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Entscheidung 9 UF 176/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 25.01.2024
Aktenzeichen 9 UF 176/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0125.9UF176.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Teil-Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Freienwalde (Oder) vom 16.03.2023 (Az: 60 F 43/21) wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Gründe

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den angefochtenen Beschluss ist – wie mit Senatsverfügung vom 19.10.2023 angekündigt – nach § 117 Abs. 1 S. 4 FamFG i.V.m. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO zu verwerfen, weil sie unzulässig ist. Denn sie ist bis zum Ablauf der hier gemäß § 63 Abs. 1; Abs. 3 S. 1 FamFG am 11.08.2023 endenden Beschwerdefrist nicht eingelegt worden, sondern erst am 29.08.2023.

Nach § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde binnen einer Frist von einem Monat einzulegen, wobei die Frist mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses beginnt (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 329 ZPO). Die den Lauf der Rechtsmittelfrist in Gang setzende Zustellung des angefochtenen Beschlusses hatte in dem gemäß § 114 Abs. 1 FamFG in Verb. mit § 231 Abs. 1 Nr. 2 FamFG dem Anwaltszwang unterliegenden Verfahren an den bestellten Rechtsanwalt des Antragsgegners zu erfolgen (§ 172 ZPO).

Der Antragsgegner wird im Verfahren von Beginn an durch die („Kanzlei 01“) vertreten, deren Mitglied er ist. Dies ergibt sich eindeutig aus den erstinstanzlichen Schriftsätzen. Zunächst hat die in der („Kanzlei 01“) angestellte Rechtsanwältin („Name 03“) mit Schriftsatz vom 28.04.2021 (betreffend das Verfahrenskostenhilfe-Gesuch der Antragstellerin) unter dem Briefkopf („Kanzlei 01“) ... Partnerschaftsgesellschaft mitgeteilt: „In Sachen ... zeigen wir an, dass der Antragsgegner durch uns vertreten wird“. Nach Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe und Zustellung der Antragsschrift ging das (nach Vergleich der in der Akte ersichtlichen Unterschriften) durch Rechtsanwalt („Name 01“) unterzeichnete Empfangsbekenntnis ein. Sodann erfolgte mit Datum vom 26.08.2021 eine weitere, von Rechtsanwalt („Name 01“) - dem Antragsgegner - unterzeichnete Vertretungsanzeige unter demselben Briefkopf mit dem Wortlaut: „In Sachen („Name 02“) ./. („Name 01“) zeigen wir die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners an“.

Da Prozessbevollmächtigter nicht nur eine natürliche Person, sondern gemäß § 59b BRAO auch eine Berufsausübungsgesellschaft sein kann, lassen die eindeutigen Formulierungen nur den Schluss zu, dass nicht ein einzelner Rechtsanwalt, sondern die gesamte Partnerschaftsgesellschaft den Antragsgegner im Verfahren vertritt. In der Folgezeit sind sämtliche Schriftsätze durch Rechtsanwalt („Name 01“) unterzeichnet worden, soweit erkennbar auch sämtliche EB´s durch ihn unterzeichnet und der Verhandlungstermin durch ihn wahrgenommen worden.

Dementsprechend konnte eine wirksame Zustellung des Beschlusses an die Rechtsanwaltsgesellschaft erfolgen; es konnte aber gemäß § 59l BRAO auch an jeden einzelnen Gesellschafter oder Vertreter der Gesellschaft zugestellt werden (vgl.: Zöller/Schultzky, ZPO, 35. A., § 170 Rz. 4; Wieczorek/Schütze/Rohe, ZPO, 5.A., § 170 Rz. 19 f). Das Amtsgericht hat, nachdem zunächst der Beschluss lediglich formlos übersandt worden war, aufgrund richterlicher Verfügung vom 05.07.2023 (Bl. 115 GA) „BA vom 16.03.2023 an VB As u. VB Ag ((„Name 01“)) - EB“ diese Zustellung am 05.07.2023 vorgenommen. Ausweislich Bl. 121 GA ist die elektronische Zustellung an Rechtsanwalt („Name 01“) als Zustellungsempfänger erfolgt.

Die Zustellung des Beschlusses vom 16.03.2023 an Rechtsanwalt („Name 01“) als Mitglied der Partnerschaftsgesellschaft und in eigener Person im gesamten Verfahren aufgetretenen Rechtsanwalt war somit ordnungsgemäß. Das elektronische Empfangsbekenntnis wurde jedoch von dem Rechtsanwalt nicht abgegeben, sondern mit dem Vermerk: „Das Empfangsbekenntnis wird nicht abgegeben, da: Zustellungsempfänger nicht am Verfahren beteiligt. Erläuterung: Falsches Postfach. Zustellungen für RAìn („Name 03“) müssten wohl in ihr Postfach eingestellt werden.“ eingehend am 11.07.2023 an das Amtsgericht zurückgesandt. Die Übersendung erfolgte auf elektronischem Weg; die Signatur ist diejenige von Rechtsanwalt („Name 01“). Daraus folgt, dass der zuzustellende Beschluss nebst EB im elektronischen Postfach eines in der Gesellschaft tätigen Rechtsanwalts übersandt worden ist. Außerdem lässt sich feststellen, dass der Antragsgegner als anwaltlicher Gesellschafter der bevollmächtigten Partnerschaftsgesellschaft und zugleich als sachbearbeitender Rechtsanwalt den zuzustellenden Beschluss nebst EB erhalten hat. Dieser beruft sich zu Unrecht auf Formfehler.

Nach §§ 173; 175 ZPO kann ein Schriftstück an einen Rechtsanwalt gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden, weil bei Anwälten auf Grund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann. Die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis ist (nur) dann als bewirkt anzusehen, wenn der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen, und dies auch durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses beurkundet (Zöller, a.a.O., § 175 Rz. 4).

An der Empfangsbereitschaft des Zustellungsadressaten fehlt es jedoch hier. Rechtsanwalt („Name 01“) hat diese vielmehr ausdrücklich verweigert. Gleichwohl ist vorliegend ausnahmsweise nach dem Gedanken der Zugangsvereitelung entsprechend § 189 ZPO von einer wirksamen Zustellung am 11.07.2023 auszugehen. § 189 ZPO hat den Zweck, dass Zustellungsvorschriften nicht zum Selbstzweck verkommen, sondern die Zustellung als bewirkt angesehen werden kann, wenn der Zustellungszweck anderweitig, nämlich durch tatsächlichen Zugang, erreicht wird (BGH, Beschluss vom 29.03.2017, Az.: VIII ZR 11/16). Wenn die Verweigerung der Annahme offensichtlich rechtswidrig ist, kann aber von einer Zugangsvereitelung ausgegangen werden, die zur Folge hat, dass trotz des Mangels von einer wirksamen Zustellung auszugehen ist (jurisPK-ERV/Weth, 2. A., § 189 ZPO Rz. 37; vgl.: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.09.2022, Az: 1 S 22/23).

Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der persönlich als Antragsgegner am Verfahren beteiligte Rechtsanwalt als Mitglied der ihn im Verfahren vertretenden Partnerschaftsgesellschaft den beschwerdefähigen Endbeschluss des Amtsgerichts zum Zweck der Zustellung in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt durch das Gericht auf elektronischem Weg erhalten hat. Dies war ihm offensichtlich bewusst, denn er hat (fälschlich) darauf Bezug genommen, dass die Zustellung an eine andere Rechtsanwältin der Gesellschaft hätte erfolgen müssen. Anstatt - was in diesem Fall nahe gelegen hätte - den Vorgang an die Kollegin zu übermitteln, wenn er sie denn für zuständig hielt, hat er nicht etwa selbst - wozu er verpflichtet gewesen wäre - das Empfangsbekenntnis unterzeichnet, sondern die Annahme verweigert. Zudem ist offensichtlich, dass die angebliche Zuständigkeit von Rechtsanwältin („Name 03“) nur vorgeschoben worden ist. Einzig Rechtsanwalt („Name 01“) selbst ist im Verfahren nach dessen Rechtshängigkeit inhaltlich tätig geworden, hat Schriftsätze eingereicht und allein an der mündlichen Verhandlung teilgenommen. Er war somit nicht nur formell als Gesellschafter, sondern tatsächlich als Rechtsanwalt, sich selbst vertretend, in dem Verfahren tätig. Berücksichtigt man weiter, dass das Verfahren (noch in der Auskunftsstufe) seine Inanspruchnahme als Unterhaltsschuldner zum Gegenstand hat und insgesamt hoch konfrontativ auf allen Ebenen (tatsächlich, materiell und formell-rechtlich) geführt wird, vermag der Senat dieses Verhalten nur als mutwillig zu bewerten und von einer Zugangsvereitelung auszugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO.