Gericht | VG Potsdam 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 19.03.2024 | |
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Aktenzeichen | VG 3 L 221/24 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2024:0319.3L221.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 8 Abs 1 GG, § 14 VersG, § 15 Abs 1 VersG |
Allgemeine Erwägungen zur Unvereinbarkeit des Protestcamps einschließlich der Baumhäuser mit Vorschriften des Naturschutzes und des Baurechts genügen nicht für die gebotene Gefahrenprognose Keine Ermessenserwägungen insbesondere zum grundrechtlichen Schutz der Versammlungsfreiheit und der Wertigkeit der für den Eingriff herangezogenen Gründe
Der Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den ver-sammlungsrechtlichen Auflagenbescheid des Polizeipräsidiums vom 15. März 2024 (Az. StB 4.2-451-43/147/24) wiederherzustellen, soweit darin
1. die Durchführung der Versammlung auf den Zeitraum bis 21. März 2024 be-schränkt wird (Auflage 2. a));
2. die Versammlungsfläche gegenüber der Anmeldung beschränkt wird (Auflage 2b));
3. jede Nutzung der vorhandenen Baumhäuser untersagt und deren Rückbau bis 18. März 2024, 13 Uhr angeordnet wird (Auflage 2. d));
4. die Errichtung neuer Baumhäuser und das Einbringen weiterer Baumaterialien in den Versammlungsraum untersagt wird (Auflage 2. e));
5. der Aufenthalt unterhalb der bestehende Baumhäuser untersagt und aufgegeben wird, den Bereich abzusperren (Auflage 2. f));
6. das Anbieten und Durchführen von Kletterkursen und Kletterübungen unter-sagt wird (Auflage 2. j));
7. aufgegeben wird, geplante versammlungsimmanente „Einzelaktionen“ vor deren Durchführung mitzuteilen (Auflage 2. k)),
hat Erfolg.
1. Der zulässige Antrag ist begründet. Das Gericht kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Falle der behördlich angeordneten sofortigen Vollziehung wiederherstellen. Voraussetzung hierfür ist, dass sich aufgrund der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung, bei der der Frage der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache besondere Bedeutung zukommt (BVerwG, Beschluss vom 29. Oktober 2014 - 7 VR 4.13 -, juris Rn. 10), ein gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse überwiegendes Aussetzungsinteresse des Betroffenen ergibt. Dies ist der Fall.
Das von der Antragstellerin für den Zeitraum vom 16. März bis 20. Mai 2024 angemeldete „Camp zum Schutz des Waldes“, auch zum „Thema der Wasserknappheit in der Region – gegen die Erweiterung der ...-Fabrik“, das sich als Fortsetzung und Fortentwicklung einer entsprechenden erstmalig am 29. Februar 2024 bis zum 15. März 2024 angemeldeten Versammlung versteht, unterfällt als Ganzes dem Regelungsregime des Versammlungsgesetzes (vgl. zum Folgenden OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Juni 2019 - OVG 1 S 54.19 -, juris, Rn. 3). Im Hinblick auf die Offenheit des Versammlungsgrundrechts für neue Formen kann nach der jüngeren Rechtsprechung im Einzelfall auch ein Protestcamp einschließlich der angemeldeten Infrastruktureinrichtungen vom Schutz der Versammlungsfreiheit umfasst sein (BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 2017 - 1 BvR 1387/17 -, juris Rn. 22; BVerwG, Urteil vom 24. Mai 2022 - 6 C 9/20 -, juris Rn. 17 ff.; vgl. Gesamtgepräge einer "gemischten" Veranstaltung auch BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 23.06 -, juris, Rn. 16 ff.), ohne dass diese zwingend eine eigenständige funktionale oder symbolische Bedeutung für den Zweck der Meinungskundgabe haben müssen (OVG Hamburg, Beschluss vom 5. Juli 2017 - 4 Bs 148/17 -, juris, Rn. 48 ff.).
Die ursprüngliche Fläche des Protestcamps, das sich im Waldgebiet ... befindet, betrug ausweislich des Auflagenbescheides des Antragsgegners vom 1. März 2024 200 m x 350 m mit einer angemeldeten Anzahl von ca. 50 Teilnehmern. Thematisch richtet sich das Protestcamp gegen die Erweiterungspläne des Automobilkonzerns ..., die das Waldgebiet betreffen, in dem sich das Protestcamp befindet. Die Anzahl der Baumhäuser, die auf dem Areal errichtet wurden, begrenzte der ursprüngliche Auflagenbescheid auf 15. Nach den Ausführungen der Antragstellerin symbolisieren die Baumhäuser den Schutzanspruch der Versammlungsteilnehmer, die den Wald und die Natur bewahren wollen und dies durch ihre ständige Anwesenheit zum Ausdruck bringen. Zugleich wirke diese Versammlungsform, bei der Menschen am Ort des Geschehens dauerhaft ausharren und sich kollektiv organisieren, regelmäßig spektakulär und sei geeignet, über einen langen Zeitraum Medien und Öffentlichkeit mit dem Versammlungsthema zu erreichen.
Nach § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde die Versammlung von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist. Unmittelbar gefährdet ist die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ordnung, wenn eine konkrete Sachlage vorliegt, die nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge den Eintritt eines Schadens mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt und daher bei ungehindertem Geschehensablauf zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (vgl. Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, VersammlG, 2. Aufl. 2022, § 15 Rn. 53; Groscurth in Peters/Janz, Handbuch Versammlungsrecht, 2. Aufl. 2021, Teil G Rn. 75). Die öffentliche Sicherheit umfasst die Unverletzlichkeit und den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen und Ehre des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und den Bestand der staatlichen Einrichtungen (Dürig-Friedl in Dürig-Friedl/Enders, VersammlG, 2. Aufl. 2022, § 15 Rn. 40). Es müssen – bei grundrechtsgerechter Auslegung unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG – zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung erkennbare Umstände dafür vorliegen, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Das setzt nachweisbare Tatsachen als Grundlage der Gefahrenprognose voraus; bloße Vermutungen reichen indes nicht (u.a. BVerfG, Beschluss vom 21. April 1998 - 1 BvR 2311/94 - juris Rn. 27; OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. September 2021 - 11 ME 275/21 -, juris Rn. 10). Für die Frage, ob und wann von einer Versammlung Gefahren für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit ausgehen werden, bedarf es einer tragfähigen Prognose, bei der die Versammlungsbehörde prüfen muss, ob aufgrund der ihr bekannten Tatsachen der Eintritt einer derartigen Gefahr zu besorgen ist oder ob dies fernliegt. Je größer der anzunehmende Schaden für ein hochwertiges Rechtsgut ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Gefahrprognose (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom 2. Februar 2022 - 3 M 207/21 -, juris Rn. 12.).
Diese Voraussetzungen sind für die Auflagen zu Ziffer 2 lit. a) und lit. b) (hierzu unten a.), lit. d) bis lit. f) (hierzu unten b.), lit. j) (hierzu unten c.) und lit. k) (hierzu unten d.) bei summarischer Prüfung nicht erfüllt.
a. Die Verfügung zu Nr. 2 lit. a), wonach die Versammlung für den Zeitraum vom 16. März 2024 bis einschließlich 21. März 2024 bestätigt wird, ist auslegungsbedürftig, da das Versammlungsgesetz eine formelle Bestätigung des Versammlungszeitraums nicht vorsieht. Aus der Zusammenschau mit der Begründung ist zu schließen, dass es sich um eine Verkürzung der Versammlungsdauer handeln soll und damit als Auflage im Sinne von § 15 Abs. 1 VersG zu qualifizieren ist (vgl. Groscurth, in: Peters/Janz, Handbuch des Versammlungsrechts, 2. Aufl. 2021, Teil G Rn. 154). Der Bescheid begründet diesen Verfügungsteil im Zusammenhang mit der Verfügung zu Nr. 2 lit. b), wonach eine Erweiterung des Versammlungsortes um einen Streifen von 50 m in östlicher Richtung abgelehnt wird. Im Wesentlichen stellt der Bescheid insoweit darauf ab, dass die Nutzung des Waldes bereits jetzt einen massiven Eingriff darstelle und die bisherige Fläche für eine größere Anzahl von Veranstaltungsteilnehmern als bislang ausreiche. Ein weiterer Eingriff in den Schutzraum Wald und der damit einhergehenden Schädigung der Fauna und Flora und einer ausgedehnteren Vergrämung von Waldtieren sei mit den Beschränkungen entgegenzutreten. Die gegenwärtige Jahreszeit sei eine für Fauna und Flora sensible Phase. Die Gefahr einer Beschädigung der betroffenen Bäume sei wegen des sogenannten Saftflusses besonders groß. Zudem liege die Versammlung in einem Gebiet mit Kampfmittelverdacht. Der Versammlungsraum liege bereits jetzt zum Teil im Landschaftsschutzgebiet. Eine räumliche Ausdehnung der Gefahren für Boden, Wasser, Luft, Pflanzen und Tiere sowie eine weit in die Zukunft reichende Beeinträchtigung sei nicht hinnehmbar, weshalb auch eine zeitliche Verkürzung der Versammlungsdauer geboten sei.
Mit diesen Erwägungen sind indes keine Umstände dargetan, die auf eine von § 15 Abs. 1 VersG vorausgesetzte unmittelbare Gefahr führen. Vielmehr gibt die Begründung nur allgemeine Erwägungen wider. Eine unmittelbare Gefahr ergibt sich auch nicht aus den seitens des Antragsgegners eingeholten Stellungnahmen. Die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises O___ führt in ihrer Stellungnahme vom 12. März 2024 zur Einhaltung umweltrechtlicher Vorschriften vielmehr aus, dass diese bislang ausreichend beachtet wurden. Soweit eine Verlängerung der Versammlungszeit in die Vegetationszeit hineinführe, führe dies zu Beeinträchtigungen und Störungen des Brutgeschehens. Es sei im Regelfall zu prüfen, ob Brutstätten oder Lebensstätten besonders geschützter Arten betroffen seien. Mit der Durchführung der Versammlung über einen längeren Zeitraum sei anteilig von einer Verdrängung der lokalen Population wildlebender Tiere auszugehen. In der Stellungnahme vom 14. März 2024 ergänzt die Behörde, dass unwiederbringliche Schäden vermutlich nicht entstünden. Soweit mit einer Verdrängung von Arten (Vögeln) auszugehen sei, seien voraussichtlich keine erheblichen oder nachhaltigen Störungen zu erwarten. Dem ist zu entnehmen, dass jedenfalls zunächst ermittelt werden müsste, in welchem Umfang es zu Beeinträchtigungen kommen könnte. Für die Annahme einer unmittelbaren Gefahr, mithin einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass sich der drohende Schaden im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Versammlung eintreten wird (Groscurth, a.a.O., Rn. 91) genügt dies nicht.
Gleiches gilt für die Stellungnahme des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz vom 12. März 2024. Auch diese zeigt keine konkreten Tatsachen auf, die tatsächliche Umstände für die anzustellende Gefahrenprognose liefern (vgl. Dürig-Friedl, in: Dürig/Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 2. Aufl. 2022, § 15 Rn. 60). Nach dieser Stellungnahme ist gegenwärtig keine hohe Waldbrandgefahr gegeben. Handlungen der Versammlungsteilnehmer gegen die örtlich betroffene Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Mügelspree-Löcknitzer Wald- und Seengebiet“ seien nicht ersichtlich, aber auch nicht auszuschließen. Eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Population wildlebender Tiere der streng schützten Arten sei mangels konkreter Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Soweit die Errichtung von Baumhäusern zu einer Schädigung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten etwa für Fledermäuse oder geschützte Vogelarten führen könne, sei eine Beurteilung mangels konkreter Anhaltspunkte nicht möglich. So verhalte es sich auch in Bezug auf wildlebende Pflanzen.
Der Kampfmittelbeseitigungsdienst hat in seiner Stellungnahme vom 12. März 2024 ausgeführt, dass der Versammlungsort in einem Gebiet mit sog. Kampfmittelverdacht gehöre, bei dem die Wahrscheinlichkeit, auf Kampfmittel zu stoßen, über das Grundrisiko hinausgehe. Eine derartige abstrakte Vorbelastung genügt nicht für die Annahme eines mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretenden Schadens.
Selbst wenn man von der Erfüllung des Tatbestandes ausginge, eröffnet § 15 Abs. 1 VersG auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen der Behörde. Die hier gegebene Ermessensausübung, § 40 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfGBbg, wird sich allerdings voraussichtlich als rechtswidrig erweisen (§ 114 VwGO). Denn unabhängig von der Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Verfügungen ist im Rahmen des Ermessens eine Auseinandersetzung mit der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne vorzunehmen. Die zeitliche und räumliche Beschränkung der hier angemeldeten Versammlung greift zentral in die durch Art. 8 Abs. 1 GG gewährleistete Grundrecht der Versammlungsfreiheit ein. Daher ist der Wechselwirkung zwischen Grundrecht und gesetzlicher Beschränkung durch das Schrankengesetz Rechnung zu tragen (BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 1992 – 1 BvR 88/91, BvR 576/91 –, juris Rn. 45). An derartigen Erwägungen fehlt es hier.
b. Auch die Verfügungen zu Nr. 2 lit. d), lit. e) und lit. f), die einen zweiten Komplex des angefochtenen Bescheides bilden, werden einer rechtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren voraussichtlich nicht standhalten. Mit diesen gibt die Behörde der Antragstellerin auf, jede Nutzung der vorhandenen Bauten in den Bäumen, auf oder in ihnen, zu unterlassen und einen Rückbau der bisher errichteten Bauten in den Bäumen bis zum 18. März 2024, 13.00 Uhr, vorzunehmen und abzuschließen (lit. d), die Errichtung neuer vergleichbarer Bauten sowie anderer Bauten zu unterlassen sowie es zu unterlassen, weiteres Baumaterial in den Versammlungsraum einzubringen (lit. e); schließlich untersagt die Behörde den Aufenthalt unterhalb der Bauten und gibt der Antragstellerin auf, diesen Bereich zu sichern und abzusperren (lit. f). Zur Begründung führt die Behörde im Zusammenhang aus, eine Erweiterung der Bauten stelle einen massiveren Eingriff in den Wald dar, der bereits jetzt eine Schädigung erfahre. Die Baumhäuser widersprächen dem Bebauungsplan, der die Nutzung als „Industriegebiet“ festsetze und seien nicht genehmigungsfähig. Hierzu nimmt sie auf die Stellungnahme der Unteren Bauaufsichtsbehörde des Landkreises O___ vom 12. März 2024 Bezug. Diese wiederum führt aus, dass sich der Versammlungsraum teilweise im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, teilweise im Außenbereich befinde. Die vorhandenen Gebäude, insbesondere die Baumhäuser, widersprächen dem Bebauungsplan und stellten auch keine privilegierten Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 BauGB dar. Sie seien aus unterschiedlichen Gründen planungsrechtlich unzulässig und nicht genehmigungsfähig. Bauordnungsrechtlich handele es sich bei den Baumhäusern um Gebäude, die aus bauaufsichtsrechtlich nicht zugelassenen Baustoffen bestünden. Die Erschließung sei nicht gesichert und ein Nachweis der Standsicherheit liege nicht vor. Weder der 1. noch der 2. Rettungsweg sei gegeben. Auch die Anforderungen an den Brandschutz dürften nicht eingehalten sein. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die allgemeinen Anforderungen an bauliche Anlagen nicht erfüllt seien und deshalb Leben und Gesundheit der Nutzer der Baumhäuser gefährdet seien. Dies, so die Ergänzung der Versammlungsbehörde, gelte ebenso für Personen, die sich unterhalb der Bauten aufhielten. Das Verbot des Einbringens von weiterem Baumaterial sei die Konsequenz der Nutzungsuntersagung und -erweiterung. Zudem wäre damit eine weitere Belastung des Waldes verbunden und eine Verletzungsgefahr für die Versammlungsteilnehmer, insbesondere auch in der Nacht. Wegen der bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Unzulässigkeit und der fehlenden Genehmigungsfähigkeit könnten die Bauten auch aus versammlungsrechtlicher Sicht nicht gestattet werden. Mit dem Betretungsverbot unterhalb der Bauten solle verhindert werden, dass Personen durch abstürzende Teile oder ganzer Bauten zu Schaden kommen.
Die oben ausgeführten Maßgaben für eine hinreichende Gefahrenprognose werden bei summarischer Prüfung auch im zweiten Komplex des angefochtenen Bescheides nicht erfüllt. Eine Ableitung der vorausgesetzten unmittelbaren Gefahr allein aus der bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Unzulässigkeit der Baumhäuser genügt hierfür nicht. Denn das angezeigte Protestcamp fällt als solches insgesamt in den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit. Dies bedeutet, dass Versammlungsbestandteile, auch wenn sie nach anderen Rechtsvorschriften – wie dem Baurecht – erlaubnispflichtig wären, keiner Erlaubnis nach diesen Rechtsvorschriften bedürfen und insoweit privilegiert werden. Außerversammlungsgesetzliche Erlaubnisvorbehalte, die unmittelbar versammlungsbezogene Betätigungen und Verhaltensweisen betreffen, sind suspendiert (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom 2. Februar 2022 - 3 M 207/21 -, juris, Rn. 10).
Konkrete Tatsachen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Schaden für Leib und Leben der im Protestcamp anwesenden Personen führen, sind nicht dargetan. Die Ausgestaltungen der Baumhäuser, die nach den Ausführungen des Antragsgegners einen Verstoß gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften begründen, führen erst durch das – ihrerseits ungewisse – Hinzutreten weiterer Umstände zu einem Schaden für Leib und Leben. Es kommt hinzu, dass der formale Ansatz des Antragsgegners, die Baumhäuser seien in Ermangelung von Standsicherheitsnachweisen als nicht standsicher anzusehen, umso weniger Gewicht besitzt, als die Antragstellerin zwischenzeitlich zwei Stellungnahmen vorgelegt hat, die sich mit der Konstruktion der Baumhäuser und dem Zustand der jeweils betroffenen Bäume unter Darlegung von Einzelumständen auseinandersetzen und keine wesentlichen Mängel feststellen. Sie sind verfasst zum einen von einem gelernten Zimmermann, der sich seit mehreren Jahren beruflich mit der Erstellung von Kinderbaumhäusern beschäftigt. Für den Zustand der betroffenen Bäume äußert sich ein freiberuflich tätiger Baumpfleger (beruflich qualifiziert nach den Ausführungen in der Stellungnahme als Meister Forstwirtschaft und Dipl. Ing. (FH) Gartenbau).
Auf der Rechtsfolgenseite gelten auch hier die zu a. ausgeführten Ermessensdefizite. Insbesondere lässt der Bescheid eine Abwägung vermissen zwischen dem erheblichen Eingriff in die Versammlungsfreiheit, der letztlich in der Beseitigung der symbolisch zentral für die vorliegende Versammlung herausgestellten Baumhäusern liegt, und dem Gewicht sowie der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Schadens an den Rechtsgütern, die für die Rechtfertigung des Eingriffs herangezogen werden.
c. Auch die zu Nr. 2 lit. j) verfügte Untersagung des Anbietens und Durchführens von Kletterübungen oder Kletterkursen wird sich voraussichtlich als rechtswidrig erweisen. Die Behörde begründet diesen Verfügungspunkt mit der Erwägung, dass Kletterübungen und Kletterkurse keine Meinungsbildung im Sinne des Versammlungsgesetzes darstellten und mithin nicht dem Schutzbereich des Art. 8 GG unterfielen. Es könne nicht erkannt werden, dass diese Übungen einen Beitrag als versammlungsrechtliches Gestaltungsmittel darstellten. Damit lässt sich allerdings die versammlungsrechtliche Ermächtigungsgrundlage des § 15 Abs. 1 VersG nicht ausfüllen.
Diese Rechtsgrundlage regelt als lex specialis die Befugnisse der Polizei- und Ordnungsbehörden zur Abwehr von Gefahren, die typischerweise von der Ausübung der Versammlungsfreiheit ausgehen und die in die Versammlungsfreiheit eingreifen (Dürig-Friedl, in: Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 2. Aufl. 2022, § 15 Rn. 6). Die Behörde geht jedoch selbst davon aus, dass die inmitten stehenden Kletteraktivitäten nicht dem Versammlungszweck selbst zuzuordnen sind. Sie werden als solche auch von der Antragstellerin nicht reklamiert. § 15 Abs. 1 VersG bietet allerdings keine Rechtsgrundlage, Tätigkeiten bereits deshalb zu untersagen, weil sie nicht Bestandteil der Versammlung sind. Zwar sind Maßnahmen gleichwohl möglich, wenn sie entweder keinen Eingriff in die Versammlungsfreiheit darstellen, die Einschränkung der Versammlungsfreiheit lediglich zwangsläufige Nebenfolge einer sicherheitsrechtlichen Maßnahme ist oder wenn das Versammlungsgesetz keine Regelung enthält (Dürig-Friedl, a.a.O. Rn. 8). Allerdings entbindet die Inanspruchnahme von Eingriffsbefugnissen auf Grund anderer Gesetze, auch wenn es die Gefahrenabwehr anlässlich einer Versammlung betrifft, nicht von der Einhaltung der jeweiligen Zuständigkeitsvoraussetzungen. Dass diese Voraussetzungen für die Abwehr einer – hier wohl von der Behörde angenommenen – Gefahr für die Unversehrtheit der von Kletterübungen betroffenen Bäume (vgl. § 4 Abs. 1 der Brandenburgischen Baumschutzverordnung), mithin einer Maßnahme des Naturschutzes, bei der Versammlungsbehörde liegen sollte, ist ebenso wenig erkennbar wie das Vorhandensein einer entsprechenden Rechtsgrundlage, die keine Ausübung von Ermessen erfordert.
d. Schließlich erweist sich auch die Verfügung zu Nr. 2 lit. k) bei der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung als rechtswidrig. Mit dieser gibt die Behörde der Antragstellerin auf, die jeweils geplanten versammlungsimmanenten Einzelaktionen (z.B. Konzerte) vor der Durchführung der Versammlungsbehörde bzw. außerhalb der Bürodienstzeit der zuständigen Polizeiinspektion mitzuteilen. Sie begründet dies mit der Erwägung, dass ein detaillierter Veranstaltungsplan für versammlungsimmanente Einzelaktionen z.B. für Konzerte nicht vorliege. Mit der Verfügung solle gewährleistet werden, dass die Versammlungsbehörde Kenntnis erlange, um ggf. einzelfallbezogene Auflagen erlassen zu können. Als Rechtsgrundlage für diese Verfügung kommt nur § 14 VersG in Betracht. Nach § 14 Abs. 1 VersG ist eine öffentliche Versammlung spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung anzumelden. Nach § 14 Abs. 2 VersG ist in der Anmeldung anzugeben, welche Person für die Leitung der Versammlung oder des Aufzuges verantwortlich sein soll. Dem hat die Antragstellerin am 8. März 2024 dadurch entsprochen, dass sie den Ort sowie Zeitraum vom 16. März bis 20. Mai 2024 benannt und das Thema und die wesentliche Gestaltungsform (Errichtung von Baumhäusern) der Versammlung beschrieben hat. Für das Verlangen nach weitergehenden Angaben ist dagegen eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Die Forderung nach weitergehenden Angaben als in § 14 VersG vorgeschrieben geriete wohl in Konflikt mit dem aus Art. 8 Abs. 1 GG folgenden Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters zu denjenigen Vorkehrungen, mit denen er die beabsichtigte kommunikative Wirkung zu erreichen gedenkt (vgl. VG Gießen, Beschluss vom 30. Juli 2009 – 10 L 1583/09 –, juris Rn. 15 mit Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2007 – 1 BvR 1423/07 –) und ist in besonderer Weise rechtfertigungsbedürftig, weil gemäß § 26 Nr. 2 VersG das Durchführen einer Versammlung unter Verstoß gegen die Anmeldepflicht des § 14 VersG strafbewehrt ist (Lembke, in: Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, 2. Aufl. 2020, § 14 Rn. 44). Hierfür dürfte das bloße behördliche Interesse an weitergehenden Informationen nicht genügen. Für eine Beschränkung im Sinne des § 15 Abs. 1 VersG dürfte es an einer unmittelbaren Gefahr fehlen, zumal weder vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, dass die Antragstellerin etwa sicherheitsrelevante Musikveranstaltungen plant. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass die Antragstellerin diesen Teil der Verfügung für unbestimmt hält.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO
2. Die Entscheidung über den Wert des Verfahrensgegenstandes beruht auf § 53 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG. Die Kammer hat sich hierbei an Nr. 45.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 orientiert und für jeden der vier Auflagenkomplexe den halben Auffangwert angesetzt, der aufgrund der faktischen Vorwegnahme der Hauptsache durch das vorliegende Eilverfahren in voller Höhe anzusetzen war.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen den Beschluss zu 1. steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 32, 14469 Potsdam, innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch nach § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zugelassene Bevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde.
Gegen den Beschluss zu 2. ist die Beschwerde zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt oder die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen wird. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen; der Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten bedarf es nicht.