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Entscheidung 12 U 210/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 12. Zivilsenat Entscheidungsdatum 14.03.2024
Aktenzeichen 12 U 210/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0314.12U210.23.00
Dokumententyp Teilurteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1.1.

Auf den Antrag der Beklagten wird das am 22.11.2023 verkündete Teilurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az. 6 O 111/23, hinsichtlich der Vollstreckbarkeitserklärung abgeändert.

Das vorgenannte Teilurteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 232.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der die Instanz abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Gründe

1. Der Antrag der Beklagten auf Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist gem. § 718 Abs. 1 ZPO zulässig. Es liegt eine zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung der Beklagten vor. Auf die Erfolgsaussichten der Berufung kommt es im Verfahren nach § 718 ZPO nicht an. Vielmehr ist allein zu prüfen, ob die einschlägigen Vorschriften zur vorläufigen Vollstreckbarkeit (§§ 708 ff. ZPO) ordnungsgemäß angewendet worden sind (vgl. OLG Düsseldorf, Teilurteil vom 31.10.2019 - 2 U 35/19, juris Rn. 4; KG MDR 2009, 165; OLG Frankfurt, Teilurteil vom 16.02.2024 - 21 U 65/23, ibr-online). Der Senat entscheidet darüber durch Teilurteil, das durch die spätere Entscheidung in der Hauptsache auflösend bedingt ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.10.2022 - 6 U 131/22, juris Rn. 14).

2. Der Antrag ist teilweise begründet.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Bauhandwerkersicherheit gem. § 650f i.V.m. § 232 BGB in Höhe von 800.921,68 € betreffend die Leistungen der Gewerke HLS für das Bauvorhaben „N… B… 'S…, K…-Z…-Ring …, …, … in 1… P…“ sowie in Höhe von 674.770,57 € betreffend die Leistungen des Gewerks Elektroinstallation für das vorbezeichnete Bauvorhaben zu stellen. Das Teilurteil hat es für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt und zur Begründung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Schleswig vom 06.09.2023 (12 U 59/23, MDR 2023, 1413) ausgeführt, einer Sicherheitsleistung bedürfe es bei der Entscheidung über eine Sicherheitsleistung nach § 650f BGB nicht. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Gemäß § 709 S. 1 ZPO sind Urteile des Landgerichts, sofern sie nicht unter § 708 ZPO fallen, gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Höhe der Sicherheit ist gemäß § 108 ZPO nach freiem Ermessen durch Schätzung zu ermitteln. Bei der Ermittlung der Höhe der auszusprechenden Sicherheitsleistung nach § 709 S. 1 ZPO ist die Regelung des § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO zu beachten. Danach ist der Gläubiger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Schuldner durch die Vollstreckung des Urteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachte Leistung entstanden ist.

a) Auf welche Höhe in Fällen der vorläufig vollstreckbaren Verurteilung des Bestellers zur Leistung einer Bauhandwerkersicherheit gem. § 650f BGB nach diesen Grundsätzen die von dem Unternehmer zu leistende Vollstreckungssicherheit bemessen werden soll, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt.

aa) Nach der für den obsiegenden Unternehmer günstigsten Auffassung ist die Hauptsachenentscheidung einer Verurteilung auf Leistung einer Bauhandwerkersicherheit ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. OLG Schleswig a.a.O.; KG, Beschluss vom 11.07.2018 - 7 U 111/17). Dafür wird geltend gemacht, dass es von vornherein widersprüchlich erscheine, wenn Sicherheit für die Leistung einer Sicherheit geleistet werden müsse (vgl. KG a.a.O.). Zudem werde dem Auftragnehmer das Druckpotential genommen, das mit der Verpflichtung des Bestellers zur Stellung einer Bauhandwerkersicherheit angestrebt werde, falls er die Vollstreckung einer solchen Verurteilung nur durch Sicherheitsleistung und damit unter Inkaufnahme gerade derjenigen Liquidität erlangen könne, die ihm der Gesetzgeber mit der Bauhandwerkersicherheit verschaffen wollte (Vgl. OLG Schleswig a.a.O.).

bb) Nach der für den unterlegenen Besteller günstigsten Gegenauffassung ist die nach §§ 709, 108 ZPO von dem Unternehmer zu leistende Vollstreckungssicherheit auf den vollen Betrag der ausgeurteilten Sicherheit zuzüglich eines prozentualen Aufschlags im Bereich von 10 % für Vollstreckungskosten und Zinsen zu bemessen (vgl. OLG Hamm, NJW 2019, 1755; OLG Karlsruhe, Teilurteil vom 11. Oktober 2016 - 8 U 102/16, juris; Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl. § 709 Rn. 6; BeckOK ZPO/Ulrici, 2023, § 709 ZPO Rn. 5.3; Kniffka/Schmitz, ibrOK/Bauvertragsrecht, 2023, § 650f BGB Rn. 42 a.E.). Zur Begründung wird geltend gemacht, dass das bei Verurteilung zur Leistung einer Bauhandwerkersicherheit grundsätzlich dem Besteller zustehende Wahlrecht, ob er die nach § 650f BGB geschuldete Sicherheit durch Stellung einer Bürgschaft oder Hinterlegung von Geld leisten will, in entsprechender Anwendung der §§ 262, 264 Abs. 1 BGB auf den Unternehmer als Vollstreckungsgläubiger übergeht, falls der Besteller der ausgeurteilten Verpflichtung nicht freiwillig nachkommt. Dieser kann deshalb gemäß § 232 Abs. 1 BGB die Sicherheitsleistung durch Hinterlegung von Geld fordern und nach § 887 Abs. 2 ZPO die Vorauszahlung des hierfür erforderlichen Geldbetrags verlangen. Es bestehe damit die Möglichkeit, dass der gegen den Besteller nach § 887 Abs. 2 ZPO in Höhe der Sicherheitsleistung ausgeurteilte Vorschuss von dem Unternehmer als Vollstreckungsgläubiger vereinnahmt, aber sodann etwa deshalb nicht zugunsten des Bestellers hinterlegt werde, weil darauf von Gläubigern des Unternehmers zugegriffen wird, oder er auf sonstige Weise verloren geht. Auf die Wahrscheinlichkeit eines solchen Hergangs komme es schon deshalb nicht an, da nach der Konzeption des § 709 ZPO die Höhe der zu leistenden Sicherheit unbeschadet der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Sicherungsfalles bestimmt werden müsse (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O. Rn. 9 ff.; Zöller/Herget, a.a.O.).

cc) Nach einer weiteren, zwischen diesen Auffassungen vermittelnden Auffassung ist die Höhe der Vollstreckungssicherheit für die Hauptsache bei Verurteilung in die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit nach den voraussichtlich zu erwartenden Aufwendungen des Bestellers für die Beschaffung einer Bürgschaft zu bemessen. Dabei wird der Ansatz der tatsächlich zu erwartenden Kosten für die Beschaffung einer solchen Sicherheitsleistung, also die für ihre voraussichtliche Laufzeit zu erwartenden Avalprovisionen zuzüglich eines prozentualen Aufschlags für Nebenkosten, in Vorschlag gebracht (dafür z.B. Grüneberg/Retzlaff, BGB, 83. Aufl. § 650f BGB Rn. 13; OLG Hamburg, BauR 2016, 720; OLG Frankfurt a.a.O.). In ähnliche Richtung weist auch der Vorschlag, die Höhe der Sicherheit nach dem in § 648a Abs. 3 Satz 1 BGB a.F./§ 650f Abs. 3 Satz 1 BGB n.F. für die Erstattung der Kosten der Sicherheitsleistung vorgesehenen Höchstsatz von 2 % p.a. zu bemessen (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 24. Oktober 2011 - 34 O 50/11 KfH).

b) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Er folgt dabei den überzeugenden Argumenten des OLG Frankfurt in dem Teilurteil vom 16.02.2024 (a.a.O.), auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. Da eine Vollstreckung des Urteils auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit nach § 887 Abs. 1 ZPO erfolgt und die Klägerin bereits eine entsprechende Vorauszahlung nach § 887 Abs. 2 ZPO an die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Potsdam erwirkt hat, besteht die von der Beklagten zur Begründung ihres Antrages angeführte Gefahr, dass Gläubiger der Klägerin auf den zu hinterlegenden Betrag zugreifen könnten, so dass der Betrag im Falle einer abändernden Entscheidung nicht mehr zur Verfügung steht, nicht, da die Vorschusszahlung an die Hinterlegungsstelle zu erfolgen hat. Zudem ist von der Beklagten nicht glaubhaft gemacht, dass es ihr nicht möglich wäre, eine entsprechende Sicherheit zu stellen. Die Höhe der Sicherheit richtet sich demnach allein nach dem Betrag, in dessen Höhe dem Schuldner, hier der Beklagten, durch eine vorzeitige Vollstreckung Nachteile entstehen können. Das sind ggf. anfallende Kosten für einen Prozess zur Freigabe der Sicherheit, etwaige Vorfinanzierungskosten in Form von Darlehens- oder Avalzinsen für die gesamte Dauer des Verfahrens und ein noch hinzuzusetzender Unsicherheitenzuschlag (vgl. auch Joussen in Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 22. Aufl. Anhang 1 Rn. 162). Der Senat geht dabei in Einklang mit dem OLG Frankfurt (a.a.O.) von banküblichen Avalprovisionen von 3 % p.a. und einer Laufzeit des Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss von 5 Jahren zzgl. eines Zuschlags von weiteren 5 % aus. Daraus errechnet sich auf- bzw. abgerundet eine Sicherheitsleistung für das Gewerk HLS in Höhe von 126.000,00 € und für das Gewerk Elektroinstallation in Höhe von 106.000,00 €.

Die Anordnung einer Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung kommt nach dem Vorstehenden, da contra legem, nicht in Betracht. § 708 ZPO sieht einen Ausnahmetatbestand für die Vollstreckung der Verurteilung zur Stellung einer Bauhandwerkersicherheit nicht vor. Insoweit wäre der Gesetzgeber gefordert.

3. Die Kostenentscheidung ist der die Instanz abschließenden Entscheidung vorzubehalten.

Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 718 Abs. 2 ZPO).