Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 16.02.2024 | |
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Aktenzeichen | OVG 11 B 11/20 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0216.OVG11B11.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 113 Abs 1 Satz 4 VwGO , Art 19 Abs 4 Satz 1 GG , Art 2 Abs 1 GG , Art 2 Abs 2 Satz 1 GG, Art 12 GG, Art 13 GG, Art 14 GG, LImSchG Bln, VeranstLärmVO, § 838 Abs 3 BGB |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Veranstaltung „Lollapalooza Festival 2016“ im Treptower Park in Berlin rechtswidrig war.
Das Lollapalooza-Festival ist ein Musikfestival aus den USA. Die Beigeladene veranstaltete es erstmals in Europa im September 2015 auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof. Im Februar 2016 gab sie bekannt, das nächste Lollapalooza-Festival finde am 10. und 11. September 2016 im Treptower Park statt.
Auf ihren nachfolgenden Antrag erteilte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (im Folgenden: Senatsverwaltung) mit Bescheid vom 22. August 2016 eine Genehmigung gemäß § 11 des Landes-Immissionsschutzgesetzes Berlin (LImSchG Bln) und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit an. Das zugelassene Bühnenprogramm umfasste Konzerte auf vier Bühnen im Treptower Park am Wochenende des 10. und 11. September 2016, jeweils von mittags bis spätabends, zuzüglich Zeiten für „Soundchecks“ am Freitagnachmittag und Samstag und Sonntag vormittags. Nach der Nebenbestimmung Nr. 6 durfte der Beurteilungspegel am maßgeblichen Immissionsort 0,5 m vor der Mitte des geöffneten Fensters des von den Geräuschen am stärksten betroffenen schutzwürdigen Raumes oder an einem vergleichbaren Messort folgende maximal zulässige Beurteilungspegel im genannten Tageszeitraum nicht überschreiten: 65 dB(A) am 9. September 2016 von 6:00 bis 22:00 Uhr sowie 90 dB(A) am 10. September von 7:00 Uhr bis 23:00 Uhr und am 11. September 2016 von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr. Zuzüglich wurden kurzzeitige Geräuschspitzen zugelassen. Die Beigeladene musste nach Maßgabe der Nebenbestimmung Nr. 11 für alle Wohnungen mit einem schutzbedürftigen Raum im Einwirkungsbereich der Veranstaltung, bei dem 0,5 m vor der Mitte des geöffneten Fensters voraussichtlich Beurteilungsgel größer oder gleich 80 dB(A) einwirken würden, den Betroffenen für die Zeit von Samstag bis Montagfrüh eine angemessene Ersatz-Unterbringung einschließlich Verpflegung oder Küche auf Kosten der Beigeladenen anbieten. Diese Regelung galt „insbesondere“ für die Wohnungen der in der Anlage 2 aufgeführten 1615 Anschriften.
Die Klägerin zu 1, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ist Eigentümerin der Wohnhäuser F_____, die in der Anlage 2 des Bescheids aufgeführt sind. Der Kläger zu 2 ist einer ihrer Gesellschafter. Seine Wohnung in der Y_____ ist mit dem Schlafzimmer und einem Teil des Wohnzimmers, sein Büro in Y_____ mit dem Hauptbüro zum Treptower Park ausgerichtet. Die Räumlichkeiten sind nicht in der Anlage 2 des Bescheids aufgeführt.
Mit ihrer am 2. September 2016 erhobenen Klage haben die Kläger ursprünglich die Aufhebung des Bescheids vom 22. August 2016 begehrt. Den zugleich gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 7. September 2016 – VG 10 L 319.16 – abgelehnt. Nach Durchführung des Festivals haben die Kläger ihr ursprüngliches Klagebegehren für erledigt erklärt und ihre Klage auf den Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt, dass der Bescheid vom 22. August 2016 rechtswidrig gewesen ist.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. Februar 2017 mit der Begründung abgewiesen, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei unzulässig. Die Kläger hätten kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Ein beabsichtigter Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess sei offensichtlich aussichtslos. Auch unter Berücksichtigung der grundgesetzlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes bestehe kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Hierfür fehle es an einer tiefgreifenden Grundrechtsverletzung der Kläger.
Die Kläger tragen zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 28. Mai 2020 zugelassenen Berufung vor, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergebe sich aus der Wiederholungsgefahr, da regelmäßig im und um den Treptower Park herum immissionsträchtige Veranstaltungen stattfänden. Zudem diene ihre Klage der Vorbereitung eines Amtshaftungs- und Entschädigungsprozesses wegen der aufgrund des Festivals in der Wohnung eines Mieters der Klägerin zu 1 entstandenen Schäden, der negativen Auswirkungen auf das Mietniveau sowie der Kosten des Eilverfahrens vor dem Verwaltungsgericht. Sie hätten auch ein berechtigtes Interesse wirtschaftlicher Art, weil ihrer Wohnlage aufgrund des Festivals bis heute ein Makel anhafte. Unter dem Gesichtspunkt ihres Anspruchs auf wirksamen gerichtlichen Rechtschutz folge ihr berechtigtes Interesse daraus, dass sie keine Überprüfung der Genehmigung im Hauptsacheverfahren hätten erreichen können, weil sich die Genehmigung typischerweise kurzfristig erledigt habe. Jedenfalls handle es sich um einen qualifizierten Grundrechtseingriff, insbesondere sei ihre Situation mit der eines Wohnungsverweises vergleichbar.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Februar 2017 zu ändern und festzustellen, dass der Bescheid der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vom 22. August 2016 zur Genehmigung des „Lollapalooza-Festivals 2016“ rechtswidrig war.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Die Klage sei mangels eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses unzulässig. Insbesondere handle es sich bei der streitbefangenen Genehmigung nicht um einen sich typischerweise kurzfristig erledigenden Verwaltungsakt. Zudem seien die Kläger allenfalls mittelbar in ihren Grundrechten betroffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (drei Ordner) Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Kläger hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist unzulässig.
Die Kläger durften ihre Drittanfechtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO umstellen. Diese Umstellung des Klageantrags ist keine Klageänderung im Sinne von § 91 VwGO, sondern eine gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Einschränkung des Klageantrags (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Dezember 2014 – 4 C 33/13 – juris Rn. 11). Die umgestellte Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Der ursprünglich angefochtene Bescheid vom 22. August 2016 hat sich mit Durchführung des Festivals im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erledigt. Die geltend gemachte Beschwer ist durch Zeitablauf entfallen (§ 43 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 VwVfG Bln).
Die Kläger haben indes kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts. Ein solches Interesse, das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage ist, kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Es ist typischerweise in den von der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses sowie der Absicht zum Führen eines Schadensersatzprozesses gegeben, kann aber auch aus anderen besonderen Umständen des Einzelfalls hergeleitet werden, sofern die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die klägerische Position in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht zu verbessern (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 2023 – 6 C 2/22 – juris Rn. 6 m.w.N.). Das ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 1998 – 4 C 14/96 – juris Rn. 20) nicht der Fall.
1. Unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ergibt sich kein berechtigtes Interesse der Kläger. Eine Wiederholungsgefahr setzt die konkrete oder hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2023 – 6 C 8/21 – juris Rn. 20 m.w.N.). Dem zukünftigen behördlichen Vorgehen müssen allerdings nicht in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen. Für das Feststellungsinteresse ist entscheidend, ob die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen künftigen Verwaltungshandelns unter Anwendung der dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften geklärt werden können. Ist hingegen ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden (BVerwG, Beschluss vom 23. November 2022 – 6 B 22/22 – juris Rn. 13 m.w.N.). So liegt der Fall hier.
Eine erneute immissionsschutzrechtliche Genehmigung für das Lollapalooza-Festival im Treptower Park liegt fern. Der Beklagte hat dies u.a. mit Schriftsatz vom 15. Februar 2016 auch für die fernere Zukunft ausdrücklich ausgeschlossen. Dementsprechend hat die Beigeladene bereits im erstinstanzlichen Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, sie habe kein wirtschaftliches Interesse daran, das Lollapalooza-Festival unter denselben Nebenbestimmungen erneut im Treptower Park zu veranstalten. Diese Erklärungen haben sich in der Praxis bestätigt. Im Jahr 2017 wurde das Lollapalooza-Festival auf der Rennbahn Hoppegarten durchgeführt. Seit dem Jahr 2018 hat sich das Olympiastadion mit dem Olympiapark als Veranstaltungsort des dort seitdem – mit pandemiebedingter Ausnahme – jährlich stattfindenden Lollapalooza-Festivals etabliert.
An einer Wiederholungsgefahr fehlt es auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Kläger, regelmäßig fänden im und um den Treptower Park herum andere immissionsträchtige Veranstaltungen statt. Die von den Klägern zum Vergleich angeführten Veranstaltungen „Beats and Boats“ und „CSD auf der Spree“ unterscheiden sich hinsichtlich ihrer tatsächlichen Umstände, insbesondere der Dauer und Intensität der Lärmeinwirkung auf die Nachbarschaft im Treptower Park, wesentlich von den Umständen des Lollapalooza-Festivals 2016. Während es sich bei diesem um ein ortsfestes, zweitägiges Musikfestival im Treptower Park mit einem genehmigten Beurteilungspegel von bis zu 90 dB(A) zzgl. Geräuschspitzen handelte, finden jene Veranstaltungen auf vorbeifahrenden Schiffen auf der Spree statt. Hierzu hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen ausgeführt, die Genehmigungen dieser Veranstaltungen enthielten Nebenbestimmungen, die ein längeres Verweilen der Schiffe untersagten. Auch die von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnte Veranstaltung „Treptower Herbst“ begründet keine Wiederholungsgefahr. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das Volksfest „Treptower Herbst“ eine Immissionsbelastung mit sich bringt, die im Wesentlichen mit den genannten Umständen des Lollapalooza-Festivals 2016 vergleichbar ist. Es handelt sich zudem um eine Veranstaltung, die nach den Angaben des Beklagtenvertreters mangels gesamtstädtischer Bedeutung nicht durch die Senatsverwaltung genehmigt wird.
Ungeachtet dessen und darüber hinaus hat sich die Rechtslage derart verändert, dass das Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Kläger auch aus Rechtsgründen nicht als berechtigt anzusehen wäre. Rechtsgrundlage des Bescheids vom 22. August 2016 war § 11 des Landes-Immissionsschutzgesetzes Berlin vom 5. Dezember 2005 (GVBl. S. 735; LImSchG Bln a.F.) in der bis zum 20. Dezember 2023 gültigen Fassung. Diese bleibt für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblich. Im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage bezüglich der ursprünglichen Drittanfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der angefochtenen Behördenentscheidung (ggf. in Gestalt des Widerspruchsbescheids) an (BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 1991 – 7 B 102.90 – juris Rn. 3; VG Köln, Urteil vom 21. April 2023 – 9 K 4771/22 – juris Rn. 51). Nach § 11 Satz 1 LImSchG Bln a.F. kann die zuständige Behörde bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses für öffentliche Veranstaltungen im Freien […] widerruflich eine Genehmigung erteilen, wenn dies im Einzelfall unter Berücksichtigung des Schutzbedürfnisses der Nachbarschaft zumutbar ist. Demgegenüber wäre nunmehr für die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung einer Veranstaltung im Freien § 7 Abs. 2 LImSchG Bln in der Fassung vom 7. Dezember 2023 (GVBl. S. 406) maßgeblich. Dieser regelt abweichend von § 11 Satz 1 LImSchG Bln a.F., dass die Genehmigung erteilt werden kann, wenn das öffentliche Interesse an der Veranstaltung die Ruheschutzinteressen Dritter überwiegt. Diese Änderung der Rechtslage ist erheblich. Während nach dem hier noch maßgeblichen Recht nur ein öffentliches Bedürfnis für die öffentliche Veranstaltung im Freien vorliegen musste, wäre bei einer künftigen Genehmigungserteilung ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Veranstaltung zu prüfen. Zudem kommt es zukünftig nicht mehr auf das Schutzbedürfnis der Nachbarschaft, sondern auf Ruheschutzinteressen Dritter an.
2. Die von den Klägern geltend gemachte Präjudizwirkung wegen eines angestrebten Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesses begründet ebenfalls kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Dieses setzte voraus, dass ein Prozess nicht offensichtlich aussichtslos erscheint. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Das Kriterium der offensichtlichen Aussichtslosigkeit ist erfüllt, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 35/12 – juris Rn. 38; BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2015 – 8 B 10/15 – juris Rn. 15 m.w.N.). Dies ist hier der Fall.
Schäden im Zusammenhang mit dem Wohneigentum der Kläger sind nicht hinreichend dargelegt. Die Behauptung eines eingetretenen Schadens bedarf regelmäßig nicht der Vorlage einer genauen Schadensberechnung. Mit Blick auf die Darlegungspflicht sind jedoch hinreichend substantiierte Angaben zur Art des Schadens und zur annähernden Schadenshöhe erforderlich (vgl. VGH München, Urteil vom 9. September 2020 – 15 B 19.666 – juris Rn. 32; OVG Münster, Urteil vom 23. November 2023 – 10 A 1016/21 – juris Rn. 89 f.; Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 113 VwGO Rn. 129, Stand Juni 2017). Dem genügt der Vortrag der Kläger nicht.
Die Kläger machen hinsichtlich der ursprünglich geltend gemachten Mietminderung des Mieters Q_____ kein Präjudizinteresse mehr geltend, nachdem die Beigeladene den Betrag an die Klägerin zu 1 gezahlt hat. Bezüglich der behaupteten Schäden in der Dachgeschosswohnung des Mieters P_____ kann von vorneherein nur die Klägerin zu 1 als Vermieterin aktiv legitimiert sein. Aber auch zu ihr fehlen hinreichende Angaben, welche kausal durch die Veranstaltungsgenehmigung bedingten Schäden in einem Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess geltend gemacht werden sollen. Aus der in Bezug genommene E-Mail des Mieters vom 17. Oktober 2016 (Anlage K 5) geht nur hervor, dass der Mieter am Wochenende des Lollapalooza-Festivals 2016 die Kühlgeräte aufgrund der Hitze und der Lautstärke bei geschlossenem Fenster habe durchlaufen lassen müssen und dies zu Schwitzwasser im Deckenbereich geführt habe mit der Folge, dass „an zwei Revisionsklappen in der Decke […] Schaden entstanden“ sei. Diese Bezugnahme kann substantiierte Angaben zur Art des Schadens und zur annähernden Schadenshöhe nicht ersetzen, auch wenn, wie die Kläger zu Recht geltend machen, Einzelfragen zur Schadensverursachung und -höhe erst in einem zivilrechtlichen Haftungsprozess zu klären wären. Aus den schriftsätzlichen Darlegungen der Klägerin zu 1 geht indes bereits nicht hervor, ob sie einen Schaden ihres Eigentums, Kosten der Mängelbeseitigung durch die Klägerin zu 1, einen an den Mieter geleisteten Vorschuss für eine durch ihn beauftragte Mängelbeseitigung oder aber ggf. eine Vermögenseinbuße in Gestalt einer Mietminderung geltend machen möchte und in welcher annähernd bestimmten Höhe ihr hierdurch eine ersatzfähige Vermögenseinbuße infolge der Genehmigungserteilung entstanden sein soll. Die Art des Schadens, die insbesondere für die Verjährung maßgeblich sein kann, ist auch in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert worden.
Machen die Kläger pauschal negative Auswirkungen auf das Mietniveau geltend, kann dies ein Präjudizinteresse ebenfalls nicht begründen. Der Vortrag der Kläger hierzu ist nicht auf den Nachweis konkreter Tatsachen gerichtet. Sie sind vielmehr der Auffassung, sie müssten keine umfangreichenden tatsächlichen Ermittlungen insbesondere durch Einholung eines Wertgutachtens eines Immobiliensachverständigen einholen. Damit verkennen sie, dass das Gericht Anregungen nicht nachgehen muss, die ein Beteiligter ohne greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkt „ins Blaue hinein“ vorträgt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Mai 2016 – 6 B 1/16 – juris Rn. 34 m.w.N.). Der befürchtete Wertverfall aufgrund des Lollapalooza-Festivals 2016 ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach spekulativ. Sie legen schon keine Anknüpfungstatsachen zur Wertentwicklung ihrer Immobilien dar. Soweit sie pauschal die Möglichkeit einer Beendigung von Mietverhältnissen anführen, ist auch hierzu nichts substantiiert vorgetragen.
Der zudem für ein Präjudizinteresse geltend gemachte Schaden des von den Klägern geführten Verfahrens des einstweiligen Rechtschutzes, das erfolglos blieb, führt zu keinem anderen Ergebnis, auch wenn er sich hinreichend konkret aus den Verfahrenskosten ergibt. Ein Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess ist auch insoweit offensichtlich aussichtslos. Nach § 839 Abs. 3 BGB tritt eine Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels gegen das nunmehr als rechtswidrig beanstandete staatliche Verhalten abzuwenden. § 839 Abs. 3 BGB ist eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in allgemeiner Form in § 254 BGB niedergelegt ist und für das gesamte private und öffentliche Haftungsrecht anerkannt ist (BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 – 2 C 19/17 – juris Rn. 23 m.w.N.), einschließlich des von den Klägern zudem geltend gemachten Entschädigungsanspruch aus enteignungsgleichem Eingriff (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1984 – III ZR 216/82 – juris Rn. 40 f.). Das Unterlassen des Primärrechtsschutzes ist nicht schon dann unverschuldet, wenn die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel möglicherweise nicht erfolgreich gewesen wären, sondern erst, wenn das Rechtsmittel aussichtslos war (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1999 – 2 C 38/98 – juris Rn. 19; Wöstmann, in: Staudinger, BGB, 2020, § 839 Rn. 347 m.w.N.). Hier haben die Kläger versäumt, den Schaden der Verfahrenskosten durch die Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. September 2016 – VG 10 L 319.16 – abzuwenden. Dies war zeitlich möglich, da der Beschluss ihrem mit der Sache ohnehin befassten Prozessbevollmächtigten noch am 7. September 2016 zugestellt wurde und das Konzertprogramm des Lollapalooza-Festivals erst am 10. September 2016 begann. Ausgehend vom Vortrag der Kläger, dass die Genehmigung die Veranstaltungslärm-Verordnung verletze und jedenfalls ermessensfehlerhaft sei, musste die Inanspruchnahme der Beschwerdemöglichkeit auch nicht von vorneherein als aussichtslos erscheinen.
3. Das berechtigte Interesse ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des von den Klägern geltend gemachten Interesses wirtschaftlicher Art, dass das von ihnen erstrebte Sachurteil den Marktwert ihrer Immobilien erhöhen könne. Hierfür kann dahinstehen, inwieweit sie dieses wirtschaftliche Interesse oder auch eine ideelle Aufwertung unter dem Gesichtspunkt einer Rehabilitierung bzw. einer Beseitigung einer Bemakelung geltend machen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 14.12 – juris Rn. 25; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2014 – OVG 11 B 15.12 – juris Rn. 57 ff.). Es ist bereits nicht nachvollziehbar dargelegt, inwiefern die einmalige Genehmigung des Lollapalooza-Festival 2016 die Immobilien der Kläger um den Treptower Park andauernd beeinträchtigt hätte.
4. Die Kläger haben auch kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt , dass sich der Bescheid vom 22. August 2016 mit Durchführung des Lollapalooza-Festivals 2016 erledigte, bevor sie erstinstanzlichen Rechtsschutz in der Hauptsache erlangen konnten.
Diese in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG grundsätzlich anerkannte Fallgruppe betrifft Verwaltungsakte, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Darüber hinaus muss die weitere Voraussetzung eines qualifizierten (tiefgreifenden, gewichtigen bzw. schwerwiegenden) Grundrechtseingriffs erfüllt sein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 2023 – 6 C 2/22 – juris Rn. 7 ff.; BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2024 – 8 AV 1/24 – juris Rn. 11 jeweils m.w.N.).
Hiergegen führen die Kläger unter Berufung u.a auf ältere Rechtsprechung des 8. Revisionssenats des Bundesverwaltungsgerichts an, das Erfordernis einer typischerweise kurzfristigen Erledigung der Maßnahme sei eine hinreichende Voraussetzung für das Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Art. 19 Abs. 4 GG differenziere nicht nach der Intensität des erledigten Eingriffs und des Rangs der betroffenen Rechte. Eine Unterscheidung bedürfe einer sachlichen Rechtfertigung, die sich auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht entnehmen lasse (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2013 – 8 C 14/12 – juris Rn. 30 f. [ebenso 8 C 16.12; 8 C 20.12; 8 C 22.12; 8 C 35.12; 8 C 38.12; 8 C 40.12, 8 C 41.12]; Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 39.12 – juris Rn. 27; Urteil vom 27. Januar 2021 – 8 C 3.20 – juris Rn. 11; OVG Bautzen, Urteil vom 27. Januar 2015 – 4 A 533/13 – juris Rn. 28 ff., OVG Greifswald, Urteil vom 15. Juli 2015 – 3 L 9/12 – juris Rn. 50 [zu § 43 VwGO]; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Juli 2017 – OVG 10 N 46.14 – juris Rn. 9; Riese, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 113 VwGO Rn. 144, Stand Juni 2017; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 122).
Demgegenüber ergibt sich nach der jüngsten Rechtsprechung des 6. Revisionssenats aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Die Voraussetzung eines qualifizierten Grundrechtseingriffs entspreche der in § 42 Abs. 2 und § 113 VwGO zum Ausdruck kommenden Ausrichtung des deutschen Verwaltungsprozessrechts auf den Individualrechtsschutz und der Regelung des § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, demzufolge nach Erledigung der Hauptsache grundsätzlich nur noch nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden sei. Diese Auslegung sei auch mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und dem Unionsrecht vereinbar (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 29. November 2023 – 6 C 2/22 – juris Rn. 7 ff.).
Der Senat schließt sich dieser Auffassung des 6. Revisionssenats an. Die von den Klägern vertretene Auffassung ist unvereinbar mit der Entscheidung des Gesetzgebers, eine Fortsetzungsfeststellungsklage nur bei einem berechtigten Interesse gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zuzulassen. Diese Anforderung liefe in Fällen sich typischerweise kurzfristig erledigender Maßnahmen aufgrund des umfassenden Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 1 GG leer. Die Folge wäre – entgegen der in § 42 Abs. 1 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO zum Ausdruck kommenden Wertung – ein Anspruch auf Rechtskontrolle allein wegen des objektiven Umstands der kurzfristigen Erledigung, ohne dass die gerichtliche Entscheidung die klägerische Position in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht verbessern könnte. Demgegenüber bietet die vom Gesetzgeber beabsichtigte Entlastung der Gerichte eine sachliche Rechtfertigung der Differenzierung anhand der Eingriffsintensität. Dies lässt sich auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2001 – 2 BvR 527/99 – juris Rn. 34).
Zudem ist die Rechtsfrage des Erfordernisses eines qualifizierten Grundrechtseingriffes, die der Senat bei Zulassung der Berufung noch als offen angesehen hat, inzwischen höchstrichterlich geklärt. Die Auffassung des 6. Revisionssenats wird in neueren Entscheidungen des 2. und 3. Revisionssenats geteilt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 2023 – 6 C 2/22 – juris Rn. 21 m.w.N.). Auch der 8. Revisionssenat hat jüngst seine ältere Rechtsprechung, auf die sich die Kläger berufen, dahingehend klargestellt, dass er nicht allein auf eine typische kurzfristige Erledigung des Eingriffs abstelle, sondern zudem ein qualifizierter Grundrechtseingriff erforderlich sei (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2024 – 8 AV 1/24 – juris Rn. 11 mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 8 C 14.12 – juris Rn. 25 und BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 8 C 39.12 – juris LS 2 sowie Rn. 29 m.w.N.). Soweit Entscheidungen des 7. und 10. Revisionssenats nur auf die typischerweise kurzfristig eintretende Erledigung der hoheitlichen Maßnahme abgestellt haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 2017 – 7 B 1.16 – juris Rn. 25; BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2015 – 10 C 11/14 – juris Rn. 13; BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2016 – 10 B 11.15 – juris Rn. 8; sowie BVerwG, Urteil vom 13. September 2017 – 10 C 6/16 – juris Rn. 13 zu § 43 Abs. 1 VwGO), ist dies nur unter Bezugnahme auf die nun klargestellte Rechtsprechung des 8. Revisionssenats erfolgt.
a) Das Erfordernis einer typischerweise kurzfristigen Erledigung ist hier entgegen der Ansicht des Beklagten und der Beigeladenen erfüllt. Maßgebend ist, ob die kurzfristige Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 2023 – 6 C 2/22 – juris Rn. 7; BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 2 C 5/19 – juris Rn. 15 m.w.N.). Zu diesen besonderen Verwaltungsakten gehört die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für öffentliche Veranstaltungen im Freien gemäß §§ 7, 11 LImSchG Bln a.F. i.V.m. der Veranstaltungslärm-Verordnung, wie sie mit dem ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 22. August 2016 erteilt wurde.
Solche immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen von öffentlichen Veranstaltungen im Freien sind ihrer Eigenart nach auf den jeweiligen Veranstaltungszeitraum von kurzer Dauer befristet. Nach § 3 der Veranstaltungslärm-Verordnung (VeranstLärmVO) sind Veranstaltungen insbesondere musikalische, szenische, filmische oder karnevalistische Darbietungen, Feste, Tanzveranstaltungen sowie Zusammenkünfte, die der politischen Bildung, der Informationsvermittlung oder kulturellen oder staatlichen Zwecken dienen. Die Veranstaltungsdauer wird nach Tagen bemessen (vgl. § 9 Abs. 5, § 10 Abs. 4; § 11 Abs. 5; § 12 Abs. 2 VeranstLärmVO i.V.m. der Verordnungsbegründung, Nr. 12 zu § 12 Abs. 2, zit. nach https://www.parlament-berlin.de/ados/17/IIIPlen/ vorgang/ verordnungen/vo17-208.pdf). Ein Zeitraum von wenigen Tagen, für den sich der Bescheid vom 22. August 2016 Geltung beimaß, ist typischerweise zu kurz, um verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in der Hauptsache zu erlangen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 2023 – 6 C 2/22 – juris Rn. 28: Betretungs- und Aufenthaltsverbot von 10 Tagen). Selbst bei einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine über Monate gestreckte Veranstaltungsreihe ist eine Entscheidung in der Hauptsache regelmäßig erst während der laufenden Konzertsaison zu erwarten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Juli 2010 – OVG 11 S 35.10 – juris Rn. 18).
Für diese Einordnung aufgrund der Eigenart des Verwaltungsakts sind die frühzeitige Ankündigung des Lollapalooza 2016, die vom Beklagten angeführten Umstände, die im vorliegenden Fall zur späten Genehmigungserteilung aufgrund der Belegung des Tempelhofer Flughafens geführt haben, sowie die Entscheidungspraxis der Senatsverwaltung in anderen Fällen ohne Belang. Es ist auch nicht dargelegt oder ersichtlich, dass eine solche Genehmigung in der Praxis typischerweise so frühzeitig erteilt wird, dass hiergegen trotz des kurzen Geltungszeitraums noch eine erstinstanzliche Entscheidung in der Hauptsache erwirkt werden kann. Vielmehr wird sich der Gegenstand einer solchen Genehmigung typischerweise und so auch im vorliegenden Fall erst kurz vor der Veranstaltung genau beantragen und regeln lassen. Deutlich wird dies an der kurzen Antragsfrist von vier Wochen (vgl. AV LImSchG Bln a.F., Ziffer 8 zu §§ 7 und 11, S. 12) und hier an den zahlreichen Änderungen des Antrags der Beigeladenen in zeitlicher Nähe zum Festival. Dementsprechend erfahren von der Veranstaltung betroffene Dritte, selbst wenn ihnen – wie den Klägern – die Genehmigung bekannt gegeben wird, hiervon typischerweise erst so kurz vor der Veranstaltung, dass sie die Genehmigung keiner Überprüfung im Hauptsacheverfahren zuführen können.
b) Es fehlt indes an der weiteren Voraussetzung, dass der angegriffene Verwaltungsakt zu einem qualifizierten Grundrechtseingriff geführt hat. Ein solcher ist jedenfalls anzunehmen bei einer Verletzung der Menschenwürde, bei Grundrechtseingriffen mit grundgesetzlichem oder gesetzlichem Richtervorbehalt sowie in Fällen eines so eklatant fehlerhaften Vorgehens eines Hoheitsträgers, dass objektive Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) naheliegt. Hinsichtlich anderer Grundrechte ist bei der Beurteilung der Eingriffsintensität nach der Art des Eingriffs zu differenzieren. Im Rahmen der Einzelfallwürdigung ist zum einen dessen besondere Bedeutung im Gesamtsystem der Grundrechte zu berücksichtigen und zum anderen zu bewerten, inwieweit die fragliche Maßnahme die Möglichkeit individueller Selbstbestimmung in dem durch das Grundrecht erfassten Lebensbereich beschränkt. Ein qualifizierter Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) ist grundsätzlich nur anzunehmen, soweit das individuelle Verhalten, das mangels spezieller Grundrechtsgarantien nur dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG unterfällt, eine gesteigerte, dem Schutzgut der übrigen Grundrechte vergleichbare Relevanz für die Persönlichkeitsentfaltung besitzt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. November 2023 – 6 C 2/22 – juris Rn. 18-20 m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die von den Klägern geltend gemachten Grundrechtseingriffe durch den Bescheid vom 22. August 2016 nicht als hinreichend gewichtig zu qualifizieren.
Eine Verletzung der Menschenwürde, Eingriffe unter Richtervorbehalt oder in Grundrechte mit erheblicher Relevanz für die Persönlichkeitsentfaltung stehen hier nicht in Rede. Insbesondere ist der gemäß Art. 13 GG unverletzliche Schutz der Wohnung nicht betroffen, soweit die Kläger geltend machen, sie hätten aufgrund der Lärmeinwirkungen ihre Wohnungen nicht mehr ungestört nutzen können. Von vorneherein ist eine solche Beeinträchtigung für die Klägerin zu 1, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, nicht nachvollziehbar dargelegt, da sie ihre Wohnungen nicht selbst genutzt hat. Ungeachtet dessen schützt Art. 13 GG nicht das Besitzrecht an einer Wohnung, sondern deren Privatheit. Der Entzug der Verfügungsbefugnis über eine Wohnung durch das Verbot, eine bestimmte Wohnung zu betreten, bedeutet daher keinen Eingriff in das Grundrecht (BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 2008 – 2 BvR 160/08 – juris Rn. 3). Dementsprechend betreffen Immissionen, insbesondere Geräusche, die auf eine Wohnung einwirken, ebenfalls nicht das spezifische Schutzgut des Art. 13 GG, sondern sind eine Beeinträchtigung des Gebrauchs der Wohnung (vgl. Kunig, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 13 Rn. 8; Wischmeyer, in: Dreier, GG, 4. Aufl. 2023, Art. 13 Rn. 43).
Auch im Übrigen sind keine Beeinträchtigungen von Grundrechten ersichtlich, die ein solches Gewicht haben, das die nachträgliche Klärung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 22. August 2016 rechtfertigt. Für die Klägerin zu 1 kommen als betroffene Grundrechte nur die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG in Betracht, wie das Verwaltungsgericht zu Recht erkannt hat. Die für die Intensität des Eingriffs geltend gemachten Vermögenseinbußen sind indes aus den oben genannten Gründen bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Schon deshalb kann auch der ergänzend angeführte Umstand, dass eine hohe Anzahl an Wohnungen betroffen gewesen seien, keinen qualifizierten Grundrechtseingriff begründen.
Die für den Kläger zu 2 geltend gemachten Eingriffe in sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG, auch in Gestalt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, sowie in sein durch Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit sind – auch unter Berücksichtigung des Sonntagsschutzes gemäß Art. 140 GG i.V.m. 139 WRV – ebenfalls nicht hinreichend gewichtig. Dabei ist zunächst maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 2 nicht unmittelbar hoheitlichen Eingriffen ausgesetzt war. Regelungsadressat des Bescheids vom 22. August 2016 war die Beigeladene, so dass der Kläger zu 2 (nur) mittelbar-faktisch betroffen war. Eine solche Betroffenheit in Grundrechten ist mit der eines Adressaten eines behördlichen Wohnungsverweises und Betretungsverbots von vorherein nicht vergleichbar. Die Beeinträchtigung durch die genehmigten Immissionen hat dabei nach Überzeugung des Senats auch im Übrigen nicht einen nach der oben zitierten Rechtsprechung qualifizierten Grundrechtseingriff bewirkt.
Zu einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Klägers zu 2 aufgrund der Lärmeinwirkungen konnte es schon deshalb nicht kommen, da er an dem Festivalwochenende verreist war, wie bereits das Verwaltungsgericht festgestellt hat. Der hiergegen erhobene Einwand des Klägers zu 2, er sei gerade wegen des Festivals zur Vermeidung der Lärmeinwirkungen verreist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Ein damals subjektiv befürchteter Eingriff in die körperliche Unversehrtheit hat jedenfalls kein solches Gewicht, dass deswegen die Rechtmäßigkeit des geltend gemachten Eingriffs zu klären wäre, obwohl dieser nicht mehr fortwirkt.
Ausgehend hiervon scheidet auch ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG von vorneherein aus, da der Kläger zu 2 seine Kanzleiräume während des Festivals nicht aufgesucht hat. Ungeachtet dessen setzte ein mittelbarer Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG voraus, dass die betreffende Maßnahme in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs steht und objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. September 2006 – 2 BvR 1421/100 – juris Rn. 22). Bei Vorschriften ohne primär berufsregelnde Zielrichtung kommt es darauf an, ob die tatsächlichen Auswirkungen zu einer Beeinträchtigung der freien Berufsausübung führen können (vgl. BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 – 2 BvR 1520/01 – juris Rn. 105). Hier hat die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung keinen Bezug zur Berufsausübung des Kläger zu 2. Dieser hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass er seinen Beruf als Rechtsanwalt aufgrund der tatsächlichen Lärmeinwirkung auf seine Kanzleiräume nicht frei ausüben konnte. Jedenfalls wäre ein Beeinträchtigung seiner Berufausübungsfreiheit nicht hinreichend qualifiziert, da das Festival an einem Wochenende stattfand und nur das Hauptbüro zum Treptower Park ausgericht ist.
Das Eigentum des Klägers zu 2 blieb in seiner Substanz unberührt. Die Nutzungseinschränkung aufgrund der Lärmeinwirkung ist jedenfalls nicht hinreichend gewichtig. Selbst wenn auf das Wohnhaus des Klägers zu 2 ein Beurteilungspegel von etwa 80 dB(A) eingewirkt hätte, wie die Kläger ausgehend von einem prognostizierten Mittelungspegel von 70 bis 75 dB(A) und unter Annahme eines Differenzwerts von 7,4 dB(A) geltend machen, hätte er seine Räumlichkeiten mit verfassungsrechtlich zumutbaren Einschränkungen nutzen können. Hierfür ist unerheblich, ob der Bescheid vom 22. August 2016 mit dem Landesimmissionsschutzgesetz und der Veranstaltungslärm-Verordnung vereinbar war. Ein Beurteilungspegel von 80 dB(A) ließ zwar selbst nach Auffassung des Beklagten bei geschlossenen Fenstern einen Innenpegel von ca. 65 dB(A) und damit eine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne des § 11 LImSchG a.F. erwarten (Bescheid vom 22. August 2016, S. 7 unten). Damit war jedoch die verfassungsrechtlich relevante Grenze zur Gesundheitsgefahr bzw. einer dadurch bewirkten Eigentumsverletzung jedenfalls noch nicht in qualifizierter Weise überschritten. In der Rechtsprechung zu dauerhaften Lärmbelastungen wird die grundrechtliche Zumutbarkeitsschwelle für Wohngebiete zwar grundsätzlich schon bei einem äquivalenten Dauerschallpegel von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts angenommen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 – 4 A 1075/04 – juris Rn. 376; BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2017 – 7 A 7/17 – juris Rn. 46). Hier waren die höchsten Immissionswerte jedoch auf zwei Tage und auf die hinausgeschobene Tageseit bis 23:00 Uhr am 10. September bzw. 22:00 Uhr am 11. September begrenzt. Angesichts dieses kurzen Zeitraums waren keine Gesundheitsgefahren zu befürchten. Ein qualifizierter Grundrechtseingriff lag umso weniger vor, als die tatsächlich bei der Wohnbebauung auf der Halbinsel Alt-Stralau gemessenen Beurteilungspegel mit 72 dB(A) am ersten und 74 dB(A) am zweiten Veranstaltungstag weit niedriger als prognostiziert ausfielen (vgl. F_____ I_____, Überwachungsmessungen während des Lollapalooza Festivals 2016, 11. Oktober 2016, S. 27 bzw. 29).
Damit hat auch ein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG hier mangels einer gesteigerten, dem Schutzgut der übrigen Grundrechte vergleichbaren Relevanz für die Persönlichkeitsentfaltung kein hinreichendes Gewicht. Die Lärmeinwirkung beeinträchtigte die private Lebensgestaltung des Kläger zu 2 durchaus, jedoch unterhalb der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle sowohl örtlich als auch zeitlich begrenzt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die entscheidungserhebliche Frage, ob das für die Zulässigkeit der Feststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse bei Maßnahmen, die sich typischerweise kurzfristig vor der Möglichkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens erledigen, einen qualifizierten Grundrechtseingriff voraussetzt, ist höchstrichterlich geklärt.