Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 21.02.2024 | |
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Aktenzeichen | OVG 9 S 5/24 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0221.OVG9S5.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 5 Abs 1 GG, Art 8 Abs 1 GG , § 14 Abs 1 VersFG BE, Art 20 WÜD, Art 22 WÜD |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 20. Februar 2024 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Februar 2024 verfolgt der Antragsteller, Anmelder einer geplanten Versammlung, sein Begehren weiter,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 16. Februar 2024 gegen die Untersagung des Anstrahlens von Gebäudeteilen der Botschaft der Russischen Föderation mithilfe eines Beamers oder ähnlicher technischer Einrichtungen zur Projektion von Bildern und Videos durch Verfügung des Antragsgegners vom 16. Februar 2024 betreffend die Versammlung mit dem Thema „Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, zwei Jahre seit dem Beginn der Vollinvasion“ am Samstag, den 24. Februar 2024, wiederherzustellen.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung der Antragsablehnung im Wesentlichen ausgeführt: Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid der Polizei Berlin vom 16. Februar 2024 genüge den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Weiter überwiege das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers, vorerst von der Vollziehung der Verfügung vom 16. Februar 2024 verschont zu bleiben. Zudem bestehe ein besonderes Vollziehungsinteresse.
Die auf § 14 Abs. 1 VersFG BE gestützte Verfügung erweise sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als materiell rechtmäßig. Die von dem Antragsteller beabsichtigte Projektion von Bildern und Videos auf Gebäudeteile der Botschaft der Russischen Föderation gefährde unmittelbar die öffentliche Sicherheit, weil dadurch die Würde der Mission gemäß Art. 22 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (WÜD) beeinträchtigt werde. Nach dem WÜD treffe den Empfangsstaat die besondere Pflicht, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Räumlichkeiten einer diplomatischen Mission vor jedem Eindringen und jeder Beschädigung zu schützen und um zu verhindern, dass der Friede der Mission gestört oder ihre Würde beeinträchtigt werde. Zwar sei der Empfangsstaat nicht verpflichtet, die Mission vor der Wahrnehmbarkeit von Kritik und entsprechender Meinungsäußerungen zu schützen; friedliche Demonstrationen vor diplomatischen Vertretungen seien grundsätzlich zulässig. Allerdings sei das Erscheinungsbild des Botschaftsgebäudes als Repräsentanz eines Staates bei der Erfüllung diplomatischer Aufgaben essenziell. Darüber hinaus berge das Anstrahlen der Botschaft mit Bildern und Videos die Gefahr, dass der Mission eine von ihr nicht geäußerte oder gebilligte Meinung unzutreffend zugeschrieben werde. Dahinter müsse die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit zurückstehen. Die Untersagung des Anstrahlens stelle nur einen geringfügigen Eingriff in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit dar. Denn der Antragsteller könne wie geplant vor der Botschaft der Russischen Föderation demonstrieren und im öffentlichen Straßenland eine Leinwand aufstellen, auf die er die Bilder und Videos projizieren könne.
Mit seiner Beschwerde bringt der Antragsteller im Wesentlichen vor, die strittige versammlungsrechtliche Auflage sei rechtswidrig. Es fehle an der von § 14 Abs. 1 VersFG BE vorausgesetzten Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Die Würde der Mission im Sinne des Art. 22 Abs. 2 WÜD werde nicht verletzt, wenn das Erscheinungsbild des Botschaftsgebäudes als Projektionsfläche genutzt werde. Art. 20 WÜD verbürge lediglich das Recht der Mission, die Flagge und das Hoheitszeichen des Entsendestaats an den Räumlichkeiten der Mission zu führen. Ein über den Wortlaut des Art. 20 WÜD hinausgehendes Recht auf ungestörte Selbstdarstellung der Mission gebe es nicht. Jedenfalls sei ein etwaiges Recht der Mission auf ungestörte Selbstdarstellung nicht absolut und einer Abwägung mit der Meinungs- und Versammlungsfreiheit entzogen. Bei der danach gebotenen Abwägung gingen die auch völkerrechtlich geschützte Meinungs- und Versammlungsfreiheit vor, nachdem die Projektion nur eine Stunde dauern solle und die Fassade nicht irreversibel verändere. Die Botschaft könne sich dem politischen Diskurs nicht entziehen und müsse sich kritische Meinungskundgaben gefallen lassen. Angesichts der zugleich vor Ort stattfindenden Versammlung und der im Vorfeld stattfindenden Presseberichterstattung bestehe auch nicht die Gefahr, dass die projizierten Bilder als Meinungsäußerung der Botschaft selbst verstanden würden. Die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Botschaft werde ebenfalls nicht tangiert. Die angegriffene Verfügung sei auch ermessensfehlerhaft. Die Meinungs- und Versammlungsfreiheit des Antragstellers überwiege die vermeintliche Beeinträchtigung der Würde der Botschaft. Art. 8 Abs. 1 GG gewähre ein weitgehendes Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung. Die Bürgerinnen und Bürger sollten insbesondere selbst entscheiden können, wo sie ihr Anliegen - gegebenenfalls, aber nicht notwendig auch mit Blick auf Bezüge zu bestimmten Orten oder Einrichtungen - am wirksamsten zur Geltung bringen könnten. Der geplanten Projektion auf das Botschaftsgebäude komme als Mittel der Meinungskundgabe im Zusammenhang mit dem gewählten Datum für die Kontextualisierung der Kriegsbilder eine besondere Bedeutung zu. Die gewählte Modalität der Projektion stehe im Mittelpunkt der Meinungsäußerung. Mit ihr stehe und falle das Kommunikationsanliegen. Eine bloße Projektion auf eine Leinwand neben der Botschaft würde nicht in demselben Kontext stehen, wie die Einbeziehung der Botschaft selbst. Damit werde mit der Untersagung der Projektion faktisch die Versammlung selbst untersagt. Bei all dem komme es nicht darauf an, ob die Versammlungsfreiheit die Freiheit zu einer Versammlung auf dem Botschaftsgelände selbst umfasse. Von grundrechtlich geschützten Versammlungen vor Botschaften gingen regelmäßig verschiedenste Licht- und Geräuschimmissionen auf das Botschaftsgelände aus, ohne dass die Versammlungen dadurch per se unzulässig würden. Die rechtlichen Interessen der Botschaft seien im Übrigen nicht höher zu bewerten als die Interessen eines privaten Unternehmens, das sich kritische Projektionen auf ihre Gebäude ebenfalls gefallen lassen müsse.
Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bejaht. Der Friede - und damit auch die Würde - der russischen Botschaft würden durch die geplante Projektion verletzt. Friede und Würde der Mission lassen sich nicht trennen (Wagner/Raasch/Pröbstl, Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961, überarbeitet von Oelfke, 2018, S. 155). Die Verletzung ergibt sich ohne weiteres daraus, dass der Anmelder der Versammlung die Fassade der Botschaft ohne deren Zustimmung als Projektionsfläche nutzen will. Hierin liegt ein Eingriff in das bürgerlich-rechtliche Eigentum im Sinne des § 903 BGB, wonach der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann. Es geht insoweit auch nicht um eine Bagatelle. Das gilt ungeachtet des Umstandes, dass der Zugang zur Botschaft und die Arbeitsabläufe in der Botschaft mutmaßlich nicht gestört werden, die Fassade selbst nicht in ihrer Substanz verändert und die Projektion nur eine Stunde dauern soll. Denn gerade durch die Nutzung der Fassade als Projektionsfläche soll das Erscheinungsbild der Botschaft verändert werden, wobei auch damit zu rechnen ist, dass Bilder bzw. Videos gefertigt werden, die dauerhaft verbreitet werden können. Um bloße Geräusch- oder Lichtimmissionen auf ein Botschaftsgelände geht es hier nicht.
Die angegriffene Verfügung erweist sich insoweit auch nicht als ermessensfehlerhaft, insbesondere ist sie auch im Lichte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit verhältnismäßig. Das von der Beschwerde angeführte Recht, über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung bestimmen zu können, ist nicht gleichbedeutend damit, Gegenstände dessen, gegen den sich die Versammlung richtet, nach Belieben zu nutzen. Es geht insoweit auch nicht um Kommunikation gegenüber der Botschaft, sondern um Kommunikation unter Inanspruchnahme eines Gegenstandes der Botschaft. Soweit die Beschwerde darin eine unerlässliche Kontextualisierung des Versammlungsanliegens sieht, mit der der Sinn der Versammlung stehe und falle, überzeugt das nicht. Eine solche Kontextualisierung ist auch dann noch hinreichend gegeben, wenn auf der Straße vor dem Botschaftsgebäude die vorgesehenen Bilder und Videos auf einer Leinwand gezeigt werden. Sofern die Beschwerde unter Hinweis auf OLG Dresden, Urteil vom 7. April 2005 - 9 U 263/05 -, juris, Rn. 21, meint, die russische Botschaft müsse sich die Projektion ebenso gefallen lassen, wie ein Privatunternehmen, braucht hier nicht ausgelotet zu werden, was Privatunternehmen hinzunehmen haben. Private Unternehmen stehen nicht unter dem Schutz des Wiener Übereinkommens. Die Unverletzlichkeit des Friedens und der Würde der - durch ihr Staatsoberhaupt und den Leiter ihrer diplomatischen Vertretung repräsentierten - am internationalen völkerrechtlichen Verkehr beteiligten Staaten ist nicht zuletzt auch im Interesse des Empfangsstaats die notwendige unverzichtbare institutionelle Mindestvoraussetzung für das friedliche Zusammenleben der Staaten (VGH München, Beschluss vom 26. Juni 2003 – 24 CS 03.1636 -, juris, Rn. 7).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).