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Entscheidung 1 ORbs 1/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Bußgeldsachen Entscheidungsdatum 07.03.2024
Aktenzeichen 1 ORbs 1/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0307.1ORBS1.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg a. d. H. vom 06. Februar 2023 wird gemäß §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Brandenburg a. d. H. erkannte mit Urteil vom 06. Februar 2023 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 84 km/h auf eine Geldbuße in Höhe von 840,00 € und ein dreimonatiges Fahrverbot gegen den Betroffenen.

Den Feststellungen des Amtsgerichts zufolge hatte der Betroffene am 22. Mai 2022 um 10:30 Uhr mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen: …, die Bundesautobahn A 2 auf Höhe des Kilometers 22,0 in Fahrtrichtung Berlin mit einer Geschwindigkeit von – nach Toleranzabzug – 214 km/h befahren, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 130 km/h beschränkt gewesen war.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner am 10. Februar 2023 bei Gericht angebrachten Rechtsbeschwerde, die er nach am 22. Februar 2023 erfolgter Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe mit Anwaltsschriftsatz, eingegangen am 21. März 2023, begründet hat. Der Betroffene rügt mit näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt mit ihrer Stellungnahme vom 22. Dezember 2023, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Der Betroffene hat hierzu mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25. Januar 2024 Stellung genommen.

II.

1. Die nach § 79 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, sonach zulässig.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

a) Entgegen der Auffassung der Beschwerdebegründung unterliegt das Messergebnis nicht deshalb einem Beweisverwertungsverbot, weil das Messsystem die Rohmessdaten nicht speichert. Daraus folgt zugleich, dass weder das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren noch sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs oder auf Gewährleistung einer effektiven Verteidigung durch die Verwertung des Messergebnisses beeinträchtigt worden sind.

Beiziehungs- und Einsichtsanträge des Betroffenen in Hilfsgrößen der Messung wie die Rohmessdaten laufen in Ermangelung deren Speicherung leer. Ein Rechtsverstoß liegt hierin nicht, denn die Parität des Wissens zwischen Verfolgungsbehörde und Betroffenem ist sichergestellt, weil beiden die Rohmessdaten nicht mehr zur Verfügung stehen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. März 2020, 2 Ss-OWi 256/20). Darüber hinaus existiert kein Rechtssatz, demzufolge staatlich erhobene Beweise stets vollständig rekonstruierbar sein müssten. Für standardisierte Verfahren der Geschwindigkeitsmessung bedeutet dies, dass die Rohmessdaten für den konkreten Messvorgang nicht stets gespeichert werden müssen (KG, Beschluss vom 24. Januar 2020, 3 Ws (B) 12/20, Rz. 4 m. w. N.; BayObLG VRR 2020, 17; OLG Köln DAR 2019, 695; Senat, Beschluss vom 20. November 2019, 1 Ss OWi 381/19; sämtlich zitiert nach Juris).

Eine Verfahrensaussetzung mit Blick auf anhängige verfassungsrechtliche Verfahren war sonach nicht geboten, im Übrigen liegen der ablehnende Beschluss des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg zum Aktenzeichen VfGBbg 6/22 seit dem 17. Juni 2002 und der Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Aktenzeichen 2 BvR 1167/20 seit dem 20. Juni 2023 vor (beide zu finden bei Juris).

b) Soweit der Betroffene geltend macht, ihm sei trotz entsprechenden Antrags keine Einsicht in die – nicht bei den Akten befindlichen – Messunterlagen pp. gewährt worden, zielt dies auf einen möglichen Verstoß gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren (Recht auf Informationsbeschaffung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2020, 2 BvR 1616/18, Juris). Insoweit ist dem Betroffenen zunächst entgegenzuhalten, dass er eigener Beschwerdebegründung zufolge zwar einen Antrag auf Einsicht gegenüber der Verwaltungsbehörde gestellt, auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG aber nicht angetragen hat. Dessen hätte es aber bedurft, denn es kam dem Betroffenen bei verständiger Würdigung seines Begehrens ausschließlich auf die Zugänglichmachung zu den außerhalb der Bußgeldakte befindlichen Informationen durch die Bußgeldstelle an mit dem Ziel, Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der Geschwindigkeitsmessung zu ermitteln, um diese sodann gegebenenfalls vor Gericht darlegen und dessen Aufklärungspflicht auslösen zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2020, 2 BvR 1616/18, Rz. 65 ff., Juris).

c) Durch die erfolgte Ablehnung des auf Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens gerichteten Beweisantrags des Betroffenen hat das Bußgeldgericht weder dessen rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch seine eigene Aufklärungspflicht (§ 77 Abs. 1 S.1 OWiG) verletzt.

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG ist insbesondere dann verletzt, wenn das Gericht in entscheidungserheblicher Weise Tatsachen und Beweismittel zum Nachteil eines Beteiligten verwertet hat, zu denen dieser nicht gehört worden ist (Maul in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Auflage, zu § 33 a, Rz. 3). Daneben umfasst der Anspruch das Recht, Kenntnis von den Anträgen und Rechtsausführungen anderer Verfahrensbeteiligter zu erhalten, sich hierzu zu äußern und das eigene Prozessverhalten darauf einstellen zu können (BVerfG, Beschluss vom 07. September 2007, 2 BvR 1009/07, Juris; Göhler, OWiG, 18. Auflage, zu § 80, Rz. 16 a). Außerdem verpflichtet Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2020, 2 BvR 336/19, Juris).

Hieran gemessen, liegt eine Gehörsverletzung nicht vor. Das Amtsgericht hat sich in seinem in der Hauptverhandlung gefassten Beschluss mit dem Beweisantrag des Betroffenen und in seinem Urteil eingehend mit der Frage der Richtigkeit des Messergebnisses auseinandergesetzt. Hieraus folgt zugleich, dass die Ablehnung des Beweisantrags keine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 77 Abs. 1 OWiG) beinhaltet.

d) Soweit das Bußgeldgericht seiner eigenen Kenntnis von der Beschilderung der Örtlichkeit den Vorrang vor den Angaben des Messbeamten im Messprotokoll gegeben hat, ist dies von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

e) Ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen durch Einholung eines Lichtbilds von dem Betroffenen zur Feststellung der Fahreridentität liegt mit Blick auf die Vorschrift des § 22 Abs. 2 PaßG nicht vor.

f) Die auf die Sachrüge vorgenommene Überprüfung des Schuld- und des Rechtsfolgenausspruchs hat Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht aufgezeigt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.