Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 2 W 3/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Zivilsenat Entscheidungsdatum 20.02.2024
Aktenzeichen 2 W 3/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0220.2W3.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 9. Oktober 2023, Az. 4 O 225/23, aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Landgericht mit der Maßgabe zurückverwiesen, dass von einer hinreichenden Erfolgsaussicht des Antrags aus dem Klageentwurf vom 27. Juli 2023 auszugehen ist.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen den Antragsgegner auf Ersatz desjenigen Verdienstausfallschadens, der ihr aus der verzögerten Bereitstellung eines Betreuungsplatzes für ihren am ... Oktober 2017 geborenen Sohn im Zeitraum Juni 2022 bis Juli 2023 entstanden sei.

Die alleinerziehende Antragstellerin zog Mitte Juli 2021 mit ihren Kindern in die im Gebiet des Antragsgegners liegende Stadt … (im Folgenden auch: Stadt). Am 20. August 2021 stellte die Stadt den Rechtsanspruch ihres Sohnes auf eine Kita-Betreuung im täglichen Umfang von neun Stunden fest. Die Antragstellerin bemühte sich eigenverantwortlich erfolglos um einen Kindergartenplatz. Im Mai 2022 teilte sie dies dem Jugendamt des Antragsgegners mit. Er gewährte hierauf sozialpädagogische Erziehungshilfe.

Die Antragstellerin forderte Ende November 2022 von der Stadt finanziellen Ausgleich für den entstandenen Verdienstausfall ab November 2021. Diese leitete das Schreiben an den Antragsgegner weiter, der den Anspruch am 27. Januar 2023 mit der Begründung zurückwies, er habe erst aus diesem Schreiben von dem Antrag erfahren. Zudem habe die Antragstellerin nicht den ihr zumutbaren Rechtsschutz ergriffen. Zum 1. August 2023 konnte die Antragstellerin einen Kita-Platz für ihren Sohn erlangen.

Das Landgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe mit dem angegriffenen Beschluss zurückgewiesen. Für die Monate Juni 2022 bis Januar 2023 stehe ihr kein Anspruch zu, weil sie bis Januar 2023 den Bedarf nicht angemeldet habe, sondern nur Hilfe zur Erziehung beantragt habe. Erst mit dem Schreiben von Ende November 2022 habe sie ihren Bedarf deutlich gemacht, und dies auch nur in Form eines Schadensersatzanspruchs. Ob dies genüge, könne offenbleiben. Denn jedenfalls habe sie es schuldhaft unterlassen, einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Es sei nicht auszuschließen, dass der Antragsgegner hierauf einen Platz zur Verfügung gestellt hätte.

Der Beschluss ist der Antragstellerin am 18. Oktober 2023 zugestellt worden. Sie hat am Montag, dem 20. November 2023 Beschwerde erhoben. Sie ist der Auffassung, der Antragsgegner müsse sich die Kenntnis der Stadt zurechnen lassen. Er sehe selbst kein Antragsverfahren vor. Sie habe sich auch nicht mit einem Antrag auf Erziehungshilfe an das Jugendamt gewandt, sondern mit der Bitte um Hilfe bei der Suche nach einem Kita-Platz. Die Frage der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme von Eilrechtsschutz könne nur im Hauptsacheverfahren geklärt werden.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 27. Dezember 2023 nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige, insbesondere rechtzeitig im Sinne der §§ 127 Abs. 2 Satz 3 und 222 Abs. 2 ZPO eingelegte Beschwerde ist begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1.

Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO wird Prozesskostenhilfe gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange und soweit die Anforderungen an das Vorbringen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht überspannt werden. Die grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässige Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Prozesskostenhilfeverfahren zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 11. März 2010 – 1 BvR 365/09, NJW 2010, 1657). Höchstrichterlich noch nicht geklärte und umstrittene Rechtsfragen dürfen nicht im Bewilligungsverfahren „durchentschieden“ werden (VerfG Bbg, Beschluss vom 24. März 2017 – VfGBbg 48/16 –, BeckRS 2017, 105824). In tatsächlicher Hinsicht ist Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würde (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 30. September 2003 – 1 BvR 2072/02 –, Rdnr. 10 bei juris). Die notwendige „summarische“ Prüfung ist dagegen keine nur oberflächliche Prüfung der Klage und ihrer Erfolgsaussichten. Im Gegenteil ist eine sorgfältige Prüfung der Erfolgsaussicht nicht nur verfassungsrechtlich zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 2003 – 1 BvR 2072/02 –, NJW-RR 2004, 61), sondern sowohl aus fiskalischen Gründen als auch im Interesse beider Parteien geboten, insbesondere für den Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage: Für den Kläger bedeutet die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, dass er die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen hat, wenn er unterliegt (§ 123 ZPO), während ihm die gegnerischen Kosten nicht aufzuerlegen sind, wenn schon sein Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen wird. Der Beklagte hingegen muss im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Kläger fürchten, im Obsiegensfall seinen prozessualen Kostenerstattungsanspruch gegen den Kläger nicht durchsetzen zu können (Senat, Beschluss vom 16. März 2021 – 2 W 2/21 –, Rdnr. 10; Wache, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 114 ZPO Rdnr. 52).

2.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe können der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht die erforderlichen Erfolgsaussichten abgesprochen werden. Der Antragstellerin kann ein Anspruch auf Amts- bzw. Staatshaftung (§ 1 StHG) zukommen. Die Nichterfüllung des Anspruchs nach § 24 Abs. 2 SGB VIII auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege trotz rechtzeitiger Bedarfsanmeldung durch den örtlich und sachlich zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe stellt eine Amtspflichtverletzung dar, die unter den weiteren Voraussetzungen von § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG sowie § 1 Abs. 1 und § 2 StHG einen Anspruch betroffener Eltern auf Ersatz eines hierdurch verursachten Verdienstausfallschadens begründet (vgl. BGH, Urteile vom 20.10.2016 – III ZR 278/15, NJW 2017, 397; III ZR 302/15, BeckRS 2016, 19371; III ZR 303/15, BeckRS 2016, 19372). Entsprechendes gilt für den Anspruch auf Förderung aus § 24 Abs. 3 SGB VIII (OLG Hamm, Beschluss vom 9. Januar 2023 – I-11 W 44/22 –, Rdnr. 4; Etzold, in: BeckOnline-Großkommentar mit Stand 1. Juni 2023, § 24 SGB VIII Rdnr. 82 ff; Tillmanns, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2024, § 24 SGB VIII Rdnr. 8).

Diese Voraussetzungen können im Streitfall erfüllt sein.

a)

Nach § 24 Abs. 3 SGB VIII, § 1 Abs. 2 S. 1 KitaG Brandenburg haben Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben, bis zum Schuleintritt einen individuellen Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Verpflichtet sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2, § 85 Abs. 1 SGB VIII die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die gemäß § 69 Abs. 1 SGB VIII durch Landesrecht bestimmt werden. In Brandenburg sind dies die Landkreise und kreisfreien Städte, § 1 Abs. 1 AGKJHG (Ausführungsgesetz zum SGB VIII). Sie müssen als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe sicherstellen, dass die Förderungsansprüche aus § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII, also auch diejenigen der mindestens dreijährigen Kinder gemäß § 24 Abs. 3 SGB VIII und § 1 Abs. 2 Satz 1 KitaG, im Land Brandenburg erfüllt werden.

Hieraus erwächst für den Landkreis als Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Gewährleistungsverantwortung im Sinne des § 79 Abs. 2 SGB VIII in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB I die (Amts-)Pflicht sicherzustellen, dass für jedes Kind, das einen Rechtsanspruch gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII besitzt und für das ein entsprechender Bedarf rechtzeitig geltend gemacht wird, auch tatsächlich ein Platz zur Verfügung steht (Senat, Urteil vom 21. Juli 2020 – 2 U 13/19, BeckRS 2020, 19544 Rdnr. 18 ff, unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 – III ZR 302/15, BeckRS 2016, 19371 Rdnr. 17). Für den auf § 24 Abs. 3 SGB VIII gestützten Anspruch eines Kindes von wenigstens drei Jahren gilt nichts anderes (vgl. Etzold, in: BeckOnline-Großkommentar mit Stand 1. Juni 2023, § 24 SGB VIII Rdnr. 81 ff; Tillmanns, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2024, § 24 SGB VIII Rdnr. 8). Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat hierfür entweder einen Platz in einer eigenen Kindertageseinrichtung zu verschaffen oder in einer Einrichtung eines anderen Trägers bzw. einer kreisangehörigen Gemeinde nachzuweisen. Diese Amtspflicht besteht nicht nur im Rahmen der vorhandenen Kapazität, vielmehr trifft den gesamtverantwortlichen Jugendhilfeträger die unbedingte Pflicht, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte bereit zu stellen (Senat ebd., unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 21. Juli 2015 – 1 BvF 2/13, BVerfGE 140, 65/84 = NJW 2015, 2399/2401, Rdnr. 43; BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2017 – 5 C 19/16, BVerwGE 160, 212 = NJW 2018, 1489/1492, Rdnr. 34).

Diese Pflicht besteht als Amtspflicht auch den Eltern des zu betreuenden Kindes gegenüber. In den Schutzbereich der verletzten Amtspflicht aus § 24 SGB VIII bzw. § 1 KitaG ist der Verdienstausfallschaden der Eltern einzubeziehen. Denn es entspricht der Regelungsabsicht des Gesetzgebers, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Erwerbsleben zu verbessern und Anreize für die Erfüllung von Kinderwünschen zu schaffen. Den Eltern soll eine Erwerbstätigkeit ausdrücklich leichter als zuvor ermöglicht werden. Den gleichen Drittschutz eröffnet § 1 Abs. 1 KitaG Bbg., wenn es dort heißt: „Die Kindertagesbetreuung gewährleistet die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und dient dem Wohl und der Entwicklung der Kinder“ (Senat, Urteil vom 29. September 2020 – 2 U 100/18, BeckRS 2020, 34702 Rdnr. 28; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 – III ZR 278/15 –, NJW 2017, 397).

b)

Vorliegend kommt angesichts der dargestellten, für das Prozesskostenhilfeverfahren geltenden Maßstäbe mit hinreichender Aussicht auf Erfolg in Betracht, dass der Antragsgegner diese Pflicht verletzt hat. Dem Sohn der Antragstellerin stand ab dem … Oktober 2020 mit Vollendung des dritten Lebensjahres grundsätzlich ein Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung zu. Seinen Anspruch auf Förderung im Umfang von täglich neun Stunden ab dem 5. August 2021 hat die Stadt mit dem Bescheid vom 20. August 2021 anerkannt. Der Antragsgegner hat ihn erst zum August 2023 erfüllt.

Die Antragstellerin hat diesen Anspruch ihrem Vortrag zufolge rechtzeitig und ausreichend deutlich gegenüber dem Antragsgegner geltend gemacht.

Gemäß § 2 SGB VIII zählen die Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege zu den Leistungen der Jugendhilfe und setzen gemäß § 18 S. 1 SGB X für die Einleitung eines Verfahrens einen Antrag voraus. § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII regelt, dass Landesrecht bestimmen kann, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen muss. Eine gesetzliche oder vom Verordnungsgeber bestimmte Frist gibt es hierfür in Brandenburg nicht. Gleichwohl muss der Träger die Gelegenheit haben, auf einen gestellten Antrag reagieren zu können, sei es durch Umorganisation, Aufstockung von Platzzahlen, unter Umständen unter Inkaufnahme eines höheren Betreuungsschlüssels, gegebenenfalls auch durch kurzfristige Anmietung weiterer Räumlichkeiten und nötigenfalls durch die Einstellung von Personal (Senat, Urteil vom 29. September 2020 – 2 U 100/18, BeckRS 2020, 34702 Rdnr. 40; Urteil vom 21. Juli 2020 – 2 U 13/19, BeckRS 2020, 19544 Rdnr. 24; Beschluss vom 3. April 2019 – 2 W 33/18; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 – III ZR 302/15, NJW 2017, 397 Rdnr. 17). Hierfür ist nicht entscheidend, dass ein entsprechender Antrag unmittelbar an den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe gerichtet wird. Denn Bedarfsanmeldungen, die bei einem unzuständigen Leistungsträger oder bei einer für die Sozialleistung nicht zuständigen Gemeinde gestellt werden, sind entsprechend § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten, soweit nicht – wie hier kraft vertraglicher Übernahme – die Gemeinde selbst auf den Antrag hin tätig werden muss. Eine Bedarfsanmeldung in diesem Sinne setzt dabei den erkennbar hervortretenden Willen voraus, nicht lediglich das Recht zur Benutzung einer (bestimmten) öffentlichen Einrichtung nach § 12 Abs. 1 BbgKVerf, sondern den Rechtsanspruch aus § 24 Abs. 2 SGB VIII geltend zu machen, vor allem wenn der Antrag an einzelne Einrichtungen oder die Gemeinde gerichtet wird (Senat, Beschluss vom 19. Juli 2022 – 2 U 66/21 –, Rdnr. 12).

Die Antragstellerin hat ihrem Vortrag zufolge nicht nur zahlreiche einzelne Einrichtungsträger kontaktiert, sondern sich vielmehr auch noch im Jahr 2021 an die Stadt gewandt, die der Antragsgegner vertraglich mit der Durchführung der Aufgaben nach dem Kitagesetz betraut hat (Vertrag vom 12./27. Juli 2011, ABl. TF 9/2012 S. 51 in der Fassung des Vertrages vom 9. Dezember 2026 / 7. Januar 2020, ABl. TF 24/2020 S. 3). Sie hat sich darüber hinaus im Mai 2022 direkt an das Jugendamt des Antragsgegners als Träger der öffentlichen Jugendhilfe „mit der Bitte um Hilfestellung bei der Kitaplatz-Suche für ihren Sohn“ gewandt. Spätestens dies genügte als Bedarfsanmeldung. Diesem Vortrag ist der Antragsgegner nicht ausreichend entgegengetreten. Er hat nur angenommen, der Vortrag sei unsubstantiiert, da er den genauen Zeitpunkt offenlasse, zu dem die Antragstellerin das Jugendamt kontaktiert habe. Das aber trifft nicht zu. Der Zeitraum ist mit Mai 2022 noch hinreichend konkret angegeben, zumal dem Antragsgegner die weiteren Umstände der Kontaktaufnahme und der Inhalt des geäußerten Begehrens bekannt sind. Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist ihm verwehrt, § 138 Abs. 4 ZPO.

Es trifft zwar zu, dass der durch die Antragstellerin als Anlage K8 eingereichte Bescheid des Antragsgegners vom 7. März 2023 ausführt, die Antragstellerin habe am 27. Juni 2022 einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung gestellt. Das aber schließt nicht aus, dass die Antragstellerin tatsächlich zuvor – im Mai 2022 – dem Antragsgegner ihren Bedarf an einem Kinderbetreuungsplatz hinreichend deutlich gemacht hat, und dieser ihr, wie von ihr nun vorgetragen, stattdessen Hilfe zur Erziehung gewährt, ihren Antrag also missverstanden bzw. unzutreffend ausgelegt hat. Auch diesem Vortrag ist der Antragsgegner inhaltlich nicht entgegengetreten.

Auf die Frage des Verschuldens des Antragsgegners kommt es nach dem Staatshaftungsgesetz nicht an. Soweit nach § 839 BGB, Art. 34 GG ein Anscheinsbeweis gegen ihn streitet, hat der Antragsgegner keinen Vortrag geführt, der das zu vermutende Verschulden an der Nichtbereitstellung eines Betreuungsplatzes (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2016 – III ZR 278/15 –, BGHZ 212, 303 = NJW 2017, 397, Rdnr. 40) erschüttern würde.

c)

Der Anspruch auf Schadensersatz ist vorliegend nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin es im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB jedenfalls fahrlässig unterlassen hätte, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, bzw. sie schuldhaft ihre Pflicht im Sinne des § 2 StHG verletzt hätte, alle ihr möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um einen Schaden zu verhindern oder zu mindern.

Zwar entspricht es der Rechtsprechung des Senats, dass die Ersatzpflicht wegen der Nichterfüllung des Anspruchs auf frühkindliche Förderung prinzipiell dann nicht eintritt, wenn die betroffenen Eltern es schuldhaft unterlassen, um verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz nachzusuchen, obwohl absehbar ist, dass sie den beantragten Betreuungsplatz nicht – rechtzeitig – erhalten werden (vgl. Senat, Urteil vom 21. Januar 2021 – 2 U 104/20 –; Urteil vom 23. November 2021 – 2 U 25/21 –; Beschluss vom 29. November 2021 – 2 U 63/21 –; Beschluss vom 19. Juli 2022 – 2 U 66/21 –). Diese Rechtsprechung stützt sich im Wesentlichen auf die tatsächliche Vermutung, dass der Träger der Jugendhilfe einer vollziehbaren verwaltungsgerichtlichen Entscheidung Folge geleistet hätte. In einem Rechtsstaat ist nämlich grundsätzlich davon auszugehen, dass Behörden gerichtliche Entscheidungen beachten (BGH, Urteil vom 11. März 2010 – III ZR 124/09 – NJW-RR 2010, 1465; Senat, Urteil vom 21. Januar 2021 – 2 U 104/20 – BeckRS 2021, 2111, Rdnr. 25; Urteil vom 23. November 2021 – 2 U 25/21 –). Oftmals zeigten sich die zuständigen Träger der Jugendhilfe nach Erlass einer entsprechenden vollziehbaren verwaltungsgerichtlichen Anordnung in aller Regel sehr kurzfristig in der Lage, den Anspruchsberechtigten einen Betreuungsplatz nachzuweisen (Senat, Beschluss vom 29. November 2021 – 2 U 63/21 –; Beschluss vom 19. Juli 2022 – 2 U 66/21 –).

Diese Vermutung vermag allerdings nicht (mehr) ohne weiteres auch für den Antragsgegner zu streiten. Dem Senat ist aus anderen gegen ihn gerichteten Verfahren bekannt, dass er wiederholt erfolglos im verwaltungsgerichtlichen Eilschutz in Anspruch genommen wurde. In einem Vollstreckungsverfahren hat er die Abweisung des Zwangsvollstreckungsantrages unter anderem mit der Begründung beantragt, nach Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Befolgung der einstweiligen Anordnung nicht in der Lage zu sein. Mit Blick hierauf kann nicht (mehr) allein aufgrund der Stellung des Antragsgegners als rechtsstaatlichen Bindungen unterliegender Verwaltungsträger mit dem erforderlichen Grad an Gewissheit angenommen werden, er würde einer gerichtlichen Eilentscheidung Folge geleistet haben. Hier bedürfte es vielmehr weiteren konkreten Vortrags dazu, welche Schritte er für den Fall der verwaltungsgerichtlichen Inanspruchnahme zugunsten des Sohnes der Antragstellerin unternommen hätte. Daran fehlt es. Im Gegenteil hat er sich in diesem konkreten Fall in Schreiben an die Antragstellerin auf den Standpunkt gestellt, er sei selbst kein Träger einer Kindertageseinrichtung und könne somit auch keine Zuweisung eines Kita-Platzes vornehmen. Dies aufzuklären kann nicht Gegenstand eines Prozesskostenhilfeverfahrens sein, sondern muss dem Klageverfahren vorbehalten bleiben.

Das gleiche gilt für die Frage, ob unter den gegebenen Umständen der Antragstellerin eine eilgerichtliche Inanspruchnahme des Antragsgegners zumutbar war, und bejahendenfalls das Unterlassen als schuldhaft einzuschätzen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Nichtgebrauch eines Rechtsmittels im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB dann nicht schuldhaft, wenn die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs so gering oder zweifelhaft erscheint, dass dem Verletzten dessen Gebrauch nicht zuzumuten ist oder er nicht damit rechnen kann, durch die Einlegung eines Rechtsmittels wesentlich schneller zum Ziel zu kommen. Bei der Prüfung ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen (BGH, Urteil vom 11. März 2010 – III ZR 124/09 –, NJW-RR 2010, 1465, Rdnr. 16 m. w. N.). Hier dürfte der bereits erwähnte Umstand einzustellen sein, dass der Antragsgegner sich auch der Antragstellerin gegenüber auf den Standpunkt gestellt hat, er selber könne keine Kita-Plätze vermitteln. Auch die durch ihn mit dieser Aufgabe vertraglich betraute Stadt aber hatte ihre Bemühungen offenbar darauf beschränkt, der einen Kita-Platz suchenden Antragstellerin Listen mit in Betracht kommenden Betreuungseinrichtungen auszuhändigen, und damit zumindest nicht den Eindruck erweckt, selbst einen Platz vermitteln zu können.

d)

Der Antragsgegner ist der umfangreichen, mit Urkunden belegten Darstellung des Verdienstausfallschadens der Antragstellerin nicht entgegengetreten. Die Schadenshöhe von 14.066,88 € ist plausibel.

III.

Die Sache ist nach § 572 Abs. 3 ZPO dem Landgericht zur Prüfung der Bedürftigkeit der Antragstellerin und zur abschließenden Entscheidung über ihren Antrag zurückzuverweisen. Dem Senat ist diese Prüfung anhand der vorliegenden Unterlagen nicht möglich. Sie stammen vom Juli 2023 und können daher noch nicht eine eventuelle Arbeitsaufnahme der Antragstellerin ab August 2023 berücksichtigen, als sie über eine Kinderbetreuungsmöglichkeit auch für ihren Sohn verfügte.

IV.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.