Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 20.03.2024 | |
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Aktenzeichen | 4 U 35/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0320.4U35.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 25.01.2023 – 8 O 99/22 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung einer nach vorzeitiger Beendigung eines Immobiliar-Verbraucherdarlehens gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung in Anspruch.
Der damals 70-jährige - im Verlauf des Rechtsstreits verstorbene und von ihr beerbte - Ehemann der Klägerin (im Folgenden: Darlehensnehmer) beabsichtigte im Jahr 2017 auf einem in seinem Eigentum stehenden Grundstück befindliche Stallungen in Wohnhäuser umzubauen, um diese zu vermieten. Dafür benötigte er eine Fremdfinanzierung über insgesamt 850.000 €. Nach Beratung durch die („Bank 01“) (im Folgenden: („Bank 01“)) schloss er mit dieser einen Vertrag über ein Darlehen in Höhe von 500.000 €, das die („Bank 01“) wegen des Alters des Darlehensnehmers nur als Geschäftskredit zu gewähren bereit war. Über den weiteren Betrag von 350.000 € schloss der Darlehensnehmer unter dem 22.05./20.06.2017 mit der Beklagten einen mit einem Bausparvertrag kombinierten „Kreditvertrag für ein Immobiliar-Verbraucherdarlehen“. Das Darlehen sollte als Vorfinanzierungskredit gewährt werden, dessen Vertragslaufzeit „mit Zuteilung des […] Bausparvertrages“ enden und nahtlos in ein Bauspardarlehen übergehen sollte, wobei der Nettokreditbetrag dem Unterschiedsbetrag zwischen Bausparsumme und dem im Ablösezeitpunkt bestehenden Bausparguthaben entsprechen sollte. Der Sollzinssatz des Vorfinanzierungskredits von 2,46 % p.a. war fest gebunden „bis zur Zuteilung“ des Bausparvertrages; die monatliche Zinsrate betrug 717,50 €, eine Tilgung des Kredits erfolgte dadurch nicht.
In den mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag beigefügten „Kreditvertraglichen Vereinbarungen - Immobiliar-Verbraucherdarlehen“ sind u.a. folgende Regelungen enthalten:
1.5 Vorzeitige Rückzahlung, Vorfälligkeitsentschädigung
Bei Bauspardarlehen ist der Kreditnehmer berechtigt, das Bauspardarlehen jederzeit ganz oder teilweise zurückzuzahlen. Dies gilt für sonstige Annuitätendarlehen sowie Vorfinanzierungs- und Zwischenkredite nur während eines Zeitraumes ohne Zinsbindung. Hingegen ist bei sonstigen Annuitätendarlehen sowie Vorfinanzierungs- und Zwischenkrediten der Kreditnehmer während eines Zeitraumes der Sollzinsbindung nur dann berechtigt, den Kredit ganz oder teilweise vorzeitig zurückzuzahlen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht. […]
1.5.1 Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung
Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung durch die („Bank 02“) erfolgt nach den gesetzlichen Vorgaben und der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Dies ist derzeit die sogenannte „Aktiv/Passiv-Methode." Durch diese Berechnungsmethode wird die („Bank 02“) so gestellt, als ob der Kredit bis zum Ablauf der Zinsbindung planmäßig fortgeführt worden wäre. Für die Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung wird von einer Anlage der zufließenden Mittel in sicheren Kapitalmarkttitel (Pfandbriefrechte der („Bank 03“)) ausgegangen. Zunächst wird der Betrag ermittelt, der zum Ablösestichtag erforderlich ist, um sämtliche ursprünglich vereinbarten Zahlungen aus dem Kreditvertrag (Zinsen, Tilgung) sowie das rechnerische Restkapital am Ende der Zinsfestschreibung zu erzielen. Die anfallenden Zinsen sind in diese Berechnung einbezogen. Zusätzlich wird das auf den restlichen Zinsbindungszeitraum entfallende und somit - auf Basis des effektiven Jahreszinses - zu erstattende Disagio/Agio in die Berechnung einbezogen, sofern ein Disagio/Agio vereinbart wurde. Die („Bank 02“) ermittelt ferner die zukünftig entfallenden Risiko- und Verwaltungskosten und reduziert die Vorfälligkeitsentschädigung entsprechend. Erfolgt eine Ablösung oder eine Teilablösung des Kredits auf Veranlassung des Kreditnehmers, wird dem Kreditnehmer ein Berechnungsaufwand in Rechnung gestellt.
Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wird zusätzlich von folgendem ausgegangen:
- Berücksichtigung der sich durch die Tilgung verringernden Darlehensschuld;
- schadensmindernde Berücksichtigung vereinbarter Sondertilgungsrechte;
- Abzinsung der ermittelten Schadensbeträge auf den Rückzahlungszeitpunkt.
[…]
Der Vorfinanzierungskredit wurde vollständig valutiert; die letzte Auszahlung erfolgte zum 11.09.2019.
Die Beklagte, die („Bank 01“) und der Darlehensnehmer schlossen zudem einen Vertrag über die treuhänderische Verwaltung einer zugunsten der („Bank 01“) eingetragenen Grundschuld in Höhe von 850.000 €, welche in Höhe von 350.000 € als Sicherheit für das Darlehen der Beklagten diente.
Der Darlehensnehmer erkrankte in der Folgezeit schwer und veräußerte aus diesem Grund das Grundstück mit Vertrag vom 01.02.2021 unter Zusicherung der Lastenfreiheit.
Mit Schreiben vom 16.02.2021 teilte die („Bank 01“) dem Darlehensnehmer (nach dem Betreff auch bezogen auf das Darlehen der Beklagten) mit, dass der Notar die Löschungsbewilligung für die Grundschuld beantragt habe, der Darlehensnehmer gemäß dem Darlehensvertrag und gemäß § 490 Abs. 2 BGB zuvor die Darlehen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen müsse, wobei sie das Datum des Eingangs des Kaufvertrages, den 10.02.2021, als Kündigung anerkenne, und das Darlehen nur gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung abgelöst werden könne. Gleichzeitig fügte sie dem Schreiben mit der Bitte um Unterzeichnung und Rücksendung eine vorbereitete Aufhebungsvereinbarung betreffend das Darlehen der („Bank 01“) sowie eine Berechnung der dieses Darlehen betreffenden Vorfälligkeitsentschädigung per 30.04.2021 in Höhe von 53.867,60 € bei und teilte mit, dass sie nach Vorlage der Ablösungsdaten des Darlehens bei der Beklagten den Treuhandauftrag an den Notar versenden werde.
Unter dem 12.04.2021 unterzeichnete die Klägerin in Vertretung des Darlehensnehmers die von der („Bank 01“) übersandte Aufhebungsvereinbarung.
Nachdem die („Bank 01“) der Beklagten am 09.04.2021 unter Hinweis auf einen bereits zuvor mitgeteilten Wunsch des Darlehensnehmers nach vorzeitiger Ablösung der Darlehen den im Februar geschlossenen Kaufvertrag übersandt hatte, übersandte die Beklagte unter dem 13.04.2021 an die („Bank 01“) und zeitgleich an den Darlehensnehmer ein Schreiben, mit dem sie (die Beklagte) ihre Darlehensrückzahlungsforderung unter Verrechnung mit dem Bausparguthaben einschließlich einer zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung von 74.791,01 € per 30.04.2021 auf 399.375,07 € € bezifferte und darauf hinwies, dass „die Weitergabe des oben genannten Rückzahlungsbetrages an den Notar … erst bei Vorlage der von Herrn („Name 01“) unterzeichneten Zweitschrift sowie des Kündigungsformulars des zugehörigen Bausparvertrages …. erfolgen kann.“ Die Klägerin als Vertreterin des Darlehensnehmers unterzeichnete die Zweitschrift unter dem 27.04.2021, fügte dieser jedoch als Anlage einen Vorbehalt mit folgendem Inhalt bei „Die Zahlung erfolgt unter Vorbehalt. Wir bitten um eine detaillierte Aufstellung und eine Einzelfallkalkulation, weil der uns mitgeteilte Forderungsbetrag nicht transparent und nachvollziehbar ist.“
Nach Zahlung des Ablösebetrages am 03.05.2021 übersandte die Beklagte dem Darlehensnehmer eine Kontenabrechnung, in die weiterhin eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 74.791,01 € eingestellt war, und bat um „eine kurze Rückmeldung, ob Sie der Abrechnung zustimmen“.
Unter dem 16.05.2021 erstellte die Beklagte eine erneute Berechnung, ausweislich derer die Vorfälligkeitsentschädigung nunmehr mit 71.882,55 € beziffert wurde.
Mit Schreiben vom 26.05.2021 bat die Klägerin die Beklagte um weitere Erläuterungen der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung und erklärte, wegen der schweren Erkrankung ihres Ehemannes von einem Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen.
Im Nachgang zur Ablösung der Darlehen am 03.05.2021 zog die Beklagte teilweise noch Zahlungen ein und veranlasste Rückzahlungen. So zog sie zum einen im Zeitraum Mai 2021 bis September 2021 monatliche Zinsen für den Vorfinanzierungskredit in Höhe von insgesamt 3.587,50 € ein. Im September 2021 informierte sie den Darlehensnehmer darüber, ein Bausparguthaben in Höhe von 8.126,25 € an ihn ausgezahlt zu haben; zuvor hatte sie das Bausparguthaben zum 01.01.2021 mit 22.130,89 € angegeben und bis einschließlich Mai 2021 weitere Bausparraten in Höhe von insgesamt 5.162,50 € eingezogen.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 04.11.2021 forderte der Darlehensnehmer die Beklagte zur Rückzahlung eines Betrages von 72.120,71 € zzgl. vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bis zum 18.11.2021 auf. Dieser setzt sich zusammen aus der Differenz zwischen dem gezahlten Ablösebetrag und der Darlehensrückzahlungsforderung der Beklagten ohne Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 49.375,07 €, dem von der Beklagten verrechneten Teil des Bausparguthabens in Höhe von 19.158,14 € sowie den nach Ablösung des Vorfinanzierungskredits eingezogenen Raten in Höhe von insgesamt 3.587,50 €.
Diesen Rückzahlungsanspruch hat zunächst der Darlehensnehmer und nach dessen Tod die Klägerin mit der Klage weiterverfolgt. Sie meint, ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung sei wegen unzureichender Angaben über deren Berechnung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen. So habe diese zwar auf die Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode hingewiesen, nicht jedoch die insoweit zur Anwendung kommende Differenzberechnung erläutert. Zudem sei der für die Entschädigungsberechnung maßgebliche Berechnungszeitraum im Vertrag mit dem „Ablauf der Zinsbindung“ angegeben, was wegen der Verknüpfung mit dem unklaren Zuteilungszeitpunkt des Bausparvertrages nicht hinreichend klar sei; im Übrigen fehle auch eine Erklärung zu den Auswirkungen der Regelung in § 498 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, dem Darlehensnehmer sei infolge eines Beratungsverschuldens des Mitarbeiters der („Bank 01“), das sich die Beklagte zurechnen lassen müsse, ein Schaden von rund 42.291 € entstanden. Sie behauptet insoweit, der Darlehensnehmer habe den Wunsch nach einem hohen Tilgungssatz, Sondertilgungsmöglichkeiten sowie flexible Rückzahlungsmöglichkeiten zur Sicherstellung einer mittelfristigen Ablösung der Verbindlichkeiten innerhalb von 8 bis 10 Jahren geäußert; diesen Vorstellungen entspreche die vom Mitarbeiter der („Bank 01“) vorgeschlagene Kombination von Bauspardarlehen und Bausparvertrag erkennbar nicht. Zudem sei der Darlehensnehmer weder darüber informiert worden, dass die im Bausparvertrag angesparten Raten bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unberücksichtigt blieben noch darüber, dass er eine Erhöhung der Sparrate auf den Bausparvertrag hätte beantragen und so eine frühere Zuteilreife hätte erreichen können.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Angaben zur Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung seien gemessen an den für einen Verbraucher-Immobiliendarlehensvertrag geltenden Anforderungen, wonach lediglich die Voraussetzungen der Berechnungsmethode in groben Zügen benannt werden müssten, nicht unzureichend. Eine konkretere Angabe der Zinsbindung als „bis zur Zuteilungsreife“ sei der Beklagten mit Blick auf § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 BSpKG nicht möglich gewesen. Die Parteien hätten sich im Übrigen im Rahmen einer einvernehmlichen Vertragsauflösung auf die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung geeinigt. Mit dem Schreiben vom 13.04.2021 habe die Beklagte dem Darlehensnehmer über die („Bank 01“) ein Angebot betreffend die Bedingungen einer vorzeitigen Rücknahme des Darlehens übermittelt. Dieses Schreiben habe die Beklagte unterzeichnet zurückerhalten; der in der Anlage beigefügte Vorbehalt habe sich lediglich auf die Berechnung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bezogen. Eine Kündigung des Vorfinanzierungskredits sei ihr gegenüber vor der Zahlung des Ablösebetrages zu keinem Zeitpunkt erklärt worden; gekündigt habe die Klägerin unter Nutzung des entsprechenden Formulars lediglich den Bausparvertrag. Die erstmalige Kündigungserklärung betreffend den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 26.05.2021 sei ins Leere gegangen; darüber hinaus sei die Kündigungsfrist gemäß § 490 Abs. 2 BGB, § 488 Abs. 3 S. 2 BGB nicht mehr eingehalten. Selbst wenn man davon ausgehe, dass sich die Parteien zwar auf eine einvernehmliche Vertragsauflösung geeinigt hätten, eine Einigung über die zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung jedoch nicht erzielt worden sei, liege ein offener Einigungsmangel vor, der im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu schließen sei, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen sei. Etwaige Beratungsfehler des Mitarbeiters der („Bank 01“) fielen nicht in ihren Verantwortungsbereich.
Das Landgericht hat - soweit für die Berufung von Bedeutung - der Klage auf Zahlung von 72.120,71 € stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stehe ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB zu, da die Beklagte die Vorfälligkeitsentschädigung ohne Rechtsgrund vereinnahmt habe. Der im Darlehensvertrag vereinbarte Anspruch sei gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, weil die dort zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung gemachten Angaben fehlerhaft und damit unzureichend seien. Die Unbestimmtheit der Laufzeit des Vorfinanzierungskredits („bis zur Zuteilung des Bausparvertrages“) lasse nicht erkennen, bis zu welchem Zeitpunkt die Bank die Vorfälligkeitsentschädigung tatsächlich berechnen werde. Einen Hinweis darauf, dass für die Berechnung die erstmalige Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung des Vertrages maßgeblich sei, enthalte der Vertrag nicht. Die Belehrung über die Kündigungsmöglichkeit an anderer Stelle genüge insoweit nicht. Da § 502 BGB nach seinem Wortlaut unabhängig davon gelte, auf welche Weise der Darlehensvertrag geendet habe, könne dahinstehen, ob der Vertrag wirksam gekündigt worden sei oder die Parteien eine Vereinbarung über die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung getroffen haben. Im Fall einer wirksamen Vereinbarung sei die Klägerin nicht gemäß § 814 1. Alt. BGB mit ihrer Rückforderung ausgeschlossen. Die Annahme einer vertraglichen Einigung durch die Benennung der Entschädigungshöhe einerseits und die daraufhin erfolgte Zahlung andererseits würde die gesetzliche Wirkung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB konterkarieren.
Das Urteil des Landgerichts Potsdam ist der Beklagten am 27.01.2023 zugestellt worden. Mit bei Gericht am 27.02.2023 eingegangenem Schriftsatz hat sie Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24.04.2023 - mit am 24.04.2023 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Zur Begründung trägt sie vor, das Landgericht habe verkannt, dass es sich hier um eine einvernehmliche Vertragsauflösung gehandelt habe, nachdem ihr gegenüber eine Kündigung des Vorfinanzierungsdarlehens erstmals am 26.05.2021 erklärt worden sei. Die in diesem Zusammenhang getroffene Vereinbarung über ein Vorfälligkeitsentgelt stelle den Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Betrages dar; § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB komme insoweit nicht zur Anwendung. Ebenso wenig sei § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB im Falle einer Kündigung gemäß § 490 Abs. 2 BGB anwendbar. Fehlerhaft habe das Landgericht zudem die Anwendbarkeit der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung verneint; bei angemessener Abwägung der Parteiinteressen hätten die Parteien des Darlehensvertrages ein Vorfälligkeitsentgelt vereinbart. Auf die Klausel im Darlehensvertrag komme es danach gar nicht an.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 25.01.2023, Az. 8 O 99/22, abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
II.
Die Berufung ist zulässig; in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.
Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist das Landgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin aus § 812 Abs. 1, S. 1, 1. Alt. BGB ein Anspruch auf Rückzahlung der bei der Abwicklung des zwischen dem Darlehensnehmer und der Beklagten geschlossenen Verbraucher-Immobiliendarlehens eingetretenen Überzahlung in Höhe von 72.120,71 € zusteht.
1. Die Beklagte hat die seitens des Darlehensnehmers erfolgten Zahlungen in Höhe des vorgenannten Betrages ohne Rechtsgrund erlangt.
Der Beklagten stand infolge der – als solcher unstreitigen - Beendigung des Darlehensvertragsverhältnisses per 30.04.2021 ein Anspruch auf Rückzahlung gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB lediglich in Höhe der an den Darlehensnehmer ausgezahlten Darlehensvaluta zu.
Ein Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung bestand für die Beklagte dagegen nicht.
a) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat sich der Darlehensnehmer nicht durch die unter dem 27.04.2021 erfolgte Unterzeichnung des Schreibens der Beklagten vom 13.04.2021 im Sinne einer privatautonomen Vereinbarung unter gleichzeitiger einvernehmlicher Aufhebung des Vertragsverhältnisses mit der Beklagten zur Zahlung eines von der Beklagten geforderten Vorfälligkeitsentgelts verpflichtet.
Gemäß § 133 BGB sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte. Der Empfänger darf der Erklärung allerdings nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen. Er ist vielmehr nach Treu und Glauben verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände mit der gehörigen Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat (vgl. nur: Grüneberg-Ellenberger, BGB, 83. Aufl., § 133 Rn 9).
Wendet man diese Grundsätze an, durfte die Beklagte die Unterzeichnung ihres Schreibens vom 13.04.2021 durch die Klägerin nicht dahin verstehen, dass sie damit eine Vereinbarung über die Aufhebung des Darlehensvertrages schließen wollte, mit der zugleich eine Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Zahlung der von der Beklagten angegebenen Vorfälligkeitsentschädigung als Vorfälligkeitsentgelt begründet werden sollte. Soweit die Höhe der von der Beklagten angegebenen Vorfälligkeitsentschädigung in Rede steht, gilt dies schon deshalb, weil die Klägerin mit der Unterzeichnung gleichzeitig einen Vorbehalt erklärt und damit deutlich gemacht hat, dass sie der Höhe nach mit dem geforderten Betrag jedenfalls ohne vorherige Vorlage einer nachvollziehbaren Kalkulation nicht einverstanden sei. Der Beklagten kann aber auch nicht dahin gefolgt werden, dass sich die Klägerin damit ausschließlich gegen die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung gewandt, dem Grunde nach die Forderung der Beklagten nach einer Entschädigung jedoch akzeptiert habe und deshalb gleichwohl eine bindende, infolge des offenen Dissenses zur Höhe lediglich ergänzungsbedürftige, Vereinbarung vorliege.
Bereits der Wortlaut des Schreibens vom 13.04.2021 lässt in keiner Weise erkennen, dass dem Darlehensnehmer damit ein Angebot auf Abschluss einer Vereinbarung unterbreitet werden sollte. Die Sichtweise der Beklagten lässt zudem unberücksichtigt, dass für den Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Schreibens der Beklagten vom 13.04.2021 überhaupt kein Anlass bestand, mit der Beklagten eine Vereinbarung über die Aufhebung des Darlehensvertrages zu treffen und erst Recht kein Anlass, sich jedenfalls dem Grunde nach mit ihr über eine Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu einigen. Der Darlehensnehmer und die diesen vertretende Klägerin mussten vielmehr aufgrund des Schreibens der („Bank 01“) vom 16.02.2021 - dieses bezog sich nach dem Betreff auch auf das Darlehen bei der Beklagten - und des Schreibens der Beklagten vom 13.04.2021, mit dem die Beklagte - wie mit dem Schreiben vom 16.02.2021 angekündigt - die Ablösebeträge für ihr Darlehen mitteilte, davon ausgehen, dass die Beklagte ebenso wie die („Bank 01“) den an diese herangetragenen Wunsch des Darlehensnehmers nach Beendigung des Darlehensvertrages infolge des Verkaufs des Grundstücks als Kündigung des Darlehensvertrages mit Wirkung zum 30.04.2021 verstanden hatte und behandeln werde. Dass von Seiten des Darlehensnehmers unmittelbar gegenüber der Beklagten weder ein Wunsch nach vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens, noch eine Kündigung erklärt worden war, ändert daran nichts. Die Beklagte trägt selbst vor, dass sie sich mit der („Bank 01“) abgestimmt habe und anders lässt es sich auch nicht erklären, dass sich die mit dem Schreiben vom 13.04.2021 mitgeteilte Abrechnung des Darlehenskontos bei der Beklagten per 30.04.2021 erfolgt ist. Aus Sicht des Darlehensnehmers und der für diesen handelnden Klägerin ergab sich eine Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigung dem Grunde nach auch gegenüber der Beklagten – entsprechend der Darstellung der („Bank 01“) in deren Schreiben vom 16.02.2021 – bereits aufgrund der gesetzlichen Vorschriften, ohne dass es dafür einer Vereinbarung bedurfte. Dass die Klägerin das Schreiben vom 13.04.2021 unterzeichnete und lediglich betreffend die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung einen Vorbehalt machte, diente damit – für die Beklagte erkennbar – allein dem Zweck, die formale Bedingung zu erfüllen, von der die Beklagte die Weitergabe des Ablösebetrages an den Notar und die Freigabe der Sicherheit abhängig gemacht hatte, nicht jedoch der Abgabe einer Willenserklärung, mit der der Darlehensnehmer sich jedenfalls dem Grunde nach zur Zahlung eines Vorfälligkeitsentgeltes verpflichtet oder eine solche Verpflichtung etwa im Sinne eines Anerkenntnisses bestätigt hätte.
Wäre der Beklagten zu folgen, sprächen zudem gute Gründe dafür, den mit dem Schreiben der Beklagten vom 13.04.2021 als Bedingung für die Weitergabe des Ablösebetrages an den Notar geforderten Abschluss einer Vereinbarung über eine Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Zahlung eines Vorfälligkeitsentgeltes als Umgehungsgeschäft im Sinne des § 512 S. 2 BGB zu erachten, da damit – wie im Folgenden auszuführen sein wird – dem Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrages der Schutz des § 502 Abs. 2 BGB genommen würde (ebenso Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 26.01.2023 – 4 U 134/21 – Rn. 44).
b) Ein Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung besteht für die Beklagte weder gemäß § 502 Abs. 1 BGB noch gemäß § 490 Abs. 2 S. 3 BGB; der Anspruch der Beklagten ist vielmehr gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen.
Bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag stehen dem Darlehensnehmer, sofern – was hier ohne Zweifel der Fall war und auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird - ein berechtigtes Interesse besteht, nach den gesetzlichen Regelungen zwei Möglichkeiten offen, sich vorzeitig von dem Darlehensvertrag zu lösen. Zum einen kann er das Darlehen gemäß § 500 Abs. 2 S. 2 BGB auch bei einem gebundenen Sollzins jederzeit vorzeitig zurückzahlen; zum anderen ist er gemäß § 490 Abs. 2 BGB i.V.m. § 488 Abs. 3 BGB berechtigt, den Darlehensvertrag mit einer Frist von drei Monaten zu kündigen. Zwar hat er dem Darlehensgeber gemäß § 502 Abs. 1 BGB ebenso wie gemäß § 490 Abs. 2 S. 3 BGB eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen. Gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung jedoch ausgeschlossen, wenn im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrages, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind. Diese Voraussetzungen liegen bei dem streitgegenständlichen Vertrag in Bezug auf die in Ziffer 1.5.1 der „Kreditvertraglichen Vereinbarungen – Immobiliar-Verbraucherdarlehen“ erfolgten Angaben zur Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung vor. Der Anspruchsanschluss gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB gilt – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - auch für die Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 490 Abs. 2 S. 3 BGB.
Im Einzelnen:
aa) Zwischen der Beklagten und dem Darlehensnehmer ist ein Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag im Sinne des § 491 Abs. 3 Nr. 1 BGB geschlossen worden. Der unter dem 22.05./20.06.2017 geschlossene Vertrag ist ausdrücklich als Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag bezeichnet. Mit diesem Vertrag hat die Beklagte als Unternehmerin dem Darlehensnehmer ein entgeltliches Darlehen gewährt, das durch eine Grundschuld besichert war. Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass der Darlehensnehmer den streitgegenständlichen Darlehensvertrag als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB, d.h. zum Zweck der Sanierung und des Umbaus eines Stallgebäudes in Wohnungen, die der Darlehensnehmer privat zur Sicherung seiner Altersvorsorge vermieten wollte, und damit zu einem nicht seiner gewerblichen und beruflichen Tätigkeit zuzuordnenden Zweck, geschlossen hat. Dem steht nicht entgegen, dass die („Bank 01“) dem Darlehensnehmer den überwiegenden Teil des für dasselbe Bauvorhaben gewährten Darlehens als Darlehen für gewerbliche oder selbsttändige berufliche Zwecke gewährt hat; dies ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits und stellt die Qualifizierung des streitgegenständlichen mit der Beklagten geschlossenen Vertrages als Verbrauchervertrag nicht in Frage.
bb) Die Angaben in dem streitgegenständlichen Vertrag zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sind – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – unzureichend im Sinne des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Die Anforderungen an die in § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB genannten Angaben ergeben sich aus Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB. Danach muss der Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag klare und verständliche Angaben zu den Voraussetzungen und der Berechnungsmethode für den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung enthalten, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt.
Es kann dahinstehen, ob die nach dieser Regelung bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag erforderlichen Angaben zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung wegen der Verwendung derselben Begrifflichkeit wie in der den Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag betreffenden Regelung des Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB den Anforderungen des EuGH zur Auslegung des Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 (EuGH, Urteil vom 09.09.2021 – C-33/20, C-155/20 und C-187/20 – Rn. 100, juris; EuGH, Urteil vom 21.12.2023 – C 38/21, C-47/21 und C-232/21 – Rn. 256, juris) genügen muss oder ob – wie die Beklagte meint – die Anforderungen des Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, weil die Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2014/17/EU Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung im Vertrag überhaupt nicht vorsieht, sondern gemäß Ziff. 9 des Anhang II zur Richtlinie 2014/17/EU lediglich vorvertragliche Angaben im ESIS-Merkblatt, allein nach nationalem Recht zu bestimmen sind und es deshalb ausreicht, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (BGH Urteil vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18 – Rn. 40 ff., juris). Auch nach nationalem Recht dient das Erfordernis klarer und verständlicher Angaben im Darlehensvertrag zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung nicht nur dem Zweck, den Darlehensgeber bereits vor Vertragsschluss zu zwingen, sich auf die anzuwendende Berechnungsmethode festzulegen (BT-Drucksache 18/5922 S. 116), sondern in erster Linie dazu, dem Darlehensnehmer zu verdeutlichen, dass und in welchem Umfang der Darlehensgeber bei vorzeitiger Rückzahlung eines Darlehens mit gebundenem Sollzinssatz Schadensersatz verlangen kann. Eine klare und verständliche Angabe der für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter setzt deshalb voraus, dass der Darlehensgeber auch den Schaden als solchen, den er nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen verlangen kann, zutreffend, klar und verständlich darstellt; anderenfalls haben die Angaben zu den Berechnungsparametern für den Darlehensnehmer keinen Wert.
Diesen Anforderungen genügen die Angaben in Ziffer 1.5.1 der in den zwischen der Beklagten und dem Darlehensnehmer geschlossenen Immobliliar-Verbraucherdarlehensvertrag einbezogenen „Kreditvertraglichen Vereinbarungen – Immobiliar- Verbraucherdarlehen“ nicht.
Zu beanstanden ist insbesondere die Erläuterung der von der Beklagten benannten Aktiv-Passiv-Methode mit der Erklärung „Durch diese Berechnungsmethode wird die („Bank 02“) so gestellt, als ob der Kredit bis zum Ablauf der Zinsbindung planmäßig fortgeführt worden wäre.“ Mit dieser Erklärung wird dem Verbraucher nicht hinreichend vor Augen geführt, in welchem Umfang er bei Wahrnehmung seines Rechts auf vorzeitige Rückzahlung des Darlehens mit einer Verpflichtung zur Zahlung von Vorfälligkeitsentschädigung rechnen muss. Dabei mag es bei einem Vertrag wie dem vorliegenden, bei dem es sich um einen mit einem Bausparvertrag kombinierten Vorfinanzierungskredit handelt, im Hinblick auf § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 BauSparkG und Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 3 EGBGB unvermeidbar sein, dass der Verbraucher bereits das Ende der vertraglich vereinbarten Sollzinsbindung „bis zur Zuteilungsreife“ des Bausparvertrages nur indirekt und mit verbleibender Unsicherheit insoweit ermitteln kann, als das Ende der Sollzinsbindung jedenfalls nicht vor Erreichen des in dem Bausparvertrag vereinbarten Mindestansparbetrages eintreten kann. Jedenfalls aber vermittelt die in 1.5.1 gegebene Erklärung dem Verbraucher das bei einem Darlehensvertrag mit einer über 10 Jahre und 6 Monate hinausgehenden Sollzinsbindung – bei dem streitgegenständlichen Vertrag handelt es sich um einen solchen, da nach den Vereinbarungen in dem Bausparvertrag der Mindestansparbetrag von 40 % der Bausparsumme von 350.000 € mit den vereinbarten Bausparbeiträgen von 1032 €/Monat erst nach 11 Jahren und 3 Monaten erreicht worden wäre - unzutreffende Verständnis, der Darlehensgeber erhalte eine Entschädigung bis zum Ablauf der im Vertrag vereinbarten Zinsbindung (wie hier: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht – Urteil vom 21.12.2023 – 5 U 107/23 – Rn. 40 ff.; Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 26.01.2023 – 4 U 134/21 – Rn. 61 f. zur Formulierung „für die Restlaufzeit“; a.A. OLG Stuttgart, Urteil vom 18.05.2022 – 9 U 237/21 – Rn. 51 ff.). Es ist dagegen in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, dass dem Darlehensgeber ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung nur bis zum Ablauf seiner rechtlich gesicherten Zinserwartung zusteht, die maximal bis zu dem Zeitpunkt besteht, zu dem der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ordentlich kündigen kann, mithin bis zum Ablauf von 10 Jahren und sechs Monaten nach dem vollständigen Bezug des Darlehens (BGH, Urteil vom 07.11.2000 – XI ZR 27/00 – Rn. 27).
cc) Ist danach der Anspruch der Beklagten auf Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, so gilt dies nicht nur den Fall der Ausübung des Rechts des Darlehensnehmers zur vorzeitigen Rückzahlung des Immobiliar-Verbraucherdarlehens gemäß § 500 Abs. 2 S. 2 BGB, sondern ebenso für den Fall der Kündigung des Immobiliar-Verbraucherdarlehens gemäß § 490 Abs. 2 BGB.
Diese Frage ist allerdings in Rechtsprechung und Literatur kaum erörtert und bislang höchstrichterlich nicht geklärt. So wird die Auffassung vertreten, § 502 Abs. 2 BGB finde auf eine Kündigung gemäß § 490 BGB keine Anwendung (MüKo – Schürnbrand/Weber, BGB, § 502 Rn. 6; OLG München, Urteil vom 21.02.2024 – 19 U 3711/23 e – Rn. 130 ff., juris – allerdings zur bis zum 20.03.2016 geltenden alten Rechtslage). Begründet wird dies – soweit überhaupt - damit, dass sich die Pflichtangaben des Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nach dem Gesetzeswortlaut („vorzeitig zurückzahlt“) ausschließlich auf die Konstellation der §§ 500 Abs. 2, 502 BGB beziehen (zu diesem Argument vgl. nur: Ellenberger/Bunte, Bankrechthandbuch, 6. Aufl., Rn. 205 m.w.N.). Dieses allein auf den Gesetzeswortlaut abstellende Argument greift indes aus Sicht des Senats zu kurz.
Die in Art. 247 § 7 Abs. 2 EGBGB getroffenen Regelungen sind im Zuge der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (Richtlinie 2014/17/EU vom 04.02.2014) eingeführt worden, wonach – abweichend von der vorherigen Rechtslage des nationalen wie des Europäischen Rechts – dem Verbraucher, ebenso wie dies für den Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag bereits galt, auch bei einem grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen ein Recht zur vollständigen oder teilweisen Erfüllung seiner Verbindlichkeiten vor Ablauf des Kreditvertrages einzuräumen war (Art. 25 der Richtlinie 2014/17/EU). Es trifft deshalb zu, dass sich die in Umsetzung dieser Richtlinienvorgabe durch den Gesetzgeber getroffenen Regelungen, einschließlich der Ausschlusstatbestände des § 502 Abs. 2 BGB und des Art. 247 § 7 Abs. 2 EGBGB auf das bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz in § 500 Abs. 2 BGB erstmals konstituierte Recht des Verbrauchers zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens bezog. Daraus lässt sich indes der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber damit eine Entscheidung dahin getroffen hat, dass im Falle der Ausübung des dem Darlehensnehmer bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag ebenso wie bei einem Nichtverbraucherdarlehen zustehenden Kündigungsrechts gemäß § 490 Abs. 2 BGB die Regelung des § 502 Abs. 2 BGB keine Anwendung finden solle. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 500 Abs. 2 BGB ging der Gesetzgeber vielmehr offenbar davon aus, dass die Regelung in § 500 Abs. 2 BGB bewirke, „dass Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge zukünftig auch ohne vertragliche Vereinbarung oder Kündigung gemäß § 489 Abs. 2 BGB oder § 490 Abs. 2 BGB“ zurückgezahlt werden können (BT-Drucks. 18/5922 S. 90). Dies kann jedoch nur so verstanden werden, dass der Gesetzgeber bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag für eine Kündigung gemäß § 490 Abs. 2 BGB keinen Bedarf mehr sah, nicht dagegen dahin, dass er den Anwendungsbereich der Regelung des § 502 Abs. 2 BGB durch die Formulierung in Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB auf die vorzeitige Rückzahlung des Darlehens im Sinne des § 500 Abs. 2 BGB beschränken wollte.
Dafür, die Regelung in § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auch auf die Kündigung eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz anzuwenden, spricht darüber hinaus, dass das Recht zur vorzeitigen Rückzahlung eines solchen Darlehens gemäß § 500 Abs. 2 BGB und zur Kündigung gemäß § 490 Abs. 2 BGB gleichermaßen vom Bestehen eines berechtigten Interesses des Darlehensnehmers abhängig ist und ebenso gleichermaßen der Darlehensnehmer in Folge der Ausübung seines Rechts eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen hat. Es ist damit auch kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, den Anspruch des Darlehensgebers auf Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung unter den Voraussetzungen des § 502 Abs. 2 BGB bei Ausübung des Rechts des Darlehensnehmers auf vorzeitige Rückzahlung gemäß § 500 Abs. 2 BGB auszuschließen, bei Ausübung seines Kündigungsrechts gemäß § 490 Abs. 2 BGB indes nicht.
Hinzu kommt, dass sich das Verhalten des Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrages, dessen zur vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrages berechtigendes Interesse typischerweise darin besteht, dass er ein Bedürfnis danach hat, die zur Sicherung des Darlehens dienende Immobilie zu veräußern, den Darlehensvertrag vorzeitig zu beenden, kaum danach unterscheiden lässt, ob er von seinem Recht auf vorzeitige Rückzahlung des Darlehens Gebrauch machen will oder den Darlehensvertrag kündigt. Der Darlehensnehmer kündigt dem Darlehensgeber regelmäßig entweder seine Absicht zur Veräußerung der Immobilie an oder bittet selbst bzw. über den das Grundstücksgeschäft beurkundenden Notar um Mitteilung des Ablösebetrages für das Darlehen; eine solche Mitteilung der beabsichtigten Beendigung des Darlehensvertrages gegenüber dem Darlehensgeber ist bereits deshalb erforderlich, weil der Darlehensnehmer regelmäßig zur Durchführung des Geschäfts zur Veräußerung des Grundstücks der Mitwirkung des Darlehensgebers in Form der Freigabe der Sicherheit bedarf und dem Darlehensnehmer ohne diese Mitwirkung regelmäßig eine Rückzahlung des Darlehens überhaupt nicht möglich ist. Die in dieser Weise gegenüber dem Darlehensgeber abgegebenen Erklärungen lassen sich jedoch grundsätzlich gleichermaßen als Äußerung des Wunsches des Darlehensnehmers nach vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens wie als Kündigung des Darlehensvertrages auslegen. Insbesondere steht die vorherige Ankündigung der Beendigung des Darlehensvertrages einer vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens im Sinne des § 500 BGB nicht entgegen; davon, dass eine solche erfolgt, geht vielmehr – wie die an eine solche Ankündigung anknüpfenden Informationspflichten des § 493 BGB zeigen - der Gesetzgeber selbst aus. Dies mag zur Folge haben, dass regelmäßig viel dafür spricht, das auf eine vorzeitige Beendigung eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrages gerichtete Verhalten des Darlehensnehmers seit Inkrafttreten des § 500 Abs. 2 BGB als Geltendmachung seines Rechts auf vorzeitige Rückzahlung des Darlehens auszulegen und für die Auslegung als Kündigung im Sinne des § 490 Abs. 2 BGB bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag kaum noch Raum bleibt (so wohl auch Weber, BeckOK, BGB, § 490 Rn. 23). Dies ändert jedoch nichts daran, dass auch Fallkonstellationen denkbar sind, in denen auch bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag der Darlehensnehmer ausdrücklich oder konkludent eine Erklärung abgibt, die als (fristgebundene) Kündigung gemäß § 490 Abs. 2 BGB auszulegen ist. Dafür spricht im vorliegenden Fall immerhin, dass alle Beteiligten sich ausweislich der bereits unter a) erörterten Schreiben der („Bank 01“) vom 16.02.2021 und der Beklagten vom 13.04.2021 darüber einig waren, dass die Ablösung beider Darlehen einheitlich zum 30.04.2021 erfolgen sollte und dabei - ob zu Recht oder zu Unrecht bedarf hier keiner Entscheidung - davon ausgingen, dass das von der („Bank 01“) gewährte Darlehen nur gemäß § 490 Abs. 2 BGB gekündigt werden könne. In einem solchen Fall die Regelung des § 502 Abs. 2 BGB nicht anzuwenden, besteht jedoch – aus den bereits ausgeführten Gründen – kein sachlicher Grund.
3. Steht der Beklagten danach gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung nicht zu, so hat sie den mit der Klage geltend gemachten Betrag von 72.120,71 € ohne Rechtsgrund erlangt. Da der Darlehensnehmer die bis zum 30.04.2021 zu zahlenden Zinsen auf das Darlehen unstreitig vereinbarungsgemäß und voll gezahlt hatte, konnte die Beklagte nur die Rückzahlung der Darlehensvaluta von 350.000 € abzüglich des vereinbarungsgemäß darauf zu verrechnenden Bausparguthabens von 27.284,39 €, insgesamt mithin 322.715,61 € verlangen. Tatsächlich erhalten hat die Beklagte am 03.05.2021 399.375,07 € sowie nachfolgend von Mai bis September 2021 durch Einzug weiterer Zinsraten weitere 3.587,50 €, insgesamt mithin 402.962,57 €, von denen sie einen Betrag von 8.126,25 € auf das Bausparguthaben bereits erstattet hat.
4. Der Zinsanspruch ist aus §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB begründet.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Zum einen wird die Frage, ob die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag den Anforderungen des Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB genügen, wenn bei einer über den Zeitraum von 10 Jahren und 6 Monaten hinausgehend vereinbarten Sollzinsbindung nicht deutlich gemacht wird, dass der Zeitraum, für den der Darlehensgeber Entschädigung verlangen kann, auf seine nur bis zur Möglichkeit einer Kündigung gemäß § 489 abs. 1 Nr. 2 BGB gesicherte Zinserwartung begrenzt ist, in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Zum anderen ist die Anwendbarkeit des § 502 Abs. 2 BGB auf eine Kündigung gemäß § 490 Abs. 2 BGB höchstrichterlich ungeklärt.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 72.120,71 € festgesetzt.