefe von 16 Metern im Innenbereich lag (a.) und aufgrund der übergreifenden baulichen Nutzung der Gebäude des Vierseithofs (Gebäude Nr. 1-6) auch in der dieser Bebauung entsprechenden Tiefe ein beitragsrechtliches Grundstück bildete (b).
Das Kriterium der selbstständigen baulichen oder gewerblichen Nutzbarkeit im Sinne des beitragsrechtlichen Grundstücksbegriffs hängt maßgeblich davon ab, ob und in welchem Umfang die Fläche bauplanungsrechtlich genutzt werden darf. Soweit – wie hier – kein qualifizierter Bebauungsplan vorliegt, folgt die Abgrenzung der beitragsrechtlichen Grundstücksflächen in der Regel der Grenzziehung zwischen dem unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) und dem Außenbereich (§ 35 BauGB), weil der Innenbereich grundsätzlich einer baulichen Nutzung offensteht, während Außenbereichsflächen im Prinzip von baulicher und gewerblicher Nutzung freizuhalten sind (vgl. Becker, KAG Bbg, Dokumentenstand September 2020, § 8 Rn. 129). Unbebaute Grundstücke, die vom Innen- in den Außenbereich übergehen, zerfallen daher regelmäßig in zwei wirtschaftliche Einheiten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Juni 2018 - OVG 9 S 5.18 -, juris Rn. 7; Beschluss vom 20. Februar 2008 - OVG 9 S 26.07 -, juris Rn. 6). Ist das teilweise im Innen-, teilweise im Außenbereich belegene Buchgrundstück bebaut, kann sich aus der baurechtlich zulässigen Nutzung eine andere Zuordnung der wirtschaftlichen Einheiten ergeben (vgl. Becker, a.a.O.).
a. Auf der Grundlage dieses rechtlichen Maßstabs ist die Kammer davon überzeugt, dass das zum Zeitpunkt der Beitragserhebung mit Bescheid vom 5. Juli 1996 noch nicht zerlegte Flurstück jedenfalls mit einer Tiefe von 16 Metern ab der Grenze zur Straße „“ bis zu seiner Zerlegung im Jahr 1997 im unbeplanten Innenbereich lag.
aa. Die Kammer hat insoweit die in das Verfahren eingeführte historische Luftaufnahme im „Brandenburg Viewer“ der Bebauung nördlich der Straße „“ in , welche mit der Zeitangabe „1997-1992“ versehen ist und demnach die Bebauung spätestens im Zeitpunkt 31. Dezember 1997 wiedergibt, sowie das ebenfalls in das Verfahren eingeführte Plandokument der Innenbereichs- und Abrundungssatzung der Gemeinde vom 18. Mai 2000 zur Grundlage seiner Entscheidungsfindung gemacht. Die Karte des Plandokuments ist auf „Januar 2000“ datiert, weshalb die Kammer davon ausgeht, dass die Karte auch den Stand zum 31. Dezember 1999 zutreffend wiedergibt, auch, weil im „Brandenburg Viewer“ im hier betrachteten Bereich der Grundstücke „“ (heutige) Hausnummern bis zwischen den historischen Luftaufnahmen „“ und der zeitlich nachfolgenden Aufnahme „2009-2001“ keine Veränderungen in den Umrissen der Bebauung erkennbar sind.
Das frühere Flurstück nahm bereits vor dem Jahr 2000 in voller Breite und mit der Tiefe des Wohnhauses von 16 Metern am erforderlichen Bebauungszusammenhang teil. Ausschlaggebend für die Annahme eines Bebauungszusammenhangs ist, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die betrachtete Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden (st. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur Beschluss vom 30. August 2019 - 4 B 8.19 -, juris Rn. 8; Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 -, juris Rn. 11 ff., jeweils m.w.N.). Das Wohnhaus (Gebäude Nr. 1) gehört zu einer Reihe von unmittelbar nördlich an die Straße „“ grenzenden Wohngebäuden auf den (heutigen) Flurstücken . Ebenso wie bei dem früheren Flurstück handelt es sich bei den Flurstücken um frühere landwirtschaftliche Hofstellen, bei denen das Wohnhaus sich direkt an der Straße befindet, während die – ggf. vormals – landwirtschaftlich genutzten, langgestreckten Gebäude seitlich zu und/oder hinter dem Wohngebäude angeordnet sind. Die unmittelbar an die Straße grenzende Wohnbebauung setzt sich auch noch westlich auf den Flurstücken sowie östlich auf dem Flurstück fort.
bb. Der Bebauungszusammenhang wird auch nicht durch die Gebäude Nr. 6 und 10 und den vorderen Streifen des Flurstücks unterbrochen. Die Gebäude Nr. 6 und 10 wurden jedenfalls zur Zeit der Nutzung durch die Agrargenossenschaft nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers zu 2. für den landwirtschaftlichen Betrieb der Agrargenossenschaft genutzt. Landwirtschaftlich genutzte Gebäude gehören zwar häufig nicht zur „Bebauung“ i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, weil sie in der Regel nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen bzw. in einem weiteren Sinne „Nebenanlagen" zu einer landwirtschaftlichen, (klein-) gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 2019 - 4 B 8.19 -, juris Rn. 13; Beschluss vom 5. April 2017 - 4 B 46.16 -, juris Rn. 6 f.; Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 -, juris Rn. 15). Anders stellt es sich aber bei landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden dar (BVerwG, Beschluss vom 5. April 2017 - 4 B 46.16 -, juris Rn. 8; Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 -, juris Rn. 19), was vorliegend jedenfalls für die Gebäude Nr. 5 und ggf. 6 zutrifft, die zudem auch der landwirtschaftlichen „Hauptnutzung“ zugeordnet werden können.
Zudem sind die Gesichtspunkte „dauernder Aufenthalt“ und „Haupt- oder Nebenanlage“ nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur Hilfskriterien. Maßgeblich ist, ob die Bebauung geeignet ist, dem Gebiet im Sinne einer nach der Siedlungsstruktur angemessenen Fortentwicklung ein bestimmtes städtebauliches Gepräge zu verleihen (BVerwG, Beschluss vom 30. August 2019 - 4 B 8.19 -, juris Rn. 13 m.w.N.; Urteil vom 30. Juni 2015 - 4 C 5.14 -, juris Rn. 21). Das trifft vorliegend angesichts der auch auf den Flurstücken in die Tiefe reichenden Bebauung mit landwirtschaftlich genutzten Gebäuden für die Gebäude 6 und 10 zu. Aus Sicht der Kammer spricht dies auch dafür, den Innenbereich auf dem damaligen Flurstück auch schon zum Zeitpunkt 1996/1997 in einer Tiefe von rund 60 Metern (Gebäude Nr. 4 und 5) statt 16 Metern abzugrenzen, ebenso wie in der Innenbereichs- und Abrundungssatzung der Gemeinde aus dem Jahr 2000 für die Flurstücke . Dies bedarf vorliegend jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil bereits die Zuordnung eines 16 Meter breiten Streifens zum Innenbereich genügt, um die Lage der sogenannten hypothetischen Festsetzungsverjährung für die gesamte Fläche des hier streitgegenständlichen Flurstücks festzustellen.
cc. Unabhängig davon, d.h. falls die Gebäude Nr. 6 und 10 nicht als Bestandteil des Bebauungszusammenhangs anzusehen sein sollten, würde es sich bei dem Raum zwischen den Wohngebäuden mit der Hausnummer und der Nr. um eine Baulücke handeln, die den Bebauungszusammenhang nicht unterbricht. Die vorstehend beschriebene aufeinanderfolgende Wohnbebauung nördlich der Straße „“ vermittelt auch unter Einbeziehung der hier in Rede stehenden Freifläche – die Gebäude Nr. 6 und 10 hinweggedacht – noch den Eindruck der Geschlossenheit. Die Errichtung von ein oder zwei Wohngebäuden in vergleichbarer Größe wie die bereits vorhandenen Wohngebäude auf den Flurstücken in diesem Zwischenraum würde sich als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Wohnbebauung darstellen, welche sich von der Baulücke aus in westliche und in östliche Richtung erstreckt. Dafür spricht auch die von einigen Oberverwaltungsgerichten (vgl. Fundstellen bei BVerwG, Beschluss vom 30. August 2019 - 4 B 8.19 -, juris Rn. 9) angewandte „Faustformel“, dass eine unbebaute Fläche von zwei bis drei Bauplätzen als Baulücke angesehen werden kann, die den Bebauungszusammenhang nicht unterbricht, die vom Bundesverwaltungsgericht als derartige „Faustformel“, die bei Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall auch zu abweichenden Ergebnissen führen kann, nicht beanstandet worden ist (BVerwG, a.a.O. Rn. 8 f.).
dd. Für die Richtigkeit der vorstehenden bauplanungsrechtlichen Zuordnung der Flächen des damaligen Flurstücks spricht auch, dass die damals noch selbständige Gemeinde diese Zuordnung in ihrer Innenbereichs- und Abrundungssatzung, welche am 18. Mai 2000 ausgefertigt worden ist (abrufbar im Geoportal der Gemeinde unter ...) in exakt der gleichen Weise vorgenommen hat. Im hier interessierenden Bereich des damaligen Flurstücks kommt der Satzung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. BauGB zwar nur klarstellende (deklaratorische) Wirkung zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. September 2010 - 4 CN 2.10 -, juris Rn. 14), doch bestätigt die von der damaligen Gemeindevertretung, deren Mitglieder mit den örtlichen Verhältnissen der Gemeinde hinreichend vertraut gewesen sein dürften, vorgenommene Abgrenzung die Einschätzung der Kammer.
Diese Einschätzung wird weiterhin dadurch bestätigt, dass der damalige Abwasserzweckverband E.. in seinem Bescheid vom 5. Juli 1996 für das Flurstück „Teil aus “ einen Beitrag für eine Fläche mit einer Tiefe von 40 Metern ab der Grenze des Flurstücks zur Straße für die gesamte Breite des damaligen Flurstücks festgesetzt hat. Dies ergibt eine überschlägige Multiplikation der Breite des Flurstücks von etwa 78 Metern mit der Tiefenbegrenzung von 40 Metern in der Satzung des Abwasserzweckverbandes vom 10. November 1993 (§ 3 Abs. 1 Nr. 3) und entspricht der Markierung auf der vom Beklagten mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2020 eingereichten Karte, welche dem Bescheid vom 5. Juli 1996 nach Angaben des Beklagten allerdings nicht beigefügt war.
Die Kammer sieht keinen Anhaltspunkt dafür, dass die vorstehend vorgenommene Abgrenzung von Innen- und Außenbereich auf dem damaligen Flurstück , welche auf der Grundlage der historischen Luftaufnahmen von spätestens 1997 bzw. dem Plandokument der Innenbereichs- und Abrundungssatzung aus dem Januar 2000 erfolgt ist, in dem der Teilung des Flurstücks in die neuen Flurstücke und im September 1997 unmittelbar vorausgehenden Zeitpunkt anders zu beurteilen gewesen sein sollte. Dass sich die Bebauung in dem hier interessierenden Gebiet zwischen September 1997 und Dezember 1999 maßgeblich geändert haben sollte, ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr spricht die gemeinsam mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommene Luftbildaufnahme aus dem Jahr 1953 im „Brandenburg Viewer“ dafür, dass die vorstehend beschriebene Wohnbebauung nördlich der heutigen Straße „“ bereits im Jahr 1953 in den gleichen Umrissen bestand wie in den Jahren 1997 bzw. 1999.
b. Das beitragsrechtliche Grundstück reichte bis zur Teilung des Flurstücks (spätestens) am 12. September 1997 in der Tiefe jedoch nicht nur bis zum hinteren Abschluss des Baukörpers des Wohnhauses (Gebäude Nr. 1), sondern bis zum hinteren Abschluss des Baukörpers der Gebäude Nr. 4 und 5, also bis zur vollständigen Tiefe der heutigen Flurstücke . Denn (jedenfalls) die Gebäude Nr. 1 bis 6 und 10 wurden nach 1990 bis etwa 1997 von der Agrargenossenschaft einheitlich und auch abwasserrelevant genutzt (aa). Nach Zerlegung des Flurstücks in die neuen Flurstücke wurde das klägerische Flurstück weiterhin in seiner vollen Tiefe einheitlich genutzt (bb). Die einheitliche Nutzungsmöglichkeit definiert die wirtschaftliche Einheit im beitragsrechtlichen Sinn (vgl. Becker, KAG Bbg, Dokumentenstand Januar 2017, § 8 Rn. 120).
aa. Die Kammer geht dabei von folgendem Sachverhalt aus: Nach dem in tatsächlicher Hinsicht unwidersprochenen Vortrag des Klägers zu 2. ist die gesamte Fläche des damaligen Flurstücks bis Ende der 1990er Jahre von der Agrargenossenschaft als faktischer Nachfolgerin der aufgelösten LPG genutzt worden. Ebenfalls Ende der 90er Jahre wurde das Flurstück getrennt und die Gebäude Nr. 1 bis 6 nicht mehr von der Agrargenossenschaft genutzt. Dieser Zeitpunkt ist nach Auffassung der Kammer zwischen dem 5. Juli 1996 (Beitragsbescheid für das einheitliche Flurstück ) und dem 12. September 1997 (Teilung des Flurstücks ) zu verorten.
Davon ausgehend sind die Gebäude Nr. 2 bis 6 und 10 bis zu diesem Zeitpunkt (einheitlich) zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt worden. Dies bestreitet auch der Beklagte nicht. Zu dieser einheitlichen Nutzung gehörte jedoch auch das Wohnhaus (Nr. 1), das während der Nutzung durch die Agrargenossenschaft als Wohnhaus für Angestellte des landwirtschaftlichen Betriebs (vormalige LPG-Arbeiter) diente. Die Kammer geht mit dem Beklagten davon aus, dass die Wohnungen im Gebäude Nr. 1 nach dem 3. Oktober 1990 an die Mitarbeiter des landwirtschaftlichen Betriebes vermietet worden sind. Entgegen der Auffassung des Beklagten folgt daraus aber keine von der Nutzung der Gebäude Nr. 2 bis 6 und 10 abweichende Nutzung des Wohngebäudes, die zur Abspaltung eines weiteren beitragsrechtlichen Grundstücks führen würde. Es spricht aus Sicht der Kammer nichts dafür und dürfte bei verständiger Betrachtung auch lebensfremd sein, dass die Agrargenossenschaft als Verwalterin bzw. Bucheigentümerin des damaligen Flurstücks das Wohnhaus, das bereits vor 1990 LPG-Arbeitern zu Wohnzwecken gedient hatte und damit Bestandteil der landwirtschaftlichen LPG-Betriebsstätte gewesen war, aus dem Gefüge des landwirtschaftlichen Großbetriebs herauslösen und zum alleinigen Zweck der Erzielung von Mieteinnahmen umwidmen wollte. Vielmehr dürfte es dem Zweck der Agrargenossenschaft, die Betriebsabläufe nach der Auflösung der LPG bis zur Entwicklung neuer betrieblicher Strukturen möglichst unverändert fortzuführen, entsprochen haben, die Unterbringung der Angestellten der Agrargenossenschaft auf dem Betriebsgelände fortzusetzen.
Bei lebensnaher Betrachtung spricht alles dafür, die an die Arbeiter bzw. Angestellten der Agrargenossenschaft vermieteten Wohnungen als Bestandteil eines einheitlichen landwirtschaftlichen Betriebes auf dem damaligen Flurstück anzusehen, anstatt das Wohngebäude als eigenständigen, davon zu unterscheidenden wirtschaftlichen Betrieb zur Vermietung von Wohnraum zu betrachten. Unabhängig davon spricht dafür, dass nach Angaben des Klägers zu 2. die Gebäude Nr. 2, 3, 4 und teilweise auch 6 zur Zeit der Nutzung der Agrargenossenschaft von den Bewohnern des Gebäudes Nr. 1 mitgenutzt worden sind. Danach ergibt sich gerade nicht das Bild klar voneinander trennbarer Nutzungen, sondern einer miteinander verzahnten und daher insgesamt einheitlich zu betrachtenden wohn- und landwirtschaftlichen Nutzung.
Kein anderes Ergebnis folgt aus dem von dem Beklagten eingereichten Abnahmeprotokoll vom 2. Mai 1996 für die Erneuerung oder erstmalige Herstellung eines Hausanschlusses, das als Eigentümer des Objekts eine Firma „“ ausweist. Zum einen sagt dieses Dokument nichts über die Nutzung des Wohngebäudes vor dem Zeitpunkt Mai 1996 aus, während es für den Eintritt der sogenannten hypothetischen Festsetzungsverjährung vorliegend genügt, dass die satzungsgemäße Vorteilslage – und sei es auch nur für einen Tag – ab dem Zeitpunkt vorlag, an dem die betreffende Beitragssatzung (rückwirkend) in Kraft treten sollte. Das ist im vorliegenden Fall der 10. November 1993. Zum anderen ist aus der Angabe einer Firma mit dem Namen „“ nicht zwingend auf eine Nutzung des Wohngebäudes bzw. der darin befindlichen Wohnungen vorwiegend oder ausschließlich zur Erzielung von Mieteinnahmen zu schließen. Die Firma „“ kann von der Agrargenossenschaft auch lediglich mit den Aufgaben einer Hausverwaltung beauftragt worden sein. Dies ist mit der fortgeführten Nutzung des Wohngebäudes zur Vermietung an Mitarbeiter der Agrargenossenschaft als Bestandteil eines einheitlichen landwirtschaftlichen Betriebes nicht unvereinbar.
Auch die Gebäude Nr. 7 bis 9 dürften bis zu der Zerlegung des Flurstücks 1997 an der einheitlichen Nutzung durch die Agrargenossenschaft teilgenommen haben. Darauf kommt es vorliegend jedoch nicht entscheidungserheblich an.
bb. Nach der Zerlegung des Flurstücks (spätestens) am 12. September 1997 wurde das klägerische Flurstück von der Familie in voller Tiefe einheitlich genutzt, allerdings nicht mehr zu landwirtschaftlichen Zwecken. Nach den Angaben des Klägers zu 2., denen der Beklagte nicht entgegengetreten ist, ist das Gebäude Nr. 1 in dieser Zeit als Mietshaus genutzt worden, wobei die Gebäude Nr. 2 bis 4 ebenfalls von den Mietern mitgenutzt worden sind, z.B. für einen Taubenschlag. Das Gebäude Nr. 5 wurde zunächst von einem Tiefbauunternehmen, später von der Jagdgenossenschaft für Versammlungen genutzt. Demzufolge liegt für einen Ende der 1990er Jahre zu verortenden Zeitraum und damit vor dem 1. Januar 2000 eine einheitliche Nutzung des Flurstücks zur Vermietung zu Wohn- und Gewerbezwecken vor. Für eine rein landwirtschaftliche Weiternutzung etwa der Gebäude 4, 5 und 6 durch die Agrargenossenschaft, welche zwar weiterhin Eigentümerin des Flurstücks , nicht aber des Flurstücks war, gibt es keine belastbaren Anhaltspunkte. Insbesondere lässt der Umstand, dass diese Gebäude Durchgänge bzw. Ausgänge auch in Richtung des damaligen Flurstücks hatten, weder zwingend noch überwiegend wahrscheinlich auf eine rein landwirtschaftliche Nutzung dieser Gebäude schließen.
c. Das nach dem unter b. aa. ausgeführten umrissene Grundstück im beitragsrechtlichen Sinn – das damalige Flurstück in der gesamten Breite an der Straße „mit einer Tiefe mindestens bis zum Abschluss des Baukörpers der Gebäude 4 und 5 – war nach den beitragsrechtlichen Vorschriften der – unwirksamen – AGBS 1999, welche nach deren § 27 rückwirkend zum 10. November 1993 in Kraft treten sollte, bevorteilt und mit seiner vollständigen Fläche beitragspflichtig. Es erfüllte mit einer Tiefe von 16 Metern die Voraussetzungen der Vorteilslage nach § 3 Abs. 1 Buchstabe b) AGBS 1999, wonach Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen, die an die zentrale öffentliche Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung angeschlossen werden können und für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und baulich oder gewerblich genutzt werden dürfen.
Die gesamte Fläche des Grundstücks im beitragsrechtlichen Sinn wäre nach der AGBS 1999 beitragspflichtig. Der Beitrag wurde gemäß § 4 AGBS 1999 nach einem kombinierten Flächen- und Vollgeschossmaßstab bemessen. § 4 Abs. 2 lit. c) AGBS 1999 definierte als heranzuziehende Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die teilweise innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles, teilweise im Außenbereich, liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 40 Metern dazu verlaufenden Parallelen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten unterlag jedoch auch die über diese Tiefenbegrenzungslinie hinausgehende Fläche des wirtschaftlichen Grundstücks der Beitragspflicht. Anschließend an die soeben zitierte Regelung legte § 4 Abs. 2 lit. d) AGBS 1999 bei Grundstücken, die über die sich nach Buchstaben a) bis c) ergebenden Grenzen hinaus bebaut oder gewerblich genutzt sind, als beitragspflichtige Grundstücksfläche diejenige Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze bzw. im Falle von Buchstabe c) der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer Parallelen hierzu fest, die in einer Tiefe verläuft, die der übergreifenden Bebauung oder gewerbliche Nutzung entspricht.
Eine über die Tiefenbegrenzungslinie von 40 Metern in den Außenbereich übergreifende Bebauung lag zwischen 1993 und 1997 auf dem wirtschaftlichen Grundstück vor. Dass es sich bei der Nutzung der Gebäude Nr. 1 bis 6 durch die Agrargenossenschaft – welche mutmaßlich bis zum Jahr 1997 andauerte – um eine einheitliche Nutzung handelte, ist bereits vorstehend unter b. aa. ausgeführt worden. Eine übergreifende Bebauung im Sinne von § 4 Abs. 2 lit. d) AGBS 1999 setzt im Übrigen nicht voraus, dass alle Gebäude oder Gebäudeteile tatsächlich an die Kanalisation angeschlossen sind oder dort Schmutzwasser, das entsorgt werden muss, anfällt. Eine die Tiefenbegrenzung überwindende bauliche oder gewerbliche Nutzung im Sinne dieser Satzungsregelung, die im Einzelfall die durch die Tiefenbegrenzung generalisierend festgelegte räumliche Erschließungswirkung der Entwässerungsanlage widerlegt, setzt (nur) voraus, dass die Nutzung im Zusammenhang steht mit einer baulichen oder gewerblichen Nutzung, die überhaupt einen Entwässerungsbedarf nach sich ziehen kann (vgl. für das KAG NRW OVG Münster, Urteil vom 22. Mai 2001 - 15 A 5608/98 -, juris Rn. 6; Beschluss vom 18. Juli 2000 - 15 A 4443/96 -, juris Rn. 8). Dieser potenzielle Entwässerungsbedarf folgte zum damaligen Zeitpunkt bereits daraus, dass in dem Gebäude Nr. 5 Sozialräume, Sanitärräume und Büros untergebracht waren und sich im oberen (nördlichen) Teil des Gebäudes Nr. 10 mutmaßlich von einem Tierarzt im Zusammenhang mit der in den Stallungen im Gebäude Nr. 10 betriebenen Viehhaltung genutzte Nassräume befanden. Darauf, ob die Gebäude Nr. 5 und Nr. 10 zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich an die Kanalisation angeschlossen gewesen sind oder anfallendes Schmutzwasser gegebenenfalls anderweitig entsorgt worden ist, kommt es daher nicht an.
Unabhängig davon wäre das Flurstück nach Zerlegung des Flurstücks im Jahr 1997 nach den gleichen satzungsrechtlichen Regelungen mit seiner vollständigen Fläche schon vor dem Jahr 2000 beitragspflichtig geworden. Auch das Flurstück lag nach dem vorstehend ausgeführten im Zeitraum von 1997 bis 1999 mit einem 16 Meter breiten, an die Straße „“ grenzenden Streifen im Innenbereich und war übergreifend in seiner vollen Tiefe bebaut. Aufgrund der Sozialräume, Sanitärräume und Büros in Gebäude Nr. 5 und der einheitlichen Nutzung zu Wohn- und Gewerbezwecken erfolgte auch eine schmutzwasserrelevante Nutzung.
2. Die vorliegend streitgegenständliche Fläche wäre aber auch auf der Grundlage der von dem Beklagten vertretenen Sichtweise – Zerfall des damaligen Flurstücks in die wirtschaftlichen Grundstücke „Wohnnutzung“ und „landwirtschaftliche Nutzung“ – schon im Jahr 1996/1997 bevorteilt und damit zu einem Anschlussbeitrag heranzuziehen gewesen, weil auch das landwirtschaftlich genutzte Grundstück jedenfalls in der gesamten Tiefe des heutigen Flurstücks beitragspflichtig gewesen wäre.
Sofern die Wohnnutzung des Gebäudes Nr. 1 und die überwiegend landwirtschaftliche Nutzung der Gebäude 2 bis 10 nicht als einheitliche, sondern als separate Nutzungen angesehen würden, zerfiele das damalige Flurstück bis zu dem Zeitpunkt seiner Teilung im Jahr 1997 in zwei Grundstücke im beitragsrechtlichen Sinn: Die zu Wohnzwecken genutzte Fläche (Gebäude Nr. 1) und die restliche, zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzte Fläche des damaligen Flurstücks . Das „Wohngrundstück“ wäre gegebenenfalls noch um Teile der Freifläche in dem Vierseithof zu ergänzen gewesen, die als Weg zur Eingangstür oder als Park- bzw. Abstellfläche genutzt wurden. Es wäre in östlicher Richtung jedoch (spätestens) durch die dem Innenhof zugewandte Seite des Gebäudes Nr. 6 begrenzt gewesen. Das verbleibende, landwirtschaftlich genutzte Grundstück im beitragsrechtlichen Sinn hätte dann mit der vollen Breite des Gebäudes Nr. 6 und dem östlich davon bis zur Grenze zum Flurstück Nr. verlaufenden Streifen unbebauter Fläche unmittelbar an die Straße „angeschlossen und wäre nach dem vorstehend unter 1. a. ausgeführten in dieser Breite mit einer Tiefe von mindestens 16 Metern dem Innenbereich zuzuordnen gewesen.
Dieses landwirtschaftlich genutzte Grundstück wäre ebenfalls nach der – unwirksamen – AGBS 1999 bevorteilt und beitragspflichtig gewesen, wobei die beitragspflichtige Fläche sich jedenfalls bis zur Tiefe der Bebauung mit dem Gebäude Nr. 10 erstreckt und damit die vollständige Fläche des heutigen Flurstücks erfasst hätte. Das Grundstück wäre beitragspflichtig nach § 3 Abs. 1 lit. b) AGBS 1999 gewesen, weil es über den vorhandenen Grundstücksanschluss des Gebäudes Nr. 1, das zwar beitragsrechtlich auf einem anderen Grundstück, damals aber auf dem gleichen Buchgrundstück lag, über eine gesicherte Anschlussmöglichkeit verfügte und jedenfalls mit dem 16 Meter breiten, an die Straße „“ angrenzenden Streifen dem Innenbereich zuzuordnen war. Auf der Grundlage der Maßstabsregelung des § 4 Abs. 2 lit. c) AGBS 1999 wäre demnach der Beitrag grundsätzlich nur im Umfang der Tiefenbegrenzung von 40 Metern festzusetzen gewesen. Aufgrund der übergreifenden Bebauung wäre jedoch ebenfalls § 4 Abs. 2 lit. d) AGBS 1999 zur Anwendung gekommen, wonach bei Grundstücken, die über die sich nach Buchstabe a) bis c) ergebenden Grenzen hinaus bebaut oder gewerblich genutzt sind, die Fläche heranzuziehen ist, welche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer Parallelen hierzu liegt, die in einer Tiefe verläuft, die der übergreifenden Bebauung oder gewerblichen Nutzung entspricht. Zu berücksichtigen gewesen wären demnach die Gebäude 5, 6 und 10, welche nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers zu 2. bereits zur Zeit der Nutzung durch die Agrargenossenschaft in einer Weise baulich genutzt wurden, die einen Entwässerungsbedarf nach sich ziehen konnte (vgl. für das KAG NRW OVG Münster, Urteil vom 22. Mai 2001 - 15 A 5608/98 -, juris Rn. 6; Beschluss vom 18. Juli 2000 - 15 A 4443/96 -, juris Rn. 8). Ob auch die Gebäude Nr. 7 bis 9 das Merkmal der übergreifenden baulichen Nutzung erfüllt hätten, bedarf keiner Entscheidung.
Für das landwirtschaftlich genutzte Grundstück wäre nach den Maßstabsregelungen der AGBS 1999 daher jedenfalls ein Beitrag bis zu einer Grundstückstiefe festzusetzen gewesen, welche bis zum Abschluss des Baukörpers des Gebäudes Nr. 10 reicht. Damit wäre jedenfalls die vollständige Fläche des heutigen Flurstücks zu einem Zeitpunkt zwischen dem (rückwirkenden) Inkrafttreten der AGBS 1999 am 10. November 1993 und der Teilung des Flurstücks im Jahr 1997 nach den Regelungen der unwirksamen Beitragssatzung beitragspflichtig gewesen und damit die Voraussetzung der sogenannten hypothetischen Festsetzungsverjährung erfüllt.
3. Der sich aus der Lage der sogenannten hypothetischen Festsetzungsverjährung ergebende Vertrauensschutz ist flächenbezogen zu berücksichtigen. Deshalb spielt es keine Rolle, dass der Zuschnitt des Grundstücks sowohl im grundbuchrechtlichen als auch im beitragsrechtlichen Sinn sich nachträglich geändert hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Dezember 2022 - OVG 9 B 34.18 -, juris Rn. 26; Beschluss vom 14. September 2021 - OVG 9 N 70.19 -, juris Rn. 18).
4. Die Kammer sieht sich veranlasst, auf folgende – nicht entscheidungstragende – Erwägung hinzuweisen: Es spricht einiges dafür, dass die mit dem Beitragsbescheid vom 25. Juli 2019 festgesetzte Beitragsforderung – wenn ihr nicht bereits die sogenannte hypothetische Festsetzungsverjährung entgegenstünde – der Festsetzungsverjährung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG i.V.m. § 169, § 170 Abs. 1 AO unterliegt. Beim rückwirkenden Inkrafttreten der BKS 2017 zum 1. Januar 2011 (§ 15) war das Flurstück nach der Innenbereichs- und Abrundungssatzung der Gemeinde P... (vgl. 1. a.) jedenfalls mit einem 16 Meter breiten Streifen von der Grenze zur Straße „“ dem Innenbereich zuzuordnen. Gemäß § 4 Abs. 2 lit. d) BKS 2017 war damit grundsätzlich nur diese, dem Innenbereich zugeordnete Fläche beitragspflichtig. § 4 Abs. 2 lit. g) BKS 2017 sieht jedoch ebenfalls vor, dass bei Grundstücken, die über die sich nach Buchstabe b) bis f) ergebenden Grenzen hinaus bebaut oder gewerblich genutzt sind, die Fläche zu berücksichtigen ist, welche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer Parallelen hierzu liegt, die in einer Tiefe verläuft, die der übergreifenden Bebauung oder gewerblichen Nutzung entspricht. Aufgrund der einheitlichen, potenziell schmutzwasseraffinen Nutzung des Flurstücks durch die „Familie “ (vgl. vorstehend 1 b bb und c) bis zum Erwerb des Flurstücks durch die Kläger im Jahr 2014 dürfte das Flurstück schon mit dem (rückwirkenden) Inkrafttreten der BKS 2017 zum 1. Januar 2011 in vollem Umfang beitragspflichtig geworden sein. Die Festsetzungsfrist wäre dann zum 31. Dezember 2015 abgelaufen gewesen. Eine – nach Auffassung des Beklagten konstitutive – Einbeziehung der hinteren Flächen des Flurstücks in den Innenbereich durch die Änderung der Innenbereichs- und Abrundungssatzung für den Ortsteil der Gemeinde vom 21. Juli 2015 hätte daran nichts mehr geändert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Ein Grund für die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 1 Satz 1, § 124a Abs. 1 VwGO liegt nicht vor.
Der Streitwert wird auf 2.609 Euro festgesetzt, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.