Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat | Entscheidungsdatum | 28.02.2024 | |
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Aktenzeichen | OVG 6 A 7/22 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0228.OVG6A7.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 42 Abs 2 VwGO, Art 2 Abs 1 GG, Art 19 Abs 3 GG, Art 2 Nr 3 Richtlinie 2009/12/EG, § 19b LuftVG |
In Streitigkeiten über die Genehmigung einer Entgeltordnung scheidet die Klagebefugnis einer Luftverkehrsgesellschaft aus Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG, die während der Geltungsdauer einer Entgeltordnung mangels tatsächlicher Nutzung des Flughafens i.S.v. Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2009/12/EG nicht auf vertraglicher Grundlage zur Zahlung von Flughafenentgelten in Anspruch genommen wurde, aus.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin ist eine Luftverkehrsgesellschaft, die sich gegen die Genehmigung der Änderung der Entgeltordnung der Beigeladenen durch den Beklagten wendet, mit der am Verkehrsflughafen Berlin Brandenburg (BER) zum 1. September 2022 einzelereignisbezogene Lärmentgelte eingeführt wurden.
Nachdem der Beklagte erstmals im Jahr 2011 eine Entgeltordnung für den BER genehmigt hatte, die Ende 2017 geändert wurde, führte die Beigeladene am 18. September 2019 ein Entgeltkonsultationsverfahren zur beabsichtigten Änderung der Entgeltordnung für die zum Ende Oktober 2020 geplante Inbetriebnahme des BER durch. Das Konsultationsverfahren betraf sowohl die Änderung der in § 19b Abs. 1 Satz 1 LuftVG genannten „allgemeinen“ Flughafenentgelte (Positionsentgelt, General Aviation Entgelt und verkehrsfördernde Maßnahmen) als auch die Einführung eines einzelereignisbezogenen Systems für die Berechnung der Lärmentgelte nach § 19b Abs. 1 Satz 6 LuftVG. Im Fortsetzungstermin der Konsultation am 6. November 2019 erfolgte eine Vorstellung und Diskussion des neuen Lärmentgeltsystems. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der Konsultation in den Gerichtsakten sowie auf die Konsultationsunterlagen verwiesen, die Bestandteil der Gerichtsakten im parallelen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes OVG 6 S 52/22 sind.
Die Beigeladene teilte den am Konsultationsverfahren beteiligten Luftverkehrsgesellschaften und Verbänden mit E-Mail vom 23. Dezember 2019 mit, sie wolle die Änderungen der Entgeltordnung 2017 in zwei Schritten vornehmen. Zuerst solle die Anpassung der Positionsentgelte, der General Aviation Entgelte und der verkehrsfördernden Maßnahmen mit Wirkung zur Inbetriebnahme BER am 1. November 2020 erfolgen. Danach sollten die einzelereignisbezogenen Lärmentgelte in einem gesonderten zweiten Antrag zur Genehmigung mit Wirkung zum 1. April 2021 eingeführt werden.
Die von der Beigeladenen unter dem 21. Januar 2020 beantragte Änderung der Entgeltordnung, die noch keine einzelereignisbezogenen Lärmentgelte enthielt, genehmigte der Beklagte mit Bescheid vom 4. Juni 2020 mit Wirkung zum 1. November 2020. In einer Anlage zum Genehmigungsantrag teilte die Beigeladene auch dem Beklagten mit, sie beabsichtige, zum Ende des ersten Quartals 2020 eine weitere Änderung der Entgeltordnung, nämlich des Lärmentgelts, zu beantragen. Die Änderung der Berechnung des Lärmentgelts sei ebenfalls bereits mit den Airlines konsultiert, solle aber erst ab dem 1. April 2021 gültig werden.
Unter dem 1. März 2021 beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten mit Wirkung zum 1. September 2021 unter Zugrundelegung der 2019 konsultierten Verkehrsprognose die Genehmigung der Änderung der Entgeltordnung bezüglich der Ersetzung der bisherigen Bemessung der Lärmentgelte anhand des verwendeten Flugzeugtyps durch eine einzelfallbezogene Berechnung der Lärmentgelte, die sich nach dem bei jedem einzelnen Start und jeder einzelnen Landung gemessenen Lärmpegel bemisst (Ziffer 1.1.2 des Entwurfs der Entgeltordnung „Lärmbezogenes Start- und Landeentgelt“). Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Entwurf der Entgeltordnung verwiesen.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2022 genehmigte der Beklagte die von der Beigeladenen am 1. März 2021 beantragte Änderung der Entgeltordnung mit Wirkung von zwei Monaten nach Veröffentlichung in den Nachrichten für Luftfahrer, frühestens ab 1. August 2022 (Ziffer 1), ordnete die sofortige Vollziehung von Ziffer 1 an (Ziffer 2) und setzte für diese Entscheidung eine Gebühr in Höhe von 3.000,00 Euro fest (Ziffer 3). Wegen der Gründe wird auf die Bescheidbegründung (Bl. 16 ff. der Gerichtsakten) verwiesen. Die geänderte Entgeltordnung (Bl. 55 ff. der Gerichtsakten) wurde am 24. Juni 2022 unter Verweis auf die erteilte Genehmigung in den Nachrichten für Luftfahrer veröffentlicht und trat zum 1. September 2022 in Kraft. Der Genehmigungsbescheid wurde der Klägerin, die auch schon zu dem Konsultationsverfahren 2019 eingeladen worden war, zugestellt.
Hiergegen richtet sich die am 3. August 2022 erhobene Klage. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin unter Vorlage entsprechender Belege erklärt, sie habe den BER im Februar 2024 zweimal im Rahmen des Gelegenheitsverkehrs angeflogen. Im Zeitraum vom 1. September 2022 bis zum 31. Dezember 2023 habe sie den BER nicht angeflogen. Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin im Wesentlichen aus:
Die Klage sei zulässig. Die Klägerin sei klagebefugt und könne sich auf eine mögliche Verletzung der Vertragsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und drittschützender Rechte des § 19b LuftVG berufen, obwohl sie den BER im Zeitraum vom 1. September 2022 bis zum 31. Dezember 2023 nicht genutzt habe. Es komme lediglich darauf an, dass der Flughafennutzer den betreffenden Verkehrsflughafen jederzeit anfliegen könne. Entscheidend sei, ob es der Klägerin aus der Sicht des Beklagten zum Zeitpunkt der Genehmigung möglich gewesen wäre, die Leistung während der Wirksamkeitsdauer der Genehmigung in Anspruch zu nehmen. Dies wäre der Fall gewesen, wenn die Klägerin für eine der nachfolgenden Flugplanperioden Slots zugeteilt erhalten und die Leistung danach in Anspruch genommen hätte. Dass dies ausgeschlossen wäre, hätte weder der Beklagte noch die Beigeladene in Bezug auf die Klägerin vorgetragen. Im Unterschied zu einer telekommunikationsrechtlichen Entgeltgenehmigung sei hier die Entgeltordnung nicht befristet. Jedenfalls habe die Klägerin in der Vergangenheit Berliner Verkehrsflughäfen regelmäßig angeflogen und beabsichtige dies auch in Zukunft wieder. Außerdem wirke sich die hier in Rede stehende Genehmigung der Entgeltordnung 2022 auf die beiden von der Klägerin im Februar 2024 am BER durchgeführten Flüge rechtsgestaltend aus. Aus dem Tenor des Genehmigungsbescheids vom 24. Oktober 2023 bezüglich der ab dem 1. Januar 2024 in Kraft gesetzten Entgeltordnung ergäbe sich, dass die Entgelthöhe im Jahr 2024 nicht neu in die Entgeltordnung aufgenommen worden und nicht Gegenstand der neuen Genehmigung gewesen sei.
Die Klage sei auch begründet, weil der Genehmigungsbescheid rechtswidrig sei.
Die Klägerin beantragt,
die von dem Beklagten der Beigeladenen erteilte Genehmigung der Änderung der Entgeltordnung für den Verkehrsflughafen Berlin-Brandenburg (BER) vom 22. Juni 2022, Gz. 44.1-6441/5/3/2021, bezüglich der Ziffer 1 aufzuheben.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führen der Beklagte und die Beigeladene im Wesentlichen aus:
Die Klage sei unzulässig. Die Klägerin sei nicht klagebefugt, weil sie mangels Nutzung des BER im maßgeblichen Zeitraum nicht in eigenen Rechten betroffen sei. Die hier in Rede stehende Genehmigung der ab dem 1. September 2022 geltenden Entgeltordnung sei durch die nachfolgende Genehmigung der ab dem 1. Januar 2024 in Kraft gesetzten Entgeltordnung vollständig ersetzt worden.
Zudem sei die Klage auch unbegründet.
Zum 1. Januar 2024 ist eine mit Bescheid vom 24. Oktober 2023 durch den Beklagten genehmigte neue Entgeltordnung für den BER in Kraft getreten, die Gegenstand eines weiteren Verfahrens ist, über das der Senat noch nicht entschieden hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die ebenfalls beigezogenen Gerichtsakten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes OVG 6 S 52/22 und den Genehmigungsbescheid vom 24. Oktober 2023 sowie die Entgeltordnung in der ab dem 1. Januar 2024 gültigen Fassung verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind.
Die gegen den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 22. Juni 2022 erhobene Anfechtungsklage ist unzulässig.
Die Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 VwGO. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug unter anderem über sämtliche Streitigkeiten, die den Betrieb von Verkehrsflughäfen betreffen. Nach Satz 2 umfasst die Zuweisung auch Streitigkeiten über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, die mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. Bei einem Streit um die Rechtmäßigkeit der einem Flughafenunternehmer auf der Grundlage von § 19b LuftVG erteilten Entgeltgenehmigung besteht der erforderliche enge räumliche und betriebliche Zusammenhang mit dem Betrieb eines Verkehrsflughafens (ständ. Rspr. d. Senats, vgl. zuletzt Beschluss vom 8. Dezember 2022 – OVG 6 S 52/22 – juris Rn. 13).
Der Klägerin fehlt es an einer Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Sie kann nicht die Verletzung eigener Rechte im Sinne der Vorschrift durch die Genehmigung der Entgeltordnung geltend machen.
Durch die Regelung in § 42 Abs. 2 VwGO soll verhindert werden, dass sich ein Einzelner im Wege der verwaltungsgerichtlichen Klage zum Sachwalter der Interessen der Allgemeinheit oder einzelner anderer (sog. Dritter) an der Wahrung von Gesetz und Recht macht. Die Klagebefugnis dient überdies dem Ausschluss der sog. Interessentenklage; darunter wird die Klage desjenigen verstanden, der an der Aufhebung einer Verwaltungsentscheidung ein eigenes materielles, aktuelles oder künftiges Interesse hat, ohne aber in seinen Rechten verletzt zu sein (Sodan, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 365). Insbesondere reichen eine Verletzung bloß wirtschaftlicher Interessen sowie reine Reflexwirkungen nicht aus (Schmidt-Kötters, in: BeckOK VwGO, Stand: 1. Oktober 2019, § 42 Rn. 110). An der Klagebefugnis mangelt es aber nur dann, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner denkbaren Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 42 Rn. 66). Danach ist hier eine Klagebefugnis der Klägerin zu verneinen. Sie kann weder eine mögliche Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit geltend machen noch kann sie sich auf die Rechte eines Flughafennutzers im Sinne des § 19b LuftVG berufen.
Die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG umfasst die Vertragsfreiheit und damit das Recht, den Inhalt vertraglicher Vereinbarungen mit der Gegenseite frei von staatlicher Bindung auszuhandeln. Dieses Grundrecht ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf die Klägerin als juristische Person des Privatrechts anwendbar. Bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung unter Beachtung der Vorgaben der Richtlinie 2009/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 über Flughafenentgelte (im Folgenden: Richtlinie 2009/12/EG) kommt der Genehmigungsentscheidung nach § 19b LuftVG privatrechtsgestaltende Wirkung im Verhältnis zwischen dem Flughafennutzer und dem Flughafenbetreiber zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juni 2020 – BVerwG 3 C 21.19 u.a. – juris Rn. 6; EuGH, Urteil vom 21. November 2019 – C-379/18 – juris Rn. 71). Nach Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2009/12/EG bezeichnet „Flughafennutzer“ jede natürliche oder juristische Person, die für die Beförderung von Fluggästen, Post und/oder Fracht auf dem Luftwege zu oder von dem betreffenden Flughafen verantwortlich ist. Damit sind nur tatsächliche Flughafennutzer gemeint, weil nur diese im Sinne der Richtlinie 2009/12/EG für die Beförderung zu oder von dem betreffenden Flughafen verantwortlich sind. Ein entgeltpflichtiges Vertragsverhältnis zwischen einem Flughafennutzer und einem Flughafenbetreiber kommt allein durch die Benutzung eines Flughafens zustande (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 – III ZR 277/06 – juris Rn. 11 m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe scheidet eine Rechtsverletzung der Klägerin nach Art. 2 Abs. 1 GG aus. Denn während der Gültigkeit der hier in Rede stehenden Entgeltordnung vom 1. September 2022 bis 31. Dezember 2023 hat die Klägerin den BER nicht angeflogen, wie sie in der mündlichen Verhandlung am 28. Februar 2024 bestätigt hat. Entsprechend wurde die Klägerin von der Beigeladenen nicht auf vertraglicher Grundlage zur Zahlung von Flughafenentgelten in Anspruch genommen.
Auch eine Verletzung der Klägerin in Rechten aus § 19b LuftVG liegt nicht vor, da die Klägerin während der Geltungsdauer der streitigen Entgeltordnung nicht Flughafennutzer war. Das entspricht auch der Rechtslage in anderen Bereichen des Luftverkehrsrechts. Wird eine luftverkehrsrechtliche Genehmigung geändert, können Flughafennutzer, die an dem betreffenden Flughafen angesiedelt sind, verlangen, dass ihre gewerblichen und wirtschaftlichen Belange angemessen berücksichtigt werden, wenn ihre gewerbliche Betätigung durch die Änderung wesentlich erschwert wird. Für die Klage gegen die Änderung der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung gemäß § 6 LuftVG, mit der sie die Beeinträchtigung dieses Rechts geltend machen, steht ihnen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die Betreiber von Flugschulen und Flugcharternehmen auf einem Flughafen betraf, die Klagebefugnis zu. Gleiches gilt nach einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs für Luftfrachtunternehmen und Fluggesellschaften (Sennekamp, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 42 VwGO Rn. 145 mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 26. Juli 1989 – BVerwG 4 C 35.88 – juris und BayVGH, Urteil vom 25. Februar 1998 – 20 A 97.40017 u.a. – juris). Den genannten Entscheidungen ist aber gemeinsam, dass die jeweiligen Kläger tatsächlich den jeweiligen Flughafen nutzten und daher von Änderungen der Flughafengenehmigungen tatsächlich betroffen wurden. Entsprechendes gilt auch für den Drittschutz in § 19b LuftVG: Nur wer als Luftverkehrsgesellschaft den jeweiligen Flughafen tatsächlich nutzt, kann sich in Streitigkeiten über die Genehmigung einer Entgeltordnung im Rahmen der Klagebefugnis auf die durch § 19b LuftVG vermittelten drittschützenden Rechte berufen.
Unerheblich ist, ob die Klägerin in früheren Zeiträumen die Berliner Flughäfen TXL und/oder SXF genutzt hat. Aus deren Nutzung folgt keine mögliche Betroffenheit in eigenen Rechten durch eine Entgeltordnung des BER für den hier interessierenden Zeitraum.
Die bloße Vergabe von Slots, d.h. von Zeitfenstern im Flugplan zur Rationierung von knappen Luftverkehrsinfrastrukturen, begründet kein tatsächliches Nutzungsverhältnis mit der Beigeladenen; im Übrigen hat die Klägerin nach eigenem Vortrag derartige Slots am BER weder beantragt noch erhalten, weil sie bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen regelmäßigen Flugverkehr vom und zum BER betrieben hat.
Dem stehen der Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. April 2018 und die daraufhin ergangene Rechtsprechung nicht entgegen. Dort ging es um tatsächliche – und nicht nur potentielle oder zukünftige – Flughafennutzer (vgl. BVerwG, EuGH-Vorlagebeschluss vom 12. April 2018 – BVerwG 3 C 20.16 – juris Rn. 1).
Auch im Post-, Telekommunikations- und Eisenbahnregulierungsrecht, auf das die Klägerin verweist, besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nur dann, wenn die entgeltregulierte Dienstleistung tatsächlich in Anspruch genommen wird. Erst dadurch wird ein konkretes Rechtsverhältnis mit dem regulierten Unternehmen eingegangen (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 17. August 2016 – BVerwG 6 C 50.15 – juris Rn. 3; Urteil vom 5. August 2015 – BVerwG 6 C 8.14 – juris Rn. 13; Urteil vom 25. Februar 2015 – BVerwG 6 C 37.13 – juris Rn. 17 ff.; OVG Münster, Beschluss vom 1. Dezember 2017 – 13 E 479/17 – juris Rn. 5 ff.). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass telekommunikationsrechtlich die Möglichkeit des Bezugs der genehmigten Leistung eine Zusammenschaltungsvereinbarung voraussetzt, während eine luftverkehrsrechtliche Entgeltordnung auf unbestimmte Zeit genehmigt wird. Denn dies bedeutet nicht, dass für eine Fluggesellschaft ein konkretes Nutzungsverhältnis mit einem Flughafen entstehen würde, den sie tatsächlich während der gesamten Geltungsdauer der Entgeltordnung nicht nutzt.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin vermögen die Tatsachen, dass sie durch die Beigeladene am Konsultationsverfahren beteiligt wurde und dass der Beklagte sie zu der geplanten Änderung der Entgelte angehört und ihr den Genehmigungsbescheid zugestellt hat, keine Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO zu begründen. Denn durch das Verhalten der Genehmigungsbehörde oder des Flughafenbetreibers werden einem Flughafennutzer keine subjektiven Rechte i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO verliehen.
Die beiden Flüge, die die Klägerin im Rahmen des Gelegenheitsverkehrs im Februar 2024 am BER unternommen hat, führen nicht auf ein anderes Ergebnis. Denn die hier in Rede stehende Genehmigung hat für den Zeitraum ab 1. Januar 2024 keine rechtsgestaltende Wirkung. Diese Wirkung besteht insbesondere nicht deshalb, weil der Beklagte mit dem Bescheid vom 24. Oktober 2023 nur den in der Entgeltordnung 2024 gegenüber der Fassung von 2022 geänderten Teil genehmigt hätte. Die Frage, ob eine derartige Teilgenehmigung bzw. eine Änderung nur eines Teils der Entgeltordnung rechtlich zulässig wäre, kann der Senat offen lassen. Denn Gegenstand der Genehmigung vom 24. Oktober 2023 war die Entgeltordnung in der ab 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Fassung insgesamt.
Die Formulierung in Ziffer 1 des Tenors im Bescheid vom 24. Oktober 2023 („Die beantragten Änderungen des Teils 1 der Entgeltordnung […] werden […] frühestens ab 1.1.2024 genehmigt. Dies betrifft a) Kapitel 1.3.2.: […], b) Anhang 1 zu Kapitel 1.1.2: […].“) mag bei isolierter Betrachtung im Sinne einer Teilgenehmigung verstanden werden können. Ihr Sinngehalt ist jedoch unter Heranziehung der Begründung des Bescheides zu ermitteln (vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2023, § 35 Rn. 54). Danach hat der Beklagte den Genehmigungsantrag der Beigeladenen der Sache nach als einen unbeschränkten Antrag auf Genehmigung der kompletten Entgeltordnung behandelt und eine vollständige Prüfung der Entgeltordnung vorgenommen. Auf Seite 9 des Bescheids vom 24. Oktober 2023 wird ausgeführt, die beantragte Änderung berühre die Rechtmäßigkeit der übrigen Bestandteile der Entgeltordnung nicht. Dies zeigt, dass auch die Rechtmäßigkeit dieser – unverändert gebliebenen – Bestandteile geprüft wurde. Weiter heißt es in der Gesamtbewertung auf Seite 15 des Bescheids, die beantragte Änderung der Entgeltordnung sei zu genehmigen. Auch dies lässt nur den Schluss zu, dass Gegenstand der Prüfung des Beklagten die gesamte Entgeltordnung und nicht nur ein einzelnes Entgelt war. Außerdem hat der Beklagte laut Bescheidbegründung auch die Durchführung des Konsultationsverfahrens sowie die den Entgelten zugrunde liegende Gesamtkostenstruktur und den Kostenbezug geprüft. Diese Prüfungselemente beziehen sich auf alle Bestandteile, aus denen sich der von den Flughafennutzern zu zahlende Entgeltbetrag zusammensetzt. Schließlich hat der Beklagte die gesamte Entgeltordnung 2024 und nicht etwa nur deren geänderte Teile veröffentlicht. Auch dieser Gesichtspunkt spricht dafür, den Tenor in Ziffer 1 als Genehmigung der kompletten Entgeltordnung auszulegen. Dass die Bescheidbegründung ansonsten im Wesentlichen auf die geänderten Teile und die dagegen vorgebrachten Einwände eingeht, ist unschädlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese erfolgreich einen Antrag gestellt hat und ein Prozessrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO eingegangen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO nicht vorliegen.