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Darlegung, aufschiebende Wirkung, Nebenbestimmung, Mahdabschaltung, landwirtschaftliche Ereingnisse, Tötungsrisiko, überwiegende Erfolgsaussichten, signifikante Erhöhung, schlaggefährdete Brutvögel, Ansammlung, Neuregelung, fachliche Maßstäbe, fachliche Methoden, Maßstabsbildung, Europarecht, Mäusebussard, Einschätzungsprärogative, gerichtliche Kontrolle, hinreichend aufgeklärter Sachverhalt


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 27.03.2024
Aktenzeichen OVG 7 S 2/24 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0327.OVG7S2.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 80 Abs 5 VwGO, § 146 Abs 4 Satz 6 VwGO, § 45b Abs 1 BNatSchG , § 45b Abs 2 BNatSchG , § 45b Abs 3 BNatSchG , § 45b Abs 4 BNatSchG , § 45b Abs 5 BNatSchG, Anlage 1 BNatSchG

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Juli 2023 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsgegner.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 20.000 Euro festgesetzt; insoweit wird die erstinstanzliche Wertfestsetzung geändert.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die dargelegten Gründe, die nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der Überprüfung im Beschwerdeverfahren bestimmen, rechtfertigen keine Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nebenbestimmung Nr. 2.9.7 zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 17. Juli 2020 („Abschaltungen“ der genehmigten Windenergieanlage zu Zeiten der Ernte von Feldfrüchten, Mahd von Grünland oder Pflügen im Umkreis von 300 m um den Anlagenstandort - sog. Mahdabschaltung) wiederherzustellen ist, weil sich diese aller Voraussicht nach als rechtswidrig und das Hauptsacheverfahren insoweit als erfolgreich erweisen wird, ist auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht zu beanstanden.

a. Soweit der Antragsgegner einen vom Verwaltungsgericht angenommenen Erfolg des Hauptsacheverfahrens mit der Erwägung in Frage stellen möchte, dass im angefochtenen Beschluss nur von „überwiegende(n) Erfolgsaussichten“ die Rede sei, vermag dies der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Der Antragsgegner führt hierzu aus, diese Formulierung deute darauf hin, dass das Verwaltungsgericht, wenn es auch der Ansicht gewesen sei, dass die besseren Gründe für eine Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Nebenbestimmung sprächen, die Erfolgsaussichten letztlich - mit der Folge einer um eine allgemeine Folgenabwägung zu ergänzenden Prüfung - als offen eingeschätzt habe. Dies überzeugt nicht. Die Formulierung „überwiegende Erfolgsaussichten“ ist im Rahmen vorläufiger Rechtsschutzverfahren vor den Verwaltungsgerichten allgemein gebräuchlich und deutet keine Zweifel des erkennenden Spruchkörpers an der Richtigkeit des von ihm gefundenen Ergebnisses an.

Auch der Umstand, dass das Verwaltungsgericht in der bereits ergangenen erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidung die Berufung zugelassen hat, belegt keine vom Verwaltungsgericht angenommenen offenen Erfolgsaussichten. Durch die Zulassung der Berufung hat das Verwaltungsgericht dem Senat lediglich ermöglicht, eine aus der Sicht des Verwaltungsgerichts grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage zu klären, ohne hiermit zugleich zu erkennen zu geben, dass die Richtigkeit seiner Entscheidung Zweifeln unterläge.

b. Ohne Erfolg rügt der Antragsgegner weiter, die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens seien offen, weil die angegriffene Nebenbestimmung mit Blick auf eine anzunehmende „Ansammlung“ von schlaggefährdeten Vogelarten in der Nähe der genehmigten Windenergieanlage gerechtfertigt sei. Er trägt hierzu vor, Greifvögel und Störche würden Nahrungsquellen auch weit abseits ihrer Horste suchen, wenn diese besonders ergiebig seien. Die umstrittene Regelung zu „Abschaltungen“ der Anlage sei damit begründet worden, dass „innerhalb des kurzen Zeitraumes landwirtschaftlicher Arbeiten (Pflügen, Ernte bzw. Grünland Mahd) ein attraktives Nahrungsangebot“ in der Nähe der Anlage entstehe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts fänden die Absätze 1 bis 5 des § 45b BNatSchG auf „Ansammlungen“ kollisionsgefährdender Brutvogelarten bei landwirtschaftlichen Ereignissen keine Anwendung. Sie stünden daher der streitgegenständlichen Nebenbestimmung nicht entgegen. Hiermit vermag er nicht durchzudringen.

aa. Der Senat ist bei summarischer Prüfung mit dem Verwaltungsgericht (vgl. hierzu das im Hauptsacheverfahren ergangene Urteil vom 29. Juni 2023 - VG 10 K 225/20 - EA S. 17 f.) der Ansicht, dass die Neuregelung des § 45b BNatSchG für die Beurteilung der in der Nebenbestimmung Nr. 2.9.7 des Bescheides vom 17. Juli 2020 angeordneten Schutzmaßnahme grundsätzlich anwendbar ist, weil der Gesetzgeber, als er die Neuregelung geschaffen hat, auch die Problematik eines vermehrten Auftretens schlaggefährdeter Brutvogelarten bei landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsereignissen im Blick hatte. Dies ergibt sich aus § 45b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG i.V.m. Anl. 1 Abschnitt 2. Dabei ist festzustellen, dass der Gesetzgeber Abschaltungen bei landwirtschaftlichen Ereignissen nur als fachlich anerkannte Schutzmaßnahme innerhalb des zentralen Prüfbereichs genannt, nicht aber solche Ereignisse in § 45b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG für den erweiterten Prüfbereich als zusätzlichen Grund für eine deutlich erhöhte Aufenthaltswahrscheinlichkeit schlaggefährdeter Brutvögel in dem vom Rotor überstrichenen Bereich der Windenergieanlage aufgeführt hat. Auch enthält § 45b Abs. 5 BNatSchG, wonach das Tötungs- und Verletzungsrisiko der den Brutplatz nutzenden Exemplare außerhalb des erweiterten Prüfbereichs nicht signifikant erhöht ist, keine Ausnahme für landwirtschaftliche Ereignisse. Hieraus muss geschlussfolgert werden, dass landwirtschaftliche Ereignisse die Annahme eines signifikant erhöhten Tötungs- und Verletzungsrisikos ohne einen hinreichenden Nähebezug zu einem Brutplatz nach der Einschätzung des Gesetzgebers nicht rechtfertigen.

Der Senat teilt weiter die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das vermehrte Vorkommen von Großvögeln zur Nahrungssuche in bestimmten Naturräumen zu Zeiten der Mahd/Ernte nicht unter den Begriff der „Ansammlung“ fällt, deren „betriebsbedingte Kollisionsgefährdung“ ausweislich der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 20/2354, S. 25 und S. 31) nicht von § 45b BNatSchG und den Anlagen zum Bundesnaturschutzgesetz normiert worden ist, bei denen vielmehr die „Regelungen der Länder und fachwissenschaftliche Standards“ unberührt bleiben sollen. Denn von einer Ansammlung dürfte bei summarischer Prüfung nur auszugehen sein, wenn sich eine größere Anzahl Vögel regelmäßig in einem bestimmten Naturraum versammelt (vgl. hierzu z.B. die in den Nrn. 3 bis 7 der Anlage 1 zum Windkrafterlass des Ministeriums für Umwelt Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg vom 31. Dezember 2018 genannten Beispiele). Nur in einem solchen Fall entspricht das vermehrte Antreffen von Vögeln wertungsmäßig den in der Gesetzesbegründung genannten „Kolonien, bedeutende(n) Brut- und Rastgebiete(n) sowie Schlafplatzansammlungen“.

bb. Die gegen das wiedergegebene Verständnis des Begriffs „Ansammlung“ erhobenen Einwände des Antragsgegners greifen nicht durch.

(1) Soweit er meint, der Gesetzgeber habe Ansammlungen von kollisionsgefährdenden Vogelarten - auch solcher, die nicht in Anlage 1, Abschnitt 1 zu § 45b BNatSchG genannt würden - letztlich deshalb vom Anwendungsbereich des § 45b BNatSchG ausnehmen wollen, um diese Vogelarten vor einer ansonsten signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos zu schützen, so dass es nicht darauf ankomme, aus welchem Grund es zu einem fachlich plausibel begründenden (temporären) erhöhten Vorkommen von Vögeln in einem bestimmten Gebiet komme, vermag er hiermit nicht durchzudringen.

Der Antragsgegner berücksichtigt bei seinen Ausführungen nicht hinreichend, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 45b BNatSchG bundeseinheitliche Vorgaben für die fachliche Beurteilung festlegen wollte, in welchen Fällen sich das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Brutvögel beim Betrieb von Windenergieanlagen im Umfeld ihrer Brutplätze signifikant erhöht (vgl. BT-Drs. 20/2354, S. 24 f). Es war insoweit sein Anliegen, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13 - juris Rn. 24) Rechnung zu tragen, wonach er unter bestimmten Umständen gehalten sei, hinsichtlich des Umgangs mit auf naturschutzrechtliche Zusammenhänge verweisenden Tatbestandsmerkmalen, deren fachliche Zusammenhänge ungeklärt sind, für eine zumindest untergesetzliche Maßstabsbildung zu sorgen. Vor diesem Hintergrund sollten mit § 45b BNatSchG bundeseinheitliche Anforderungen an die Beurteilung eines signifikant erhöhten Tötungs- und Verletzungsrisikos für Brutvögel geregelt werden. Dem Umstand, dass es in den einschlägigen Fachkreisen und der einschlägigen Wissenschaft an allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden für die fachliche Beurteilung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos fehlt, sollte durch eine bundeseinheitliche - und insoweit abschließende - Regelung entgegengetreten werden, die einheitliche Maßstäbe und Methoden für die behördliche Entscheidung vorgibt (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Danach hat der Gesetzgeber mit der in Rede stehenden Norm bestimmte fachliche Maßstäbe und Methoden für die Einschätzung festgelegt, ob eine signifikante Erhöhung des Tötungs- und Verletzungsrisikos vorliegt. Es hat diese Maßstäbe und Methoden den zuständigen Behörden im Grundsatz bindend vorgegeben (vgl. hierzu bereits OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. September 2023 - OVG 3a A 73/23 - juris Rn. 48). Gründe, die die Annahme rechtfertigen, diese gesetzgeberische - u.a. auf das von der Umweltministerkonferenz vorgelegte Signifikanzpapier vom 11. Dezember 2020 gestützte (vgl. BT-Drs. 20/2354, S. 31) - Vorgabe sei naturschutzfachlich nicht vertretbar bzw. eine auf sie gestützte Einschätzung der fachlichen Tatbestandsmerkmale sei nicht plausibel, legt der Antragsgegner nicht dar.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass - sofern nicht Ansammlungen im oben beschriebenen Sinne bzw. Zeiten des Vogelfluges in Rede stehen (vgl. BT-Drs. 20/2354, S. 25) - nur bei den von der Bestimmung des § 45b BNatSchG erfassten Vogelarten und nur unter den dort genannten Voraussetzungen („… mit einer abschließenden Auflistung kollisionsgefährdeter und daher insoweit prüfungsrelevanter Brutvogelarten … sowie hierauf bezogener artspezifischer Prüfabstände“) von einer signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos von Brutvögeln im Sinne von § 44 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG gesprochen werden kann. Für das vermehrte Antreffen von Brutvögeln in bestimmten Naturräumen anlässlich landwirtschaftlicher Ereignisse ist hierfür danach - sofern nicht Fallgestaltungen im Sinne von § 45b Abs. 3 BNatSchG in Rede stehen - kein Raum.

(2) Angesichts dessen geht der Einwand des Antragsgegners fehl, die Rechtsauffassung des Verwaltungsgericht hätte zur Folge, dass eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos „sehenden Auges“ - und im Widerspruch zur Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie) - in Kauf genommen würde. Denn der Antragsgegner verkennt - ebenso wie die von ihm für seine Auffassung angeführten Stimmen aus der Literatur (vgl. Gellermann in: Landmann/Rohmer, UmwR, Stand: September 2023, Rn. 7, 9 und 28 zu § 45b BNatSchG; Schlacke/Wentzien/Römling, NVwZ 2022, 1577 <1581>) -, dass bei den von der Neuregelung nicht erfassten Vogelarten und Fallgestaltungen nach der § 45b BNatSchG zugrunde liegenden naturschutzfachlichen Einschätzung gerade kein hinreichendes Kollisionsrisiko besteht und damit keine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos gegeben ist. Für eine Verletzung europarechtlicher Vorgaben ist insoweit nichts dargetan.

cc. Auch die Ansicht des Antragsgegners, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die Nebenbestimmung Nr. 2.9.7 mit Blick auf den beabsichtigten Schutz des Mäusebussards nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil dieser vom Gesetzgeber nicht als kollisionsgefährdende Brutvogelart eingestuft worden sei, vielmehr sei die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts unzutreffend und stünde mit Europarecht nicht in Einklang, vermag danach nicht zu überzeugen. Bei summarischer Prüfung hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 29. Juni 2023 - VG 10 K 225/20 - vielmehr zu Recht ausgeführt, dass der Gesetzgeber die umstrittene Frage, ob der Mäusebussard eine kollisionsgefährdete Vogelart ist, mit der Neuregelung entschieden habe und insoweit ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG und Europarecht ausscheide. Dass der Gesetzgeber eindeutig schlaggefährdete Arten nicht in die Liste des Abschnitts 1 der Anlage 1 zu § 45b Abs. 1 bis 5 BNatSchG aufgenommen hätte (vgl. hierzu bereits Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. Juni 2023 - VG 10 K 225/20 - EA S. 20), ist auf der Grundlage der Beschwerdebegründung nicht zu erkennen (vgl. hierzu auch OVG Münster, Urteil vom 29. November 2022 - 22 A 1184/18 - juris Rn. 228 - 235).

dd. Danach ist dafür, dass die Voraussetzungen einer Ansammlung schlaggefährdeter Brutvögel hier vorliegen und die streitgegenständliche Nebenbestimmung hierauf gestützt werden kann, auf der Grundlage der Beschwerdebegründung nichts ersichtlich. Denn dem Vorbringen des Antragsgegners ist nicht zu entnehmen, dass sich zu Zeiten der in Rede stehenden landwirtschaftlichen Ereignisse überhaupt eine relevante Zahl von schlaggefährdeten Vögeln in der Nähe der genehmigten Windenergieanlage versammelt. Hierzu fehlen jegliche Feststellungen.

ee. Darauf, ob die Regelung in § 45b BNatSchG auch dann, wenn sie nicht anwendbar wäre, „zumindest als Orientierung für die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang Schutzmaßnahmen erlassen werden dürfen“, heranzuziehen wäre, und auf die gegen diese Annahme des Verwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 29. Juni 2023 - VG 10 K 225/20 - gerichteten Einwände des Antragsgegners kommt es danach nicht an.

c. Soweit der Antragsgegner meint, dass auch für den Fall, dass mit dem Verwaltungsgericht von der Anwendbarkeit des § 45b BNatSchG ausgegangen werde, eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos vorliege, vermag er auch hiermit nicht durchzudringen. Diesbezüglich verweist der Antragsgegner darauf, dass - wenn er die Nebenbestimmung hierauf auch nicht gestützt habe - in einer Entfernung von 1950 m von der Anlage ein Brutplatz für Weißstörche liege, der die Nebenbestimmung rechtfertige. Nach § 45b Abs. 4 Satz 1 BNatSchG sei das Verletzungs- und Tötungsrisiko der den Brutplatz nutzenden Exemplare im erweiterten Prüfbereich nicht signifikant erhöht, es sei denn, die Aufenthaltswahrscheinlichkeit dieser Exemplare in dem vom Rotor überstrichenen Bereich der Windenergieanlage sei aufgrund artspezifischer Habitatnutzung oder funktionaler Beziehungen deutlich erhöht (Nr. 1) und die signifikante Risikoerhöhung, die aus der erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeit folge, könne nicht durch fachlich anerkannte Schutzmaßnahmen hinreichend verringert werden (Nr. 2). Vorliegend sei eine deutlich erhöhte Aufenthaltswahrscheinlichkeit der im erweiternden Prüfbereich brütenden Weißstörche in der Nebenbestimmung Nr. 2.9.7 nachvollziehbar begründet worden. Insoweit müsse der zuständigen Fachbehörde eine Einschätzungsprärogative zuerkannt werden, bezüglich derer die gerichtliche Kontrolle auf eine Plausibilitätsprüfung beschränkt sei. Das Verwaltungsgericht habe diese fachbehördliche Einschätzungsprärogative missachtet, soweit es etwa ausgeführt habe, dass von Brutvögeln in Kauf genommene lange Flugstrecken nicht zu der Annahme führen dürften, „dass gerade die die Anlagen umgebenden Ackerflächen von den Tieren vermehrt genutzt“ würden.

Auch dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Selbst wenn nämlich bezogen auf das Tatbestandsmerkmal des § 45b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG, ob die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der relevanten Brutvögel in dem vom Rotor überstrichenen Bereich der Windenergieanlage aufgrund artspezifischer Habitatnutzung oder funktionaler Beziehungen deutlich erhöht ist, von einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle auszugehen sein sollte, erstreckte sich diese u.a. auf die Frage, ob die Behörde von einem unrichtigen oder nicht hinreichend tiefgehend aufgeklärten Sachverhalt ausgegangen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018, a.a.O., Rn. 30). Letzteres hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 29. Juni 2023 - VG 10 K 225/20 - (EA S. 20 ff.) verneint und hierzu ausgeführt, dem Vorbringen des hiesigen Antragsgegners seien für seine Auffassung keine hinreichenden Gründe zu entnehmen. Dies hat es umfangreich unter Bezugnahme auf einen im Verwaltungsverfahren eingereichten landschaftspflegerischen Begleitplan, eine Raumnutzungsanalyse und eine Nahrungsflächenanalyse begründet. Dabei hat es u.a. darauf hingewiesen, dass „nicht ersichtlich“ sei, auf welche von der Nahrungsflächenanalyse „abweichenden eigenen Untersuchungen der Beklagte die Behauptung im angefochtenen Bescheid“ stütze, „wonach im 2 km-Radius um die Weißstorchnester wegen der teilweisen Bebauung nur wenige Nahrungsquellen zur Verfügung stünden“. Diese durch den angefochtenen Beschluss in Bezug genommenen Ausführungen werden durch den Hinweis des Antragsgegners auf die Begründung seines Bescheides nicht derart in Zweifel gezogen, dass eine Änderung des angefochtenen Beschlusses gerechtfertigt wäre. Die Begründung des Bescheides leistet vielmehr bereits nicht die gebotene Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung.

d. Ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, die angefochtene Nebenbestimmung sei bei summarischer Prüfung rechtswidrig und die Antragstellerin werde aus diesem Grunde im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen, danach auf der Grundlage der Beschwerdebegründung nicht zu beanstanden, so kommt es auf die Ausführungen des Antragsgegners zu einer allgemeinen Folgenabwägung nicht an. Gründe, die die Annahme rechtfertigen, trotz zu prognostizierender Rechtswidrigkeit der angegriffenen Regelung könne dem öffentlichen Vollzugsinteresse gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin der Vorrang gebühren, sind den Darlegungen der Beschwerde nicht zu entnehmen. An der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts, der im Hauptsacheverfahren aufgehoben werden wird, kann im Allgemeinen kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen (vgl. Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, Rn. 158 zu § 80 m.w.N.). Der Hinweis des Antragsgegners auf die Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 rechtfertigt insoweit aus den oben genannten Gründen keine andere Entscheidung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich der Senat wegen der Vorläufigkeit der Entscheidung (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013) an der Hälfte des vom Verwaltungsgericht in der Hauptsache angenommenen Streitwerts, so dass sich ein Betrag von 20.000 Euro ergibt. Dafür, dass § 80b VwGO die zeitliche Dauer der Entscheidung maßgeblich begrenzt, ist angesichts des Umstandes, dass diese Norm die Unanfechtbarkeit oder Abweisung einer Anfechtungsklage im ersten Rechtszug voraussetzt, an der es hier fehlt, nichts ersichtlich. Dementsprechend ist die erstinstanzliche Wertfestsetzung zu ändern (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).