Gericht | OLG Brandenburg Vergabesenat | Entscheidungsdatum | 12.03.2024 | |
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Aktenzeichen | 19 Verg 1/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0312.19VERG1.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I.
Die Antragstellerin, eine Rechtsanwaltskanzlei, wendet sich gegen den Abschluss eines von der Auftraggeberin national ausgeschriebenen Rahmenvertrages über Rechtsdienstleistungen mit der Beigeladenen. Sie machte zunächst mit einer gegenüber der Auftraggeberin erhobenen Rüge und nach deren Zurückweisung im Wege des Nachprüfungsantrages vor der Vergabekammer geltend, die Auftraggeberin habe den Auftragswert fehlerhaft geschätzt und deshalb zu Unrecht von der Durchführung eines EU-weiten Vergabeverfahrens und einer Aufteilung in Lose abgesehen.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 15.11.2023 als unzulässig verworfen. Sie hat mit näherer Begründung ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, da der Auftragswert nach der ordnungsgemäß erfolgten und dokumentierten Schätzung der Auftraggeberin den maßgeblichen Schwellenwert von 750.000 € nicht erreiche oder überschreite. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Gegen diese ihr am 17.11.2023 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 30.11.2023 beim Senat eingegangenen sofortigen Beschwerde. Den zugleich gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs bis zur Entscheidung in der Sache zu verlängern, hat der Senat mit Beschluss vom 14.12.2023, auf den auch wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, zurückgewiesen.
Die Auftraggeberin erteilte daraufhin den Zuschlag auf das Angebot der Verfahrensbeteiligten zu 3). Unter dem 05.01.2024 gewährte die Auftraggeberin der Antragstellerin Einsicht in eine nur zu einem geringeren Teil als zuvor geschwärzte Fassung der Beschwerdeerwiderung vom 11.12.2023 nebst Anlagen.
Mit Beschluss des Senats vom 16.01.2024 ist die Verfahrensbeteiligte zu 3) zum Verfahren beigeladen worden.
Die Antragstellerin wiederholt und vertieft ihre bereits in dem Verfahren vor der Vergabekammer erhobenen Einwände gegen die Schätzung des Wertes des streitgegenständlichen Auftrags und beantragt zuletzt,
den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 15.11.2023, Az. VK 22/23 aufzuheben;
festzustellen, dass der von der Beschwerdegegnerin mit der Beigeladenen im Anschluss an das durchgeführte Vergabeverfahren mit der Vergabenummer D... geschlossene „Rahmenvertrag Rechtsberatung“ unwirksam ist;hilfsweise: festzustellen, dass die erfolgte Zuschlagserteilung rechtswidrig gewesen ist und sie durch den Zuschlag in ihren Rechten verletzt ist;
ihr Einsicht in die Vergabeakte des Vergabeverfahrens „Rahmenvertrag Rechtsberatung“ mit der Vergabenummer D..., insbesondere in die ungeschwärzte Auftragswertschätzung, zu gewähren;
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch sie gemäß § 182 GWB für notwendig zu erklären;
der Auftraggeberin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen;
hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen als nicht eröffnet erachtet, das Verfahren an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges zu verweisen.
Die Auftraggeberin beantragt,
die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 15.11.2023, Az.: VK 22/23, in Gestalt des zuletzt gestellten Antrags zurückzuweisen;
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Auftraggeberin aufzuerlegen;
die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Auftraggeberin für notwendig zu erklären;
die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin zurückzuweisen;
der Antragstellerin keine über die bereits gewährte Akteneinsicht hinausgehende Akteneinsicht zu gewähren.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres im Verfahren vor der Vergabekammer gehaltenen Vortrags. Ferner macht sie geltend, der zuletzt hilfsweise gestellte Feststellungsantrag sei bereits wegen der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags sowie mangels Feststellungsinteresses unzulässig.
Die Beigeladene beantragt,
den Feststellungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen;
die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 15.11.2023, Az.: VK 22/23, im Übrigen zurückzuweisen und insbesondere auch den Antrag der Antragstellerin auf Einsicht in die Vergabeakten des Vergabeverfahrens „Rahmenvertrag Rechtsberatung“ mit der Vergabenummer D..., insbesondere in die ungeschwärzte Auftragswertschätzung, zurückzuweisen;
den Antrag der Antragstellerin auf Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beschwerdeführerin nach § 182 GWB für notwendig zu erklären, zurückzuweisen;
der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen aufzuerlegen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und den zuletzt hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag aus näher ausgeführten Erwägungen für unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht gemäß §§ 171, 172 GWB eingelegt worden, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
1.
Mit dem in der Sache zuletzt primär verfolgten Begehren, die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben und die Unwirksamkeit des zwischen der Auftraggeberin und der Beigeladenen im Ergebnis des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens geschlossenen Rahmenvertrags festzustellen, dringt die Antragstellerin nicht durch.
a)
Die Vergabekammer hat zu Recht angenommen, dass die Ausschreibung keiner Nachprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen unterliegt, weil der bei Einleitung des Vergabeverfahrens gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB, Art. 4 lit. d) Richtlinie 2014/24/EU i.V. mit Anhang XIV der Richtlinie maßgebende Auftrags-Schwellenwert von 750.000 € nicht erreicht ist. Die dagegen mit der Beschwerdeschrift vorgebrachten Einwände verfangen aus den im Beschluss des Senats vom 14.12.2023 dargelegten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, nicht. Auch das weitere Vorbringen der Antragstellerin, insbesondere aus dem Schriftsatz vom 15.02.2024, rechtfertigt nicht die Wertung, die Auftraggeberin habe den ihr bei der Ermittlung des Auftragswertes zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten.
Die im Hinblick auf eine vermeintlich § 3 Abs. 2 Satz 2 VgV widersprechenden Stückelung des Auftrags erhobenen Einwände gehen am Streitfall vorbei. Nach der Vorschrift darf eine Auftragsvergabe nicht so unterteilt werden, dass sie nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des GWB oder der VgV fällt, es sei denn, es liegen objektive Gründe dafür vor. Der hier in Rede stehende Auftrag lässt eine derartige Unterteilung aber nicht erkennen. Insbesondere ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine Aufteilung in zeitlicher Hinsicht gegeben, da der Auftrag – wie auf Seite 14 des Beschlusses vom 14.12.2023 ausgeführt – die gemäß § 113 Satz 2 Nr. 2 GWB, § 65 Abs. 2 VgV bzw. § 30 Abs. 3 KomHKV, § 15 Abs. 4 UVgO zulässige Höchstdauer einer Rahmenvereinbarung ausschöpft. Der vorliegende Sachverhalt ist daher auch nicht mit der der Entscheidung des EuGH vom 15.03.2012 (C-574/10, NZBau 2012, 311) zu Grunde liegenden Fallgestaltung vergleichbar, in welcher ein Sanierungsprojekt aus haushaltsrechtlichen Gründen in drei Bauabschnitte aufgeteilt und die betreffenden Architektenleistungen für jeden Bauabschnitt separat vergeben worden sind.
Die von der Antragstellerin für ihre gegenteilige Auffassung angeführte Erwägung, es sei zu erwarten, dass der im Vertrag vorgesehene maximale Abrufwert von 600.000 € bereits nach ein bis zwei Jahren erreicht sein werde und ein entsprechender Rahmenvertrag anschließend erneut national ausgeschrieben werde, läuft auf einen Zirkelschluss hinaus. Er unterstellt eine unrichtige Schätzung der jährlichen Abrufmengen, die indessen aus den im Beschluss vom 14.12.2023 ausgeführten Gründen nicht festzustellen ist. Auch der wiederholte Hinweis darauf, dass das im Pilotvertrag für eine maximale Laufzeit von vier Jahren vorgesehene Finanzvolumen von 100.000 € (netto) bereits nach zwei Jahren weitestgehend ausgeschöpft war, bleibt insofern unbehelflich. Denn dieser Erfahrungswert ist in der vorliegenden Schätzung einer jährlichen Abrufmenge von 100.000 €, wie der Senat in dem Beschluss vom 14.12.2023 (Seite 13) im Einzelnen dargelegt hat, in zumindest vertretbarer Weise berücksichtigt.
Der Senat vermag ferner nicht der Ansicht der Antragstellerin beizutreten, wonach zur Schätzung der Abrufmengen von Projektpartnern der Auftraggeberin „eine Rund-Mail an alle Abrufberechtigten mit der Bitte um Rückmeldung zum in den nächsten Jahren bestehenden Bedarf“ möglich und geboten gewesen sei. Mit dieser Überlegung lässt die Antragstellerin abermals unberücksichtigt, dass nach der Leistungsbeschreibung neben der Auftraggeberin selbst allein die „projektspezifisch involvierten öffentlich-rechtlichen Partnerinstitutionen der … [Auftraggeberin] im Hinblick auf projektbezogene rechtliche Fragestellungen aus deren Sphäre“ abrufberechtigt sind. Mit welchen Kommunen, Landkreisen und Ressorts der Landesregierung die in der Auswahl ihrer Projektpartner freie Auftraggeberin innerhalb der maximalen Laufzeit des Rahmenvertrages eine Zusammenarbeit vereinbaren wird und welche konkreten Projekte Gegenstand dieser Vereinbarungen werden, war zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens für die Auftraggeberin nicht absehbar. Erst recht fehlte daher den potentiellen Projektpartnern ein auch nur ansatzweise greifbarer Anhaltspunkt für eine Prognose darüber, ob sie innerhalb der kommenden sechs Jahre mit der Auftraggeberin zusammenarbeiten werden, auf welche Digitalisierungsprojekte sich eine solche Zusammenarbeit beziehen könnte sowie ob und inwieweit sich hieraus ein Bedarf an Rechtsdienstleistungen ergeben könnte.
Dass die Identität der zukünftigen Projektpartner der Auftraggeberin bei Einleitung des Vergabeverfahrens ungewiss war, ist auch im Hinblick auf die Vorgaben nach § 3 Abs. 3 VgV nicht zu beanstanden. Nach der Vorschrift ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswertes die Einleitung des Vergabeverfahrens. Hierdurch soll die Schätzung von wettbewerbswidrigen Überlegungen freigehalten werden, die auftreten können, wenn schon konkrete Angebotspreise vorliegen, sowie sichergestellt werden, dass die Schätzung auf der Basis aktueller Preise, Kosten und Marktangebote vorgenommen wird (statt vieler Fülling, in: Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Auflage 2022, § 3 VgV, Rn. 18 m.w.N.). Einen Rückschluss zur Beantwortung der Frage, ab wann ein Vergabeverfahren eingeleitet werden kann, lässt die Vorschrift hingegen nicht zu. Entsprechend lässt sich auch nicht ableiten, dass dies im Streitfall vorausgesetzt hätte, dass der Auftraggeberin ihre Projektpartner für den vertragsgegenständlichen Zeitraum bereits bekannt waren. Die Frage der Ausschreibungs- bzw. Vergabereife beurteilt sich vielmehr danach, ob die Vergabeunterlagen fertig gestellt und die rechtlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür geschaffen sind, dass mit den ausgeschriebenen Leistungen innerhalb der in den Vergabeunterlagen angegebenen Frist begonnen werden kann (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.11.2013 – VII-Verg 20/13, NZBau 2014, 121). Dass diese Voraussetzungen im Streitfall nicht gegeben sind, ist weder konkret geltend gemacht noch ersichtlich.
Es ist auch in der Sache unzutreffend, dass der Auftragswert ohne Kenntnis der zukünftigen Projektpartner nicht geschätzt, sondern – wie es auf Seite 11 des Schriftsatzes vom 15.02.2024 heißt – nur geraten werden könne. Diese Einschätzung der Antragstellerin beruht auf der Annahme, „jeder öffentliche Auftraggeber im Land Brandenburg soll in jedem Rechtsgebiet vergabefrei den Rahmenvertragspartner und Beigeladenen beauftragen dürfen“ und „alle dürfen vergabefrei einfach mal abrufen“ (Seiten 4 und 5 des Schriftsatzes vom 15.02.2024). Diese Behauptungen stehen im Widerspruch zur Leistungsbeschreibung, der sich unmissverständlich entnehmen lässt, dass Dritte die vertragsgegenständlichen Rechtsdienstleistungen nur in Anspruch nehmen können, wenn sie mit der Auftraggeberin eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit in einem Projekt geschlossen haben und sich der Beratungsgegenstand auf das Projekt bezieht. Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen der Auftraggeberin, wonach der Bedarf an Rechtsdienstleistungen, die auf der Grundlage des hier gegenständlichen Rahmenvertrages abgerufen werden können, maßgeblich durch ihre sachlichen und personellen Ressourcen für die Durchführung entsprechender Projekte begrenzt wird, ohne weiteres plausibel. Der dem von der Antragstellerin entgegengehaltene Einwand, die Auftraggeberin habe nicht substantiiert vorgetragen, nicht in der Lage zu sein, „Projekte mit Rechtsdienstleistungen von über 750.000 € zu unterstützen“, lässt unberücksichtigt, dass im Nachprüfungsverfahren der Antragsteller die Darlegungs- und Beweislast für die Einreichung des Schwellenwertes trägt (vgl. etwa OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2017 – 13 Verg 1/17, BeckRS 2017, 120432, Rn. 29 m.w.N.).
Die weiteren von der Antragstellerin gegen die Auftragswertschätzung vorgebrachten Einwände greifen ebenfalls nicht durch.
Dafür, dass der Vergabevermerk vom 20.07.2023 in der als Anlage BG3 vorgelegten Form nicht vor der Einleitung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens erstellt wurde, fehlt jeder tatsächliche Anhaltspunkt, sodass das dahingehende Bestreiten der Antragstellerin als ins Blaue hinein vorgetragen zu bewerten und deshalb prozessual unbeachtlich ist. Ein Anlass für die Vernehmung der benannten Zeugen bestand deshalb nicht.
Die Erwägung, die Auftraggeberin habe es in der Hand, „willkürlich [zu] entscheiden, wer losgelöst von allen nach dem Vergaberecht bestehenden Pflichten Aufträge vergeben darf“, setzt wiederum die Unrichtigkeit der streitgegenständlichen Schätzung voraus und begründet diese nicht. Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass Projektpartner der Auftraggeberin im Falle der eigenständigen Beschaffung von Rechtsdienstleistungen weitergehenden vergaberechtlichen Anforderungen unterlägen, als die Auftraggeberin bei der Vergabe des hier in Rede stehenden Rahmenvertrages. Insbesondere spricht der hierin bestimmte maximale Abrufwert von 600.000 € gegen die Möglichkeit, dass Projektpartner der Auftraggeberin auf der Grundlage dieses Vertrages Rechtsdienstleistungen beziehen, die bei gesonderter Beauftragung im Wege der §§ 97 ff. GWB zu vergeben wären.
Dass die Berücksichtigung einzelner Abrufpositionen, wie z.B. die Kosten für die Erarbeitung von Leitfäden, zu einer höheren Genauigkeit der Prognose geführt hätte, verkennt, dass der Senat lediglich zu prüfen hat, ob die Auftraggeberin den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum gewahrt hat und ist zudem weder schlüssig dargelegt noch sonst ersichtlich. Auch wenn zum Zeitpunkt der Auftragswertschätzung absehbar war, dass bestimmte Beratungsleistungen unter der Geltung des zu vergebenden Rahmenvertrages ebenso in Anspruch genommen werden, wie unter dem Pilotvertrag, war nach dem Vergabevermerk zugleich in Rechnung zu stellen, dass der abzuschließende Vertrag mit arbeits- und vertragsrechtlichen Fragestellungen über den bisherigen Vertrag hinausgehende Rechtsbereiche umfasst sowie dass sich innerhalb der vom Pilotvertrag umfassten Rechtsbereiche Änderungen des Beratungsbedarfs abzeichneten. Diesem Nebeneinander von anhand der Erfahrungswerte des Pilotvertrages prognostizierbaren Abrufen einerseits sowie nach Inhalt und Umfang unwägbaren Einzelaufträgen andererseits, hat die Auftraggeberin mit der Schätzung eines jährlichen Auftragsvolumens in Höhe von 200 % des Wertes der unter dem Pilotvertrag pro Jahr abgerufenen Leistungen plausibel Rechnung getragen. Weitergehende Anforderungen ergeben sich auch aus § 3 Abs. 4 VgV nicht.
Durchgreifenden Bedenken begegnet die Auftragswertschätzung ferner nicht im Hinblick auf die nach der Anlage BG3 geschätzten Abrufmengen für Rechtsanwälte, Juristen und Assistenten. Der dagegen vorgebrachte Einwand, Leistungen von Nicht-Fachanwälten hätten unter der Geltung des Pilotvertrages nicht abgerechnet werden dürfen, sodass insofern keine Reduzierung der für Rechtsanwälte veranschlagten Stunden zu erwarten sei, ist unschlüssig. Er unterstellt, dass entsprechende Leistungen in der Vergangenheit bereits von Nicht-Fachanwälten erbracht und dementsprechend nicht vergütet worden wären, und übergeht damit die jedenfalls nicht fernliegende Möglichkeit, dass die betreffenden Leistungen bislang durch (insoweit überqualifizierte) Fachanwälte erbracht und mit dem vereinbarten Stundensatz abgerechnet worden sind. Umstände, die diese Annahme rechtfertigten, zeigt die Antragstellerin nicht auf. Auch ist nichts dafür ersichtlich, dass die mit dieser Gestaltung des Rahmenvertrages verbundene Erwartung der Auftraggeberin, einen Teil der nach dem Pilotvertrag erbrachten Leistungen unter der Geltung des Rahmenvertrages zu einem geringeren Stundensatz zu vergüten und hierdurch einen positiven Kosteneffekt zu erzielen, unvertretbar war. Mit dem bloßen Bestreiten, aufgrund dieser Vertragsgestaltung signifikante Einsparungen erzielen zu können, kann die insoweit nach dem Vorstehenden darlegungs- und beweisbelastete Antragstellerin wiederum nicht durchdringen.
Die übrigen Darlegungen im Schriftsatz vom 15.02.2024, mit denen die Antragstellerin ihren bisherigen Vortrag, insbesondere zum Umfang des unter der Geltung des streitgegenständlichen Rahmenvertrags anfallenden Beratungsbedarfs der Auftraggeberin selbst und ihrer Projektpartner, zur Unerheblichkeit des Freigabeerfordernisses für die Auftragswertschätzung sowie zu den der Schätzung zu Grunde gelegten Stundensätzen wiederholt und vertieft, geben zu über den Beschluss des Senats vom 14.12.2023 hinausgehenden Ausführungen keinen Anlass.
b)
Da die hier verfahrensgegenständliche Ausschreibung mithin keiner Nachprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen unterliegt, ist auch der im Beschwerderechtszug gestellte Feststellungsantrag nach § 135 GWB unzulässig. Denn die Feststellung eines Verstoßes gegen die in § 134 GWB normierte Informations- und Wartepflicht im Nachprüfungsverfahren gemäß § 135 Abs. 1 GWB setzt voraus, dass der Nachprüfungsantrag zulässig ist (Kling, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, § 135 GWB, Rn. 45; s auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.12.2019 – VII-Verg 53/18, NZBau 2020, 406, Rn. 20 m.w.N.).
c)
Mit dem damit zur Entscheidung anstehenden Hilfsantrag, festzustellen, dass die Antragstellerin durch die vermeintlich rechtswidrig gewesene Zuschlagserteilung in ihren Rechten verletzt worden ist, vermag sie ebenfalls nicht durchzudringen.
Ausgehend von dem Vorstehenden ist der Antrag zwar gemäß § 178 Sätze 3, 4, § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB statthaft, da sich das Nachprüfungsverfahren durch den nach Ablauf der Frist des § 173 Abs. 1 Satz 2 GWB wirksam erteilten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen in der Hauptsache erledigt hat. Der Antrag ist aber nicht zulässig.
In der Spruchpraxis der Vergabekammern und -senate ist umstritten, ob die Zulässigkeit eines Fortsetzungsfeststellungsantrags nach den genannten Vorschriften – neben dem Bestehen eines besonderen Feststellungsinteresses – die Zulässigkeit des ursprünglichen Nachprüfungsantrags verlangt (so etwa OLG Celle, Beschluss vom 19.03.2019 – 13 Verg 7/18, NZBau 2019, 462 Rn. 11 m.w.M.) oder aber lediglich voraussetzt, dass der ursprüngliche Antrag durch das erledigende Ereignis gegenstandslos geworden ist (s. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.05.2011 – VII-Verg 10/11, NZBau 2011, 566). Der Senat folgt weiterhin der erstgenannten Auffassung (s. bereits Beschluss vom 15.07.2010 – Verg W 4/09, BeckRS 2010, 19455), die hier aus den dargelegten Gründen zur Unzulässigkeit des Fortsetzungsfeststellungsantrags führt.
Aus § 168 Abs. 2 GWB ergibt sich, dass das Nachprüfungsverfahren den Primärrechtsschutz des Bieters sichert, der auf diese Weise seine Chance auf Erteilung des Auftrags durch den öffentlichen Auftraggeber wahrt. Kommt eine Auftragsvergabe nicht mehr in Betracht, weil der Auftraggeber den Zuschlag anderweitig erteilt hat, er das Vergabeverfahren aufhebt oder einstellt, erledigt sich das Nachprüfungsverfahren. Die in § 178 Sätze 3, 4, § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB eröffnete Möglichkeit eines Feststellungsantrags stellt unter dem Gesichtspunkt des Primärrechtsschutzes eine Ausnahmevorschrift dar, die gewährleisten soll, dass eine Partei nicht um die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht wird (OLG München, Beschluss vom 30.01.2020 – Verg 28/19, BeckRS 2020, 5806, Rn. 9). In Fallgestaltungen der vorliegenden Art führte die Zulassung des Antrags indes nicht zur Bewahrung des bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses erzielten Verfahrensertrages; vielmehr eröffnete das erledigende Ereignis überhaupt erst die Möglichkeit einer Sachentscheidung der Nachprüfungsinstanzen. Die aus einem von vornherein unzulässigen Nachprüfungsverfahren hervorgehende Rechtswidrigkeitsfeststellung stellte sich danach nicht mehr als Fortsetzung des Primärrechtsschutzes, sondern als sachlich nicht gerechtfertigte Privilegierung des Antragstellers dar (vgl. Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Auflage 2021, § 168 GWB, Rn. 51 m.w.N.).
Im Hinblick auf die – wie aufgezeigt – von der Rechtsauffassung anderer Vergabesenate abweichende rechtliche Würdigung ist eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 179 Abs. 2 Satz 1 GWB nicht veranlasst. Denn auch soweit ein Fortsetzungsfeststellungsantrag im Fall der Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags gleichwohl als zulässig angesehen wird, wird er jedenfalls als unbegründet beurteilt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.08.2019 – VII-Verg 9/19, NZBau 2020, 190, Rn. 20). Im Ergebnis wirken sich die unterschiedlichen Auffassungen zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Fortsetzungsfeststellungsantrags mithin nicht aus, so dass auch die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 179 Abs. 2 Satz 1 GWB nicht vorliegen (vgl. Antweiler, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Auflage 2022, § 179 GWB, Rn. 16 m.w.N.).
2.
Der Antrag auf ergänzende Akteneinsicht bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
Bei der Bestimmung des Umfangs des Akteneinsichtsrechts gemäß § 165 Abs. 1, § 175 Abs. 2 GWB ist das Geheimhaltungsinteresse der konkurrierenden Bewerber gegenüber dem Rechtsschutzinteresse des um Akteneinsicht nachsuchenden Beteiligten unter Berücksichtigung des Transparenzgebotes im Vergabeverfahren und des Grundrechts der Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör abzuwägen. Diese Abwägung führt dazu, dass Akteneinsicht in dem Umfang gewährt wird, in dem dies zur Durchsetzung der subjektiven Rechte der Beteiligten – beschränkt auf den Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens – erforderlich ist und ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse nicht entgegensteht (st. Rechtsprechung des Senats, s. Beschluss vom 30.01.2014 – Verg W 2/14, BeckRS 2014, 3979; s. auch OLG Celle, Beschluss vom 24.09.2014 – 13 Verg 9/14, BeckRS 2014, 18493, Rn. 72; OLG München, Beschluss vom 28.04.2016 – Verg 3/16, NZBau 2016, 591, Rn. 27 f.).
Nach diesen Maßstäben ist dem Recht der Antragstellerin auf Einsicht in die Vergabeakten jedenfalls mit der im Beschwerdeverfahren überlassenen Anlage BG3 (v2) (Blatt 176 ff. eA), die den Vermerk vom 20.07.2023 und den wesentlichen Teil des Vermerks vom 25.07.2023 ungeschwärzt umfasst, und der weitgehend ungeschwärzten Version der Beschwerdeerwiderung vom 11.12.2023 (Blatt 157 ff. eA) Rechnung getragen. Die Antragstellerin ist jedenfalls damit in die Lage versetzt worden, die angegriffene Schätzung des Auftragswertes nachzuvollziehen. Auf die in den Unterlagen geschwärzten Angaben, insbesondere die Angaben zu „Stunden“ und „Kosten“ in der Tabelle 1 des Vermerks vom 25.07.2023, kommt es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Auftragswertschätzung auch deshalb nicht an, weil die Antragstellerin Einwände gegen die systematische Grundlage der Schätzung, nicht gegen die Berechnung als solche erhebt. Einer Offenlegung stand zudem entgegen, dass die vorgenannten Angaben Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der an dem Pilotverfahren beauftragten Vertragspartner der Auftraggeberin und der an der Ausschreibung beteiligten Bieter darstellen.
3.
Die Voraussetzungen für eine Verweisung des Verfahrens an das zuständige Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit liegen im Streitfall nicht vor.
Zwar kommt die Verweisung eines nicht statthaften Nachprüfungsantrags an das Gericht eines anderen Rechtswegs durch einen Vergabesenat in entsprechender Anwendung von § 17a GVG grundsätzlich in Betracht (BGH, Beschluss vom 10.12.2019 – XIII ZB 119/19, NZBau 2020, 313, Rn. 11; Beschluss vom 23.01.2012 – X ZB 5/11, KommJur 2012, 186). Voraussetzung hierfür ist aber, dass Gründe der Verfahrensökonomie und des effektiven Rechtsschutzes eine Verweisung entsprechend § 17a GVG erfordern, was wiederum voraussetzt, dass der Rechtsuchende sein Rechtsschutzziel im anderen Rechtsweg weiterverfolgen will und weiterverfolgen kann. Nur in diesen Fällen hat der Vergabesenat bei Zweifeln über den zulässigen Rechtsweg durch eine bindende Verweisung des Verfahrens entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG zu verhindern, dass eine Rechtsschutzlücke entsteht (BGH, Beschluss vom 10.12.2019 – XIII ZB 119/19, a.a.O., Rn. 18). Diese Situation liegt hier nicht vor.
Die in der Hauptsache zuletzt begehrte Feststellung, der zwischen der Auftraggeberin und der Beigeladenen geschlossene Vertrag sei nach § 135 Abs. 1 GWB unwirksam, kann nach der Vorschrift nur in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt und daher von vornherein nicht in einem anderen Rechtsweg weiterverfolgt werden. Das ursprüngliche Begehren der Antragstellerin, die Auftraggeberin zu einer losweisen Vergabe der verfahrensgegenständlichen Rechtsberatungsleistungen zu verpflichten, kann wegen des zwischenzeitlich erfolgten Abschlusses des Vertrages mit der Beigeladenen nicht mehr erreicht werden. Das zuletzt hilfsweise erhobene (Fortsetzungs-)Feststellungsbegehren kann als solches vor dem zuständigen Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.05.2007 – 6 B 10/07, NJW 2007, 2275) nicht weiterverfolgt werden, weil eine entsprechende Feststellungsklage unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Leistungsklage mangels Feststellungsinteresses unzulässig wäre. Eine Verweisung mit dem Ziel der Änderung des Begehrens auf Zahlung von Schadensersatz bzw. Unterlassung zukünftiger Vergaben von Rechtsdienstleistungen, die nicht gemäß § 22 UVgO in Lose aufgeteilt sind, wäre jedenfalls nicht verfahrensökonomisch.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 175 Abs. 2, § 71 Satz 2 GWB.
Der Antrag der Antragstellerin, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch sie gemäß § 182 GWB für notwendig zu erklären, bedarf keiner Entscheidung, da ihr keine Kosten zu erstatten sind.
Dem Antrag der Auftraggeberin, die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch sie für notwendig zu erklären, ist ebenfalls nicht zu entsprechen. Im Verfahren vor der Vergabekammer war die Auftraggeberin nicht anwaltlich vertreten. Für den Beschwerderechtszug bedarf es zur Erstattung der durch die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten keiner Tenorierung; die Erstattungsfähigkeit folgt unmittelbar kraft Gesetzes aus § 175 Abs. 1 Satz 1 GWB (vgl. OLG Koblenz Beschluss vom 27.01.2021 – Verg 1/19, BeckRS 2021, 10061, Rn. 77 m.w.N.).
5.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.