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Begnadigung, Bundespräsident, Bundespräsidialamt, presserechtlicher Auskunftsanspruch, Verwaltungshandeln im funktionalen Sinn


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 04.04.2024
Aktenzeichen OVG 6 B 18/22 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0404.OVG6B18.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Art 60 Abs 2 GG, Art 60 Abs 3 GG, Art 5 Abs 1 Satz 2 GG, Art 10 EMRK

Leitsatz

Die Ausübung des Gnadenrechts gemäß Art. 60 Abs. 2 und Abs. 3 GG stellt kein Verwaltungshandeln im funktionalen Sinn dar. Sie wird vom presserechtlichen Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht umfasst.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Aussetzung, hilfsweise Ruhendstellung des Verfahrens wird abgelehnt.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Oktober 2022 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Auskunft über Begnadigungen durch den Bundespräsidenten.

Er ist Projektleiter eines Vereins, der ein Internet-Portal zur Förderung der Informationsfreiheit betreibt. Daneben gibt er an, als freier Journalist tätig zu sein.

Am 4. Mai 2021 erbat der Kläger per E-Mail von der Pressestelle des Bundespräsidialamtes eine Übersicht sämtlicher Begnadigungen durch den Bundespräsidenten in den Jahren 2004 bis 2021 mit den Namen der begnadigten Personen, dem Aktenzeichen der rechtskräftig abgeschlossenen Strafsache, Disziplinarsache oder Ehrengerichtssache, auf die sich die Begnadigung bezieht, der der Straf-, Disziplinar- oder Ehrengerichtssache zugrundeliegenden Verfehlung und dem Datum der Begnadigung.

Die Beklagte lehnte das Auskunftsersuchen mit Bescheid vom 11. Mai 2021 ab.

Dagegen hat der Kläger am 7. September 2021 Klage bei dem Verwaltungsgericht Berlin erhoben. Mit Urteil vom 14. Oktober 2022 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren teilweise eingestellt, im Übrigen die Klage abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch des Klägers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG scheitere daran, dass schon dessen Anwendungsbereich nicht eröffnet sei. Denn bei der Ausübung des Begnadigungsrechts durch den Bundespräsidenten gemäß Art. 60 Abs. 2 GG handele es sich nicht um Verwaltungshandeln, sondern um eine „Gestaltungsmacht besonderer Art“. Aus dem Wortlaut des Art. 60 Abs. 3 GG, der im Zusammenhang mit der Delegationsbefugnis „andere Behörden" erwähne, sowie aus der Delegierbarkeit der Begnadigungsbefugnis, von der der Bundespräsident auch Gebrauch gemacht habe, folge nichts anderes. Das Begnadigungsrecht stehe weder dem Bundespräsidenten noch etwaigen Delegataren zu, sondern dem Bund. Damit spiegele es die Abkehr von der Vorstellung eines persönlichen (Vergebungs-)Rechts des Monarchen wider. Diejenigen Behörden, an die die Ausübung der Begnadigung delegiert werde, seien nach dem funktionalen Behördenbegriff keine Behörden. § 5 i.V.m. § 18 Abs. 2 und 4 des Staatsvertrags zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland (im Folgenden: Medienstaatsvertrag) ergäben nichts anderes. Die Vorschriften seien schon aufgrund der entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes vorliegend nicht anwendbar. Auch aus Art. 10 EMRK folge nichts anderes. Demnach könne dahinstehen, ob der Kläger zu den auskunftsberechtigten Personen gehöre, die begehrte Information vorhanden sei oder berechtigte schutzwürdige Interessen Privater entgegenständen.

Gegen das ihm am 14. November 2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Dezember 2022 Berufung eingelegt und diese rechtzeitig begründet. Er macht zur Begründung im Wesentlichen geltend, der Anwendungsbereich des presserechtlichen Auskunftsanspruchs sei eröffnet. Die Ausübung des Gnadenrechts sei als Verwaltungshandeln einzuordnen. Soweit das Verwaltungsgericht diese als „Gestaltungsmacht besonderer Art“ ansehe, verfestige es einen Fremdkörper, anstatt eine „verfassungsrechtliche Erdung“ vorzunehmen. Die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen lägen schon gut 60 Jahre zurück. In dieser Zeit hätten sich sowohl die rechtliche Diskussion über das Begnadigungsrecht als auch die gesellschaftlichen Verhältnisse weiterentwickelt. Inzwischen habe eine Verrechtlichung der Gnade stattgefunden. Der Bundespräsident werde im Rahmen von Gnadenentscheidungen nicht als Verfassungsorgan tätig, sondern er greife als Exekutive in die rechtsprechende Gewalt in Form materiell-rechtlichen Verwaltungshandelns ein. Diese Ansicht werde mittlerweile von gewichtigen Stimmen in der Kommentarliteratur geteilt. Zwar sei der presserechtliche Auskunftsanspruch direkt aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG im Hinblick auf materielle Verwaltungstätigkeit von Bundesbehörden entwickelt worden. Aber es gäbe in der Rechtsprechung bisher keine Aussage dazu, ob diesem auch Tätigkeiten sui generis unterfielen. Das Verwaltungsgericht habe die Chance verpasst, mit dem Gnadenrecht eine monarchistische Hinterlassenschaft in einer modernen Demokratie verfassungsrechtlich neu einzusortieren bzw. verfassungskonform auszulegen. Das Gnadenrecht als „Gestaltungsmacht besonderer Art“ könne durch den Bundespräsidenten willkürlich und missbräuchlich ausgeübt werden und seine Entscheidungen seien nicht einmal justiziabel. Damit wäre die Medien-Öffentlichkeit die letzte demokratische Kontrollinstanz. Transparenz und kritische Begleitung durch die Presse seien in einer rechtsstaatlichen Demokratie im Bereich der Begnadigungen umso mehr geboten, wenn es ansonsten an rechtsstaatlicher Kontrolle fehle. Für diese Rechtsauffassung spreche dem Wortlaut nach auch die Delegationsbefugnis in Art. 60 Abs. 3 GG. Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgegangen sei, dass auch gegenüber den Behörden, an die der Bundespräsident das Begnadigungsrecht delegiert habe, kein Auskunftsanspruch bestehe, schaffe es damit zu Unrecht neue auskunftsfreie Räume selbst gegenüber anderen Behörden im organisatorisch-verwaltungstechnischen Sinn. Es bestehe eine Parallele zu presserechtlichen Auskunftsansprüchen bezüglich Gerichtsentscheidungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in anonymisierter Form zugänglich zu machen seien, was eine Tätigkeit der Verwaltung darstelle. Selbst wenn man in der Ausübung des Gnadenrechts keine Verwaltungstätigkeit des Bundespräsidenten sähe, sei die anschließende Ergebnisdokumentation eine Verwaltungsaufgabe. Dies habe das Verwaltungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die begehrten Informationen nicht verfügbar seien, da diese aufbereitet und zusammengestellt werden könnten. Die pauschale Verweigerung der Beklagten wegen schutzwürdiger Interessen der Begnadigten überzeuge nicht, da mindestens im Einzelfall eine Abwägung vorzunehmen sei und ggf. die Namen einzelner Betroffener geschwärzt werden könnten. Schließlich bestehe auch ein Anspruch des Klägers aus Art. 10 EMRK. Vor dem Hintergrund des vor dem EGMR anhängigen Verfahrens Müller-Neuhof v. Germany – 47935/19 – sei das vorliegende Verfahren in analoger Anwendung von § 94 VwGO auszusetzen, hilfsweise ruhend zu stellen.

Der Kläger beantragt,

1. das Verfahren bis zu einer Entscheidung des beim EGMR anhängigen Verfahrens Jost Müller-Neuhof v. Germany (47935/19) auszusetzen, hilfsweise ruhend zu stellen,

2. das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14.10.2022, Az. 27 K 285/21, dem Kläger und Berufungskläger zugestellt am 14.11.2022, zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen zu sämtlichen Begnadigungen durch den Bundespräsidenten in den Jahren 2004 bis 2021 durch Zurverfügungstellung einer Übersicht, aus der die Namen der begnadigten Person; das Aktenzeichen der rechtskräftig abgeschlossenen Straf-, Disziplinar- oder Ehrengerichtssache (vgl. Art. 1 der Anordnung des Bundespräsidenten über die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes), auf die sich die Begnadigung bezieht; die der Straf-, Disziplinar- oder Ehrengerichtssache zugrundeliegende Verfehlung (Straftatbestand etc.) sowie das Datum der Begnadigung hervorgeht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die – soweit erheblich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts gewesen sind.

Entscheidungsgründe

I. Das Verfahren ist weder auszusetzen noch ruhend zu stellen.

1. Die von dem Kläger beantragte Aussetzung des Verfahrens analog § 94 VwGO im Hinblick auf das vor dem EGMR anhängige Verfahren Müller-Neuhof v. Germany – 47935/19 (vgl. zu dem zugrundeliegenden Verfahren: BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – BVerwG 7 C 6.17 – juris; zur analogen Anwendbarkeit von § 94 VwGO: OVG Bremen, Beschluss vom 3. Dezember 2018 – 1 LA 330/16 – juris Rn. 4) ist nicht geboten. Die Entscheidung im hiesigen Verfahren hängt nicht vom Ausgang des genannten Verfahrens vor dem EGMR ab, weil eine Auskunft über die Ausübung verfassungsrechtlicher Befugnisse des Bundespräsidenten dort kein Gegenstand ist. Weiter steht Art. 10 EMRK innerstaatlich im Rang unter dem Grundgesetz, wenn auch die Bestimmungen des Grundgesetzes völkerrechtsfreundlich auszulegen sind (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2333/08 u.a. – juris Ls. 2a). Auch ist von dem genannten Verfahren 47935/19 keine Klärung aller hier entscheidungserheblichen Fragen zu erwarten, denn für einen Auskunftsanspruch des Klägers kommt es neben der Frage, ob der EGMR bezüglich der Reichweite des Auskunftsanspruchs aus Art. 10 Abs. 1 EMRK zwischen Behördenhandeln und Verfassungshandeln differenzieren wird, auch darauf an, ob der Kläger ein Pressevertreter ist, die begehrten Informationen bereit sind und ob Rechte anderer i.S.v. Art. 10 Abs. 2 EMRK entgegenstehen.

2. Für eine Ruhendstellung des Verfahrens gemäß § 173 Satz 1 VwGO, § 251 Satz 1 ZPO fehlt es an einem Antrag der Beklagten.

II. Die fristgerecht begründete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die begehrte Auskunft.

Ein Anspruch des Klägers aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG besteht nicht (1.). Weiter ergibt sich ein solcher Anspruch weder aus § 5 i.V.m. § 18 Abs. 2 und Abs. 4 Medienstaatsvertrag (2.) noch aus Art. 10 EMRK (3.).

1. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht vorliegend den Anwendungsbereich des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als nicht eröffnet angesehen. Bezüglich der Voraussetzungen des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffende Darstellung auf Seite 6-7 des verwaltungsgerichtlichen Urteils (VG 27 K 285/21 – juris Rn. 18 ff.; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29. November 2016 – OVG 6 B 84.15 – juris Rn. 17). Die Ausübung des Begnadigungsrechts durch den Bundespräsidenten fällt nicht in den Anwendungsbereich des Auskunftsanspruchs aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

Nach Art. 60 Abs. 2 GG übt der Bundespräsident im Einzelfalle für den Bund das Begnadigungsrecht aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht das Begnadigungsrecht in der Befugnis, im Einzelfall eine rechtskräftig erkannte Strafe ganz oder teilweise zu erlassen, sie umzuwandeln oder ihre Vollstreckung auszusetzen; es eröffnet die Möglichkeit, eine im Rechtsweg zustande gekommene und im Rechtsweg nicht mehr zu ändernde Entscheidung auf einem „anderen“, „besonderen“ Weg zu korrigieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. April 1969 – 2 BvR 552/63 – juris Rn. 27). Bei der Ausübung dieses Rechts handelt der Bundespräsident nicht als Verwaltungsbehörde, sondern als Verfassungsorgan (so bereits BVerwG, Urteil vom 8. März 1962 – BVerwG VIII C 185/60 – NJW 1962, 1410 für den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen). Dabei übt er nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine „Gestaltungsmacht besonderer Art“ aus, welche nicht den Sicherungen, den Gewaltenverschränkungen und balancierungen unterliegt, die gewährleisten sollen, dass Übergriffe der Exekutive durch Anrufung der Gerichte abgewehrt werden können. Es handelt sich um eine verfassungsrechtliche Ermächtigung, die es in den Willen bzw. in die persönliche Entscheidungsfreiheit des Ermächtigten stellt, von ihr Gebrauch zu machen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. April 1969 – 2 BvR 552/63 – juris Rn. 33 f. und – hieran festhaltend – Beschluss vom 12. Januar 1971 – 2 BvR 520/70 – juris Rn. 6; Urteil vom 21. Juni 1977 – 1 BvL 14/76 – juris Rn. 186; Beschlüsse vom 4. April 1984 – 1 BvR 1287/83 – juris Rn. 63, vom 3. Juli 2001 – 2 BvR 1039/01 – juris Rn. 2 und vom 26. Oktober 2006 – 2 BvR 1587/06 – juris Rn. 2; BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1982 – BVerwG 2 C 50.80 – juris Rn. 25).

Zu Recht geht das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund davon aus, dass die Ausübung des Gnadenrechts keine materielle Verwaltungstätigkeit darstellt. Der Behördenbegriff des Presserechts ist nicht organisatorisch-verwaltungstechnisch, sondern funktional zu begreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – BVerwG 7 C 6.17 – juris Rn. 15 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. August 2022 – OVG 6 S 37/22 – juris Rn. 13). Funktional handelt es sich bei der Ausübung des Begnadigungsrechts gemäß Art. 60 Abs. 2 GG um verfassungsrechtliches Handeln im Sinne einer „Gestaltungsmacht besonderer Art“, nicht aber um einfachen Gesetzesvollzug. Denn das Begnadigungsrecht ist schon von Verfassungs wegen dadurch gekennzeichnet, dass seine Ausübung keinen normativen Bindungen oder Beschränkungen unterliegt. Der Verfassungsgeber hat den Gesetzgeber auch nicht dazu ermächtigt, die Ausübung des Gnadenrechts auf einfachgesetzlicher Ebene an Voraussetzungen zu knüpfen oder sonst näher auszugestalten.

Die von dem Kläger hiergegen vorgebrachten Einwände führen nicht auf einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.

a) Soweit der Kläger Anstoß an dem vom Bundesverfassungsgericht geprägten Begriff der „Gestaltungsmacht besonderer Art“ nimmt, den näher zu bestimmen das Verwaltungsgericht versäumt habe, führt dies nicht auf eine Eröffnung des Anwendungsbereichs von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Wie die Beklagte zu Recht geltend macht, handelt es sich bei den Gnadenentscheidungen des Bundespräsidenten um spezifisch präsidiale Verfassungsakte mit einer außerhalb ordentlicher Verfahren stehenden verfassungsrechtlichen Befugnis gerade des Staatsoberhaupts, im Einzelfall „Gnade vor Recht“ ergehen zu lassen. Im Unterschied zu materiellem Verwaltungshandeln, bei dem die Ermessensausübung gesetzlich geregelten Einschränkungen unterliegt, einem bestimmten Gesetzeszweck verpflichtet und gerichtlich kontrollierbar ist, fehlt es für Gnadenentscheidungen des Bundespräsidenten an jeglichen normativen Voraussetzungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1982 – BVerwG 2 C 50.80 – juris Rn. 26).

Dies belegt auch die Entstehungsgeschichte der Norm: Historisch geht das Gnadenrecht, das schon in allen Verfassungen der deutschen Staaten des 19. Jahrhunderts und auch in der Verfassung des Kaiserreiches als Prärogative des Monarchen anerkannt war, zurück auf Art. 49 Abs. 1 WRV. Diese hatte das Gnadeninstitut übernommen und das Begnadigungsrecht ohne nähere Umschreibung und Normierung auf das demokratische Staatsoberhaupt übertragen, wodurch allerdings das irrationale Element aus der Zeit des Gottesgnadentums, das in einer modernen demokratischen Gesellschaft keinen Platz haben kann, entfallen ist (BVerfG, Beschluss vom 23. April 1969 – 2 BvR 552/63 – juris Rn. 25 und Rn. 28-30). Entsprechend sind Gnadenentscheidungen der gerichtlichen Kontrolle entzogen. Dieser besondere Charakter und der historische Hintergrund der Gnadenentscheidung rechtfertigen es auch aus heutiger Sicht, sie als „Gestaltungsmacht besonderer Art“ zu betrachten, zumal in der Literatur keine Einigkeit über die Rechtsnatur der Ausübung des Begnadigungsrechts besteht (vgl. Fink, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 60 Rn. 29). An diese Auslegung des Art. 60 GG ist der Senat gebunden (vgl. § 31 Abs. 1 BVerfGG).

Der vermeintliche Widerspruch, den der Kläger in der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung darin sieht, dass das Gnadenrecht nach dessen Ausführungen nicht dem Bundespräsidenten im Sinne einer eigenen Rechtsinhaberschaft, sondern in Abkehr von der überkommenen Vorstellung eines persönlichen Vergebungsrechts des Monarchen dem Bund zustehe, was aus der Sicht des Klägers dagegen spreche, dass es sich dabei um einen besonders herausgehobenen präsidialen Akt handeln könnte, besteht nicht. Zu Recht verweist die Beklagte darauf, dass diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts so zu verstehen seien, dass der Bundespräsident das Gnadenrecht in Abkehr von Vorstellungen des Gottesgnadentums historischer Herrscher gerade nicht in selbstherrlicher Weise ausübe, sondern als republikanisches Verfassungsorgan auch sein Gnadenrecht vom Volk als souveränem Träger aller Staatsgewalt ableite, was sich indes weniger aus Art. 60 Abs. 2 GG, sondern aus Art. 20 Abs. 2 GG ergebe. Dagegen sei die Gnadenausübung „für den Bund“ gemäß Art. 60 Abs. 2 GG lediglich als Vorschrift zur Abgrenzung föderaler Befugnisse zwischen Bundes- und Länderebene zu verstehen, die die Reichweite des Gnadenrechts des Bundespräsidenten begrenze (so auch von Arnauld, in: von Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 60 Rn. 22).

b) Der Einwand des Klägers, seit der maßgeblichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1969 hätten sich die gesellschaftlichen Verhältnisse und Kontexte verändert, betrifft jedenfalls nicht die hier interessierende Verfassungsnorm des Art. 60 Abs. 2 und Abs. 3 GG, denn diese ist unverändert geblieben. Die verfassungspolitische Diskussion in der Literatur, auf die der Kläger verweist, hat den Verfassungsgeber, aber auch den Bundesgesetzgeber bisher nicht veranlasst, die vom Kläger gewünschte „verfassungsrechtliche Erdung“ des Gnadenrechts vorzunehmen. Dieses unterliegt vielmehr nach wie vor keinen verfassungsrechtlichen oder einfachgesetzlichen Einschränkungen. Das Gnadenrecht bedarf daher, anders als es der Kläger suggeriert, vor dem Hintergrund der Staatsstrukturprinzipien von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auch keiner „Rechtfertigung“. Denn diese Prinzipien stehen, worauf die Beklagte mit Recht hinweist, verfassungsrechtlich auf derselben Stufe wie das Gnadenrecht.

Der Verweis des Klägers auf eine zwischenzeitlich seiner Meinung nach erfolgte Verrechtlichung des Gnadenrechts führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Kläger legt nicht näher dar, wo und wie sich diese Verrechtlichung manifestiert haben soll. Die Problematik der Begnadigungspraxis im Kontext der Verfassungsmäßigkeit der lebenslangen Freiheitsstrafe ist seit dem Jahr 1977 geklärt (vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Juni 1977 – 1 BvL 14/76 – juris). Soweit die Rechtsprechung den nachträglichen Widerruf eines positiven Gnadenerweises ausnahmsweise als der gerichtlichen Kontrolle gemäß Art. 19 Abs. 4 GG unterworfen ansieht, verweist die Beklagte mit Recht darauf, dass sich dies einzig mit dem durch den Begnadigten im Nachgang der Gnadenentscheidung erworbenen schutzwürdigen Vertrauen in deren Fortbestand rechtfertige (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1971 – 2 BvR 520/70 – juris Rn. 7). Diese von der Rechtsprechung angenommene Möglichkeit, einen Widerruf einer positiven Gnadenentscheidung gerichtlich zu kontrollieren, führt aber nicht dazu, dass die Gnadenentscheidung als solche rechtlichen Einschränkungen unterläge. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass der Fall des Widerrufs eines gewährten Gnadenerweises einer anderen Beurteilung – als die der Ausübung des Gnadenrechts – unterliege (BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1971 – 2 BvR 520/70 – juris Rn. 5).

c) Aus dem Wortlaut des Art. 60 Abs. 3 GG, wonach der Bundespräsident die Befugnis des Begnadigungsrechts gemäß Art. 60 Abs. 2 GG auf „andere Behörden“ übertragen kann, sowie aus der Delegierbarkeit der Begnadigungsbefugnis an sich, von der der Bundespräsident auch Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 2 GnadenAnO), folgt nichts anderes (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 23. April 1969 – 2 BvR 552/63 – juris Rn. 36; a.A.: Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: März 2023, § 40 VwGO, Rn. 121). Es handelt sich um eine in der Verfassung selbst angelegte Gestattung gegenüber „anderen Behörden“, eine staatsleitende Befugnis wahrzunehmen, die jedoch – entgegen des missglückten Wortlauts – nicht die Ausübung des Gnadenrechts von einer allein verfassungsrechtlich begründeten „Gestaltungsmacht besonderer Art“ in einfaches materielles Verwaltungshandeln verwandelt. Denn diejenigen „Behörden“, an die die Ausübung der Begnadigungsbefugnis delegiert wird, sind nach dem funktionalen Behördenbegriff, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, jedenfalls bei deren Ausübung keine Behörden. Vor diesem Hintergrund geht auch das klägerische Argument, Bundesminister, denen nach Art. 2 GnadenAnO die Ausübung des Begnadigungsrechts des Bundes übertragen worden sei, seien als Bundesbehörden ohne Weiteres dem presserechtlichen Auskunftsanspruch ausgesetzt, fehl. Obwohl oberste Bundesbehörden grundsätzlich zu den Auskunftsverpflichteten gehören können, handeln sie bei der Ausübung der an sie gemäß Art. 60 Abs. 3 GG delegierten Begnadigungsbefugnis nicht als Behörden im funktionalen Sinn. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers wird dadurch kein neuer auskunftsfreier Bereich geschaffen. Damit trifft auch der klägerische Einwand nicht zu, der Bundespräsident könne durch Delegation die Reichweite des presserechtlichen Auskunftsanspruchs bestimmen.

Vor diesem Hintergrund ist auch der Bundespräsident selbst keine „andere Behörde“ im Sinne des materiellen Verwaltungshandelns.

d) Nichts anderes ergibt sich aus der von dem Kläger gezogenen Parallele zu Auskunftsansprüchen bezüglich Gerichtsentscheidungen. Soweit er sich darauf beruft, es sei in der Rechtsprechung lange anerkannt, dass diese der Presse in anonymisierter Form zugänglich zu machen seien, und die Veröffentlichung bzw. das Zugänglichmachen von Gerichtsentscheidungen stelle keine Rechtsprechungstätigkeit, sondern Verwaltungshandeln dar, folgt daraus nicht, dass die an die Ausübung des Gnadenrechts anschließende, vom Kläger so bezeichnete Ergebnisdokumentation eine Verwaltungsaufgabe des Bundespräsidenten oder des Bundespräsidialamtes wäre. Zum einen liegt schon kein Parallelfall zu Gerichtsentscheidungen vor. Denn die Pflicht zu deren Veröffentlichung wurde vom Bundesverfassungsgericht damit begründet, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz selbst Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips sei und eine Rechtspflicht zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen allgemein anerkannt sei (BVerfG, Beschluss vom 14. September 2015 – 1 BvR 857/15 – juris Rn. 16 m.w.N.). Dagegen gilt, wie die Beklagte zu Recht geltend macht, der Öffentlichkeitsgrundsatz nicht für das „interne“ Gnadenverfahren, das keine justizförmigen Garantien kennt (vgl. BVerfG, Urteil vom 21. Juni 1977 – 1 BvL 14/76 – juris Rn. 194). Auch besteht keine Rechtspflicht zur Veröffentlichung von Gnadenentscheidungen. Denn diese haben keine Bedeutung für das allgemeine Rechtsleben, weil sie keine Rechtsvorschriften konkretisieren oder fortbilden. Weiter ist das Handeln der Judikative zwar Ausdruck der ihr durch Art. 92 GG übertragenen rechtsprechenden Gewalt. Aber die Rechtsprechung per se ist, worauf sich die Beklagte zu Recht beruft, nicht mit der staatsleitenden „besonderen Gestaltungsmacht“ des Begnadigungsrechts vergleichbar. Jedenfalls für derartige unmittelbar den obersten Verfassungsorganen vorbehaltene spezifische Verfassungsbefugnisse besteht ein strikter und umfassender Zusammenhang zwischen der Verfassungsbefugnis selbst und der damit verbundenen Aktenführung bzw. Ergebnisdokumentation, der auch im Nachgang der Ausübung, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, einem presserechtlichen Auskunftsrecht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eine Grenze setzt (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 2018 – BVerwG 7 C 6.17 – juris Rn. 17 und vom 16. März 2016 – BVerwG 6 C 65.14 – juris Rn. 14).

e) Die Auffassung des Klägers, es gäbe in der Rechtsprechung bisher keine Aussage dazu, ob dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch Tätigkeiten sui generis, also Nicht-Verwaltungstätigkeiten im materiellen Sinn, unterfielen, trifft so nicht zu. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass ein Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG allein gegenüber Bundesbehörden im funktionalen Sinn geltend gemacht werden kann. Denn die landespressegesetzlichen Auskunftsansprüche, denen der unmittelbar in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gründende Auskunftsanspruch auf der Bundesebene entspricht, sind auf das Handeln von Behörden beschränkt, wobei auch hier der funktionale Behördenbegriff materiellen Verwaltungshandelns heranzuziehen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2018 – BVerwG 7 C 6.17 – juris Rn. 14-16). Das Bundesverfassungsgericht geht offenbar immerhin davon aus, dass ein so verstandener Auskunftsanspruch auf Bundesebene, der den gesetzlichen Regelungen auf Länderebene entspricht, verfassungsgemäß ist. Bisher hat es allerdings offengelassen, ob ein Auskunftsanspruch unter Rückgriff auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden kann und wie weit dieser gegebenenfalls reicht. Aber es hat eine Verletzung der Pressefreiheit jedenfalls dann verneint, solange die Fachgerichte den Presseangehörigen im Ergebnis einen Auskunftsanspruch einräumen, der hinter dem Gehalt der untereinander im Wesentlichen inhaltsgleichen Auskunftsansprüche der Landespressegesetze nicht zurückbleibe (BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2015 – 1 BvR 1452/13 – juris Rn. 12). Dies ist auch hier der Fall.

f) Der Einwand des Klägers, es bestehe ein, wie er selbst in der mündlichen Verhandlung formulierte, politisches Bedürfnis, unter den Auskunftsanspruch gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch Tätigkeiten sui generis zu fassen, weil das Gnadenrecht als „Gestaltungsmacht besonderer Art“ durch den Bundespräsidenten willkürlich und missbräuchlich ausgeübt werden könne und die Medien-Öffentlichkeit damit die „letzte demokratische Kontrollinstanz“ sei, führt nicht auf einen Anspruch. Denn es fehlt nach wie vor an einem verfassungsrechtlichen oder einfachgesetzlichen normativen Maßstab, an dem Willkür oder Missbrauch bei der Ausübung des Gnadenrechts zu messen wären. Etwaige Missbräuche hat der Verfassungsgeber vielmehr der politischen Verantwortlichkeit der Verfassungsorgane überantwortet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. April 1969 – 2 BvR 552/63 – juris Rn. 33 und Rn. 37). Deshalb kann dahinstehen, ob die Begnadigungstätigkeit des Bundespräsidenten, wie der Kläger meint, vorrangig Taten und Täter von besonderem Gewicht wie z.B. Staatsschutzdelikte oder prominente Bundesbeamte betrifft (vgl. hierzu Herzog, der die weitaus größte Bedeutung aktuell und auch zukünftig für den Bereich der Disziplinarentscheidungen sieht, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand: August 2023, Art. 60 Rn. 34).

Die Rüge des Klägers in diesem Zusammenhang, das Verwaltungsgericht habe die Chance verpasst, mit dem Gnadenrecht eine monarchistische Hinterlassenschaft in einer modernen Demokratie verfassungsrechtlich neu einzusortieren bzw. verfassungskonform auszulegen, stellt vorrangig ein rechtspolitisches Begehren dar, das auf ein Tätigwerden des Verfassungs- oder Bundesgesetzgebers abzielen mag. Den Gerichten ist es jedoch verwehrt, sich an die Stelle des Verfassungs- oder Gesetzgebers zu setzen. Soweit es dem Kläger um eine verfassungskonforme Auslegung geht, ist allerdings aus der Aussage des Bundesverwaltungsgerichts, dass der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch in seinem materiell-rechtlichen Gehalt nicht hinter dem Inhalt der durch die Landesgesetzgeber normierten presserechtlichen Auskunftsansprüche zurückbleiben dürfe (BVerwG, Urteil vom 16. März 2016 – BVerwG 6 C 65.14 – juris Rn. 17), nicht, wie der Kläger annimmt, im Umkehrschluss abzuleiten, dass der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch wegen der Kontrollfunktion, die der Presse in der Demokratie zukommt, über die in den Landespressegesetzen normierten Auskunftsansprüche hinausgehen dürfe oder gar müsse. Einen solchen Auskunftsanspruch der Presse sui generis gegenüber Bundesbehörden unabhängig von materiellem Verwaltungshandeln bezüglich der Begnadigungen des Bundespräsidenten zu schaffen, hieße für die Gerichte die im GG, im VwVfG und im IFG deutlich gewordenen Entscheidungen des Verfassungs- und Gesetzgebers zu unterlaufen. Bereits der historische Gesetzgeber des VwVfG sah die Ausübung des Gnadenrechts nicht als Verwaltungstätigkeit an (Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 1 Rn. 194 f.). Der IFG-Gesetzgeber betrachtete Gnadenentscheidungen des Bundespräsidenten ebenfalls ausdrücklich nicht als Verwaltungstätigkeit (BT-Drs. 15/4493, S. 8).

Soweit der Kläger annimmt, das Bundesverwaltungsgericht fordere grundsätzlich eine Abwägung des Informationsinteresses mit den gegenläufigen Interessen im Einzelfall, ergibt sich daraus keine Erweiterung des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs auf Verfassungsakte durch Verfassungsorgane. Die vom Kläger angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betraf einen gegen eine Behörde, nämlich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, gerichteten Auskunftsanspruch. Das vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte Erfordernis einer Abwägung im Einzelfall, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den Anspruch auf Auskunft ausschließen (BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2020 – BVerwG 10 C 18.19 – juris Rn. 28), wäre vorliegend nur relevant, wenn der Anwendungsbereich des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs überhaupt eröffnet wäre. Dies ist jedoch bei der Ausübung des Begnadigungsrechts durch den Bundespräsidenten mangels einer behördlichen Handlungsqualität im funktionalen Sinn nicht der Fall.

g) Nach alledem bedarf es keiner Entscheidung, ob der Kläger zu dem auskunftsberechtigten Personenkreis gehört, ob die begehrten Informationen vorhanden sind oder es sich um einen Informationsverschaffungsanspruch handelt (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 9. November 2023 – BVerwG 10 A 2.23 – juris Rn. 14) und ob die Verletzung schutzwürdiger Interessen Privater zu befürchten ist (vgl. zu Personalaktendaten: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2019 – OVG 6 S 19.19 – juris Rn. 20 ff.).

2. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht einen Auskunftsanspruch des Klägers aus § 5 i.V.m. § 18 Abs. 2 und 4 Medienstaatsvertrag verneint. Die Vorschriften sind als Landesrecht (vgl. nur die Präambel und § 1 des Medienstaatsvertrags) aufgrund der entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes vorliegend nicht anwendbar (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. September 2017 – OVG 11 S 49.17 – juris Rn. 15; VG Berlin, Beschluss vom 21. Juni 2022 – VG 27 L 68/22 – juris Rn. 24). Der Kläger hat hiergegen im Berufungsverfahren keine Bedenken vorgebracht; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.

3. Ein Auskunftsanspruch des Klägers besteht auch nicht aus Art. 10 Abs. 1 EMRK. Aus dieser Vorschrift ergeben sich hier wie regelmäßig auch sonst keine weitergehenden Rechte (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 2019 – BVerwG 6 A 7.18 – juris Rn. 43 m.w.N.). Soweit sich der Kläger auf das Urteil der Großen Kammer des EGMR vom 8. November 2016 (18030/11 Magyar Helsinki Bizottság v. Ungarn, auszugsweise auf Deutsch veröffentlicht in EGMR: Verweigerte Auskunft der Polizei über die Bestellung von Verteidigern, NVwZ 2017, 1843) beruft, folgt daraus nicht, dass das Recht auf Informationszugang aus Art. 10 Abs. 1 EMRK auch für den hier maßgeblichen Fall eines Auskunftsanspruchs auf nicht-behördliche Informationen und gegenüber Verfassungsorganen bei verfassungsrechtlichem Handeln gelten würde. Denn das Urteil des EGMR betraf einen Auskunftsanspruch gegenüber Polizeibehörden wegen der Bestellung von Verteidigern (vgl. Leitsätze Nr. 5 und Nr. 6 der Bearbeiter sowie Sachverhaltsdarstellung und Rn. 65 in EGMR: Verweigerte Auskunft der Polizei über die Bestellung von Verteidigern, NVwZ 2017, 1843).

Nichts anderes folgt aus der von dem Kläger angeführten Entscheidung des EGMR vom 3. März 2020, denn diese betraf Auskünfte zu durch den Ukrainischen Verfassungsgerichtshof in einem dort anhängigen Verfahren eingeholten Rechtsgutachten (vgl. EGMR, Fünfte Sektion, Entscheidung vom 3. März 2020 – 75865/11 Centre for Democracy and the Rule of Law v. Ukraine – BeckRS 2020, 4388). Wie oben bereits ausgeführt, unterscheidet sich der anerkannte Auskunftsanspruch hinsichtlich eines Gerichtsverfahrens, für das das Öffentlichkeitsprinzip gilt, grundlegend von dem „internen“ Gnadenverfahren gemäß Art. 60 Abs. 2 und Abs. 3 GG, für das keine justizförmigen Garantien gelten. Die Rechtsprechung des EGMR zur Funktion von Journalisten als „public watchdog“ zwingt nicht dazu, den Behördenbegriff im Lichte von Art. 10 Abs. 1 EMRK erweiternd auszulegen (vgl. für das IFG: BVerwG, Urteile vom 9. November 2023 – BVerwG 10 C 4.22 – juris Rn. 15 und vom 29. Juni 2017 – BVerwG 7 C 24.15 – juris Rn. 45).

Selbst wenn man mit dem Kläger davon ausginge, dass ein Auskunftsanspruch aus Art. 10 Abs. 1 EMRK auch verfassungsunmittelbares Handeln von Verfassungsorganen einschließen würde, führte dies nicht zu dem begehrten Anspruch. Denn es ist nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass einem dem Grunde nach gemäß Art. 10 Abs. 1 EMRK bestehenden Anspruch nicht die Rechte der von der jeweiligen Gnadenentscheidung Betroffenen i.S.v. Art. 10 Abs. 2 EMRK entgegenzuhalten sind. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die nach innerstaatlichem Recht zum Schutz der Persönlichkeitsrechte vorgesehenen Einschränkungen (Art. 10 Abs. 2 EMRK) bei Beachtung des den Konventionsstaaten zuzubilligenden Beurteilungsspielraums den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes („in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“) nicht genügen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2017 – BVerwG 7 C 24.15 – juris Rn. 45).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist bei dem oben genannten Gericht einzureichen.

Rechtsanwälte, Behörden, juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Vertretungsberechtigte, die über ein elektronisches Postfach nach § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO verfügen, sind zur Übermittlung elektronischer Dokumente nach Maßgabe des § 55d VwGO verpflichtet.

Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. In Angelegenheiten, die ein gegenwärtiges oder früheres Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis betreffen, und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind auch die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 VwGO als Bevollmächtigte zugelassen; sie müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen als Bevollmächtigte nicht vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören.