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Entscheidung 12 W 7/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 12. Zivilsenat Entscheidungsdatum 12.03.2024
Aktenzeichen 12 W 7/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0312.12W7.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen den, seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückweisenden Beschluss der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Kläger macht nach einer Kollision des Fahrrad fahrenden Klägers mit dem Beklagten als Fußgänger am 07.08.2020 in B…, den Ersatz von materiellen und immateriellen Schäden sowie die Feststellung geltend, dass der Beklagte auch zum Ersatz zukünftiger materieller und immaterieller Schäden verpflichtet ist.

Das Landgericht hat den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 17.01.2024 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Rechtsverteidigung fehle es an hinreichender Erfolgsaussicht. Unstreitig habe der Beklagte den Radweg betreten, ohne auf den Kläger zu achten, und sei daher gemäß § 823 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Ein Mitverschulden des Klägers komme nicht in Betracht, da er nicht mit dem Verkehrsverstoß habe rechnen müssen. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf den Beschluss Bezug genommen.

Der Beklagte hat gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 24.01.2024 zugestellten Beschluss mit einem am 29.01.2024 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und führt aus, im Prozesskostenhilfeverfahren dürfe nur eine summarische Prüfung, nicht jedoch eine Klärung grundsätzlicher strittiger Rechts- und Tatsachenfragen erfolgen. Im vorliegenden Fall käme eine Beweisaufnahme in Betracht, da weder die Sichtverhältnisse noch die Geschwindigkeit des Radfahrers geklärt seien. Ebenso nicht geklärt sei, ob zugunsten des Klägers ein Vertrauensgrundsatz in Betracht käme. Die Erfolgsaussicht der Klage hänge unter anderem von einer Parteivernehmung ab.

Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie zur Entscheidung dem Senat vorgelegt.

II.

Die gemäß § 127 ZPO zulässige Beschwerde des Beklagten gegen den, den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 17.01.2024 ist als unbegründet zurückzuweisen.

Prozesskostenhilfe ist gemäß § 114 ZPO nur dann zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist. Aussicht auf Erfolg ist gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei auf Grund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für vertretbar hält und von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Die Beweiserhebung muss zumindest ernsthaft in Betracht kommen. Eine in engem Rahmen erfolgende Beweisantizipation ist dabei zulässig und verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.05.1997 – 1 BvR 296/94 –, Rn. 22 – 24; BGH, Beschluss vom 09.01.2020 – III ZA 18/19 –, Rn. 6 - 7, juris).

Die Rechtsverteidigung des Beklagten hat – wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat – keine Aussicht auf Erfolg. Bereits nach dem eigenen Vortrag des Beklagten haftet dieser auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden des Klägers aufgrund des Unfalls gemäß § 823 BGB. Denn er hat den Unfall unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO schuldhaft verursacht. Der Radweg ist zwar kein Bestandteil der Fahrbahn. Es handelt sich jedoch um einen durch Verkehrszeichen oder durch seine bauliche Gestaltung als solchen erkennbaren Sonderweg, der der Benutzung durch Radfahrer vorbehalten bleiben soll (KG Urteil vom. 08.03.1984 – 12 U 2931/83, BeckRS 2013, 15128, beck-online). Fußgänger die einen Radweg überqueren wollen müssen gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 StVO beim Überqueren des Radwegs auf die Radfahrer Rücksicht nehmen (BeckOK StVR/Ritter, 22. Ed. 15.01.2024, StVO § 25 Rn. 23). Das bedeutet: Der Fußgänger darf einen Radweg erst betreten, wenn er davon überzeugt sein kann, dass er keinen Radfahrer gefährdet oder in der Weiterfahrt behindert (OLG Hamm, Urteil vom 19.01.2018 – 26 U 53/17, NJW-RR 2018, 408, beck-online). Diesen Anforderungen ist der Beklagte nicht nachgekommen. Wie er selbst ausführt, hat er den Radweg in Richtung Fahrbahn betreten, ohne den erkennbar herannahenden Kläger zu beachten. Damit hat er die entscheidende Ursache für die Kollision und den Sturz des Klägers gesetzt.

Soweit der Beklagte ausführt, der Kläger habe seinerseits gegen Verkehrspflichten, insbesondere der gegenseitigen Rücksichtnahme verstoßen, handelt es sich um einen Mitverschuldenseinwand, § 254 BGB, für deren Voraussetzungen der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet ist. Hinsichtlich eines in Erwägung zu ziehenden Verstoßes des Klägers gegen § 3 Abs. 1 StVO fehlt jeder Vortrag. Nach dieser Norm darf ein Fahrzeug/Fahrrad nur so schnell geführt werden, dass es ständig beherrscht wird. Dabei ist die Geschwindigkeit insbesondere an die Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnisse anzupassen. Hier handelt es sich bei der Unfallstelle um einen übersichtlichen Bereich bei guten Sichtverhältnissen, der keine besonderen Anforderungen an die Verkehrsteilnehmer stellt. Dass der Kläger zu schnell gefahren wäre, behauptet der Beklagte nicht einmal im Ansatz substantiiert. Denn grundsätzlich muss ein Bevorrechtigter ohne das Hinzutreten weiterer Besonderheiten seine Geschwindigkeit nicht so wählen, dass er jederzeit bei plötzlichen Hindernissen zum Stehen kommen kann. Vielmehr gilt in der Regel das Sichtfahrgebot. Der Fahrverkehr muss seine Geschwindigkeit auch nicht auf die Möglichkeit einrichten, dass ein Fußgänger vor ihm auf die Fahrbahn treten wird (OLG Hamm a.a.O.). Daran ändert auch nichts der Umstand, dass der Beklagte in einer Gruppe gelaufen ist, zumal es sich hier nicht um einen Bereich handelt, bei dem die … Landstraße durch eine Lichtzeichenanlage überquert werden könnte und deshalb mit einem Queren von Fußgängern zu rechnen war. Es ist auch nicht Sache des Radfahrers, auf sich durch Klingeln oder Rufen aufmerksam zu machen, wenn er sich auf einem gesondert gekennzeichneten Radweg bewegt und sich Fußgänger – auch in der Gruppe – auf einem daneben liegenden Gehweg befinden. Dass sich der Beklagte oder andere Personen bereits längere Zeit auf dem Radweg befunden hätte, trägt er selbst schon nicht vor. Im Übrigen sind die Ausführungen des Landgerichts zum Vertrauensgrundsatz nicht zu beanstanden.

Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass das Landgericht den Umfang des im Prozesskostenhilfeverfahren zu beachtenden Grundsatzes der lediglich summarischen Prüfung beachtet und nicht übersehen hat, dass die Klärung schwieriger Rechts- oder Tatsachenfragen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss. Beweisfragen stellen sich derzeit nicht, unabhängig davon, dass der Beklagte dem Beweismaßstab des § 286 ZPO gerecht werden müsste und ihm - neben seiner persönlichen Anhörung - sowohl unabhängige Zeugen nicht zur Verfügung stehen und auch das Protokoll der polizeilichen Unfallaufnahme seinen Vortrag nicht stützt.

Das Schmerzensgeld bewegt sich in einem angemessenen Rahmen, auch ohne dass die vom Beklagten bestrittenen Spät-/Dauerfolgen unfallkausal bestehen. Auch die Rechtsverteidigung gegen den Feststellungsantrag bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint mutwillig. Denn, dass die ärztlich dokumentierten Verletzungen des Klägers, insbesondere die röntgenologisch mit Belastung festgestellte deutliche Gelenkspalterweiterung auch in Zukunft Ansprüche begründen können, ist nach summarischer Prüfung ernsthaft in Betracht zu ziehen. Zwar fehlt dem Kläger das Feststellungsinteresse, wenn zum Zeitpunkt der Klageerhebung eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar wäre und sie sein Rechtsschutzziel erschöpft, weil er im Sinne einer besseren Rechtsschutzmöglichkeit den Streitstoff in einem Prozess klären kann. Die auf Feststellung des Anspruchsgrunds gerichtete Feststellungsklage ist dann unzulässig (BGH, Versäumnisurteil vom 21.02.2017 – XI ZR 467/15, NJW 2017, 1823, beck-online; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 256 Rn. 54 m.w.N.; BGH, Urteil vom 09.06.1983 - III ZR 74/82 -, NJW 1984, 1118, beck-online). Allerdings darf mit Blick auf die behaupteten Dauerschäden bei der Ermittlung des Feststellungsinteresses (§ 256 ZPO) nicht eng und förmlich vorgegangen werden. Daher darf auch die Forderung nach der Wahrscheinlichkeit eines späteren Schadenseintrittes nicht im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit verstanden werden, denn das würde eventuelle spätere Ansprüche unbilligerweise der Verjährung preisgeben. Es genügt vielmehr, dass spätere Schadensfolgen immerhin ernstlich in Betracht kommen können (BGH, Urteil vom 16. November 1971 – VI ZR 76/70 –, Rn. 26, juris). Dabei ist ein Kläger grundsätzlich nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs- und in eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei Klageerhebung ein Teil des Schadens schon entstanden, die Entstehung eines weiteren Schadens aber noch zu erwarten ist. Vielmehr ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt. Dementsprechend kann der Kläger nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dann, wenn eine Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, in vollem Umfang Feststellungen der Ersatzpflicht begehren (vgl. BGH NJW 1984, 1552, 1554, juris Rn. 27; BGH NJW-RR 2016, 759, juris Rn. 6 m.w.N.; Zöller/Greger, ZPO 33. Aufl. § 256 Rn. 7a). Dabei ist kein zu enger Maßstab anzulegen (BGH MDR 2007, S. 792; NJW 2001, S. 1432; Greger in Zöller, a.a.O., § 256, Rn. 9; Foerste in Musielak, ZPO, Kommentar, 20. Aufl., § 256, Rn. 29; BGH NJW 2018, S. 1242, Rn. 49).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.