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Erstattung der Krankenhausvergütung Widerklage Zahlung unter Vorbehalt Verjährungshemmung durch Verhandlung epidurale Rückenmarkstimulation


Metadaten

Gericht SG Potsdam 7. Kammer Entscheidungsdatum 09.01.2024
Aktenzeichen S 7 KR 498/19 ECLI ECLI:DE:SGPOTSD:2024:0109.S7KR498.19.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 100 SGG, § 109 SGB V, § 7 KHEntgG, § 203 BGB

Leitsatz

Die Annahme einer Zahlung unter Vorbehalt der Zahlung unter einer aufschiebenden Bedingung steht der Erfüllung nicht entgegen. Das Verhandeln über eine streitige Krankenhausvergütung, mit deren Erstattungsanspruch die Krankenkasse mit unstreitigen Forderung aufgerechnet hat, führt nicht zur Hemmung der Verjährung des Vergütungsanspruches des Krankenhauses bezüglich der unstreitigen Forderung.

Tenor

1. Die Beklagte und Widerklägerin wird verurteilt, an die Klägerin und Widerbeklagte 24.509,69 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28. Oktober 2019 zu zahlen.

2. Die Widerklage wird abgewiesen.

3. Die Beklagte und Widerklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung eine seitens der Klägerin und Widerbeklagten (im Folgenden nur Klägerin) an die Beklagte und Widerklägerin (im folgenden nur Beklagte) geleistete Vergütung sowie um die Zahlung einer weiteren Vergütung für Leistungen der Beklagten für eine stationären Behandlung.

Die Beklagte ist ein nach § 108 Abs. 1 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Sie behandelte den 1947 geborenen Patienten T., welcher bei der Klägerin krankenversichert war. Der Versicherte war der Beklagten seit 2015 aus Behandlungen bekannt. Im Mai 2015 stellte er sich wegen einer Koronarstenose vor. Damals war bereits ein degeneratives LWS Syndrom L3/L4 bekannt. Der Versicherte war vom 9. März 2011 bis zum 29 März 2011 in der Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein, da bei ihm seit 15 Jahren ein täglicher Kopfschmerz, der begleitet wird von Übelkeit, leichter Phonophobie und Durchfall diagnostiziert worden war. In der Klinik war er in ein kopfschmerzspezifisches multimodalen Therapiekonzept mit akuten und vorbeugenden medikamentösen Therapien sowie kopfschmerzspezifischen verhaltenstherapeutischen Einzel- und Gruppentherapien sowie physikalischen Therapien und die Möglichkeit zur Erlernung kognitiver Entspannungsverfahren eingebunden. Im Jahr 2011 nahm der Versicherte schon über viele Jahre bis zu 6 × 60 Tropfen Tilidin, ein Opiat. Mindestens seit Juni 2014 wurden die Schmerzen des Versicherten mit Palexia Retard 50mg 8-stündlich behandelt. Am 29. Januar 2016 erfolgte eine CT-Facetteninfiltration rechts in domo. Bei dem Aufenthalt 2017 zeigte sich in der Kernspintomografie eine absolute spinale Stenose in Höhe LWK L3/L4. Die schmerzlose Gehstrecke des Versicherten wurde auf 100 m begrenzt. Es erfolgte daraufhin mikrochirurgisch eine Dekompensation des Durasacks unter abgehenden Nervenwurzel in Höhe LWK L3/L4 und LWK L4/L5 mit Hemilamninektomie LWK L4.

Vom 6. November bis zum 24. November 2017 wurde der Patient in den S. Kliniken wegen einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychologischen Faktoren behandelt. Nach der Entlassung wurde dem Versicherten empfohlen, dass während der Schmerztherapie erlernte häusliche Übungsprogramm selbstständig täglich anzuwenden. Der Schwerpunkt der weiteren körperlichen Behandlung sollte in einer funktionellen Stabilisierung liegen. Hierfür wurde insbesondere auch das Tragen einer lumbalen Stützbandage bei längeren statischen Belastungen empfohlen. Darüber hinaus sollte bei dem Versicherten im Intervall eine Verordnung physiotherapeutischer Übungsmaßnahmen vor allem zur Kontrolle des eigenen Übungsprogramm erfolgen. Es wurde dem Versicherten nahegelegt, sich beim Facharzt für Psychiatrie/Neurologie zur Diagnostik und gegebenenfalls Verordnung einer antidepressiven Medikation vorzustellen.

Die Beklagte behandelte den Versicherten ambulant am 30. April 2018. Ihm wurde eine 8-polige Stabelektrode zur Austestung einer periduralen Rückenmarkstimulation eingesetzt. Diese Implantation erfolgte nach Überweisung durch den Allgemeinmediziner zur Durchführung dieser Operation.

Am 9. Mai 2018 erfolgte bei dem Versicherten die ambulante Implantation des Neurostimulators zur periduralen Rückenmarkstimulation.

Der Versicherte befand sich am 28. Mai 2028 erneut in vollstationärer Behandlung bei der Beklagten zur Implantation einer 2poligen peripheren Stimulationselektrode.

Die Beklagte rechnete den stationären Aufenthalt am 28. Mai 2018 unter der DRG I10E am 16. Oktober 2018 ab. Diese Kosten zahlte die Klägerin. Sie leitete ein Überprüfungsverfahren durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen ein. Der MDK kam zu dem Ergebnis, dass der Behandlungsfall auch ambulant habe durchgeführt werden können und ging damit von einer primären Fehlbelegung aus. Die Klägerin verrechnete am 9. April 2019 mit einer anderen der Beklagten und Widerklägerin unstreitig zustehenden Forderung den gezahlten Betrag für den stationären Aufenthalt am 28. Mai 2018.

Die Behandlungskosten für die ambulante Behandlung am 30. April 2018 stellte die Beklagte der Klägerin auf der Grundlage des § 115 BSGB V zuletzt mit Rechnung vom 14. August 2019 i.H.v. 5066,55 € in Rechnung. Die Klägerin beglich den Rechnungsbetrag am 11. September 2019 vollständig aus. Für die Implantation vom 9. Mai 2018 verlangte die Beklagte zuletzt mit Rechnung vom 27. Juni 2019 einen Betrag i.H.v. 19.443,14 € von der Klägerin, welchen letztere am 24. Juli 2019 beglich.

Die Klägerin beauftragte die medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Prüfung der medizinischen Notwendigkeit. Dieser kam in seinen Stellungnahmen vom 11. September 2018 und vom 30. Juni 2019 zu dem Ergebnis, dass die medizinische Notwendigkeit zur Anlage einer SCS-Elektrode am 30. April 2018 sowie die Implantation des Neurostimulators zur periduralen Rückenmarkstimulation am 9. Mai 2018 nicht nachvollzogen werden könne, da eine Ausschöpfung der konservativen Behandlungsmethoden nicht bestätigt werden könne.

Die Klägerin hat am 28. Oktober 2019 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam erhoben.

Sie ist der Ansicht,

die Beklagte habe keine Nachweise über die Ausschöpfung der konservativen Behandlungsmethoden vorgelegt. Der Erfolg der Testphase sei nicht hinreichend belegt, da durch den Versicherten kein Schmerztagebuch geführt bzw. vorgelegt worden sei. Nach der S3-Leitlinie epidurale Rückenmarkstimulation (AWMF-Reg.-Nr. 041/00219) sei eine Neuromodulationstherapie beim Failed-Back-Surgery-Syndrom (FBSS) nur als ultima ratio medizinisch indiziert gewesen, d. h. es hätten erst alle konservativen Behandlungsmethoden ausgeschöpft und Kontraindikationen ausgeschlossen werden müssen. Diese durch die Leitlinie vorgegebenen Evaluationsschritte hätte die Beklagte somit zwingend bereits im Vorfeld zu Indikationsstellung selbstständig vornehmen müssen. Gleiches habe für die Testung gegolten. Die Testphase habe bei einer Implantation der 8poligen Stabelektrode am 30. April 2018 bis zur Implantation des Neurostimulators am 9. Mai 2018 keine 2 Wochen betragen.

Des Weiteren habe die Beklagte nicht den Nachweis der Implantate und Sachkosten erbracht. Zwar habe die Beklagte mit Schreiben vom 26. Juni 2019 verschiedene Lieferantenrechnungen vorgelegt, jedoch würden weiterhin die erforderlichen Chargen-Nachweise gemäß Medizinprodukte-Betreiberverordnung fehlen. Es habe mithin nicht nachvollzogen werden können, dass die Beklagte die gekennzeichneten Positionen auf der Rechnung tatsächlich für die Behandlung des Versicherten verwendet habe. Darüber hinaus habe sich die Position i.H.v. 701,50 € für „Advanced Screeningkabel und Verlängerung“ nicht erschlossen. Insbesondere sei deren Verwendung nicht im OP-Protokoll nachgewiesen. Das mit 939,50 € abgerechnete Programmiergerät sei nach § 9 AOP-Vertrag nicht berechnungsfähig, da es sich hierbei insbesondere nicht um ein Implantat im Sinne des § 9 Abs. 5 AOP-Vertrag gehandelt habe. Gleiches habe für den Tunnelierstab gegolten, da es sich dabei um ein medizinisches Gerät zum Weiten künstlicher Zugänge wie des Stichkanals, der nach Gebrauch entsorgt worden sei, gehandelt habe. Gleiches habe für den Universal Tray Klein BRB gegolten.

Hinsichtlich des Intellis Sensors RC Neurostimulators, der mit 17.401,75 € in Rechnung gestellt worden war, seien unter der angegebenen Rechnungsnummer der Firma Medtronic vom 7. Februar 2018 diverse Neurostimulatoren jeweils mit Seriennummern gelistet gewesen. Erforderlich sei aber der Nachweis darüber, welcher Neurostimulator konkret unter Angabe der Seriennummer implantiert worden sei. Im OP-Protokoll vom 9. Mai 2018 sei kein Neurostimulator unter Materialverbrauch oder Implantate aufgeführt. Ähnliches gilt für das Intellis Ladegerät zu einem Preis von 1.430,40 €, welches laut Rechnung mit 2 weiteren Ladegeräten bezogen worden sei. Auch hier ist nicht ersichtlich, welches Gerät der Versicherte erhalten habe.

Die Implantation eine 8-poligen Stabelektrode bei dem Versicherten könne anhand des OP-Protokolls nicht in Übereinstimmung zu der von der Medtronic vorgelegten Rechnung gebracht werden. Die Seriennummer sei gerade nicht im OP-Protokoll aufgenommen worden. Darüber hinaus sei auf der Rechnung „Referenz: 20554337 Implantiert durch: Ch. E.“ vermerkt. Im streitigen Behandlungsfall habe allerdings die Aufnahmenummer 20670172 gelautet und die Operateurin sei laut OP-Protokoll S. M. und nicht C. M. gewesen.

Die am 27. April 2018 mit den EBM-Gebührenpositionen 32120, 32113, 32112, 32083, 32081, 32057, 32066, 32101 berechneten Laboruntersuchungen hätten ebenfalls nicht berechnet werden können, da es sich hierbei nicht um auf das eigene Fachgebiet bezogene Leistung gehandelt habe.

Sie beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.509,69 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht,

dass die Klägerin dem MDK bei der Begutachtung nicht die vollständigen erforderlichen Daten der § 301 SGB V zur Verfügung gestellt habe, sonst wäre dem MDK auch aufgefallen, dass bereits eine entsprechende Vorbehandlung im Sinne einer Austestung erfolgt sei. Die Klägerin habe dem MDK auch die Daten der Heil-und Hilfsmittel nach § 302 SGB V sowie die erforderlichen Daten über die ärztliche Behandlung des Versicherten nach § 295 SGB V zur Verfügung stellen müssen. Unter Berücksichtigung solcher Daten wäre es dem MDK auch ein Leichtes gewesen, den gesamten Behandlungsverlauf umfassend darzustellen.

Da die Klägerin den Behandlungsfall vom 30. April 2018 zur Implantation zur Testphase vollumfänglich gezahlt habe, habe nicht nachvollzogen werden können, warum die endgültige Implantation nicht gezahlt worden sei.

Aufgrund der vorhergehenden Behandlung des Klägers in den S. Kliniken und der Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein sei die medizinische Notwendigkeit indiziert gewesen. Daraus habe sich ergeben, dass der Versicherte bereits austherapiert gewesen sei. Nach den der Beklagten vorliegenden Informationen sei die erste Facetteninfiltration am 29. Januar 2016 bei dem Versicherten durchgeführt worden. Bei dem Versicherten habe eine Spinalkanaldekompression bei spinaler Stenose L3-L5 nach einer Operation am 24. April 2017 vorgelegen. Im Rahmen dieser Behandlung seien dem Versicherten starke Schmerzmittel unter anderem Metamizol verabreicht worden. Bereits im Jahr 2013 habe der Versicherte zur Schmerzlinderung opioidhaltige Medikamente eingenommen, von denen er ein Abhängigkeitssyndrom entwickelt habe. Ein Schmerztagebuch sei für die Behandlungsmaßnahmen nach dem OPS nicht verlangt. Da der Versicherte selbst Arzt gewesen sei, habe nach der 2-wöchigen Testphase es genügt, dass dieser berichtet habe, dass er seine mehrjährigen Leiden los geworden sei. Durch einen solchen fachkundigen Bericht des Patienten sei ein Schmerztagebuch entbehrlich.

Hinsichtlich des bei dem Patienten benutzten Tunnelierstabes sei auf das OP-Protokoll vom 9. Mai 2018 verwiesen worden, da dort die entsprechende Nummer mit 0214 648904 angegeben sei, was auch mit der Rechnung von Medtronic vom 7. Februar 2018 korrespondiert habe. Auf der Rechnung sei auch die Produktnummer angegeben. Der abgerechnete Intellis Sensor RC Neurostimulator habe die Produktnummer 0064316978171997715 gehabt. Für die 8polige Stabelektrode, welche am 30. April 2018 implementiert worden sei, sei die Seriennummer und die Produktnummer auf der Rechnung vom 26. Mai 2017 vermerkt gewesen. Die entsprechenden Daten würden sich im Übrigen aus der Krankenakte unmittelbar entnehmen lassen.

Die Klägerin hat erneut den MDK mit einem sozialmedizinischen Gutachten beauftragt. In seinem Gutachten vom 20. Oktober 2020 kommt Dr. L. zu der Auffassung, dass eine nachvollziehbare detaillierte Behandlungsdokumentation mit der bisherigen Diagnostik, medikamentösen und nicht medikamentösen Therapie der lumbalen Schmerzproblematik sowie multimodalen Schmerztherapie, begleitenden Psychotherapie und fachärztlichen Mitbehandlung, aus der die Indikationsstellung eindeutig hervorgehe, sich weder in der Patienten, noch in der Klageakte befunden habe. Entsprechend der S3-Leitlinie epidurale Rückenmarkstimulation (AWMF-Reg.-Nr. 041/00219) sei eine Spinal Cord Stimulation als sogenanntes Spektrum der 4. Stufe nur indiziert, wenn keine medizinische Standardtherapie der medikamentösen Schmerztherapie entsprechend dem 3-Stufen-Schema der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Verfügung gestanden habe. Aufgrund der Multimorbidität des Versicherten habe auch das Vorliegen von Kontraindikationen durchaus eine Rolle spielen können, was allerdings nicht seitens der Beklagten nachweisbar dokumentiert gewesen sei. Obwohl es auch zu den Ergebnissen der Testphase (Schmerzreduktion, Gerätevorgaben, Energieverbrauch) nach den allgemein Vorgaben der Bundesärztekammer (BÄK) eine Dokumentationspflicht gegeben habe, hätten die Befunde aus den vorliegenden Unterlagen nicht nachvollzogen werden können.

Die Beklagte hat am 4. August 2022 vor dem Sozialgericht Potsdam Widerklage gegen die Klägerin erhoben.

Sie ist der Ansicht,

die Widerklage sei rechtlich zulässig, da der Zusammenhang nach § 100 SGG unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie weit auszulegen sei. Da es hier um den gleichen Versicherten gegangen sei und lediglich ein anderer Behandlungszeitraum betrachtet worden sei, wobei das Krankheitsbild in beiden Fällen identisch sei, wäre die notwendige Identität bzw. der Zusammenhang gewahrt gewesen. Die Beklagte habe unter Berücksichtigung des Landesvertrages unter Vorbehalt die Zahlung vorgenommen, sodass zunächst keine Erfüllung eingetreten sei. Darüber hinaus seien weitere Verhandlungen im Jahr 2020 geführt worden. Dabei sei der Begriff der Verhandlung weit auszulegen. Es sei nicht erforderlich, dass über den Anspruch dem Grunde nach verhandelt worden sei. Zwischen den Beteiligten habe über den sich aus der Widerklage ergebenden Betrag ein Austausch über die Forderung ergeben.

Sie beantragt,

1. die Widerbeklagte zu verurteilen, an die Widerklägerin einen Betrag von 2.336,41 € nebst Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. April 2019 zu zahlen,

2. die Widerbeklagte zu verurteilen, an die Widerklägerin einen Betrag i.H.v. 300 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht,

die Widerklage sei unzulässig, da ein Zusammenhang, wie dieser nach § 100 SGG vorausgesetzt werde, nicht bestanden habe. Es handelt sich bei den mit der Klage und Widerklage geltend gemachten Ansprüchen nicht um Forderungen, die auf demselben Rechtsverhältnis beruht haben. Vielmehr habe es sich um jeweils eigenständige und abgeschlossene Behandlungsfälle mit jeweils eigener Rechnungsstellung und rechtlich selbstständigen Vergütungs- bzw. Erstattungsansprüchen gehandelt. Zudem hätten diese aufgrund verschiedener Rechtsgrundlagen beruht. Da die epidurale Rückenmarkstimulation und die Stimulation des peripheren Nervensystems völlig verschiedene Behandlungen gewesen seien, die völlig andere Schmerzbereiche berührt haben, sei die Frage der Indikation der beiden Behandlungsmaßnahmen völlig unabhängig voneinander zu treffen gewesen. Sie ist der Ansicht, dass Klagegegenstand der Widerklage die unstreitige Hauptforderung der Aufrechnung sei. Da diese Hauptforderung am 9. April 2019 verrechnet worden sei, sei die Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 2021 eingetreten. Es seien keine Zahlung unter Vorbehalt erfolgt. Verhandlungen seien zu keinem Zeitpunkt geführt worden.

Die Klägerin hat die Einrede der Verjährung bezüglich des Widerklageanspruches erhoben.

Mit Schriftsatz vom 6. September 2023 hat die Beklagte die Eventualaufrechnung für den Fall, dass das Gericht zu der Auffassung gelange, die Widerklage sei unzulässig oder die Forderung verjährt, mit dem in der Widerklage aufgeführten Betrag i.H.v. 2.636,41 € mit der Klageforderung erklärt.

Ergänzend wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze der Gerichtsakte, die Verwaltungsakten der Klägerin und die Patientenakten der Beklagten, die zum Termin der mündlichen Verhandlung dem Gericht vorlagen, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. 1. Die zulässige Klage ist begründet. Zu Recht macht die Klägerin den Anspruch auf Rückzahlung ihrer Rechnung über die Vergütung der ambulanten Krankenhausbehandlung des Versicherten gegen die Beklagte mit der echten Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltend, denn die Klage gegen einen Krankenhausträger wie der Beklagten auf Rückzahlung der Behandlungskosten eines Versicherten durch eine Krankenkasse wie die Klägerin ist ein sogenannter Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist. Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert (vgl. BSG, u. a. Urteil vom 30.06.2009, B 1 KR 24/08 R, zitiert nach juris).

2. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die geltend gemachte Forderung, denn ihr stand ein Rückforderungsanspruch, basierend auf den insoweit allein in Betracht kommenden öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch bezüglich der gezahlten Krankenhausvergütung zu. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (BSG, Urteil vom 01.08.1991 – 6 RKa 9/89 -, juris). Ein öffentliches Rechtsverhältnis liegt hier zwischen den Beteiligten vor, da die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus nach den maßgeblichen §§ 107 ff. SGB V öffentlich-rechtlich geprägt sind (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 4 m.w.N.).

Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gelten ähnliche Grundsätze wie im bürgerlichen Recht der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), dem der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch zumindest insoweit vergleichbar ist, als beide Ansprüche als Ausdruck eines althergebrachten Rechtsgrundsatzes dem Ausgleich einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung dienen. Wenn auch im Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt ist, wann eine Bereicherung ungerechtfertigt ist, ist jedoch allgemein anerkannt, dass Leistungen zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit, die in Wirklichkeit nicht besteht, grundsätzlich zurückgefordert werden können (vgl. zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausleistungen BSG, Urteil vom 22.07.2004 - B 3 KR 21/03 R -, juris).

Rechtsgrundlage des von der Beklagten ursprünglich geltend gemachten Vergütungsanspruch ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), § 115b Abs. 2 Satz 4 SGB V und § 7 Abs. 1 Satz 1 AOP-Vertrag.

Das Krankenhaus der Klägerin war im streitigen Zeitraum als Plankrankenhaus (§ 108 Nr. 2 SGB V) gemäß § 109 Abs. 1 und 4 Satz 1 SGB V zur Krankenhausbehandlung gesetzlich Versicherter zugelassen. Zur Krankenhausbehandlung gehört nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V neben der voll- und teilstationären Behandlung auch die vor- und nachstationäre Behandlung im Sinne des § 115a SGB V sowie das ambulante Operieren im Krankenhaus im Sinne des § 115b SGB V. Eine ambulante Operation kann – im Grundsatz – von einem Krankenhaus erbracht werden, soweit sie im Katalog nach § 115b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V bzw. nach § 3 AOP-Vertrag und der zugehörigen Anlage 1 enthalten ist und soweit der Eingriff von dem Krankenhaus gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 AOP-Vertrag in einem Leistungsbereich durchgeführt wird, in dem das Krankenhaus auch stationäre Behandlungen durchführen darf. Ambulante Operationen werden nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KHEntgG, § 115b Abs. 2 Satz 4 SGB V unmittelbar von den Krankenkassen vergütet. Die Vergütung erfolgt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 AOP-Vertrag insbesondere auf der Grundlage des EBM nach einem festen Punktwert außerhalb der budgetierten und pauschalierten Gesamtvergütungen. Der Vergütungsanspruch umfasst die Leistungen, zu denen das sie erbringende Krankenhaus zugelassen ist, die dem Leistungskatalog des § 115b SGB V unterfallen, die das Krankenhaus sachlich und rechnerisch richtig abrechnet sowie die es wirtschaftlich und qualitätsgerecht erbracht hat (BSG, Urteil vom 01.07.2014 – B 1 KR 1/13 R –, juris Rn. 10).

Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt für alle Leistungsbereiche des SGB V. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V sowie § 2 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 3, § 70 Abs. 1 SGB V). Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt uneingeschränkt auch im Leistungserbringungsrecht. Ein Krankenhaus hat stets, auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung, einen Vergütungsanspruch gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nur für eine erforderliche, wirtschaftliche Behandlung. Ausdruck des Qualitätssicherungsgebotes ist unabhängig von Konkretisierungen durch Richtlinien oder Normenverträge besteht die Verpflichtung zur Erbringung der Leistungen entsprechend dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf der Grundlage von § 135a Abs. 1 Satz 1 SGB V, denn diese begründen lediglich einen Mindeststandard (BSG Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R -, juris Rn. 15 mit Hinweis auf die Begründung zu dem Entwurf des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 <GKV-Gesundheitsreform 2000>, BT-Drucks. 14/1245 S 86 zu Nr. 76). Werden bestimmte strukturelle und/oder prozedurale Mindestanforderungen an die Behandlung von der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute aufgrund des Standes der medizinischen Erkenntnisse befürwortet, so sind diese vom Krankenhaus auch ohne eine verpflichtende Vorgabe des GBA zu beachten (so bereits BSG Urteile vom 8. Oktober 2019 - B 1 KR 3/19 R - BSGE 129, 171 und - B 1 KR 4/19 R - SozR 4-2500 § 12 Nr. 16 RdNr. 18). Anderenfalls handelt es sich um eine im Rechtssinne nicht geeignete Versorgung mit der Folge, dass das Krankenhaus trotz einer Behandlung innerhalb seines Versorgungsauftrags hierfür keine Vergütung beanspruchen kann; der Versicherte besitzt aufgrund des Qualitätsgebots (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) keinen Anspruch auf ungeeignete Leistungen (BSG, Urteil vom 16. August 2021 – B 1 KR 18/20 R -, juris Rn. 15).

a) Im Zeitpunkt der streitigen Behandlung im Mai 2018 zeigte sich der allgemeine Stand der medizinischen Erkenntnis in der S3-Leitlinie „Epidurale Rückenmarkstimulation zur Therapie chronischer chronischer Schmerzen“ (Stand: 07/2013, Gültigkeitsdauer verlängert bis zum 30. Juli 2018; publiziert im Internetportal AWMF online, AWMF-Register Nr. 041/002). Diese S3-Leitlinie führt u. a. aus: „Im Folgenden sollen Empfehlungen der epiduralen Rückenmarkstimulation zu bestimmten Indikationen oder Krankheitsbildern gegeben werden und im Anschluss ein standardisiertes diagnostisches und therapeutisches Vorgehen dargestellt werden“. Grundlage dieser S3-Richtlinie ist eine fachübergreifende Auswertung (Deutsche Gesellschaften für Anästhesiologie und Intensivmedizin, für Angiologie, für Kardiologie, für Neurochirurgie, für Neuromodulation, für Neurologie, für Psychologische Schmerztherapie und Forschung, deutsche Schmerzgesellschaft e.V.) evidenzbasierter Ergebnisse mit fachübergreifender Beteiligung (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Schmerztherapie, Dt. Ges. für Schmerztherapie e. V., Berufsverband Deutscher Schmerztherapeuten, European Federation of Neurological Societies).

b) Im Hinblick auf die in der S3-Leitlinie definierte Prozessqualität hinsichtlich der Indikationsstellung und der notwendigen Dokumentation (Ziffer 6.2 der S3-Leitlinie) fehlt es im vorliegenden Fall an ausreichenden Angaben des Krankenhauses.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Formulierung „soll“ in dieser Leitlinie eine sogenannte „starke Empfehlung“ beinhaltet. Der Empfehlungsgrad im Sinne eines Empfehlungsgrades „B“ entspricht einem Evidenzgrad der Therapiestudien 2a-b (systematischer Review von vergleichenden Kohortenstudien) bzw. 3a-b (systematischer Review von Fall-Kontrollstudien oder mindestens eine gut geplante kontrollierte Studie).

Nach Nr. 5.1.2 soll eine epidurale Neurostimulation bei Failed-Back-Surgery-Syndrom nur mit prädominantem radikulärem Schmerz (FBSS - nach einer Operation am Rücken, typischerweise einer Bandscheibenoperation, aber auch Operationen bei Spinalkanalstenosen oder Tumoren, können anhaltende Schmerzen im Rücken und Beinbereich auftreten) bei Erfolglosigkeit konservativer Verfahren und Ausschluss psychologischer Kontraindikationen eingesetzt werden.

Eine solche Indikationsstellung – nämlich die Erfolglosigkeit konservativer Therapien – ist seitens der Beklagten nicht hinreichend erfolgt. Allein eine Überweisung durch einen Allgemeinmediziner entbindet die Beklagte als das die OP durchführendes Krankenhaus nicht, die Indikationsvoraussetzungen zu prüfen und zu dokumentieren. Hier fehlt insbesondere der Nachweis der empfohlenen weiteren Diagnostik und Behandlung durch einen Psychiater/Neurochirurgen und der weiteren Stabilisierung durch häusliche Übungsprogramme und physikalischer Therapie, wie sie nach dem Aufenthalt in der S. Klinik empfohlen wurde. Allein die Einnahme von starken Schmerzmitteln und einem Abhängigkeitssyndrom zeigt nicht, dass der Versicherte austherapiert war. Vielmehr weisen diese Punkte viel eher darauf hin, dass hier nachweislich erst hätte der Empfehlung nachgekommen werden sollen, einen Psychiater/Neurochirurgen aufzusuchen. Es ist auch nicht Sache der Klägerin als Krankenkasse, alle Unterlagen des Versicherten zu den Vorbehandlungen dem MDK zu überlassen. Das Krankenhaus hat hier im Rahmen ihrer Qualitätssicherung die Voraussetzungen der Indikationsstellung entsprechend dem medizinischen Standard, der sich hier aus der S3-Leitlinie ergibt, zu prüfen und dann zu dokumentieren. Dies hat die Beklagte hier nicht ausreichend getan.

c) Aber auch die weiteren Voraussetzungen nach Nr. 6.1.5. und 6.2. liegen nicht vor. In der Richtlinie nach Nr. 6.1.5 heißt es:

Die Neurostimulation soll nur in Zentren, die einen multidisziplinären Ansatz zur Behandlung chronischer Schmerzen sowie eine standardisierte Schmerzanamnese und –dokumentation ausführen, durchgeführt werden (EFIC-Kriterien, Gybels et al. 1998, Span. Leitlinien). Dies schließt eine psychologische oder psychiatrische oder psychosomatische Evaluation des Patienten ein. Die Indikationsstellung soll interdisziplinär (Neurochirurg, Schmerztherapeut, Psychiater/klinischer Psychologe/Psychosomatiker, sowie je nach Schmerzsyndrom Neurologe bzw. Kardiologe und Herzchirurg bzw. Angiologe/interventioneller Radiologe/Gefäßchirurg erfolgen. Das Zentrum sollte in der Lage sein, Komplikationen der SCS-Therapie zu behandeln und in diesen Fällen eine rasche Zugriffsmöglichkeit auf Krankenhausbetten, OP-Kapazität und fachärztliche Kompetenz haben. (Empfehlung: B)

Es kann hier dahin stehen, ob die Beklagte überhaupt die strukturellen Voraussetzungen eines Zentrums mit einem multidisziplinären Ansatz zur Behandlung chronischer Schmerzen erfüllt. Eine psychologische oder psychiatrische oder psychosomatische Evaluation des Versicherten und eine interdisziplinäre Indikationsstellung ist nicht erfolgt. In der Patientenakte befindet sich keine Indikationsstellung und ein interdisziplinäres Vorgehen. Derartiges hat die Beklagte bisher auch nicht vorgetragen. Es liegt lediglich eine Verordnung durch einen Allgemeinmediziner vor, die den oben genannten Anforderungen nicht entspricht.

d) Darüber hinaus hat die Beklagte weder für das Einsetzen zur Testphase noch für die Implantation des Neurostimulators ihr Vorgehen im Sinne der S3-Leitlinie hinreichend dokumentiert. Es fehlt hier an einer neurologischen Untersuchung mit Erfassung von „Plus- (Allodynie und Hyperpathie) und „Minus-„ (Thermhypalgesie, Hypästhesie) Symptomen u.a. durch technische Untersuchungen wie eine Quantitativ sensorische Testung (QST), evozierte Potentiale oder EMG. Des Weiteren sind auch die Programmierdaten und der Verlauf der Testphase nicht dokumentiert. Für den Verlauf der Testphase genügt es nicht, dass allein der Patient angibt, die Schmerzen haben sich verbessert. Es soll der Verlauf der Testphase und nicht allein das Ergebnis dokumentiert werden. Das Führen eines Schmerztagebuches ist dafür eine Möglichkeit. Die Beklagte hat aber gar keine Daten zur Testphase erhoben und festgehalten, so dass auch das Ergebnis der Testphase nicht weiter verifizierbar ist. Auf deren Dokumentation kann auch nicht deshalb verzichtet werden, weil der Versicherte selbst ein Arzt war. Medizinische Kenntnisse des Versicherten entbinden die Beklagten weder von Aufklärungs- noch von Dokumentationspflichten.

e) Nach alledem entspricht die Durchführung der ambulanten Eingriffe, für die die Klägerin von der Beklagten die bereits gezahlte Vergütung erstattet verlangt, nicht mehr dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot. Es kommt damit auf die Berechnungsfähigkeit der einzelnen Materialien, die die Klägerin ergänzend verneint hat, gar nicht an. Nur ergänzend erlaubt sich das Gericht die Anmerkung, dass die Vorlage von Rechnungen nicht der ordnungsgemäßen Dokumentation des Verbrauchs und Einbaus der Materialien, insbesondere der Stabelektrode und des Neursotimulators bei der hier abgerechneten Operation genügt. Es muss eine eindeutige Zuordnung – auch aus Qualitätssicherungsgründen – der eingesetzten Implantate erfolgen können. Das ist vorliegend anhand des OP-Protokolls nicht möglich.

II. Die Widerklage hat keinen Erfolg.

1. Die Frage der Zulässigkeit der Widerklage nach § 100 SGG, nachdem Klageanspruch und Widerklaganspruch in einem Zusammenhang stehen müssen, kann hier dahinstehen. Allerdings bestehen nach der Auffassung der Kammer erhebliche Bedenken, da bis auf den gleichen Versicherten kein Zusammenhang zwischen der Klageforderung und der Widerklageforderung besteht. Ein Zusammenhang kann sich aus dem Klageanspruch selbst oder den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln ergeben. Nicht ausreichend ist, dass ein Zusammenhang bloß mit Beweismitteln besteht. Der Begriff des Zusammenhangs ist zum Zwecke der Prozessökonomie weit zu verstehen. Mindestens ausreichend ist ein rechtlicher Zusammenhang. Dies ist dann der Fall, wenn Klage und Widerklage auf demselben Rechtsverhältnis beruhen (BeckOGK/Müller, 1.11.2023, SGG § 100 Rn. 14). Es handelt sich um zwei völlig unterschiedliche Behandlungsfälle und auch völlig unterschiedliche Rechtsgrundlagen für die Abrechnung der Behandlungsfälle, da hier die Vergütung aus zwei ambulanten Behandlungen im Rahmen der Klageforderung streitig ist, wohingegen mit der Widerklage eine Vergütung einer stationären Behandlung geltend gemacht wird. Allein, dass es sich zufällig um den gleichen Versicherten handelt, genügt für den Zusammenhang nicht. Zumal auch dadurch keine Prozessökonomie erreicht werden kann, da für den Anspruch gänzlich andere Beweismittel – nämlich eine weitere Patientenakte und ein weiteres MDK-Gutachten vorliegen und ggf. ein anderes Sachverständigengutachten zur Frage der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung einzuholen wäre. Da es sich auch um gänzlich andere Behandlungen handelt, die auch nicht aufeinander aufgebaut haben, kann hier durch die Verbindung auch hinsichtlich der Beweismittel keine Prozessökonomie erreicht werden.

2. Die Widerklage hat aber auch in der Sache keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Der Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Vergütung ist durch Zahlung der Klägerin erloschen.

Die Beklagte kann zulässig einen Anspruch auf Vergütung für eine stationäre Behandlung im Rahmen einer Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geltend machen. Es bedarf im Falle der Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse keines Vorverfahrens und auch keiner Beachtung einer Klagefrist, da die Beteiligten in einem Gleichordnungsverhältnis zueinander insoweit stehen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KN 3/08 KR R; juris.de).

Anspruchsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 SGB V in Verbindung mit § 7 Satz 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) und § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG). Hinzu tritt die Anlage 1 Teil a) Fallpauschalen-Katalog der G-DRG-Version 2018.

Danach entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird.

Der Vergütungsanspruch ist aber durch Zahlung der Klägerin auf die Forderung der Beklagten erloschen. Die Klägerin hat nicht ausdrücklich einen Vorbehalt bei Zahlung erklärt. Einen solchen Vorbehalt, der als qualifizierter Vorbehalt eine Erfüllung nicht eintreten lässt, hat die Beklagte, die sich darauf beruft, nicht nachgewiesen und er ist für das Gericht auch nicht erkennbar. Aber auch wenn man grundsätzlich einen konkludenten Vorbehalt bei der Zahlung der Krankenhausvergütung annehmen würde, führt dieser nicht dazu, dass kein Erfüllung eingetreten ist.

Bei einer Leistung unter Vorbehalt ist zu unterscheiden: Will der Schuldner nur dem Verständnis seiner Leistung als Anerkenntnis (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) entgegentreten und die Wirkung des § 814 BGB ausschließen, sich also die Möglichkeit offenhalten, das Geleistete nach § 812 BGB zurückzufordern, so stellt dies die Ordnungsmäßigkeit der Erfüllung der Verbindlichkeit im Sinne des § 326 BGB nicht in Frage. Ein Anerkenntnis würde eine Rückforderung ausschließen (§ 814 BGB), der Gläubiger kann nur die Leistung, nicht aber ein Anerkenntnis verlangen. Ein „einfacher“ Vorbehalt stellt die Erfüllung nicht in Frage (BGH NJW 2007, 1269, 1270 Rn 19; MüKoBGB/Fetzer, 9. Aufl. 2022, BGB § 362 Rn. 8; BeckOK BGB/Dennhardt, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 362 Rn. 49).

Ein Vorbehalt kann aber auch so erklärt werden, dass von der Zahlung keinerlei Rechtswirkungen ausgehen soll. Leistet der Schuldner in der Weise unter Vorbehalt, dass den Leistungsempfänger in einem späteren Rückforderungsstreit die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs treffen soll, lässt dieser Vorbehalt die Schuldtilgung in der Schwebe und schließt die Erfüllung nach § 362 BGB aus (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2021 -VII ZR 242/ 20 Rn. 19 BeckOK BGB/Dennhardt, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 362 Rn. 48). Ein solcher Fall ist dann anzunehmen, wenn ein Beklagter während eines Rechtsstreits zahlt, jedoch den Rechtsstreit unvermindert fortsetzt (BGHZ 139, 357), etwa, weil es sich lediglich um eine Zahlung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung handelt (BeckOK BGB/Dennhardt, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 362 Rn. 48) oder er sich zur Vermeidung eines „empfindlichen Übels“ zur Zahlung gezwungen sieht (BGH, NJW 2003, 2014, 2017).

Grundsätzlich ist im Krankenhausvergütungsrecht eine ausdrückliche Erklärung eines Vorbehalts der Krankenkasse nicht erforderlich, da die Zahlung innerhalb der vorgegebenen Zahlungsfristen letztlich immer konkludent unter Vorbehalt steht, ein Vorbehalt ihr immanent ist und ein Erstattungsanspruch der Krankenkasse selbst auf eine vorbehaltlos, aber zu Unrecht gezahlte Vergütung besteht (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2020 - B 1 KR 21/20R -, juris Rn 34; BSG, Urteil vom 20. Januar 2021 - B 1 KR 31/20 R -, juris Rn 34), es sei denn, dass die Krankenkasse positiv gewusst hat, dass sie zur Leistung nicht verpflichtet war (BSG, Urteil vom 9. April 2019 - B 1 KR 3/18 R -, juris Rn 31 mwN). Infolge des kompensatorischen Beschleunigungsgebotes (vgl. BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 - B1 KR 6/16) muss die Krankenkasse nämlich zahlen, auch wenn die Schuld noch nicht nachgewiesen ist. Das Regel-Ausnahmeverhältnis ist gerade umgekehrt wie im Zivilrecht (Filges, NZS 2021, 584, 587). Es besteht aber auch kein Hinweis, dass das Bestehen des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses vermutet werden soll und die Krankenkasse die Beweislast treffen soll (Filges, NZS 2021, 584, 587). Denn die im kompensatorischen Beschleunigungsgebot zum Ausdruck kommende Verpflichtung ist gerade auf die zügige Zahlung der Vergütung und damit auf die Erfüllung der Forderung gerichtet und nicht auf die Zurverfügungstellung eines Darlehens an die Krankenhäuser (Filges, NZS 2021, 584, 588). So hat das BSG etwa auch im vertragszahnärztlichen Bereich Abschlagszahlungen als vorzeitige Erfüllung gewertet, obwohl ein endgültiger Honoraranspruch zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bestand (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2014 - B 6 KA 45/13 -, juris Rn 34). Nach dem Gesamtzusammenhang der Regelungen ist der Vorbehalt vielmehr als Zahlung unter einer aufschiebenden Bedingung zu qualifizieren. Nimmt das Krankenhaus die unter Vorbehalt erbrachte Zahlung entgegen (und erklärt damit die konkludente Annahme der Leistung) unterwirft es sich dem Vorbehalt. Der Vorbehalt verhindert nicht die Erfüllung des Vergütungsanspruchs, der durch Erfüllung erlischt (Filges, NZS 2021, 584, 588).

Da die Beklagte hier ausdrücklich die Zahlung der Rechnung für die Behandlung des Versicherten am 28. Mai 2018 begehrt und nicht die Bezahlung der unstrittigen zur Aufrechnung gestellten Forderung ist diese mit der Zahlung nach dem oben aufgeführten erloschen.

3. Nur ergänzend führt das Gericht aus, dass auch bei der Geltendmachung der unstreitigen aufgerechneten Forderung die Widerklage keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, da dieser Anspruch verjährt gewesen wäre. Die Klägerin hat einen Anspruch der Beklagten aufgrund einer Behandlung aus dem Jahr 2019 im April 2019 verrechnet. Nach § 109 Abs. 5 S. 1 SGB V verjähren Ansprüche auf Vergütung der Krankenhäuser in zwei Jahren, nach dem die Ansprüche entstanden sind. Ein im Jahr 2019 entstandener Vergütungsanspruch der Beklagten gegenüber der Klägerin verjährte damit mit Ablauf des 31. Januar 2021. Da die Widerklage erst im Jahr 2022 am Sozialgericht Potsdam erhoben wurde, war der Anspruch auch verjährt.

Die Verjährung ist auch nicht durch ein Verhandeln gemäß § 203 BGB gehemmt worden. Der Begriff „Verhandlungen“ ist zwar weit zu fassen, BGH NJW-RR 2010, 976 f.; BGH NJW 2020, 3653, 3655 Rn. 28). Das Verhandeln muss den Anspruch oder anspruchsbegründende Umstände betreffen. Verhandlung ist daher jeder ernsthafte Meinungsaustausch über den Anspruch und seine tatsächlichen Grundlagen (BGH NJW 2020, 3653, 3655 Rn. 28) zwischen den Beteiligten. Hier haben die Beklagte und die Klägerin aber nicht über die unstreitige nunmehr verjährte Forderung verhandelt, sondern es wurde kommuniziert über die streitige Forderung. Darüber hinaus konnte durch ein mögliches Verhandeln – was die Kammer allein aufgrund der Anfrage der Beklagten und der eindeutigen Absage des Klägermitarbeiters, zu irgendeiner Fragestellung Auskunft geben zu können, nicht erkennen kann –am 19. und 20. Januar 2022 keine Verjährung mehr gehemmt werden, da diese bereits mit Ablauf des 31. Dezember 2021 eingetreten war.

4. Die Beklagte hat auch keinen Anspruch auf eine Aufwandspauschale nach § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V, da die Prüfung durch die Klägerin nicht zu Unrecht erfolgt ist und es zu einer Versagung des Anspruchs im Sinne einer Minderung kam.

III. Die hilfsweise erklärte Aufrechnung (Eventualaufrechnung) mit der Klageforderung ist mit der Maßgabe, dass sie nur erklärt wird, wenn die Widerklage keinen Erfolg hat, nicht zulässig. Eine hilfsweise Aufrechnung ist nur als innerprozessuale Bedingung möglich, wenn die vorrangigen Einwendungen gegen einen Anspruch nicht durchgreifen. Die Aufrechnung unter einer außerprozessualen Bedingung, etwa der, dass die Gegenforderung erst noch geltend gemacht wird, ist wegen Verstoß gegen das grundsätzlichen Gebot der Unbedingtheit nicht zulässig und damit auch ohne materiell-rechtliche Wirkungen (Anders/Gehle/Gehle, 82. Aufl. 2024, ZPO § 322 Rn. 156; NK-BGB/Bernd Wermeckes, 4. Aufl. 2021, BGB § 387 Rn. 54).

Hier hat die Beklagte die Aufrechnung mit der Klageforderung nicht für den Fall erklärt, dass ihre Einwendungen nicht durchgreifen, sondern für den Fall, dass ihr eigenes Angriffsmittel – die Widerklage – erfolglos bleibt. Insofern handelt es sich nicht um eine innerprozessuale Bedingung, da die Widerklage eine selbständige Klage mit einem eigenen Anspruch ist (BeckOGK/Müller, 1.11.2023, SGG § 100 Rn. 5). Durch die Verbindung von Klage und Widerklage wird auch nicht die Eventualaufrechnung in das Klageverfahren eingeführt. Dies zeigt sich bereits an der Möglichkeit der Abtrennung der Widerklage von der Klage. Die Trennung von Klage und Widerklage ist grundsätzlich jederzeit möglich. Nach einer Trennung kann aber die Bedingung, dass die Aufrechnung gegen eine anderweitig geltend gemachte Klageforderung – hier die Klageforderung der Klägerin – erst mit Nichtbestehen der Widerklageforderung greifen soll, deutlich nicht mehr als innerprozessual anerkannt werden.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).