Gericht | VG Potsdam 4. Kammer | Entscheidungsdatum | 20.03.2024 | |
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Aktenzeichen | VG 4 K 2447/20 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2024:0320.4K2447.20.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 54 AO, § 18 Abs 1 GebGBbg, § 18 Abs 3 GebGBbg, § 8 Abs 1 Nr 7 GebGBbg, § 8 Abs 2 Nr 1 GebGBbg, § 8 Abs 2 Nr 6 GebGBbg, § 113 Abs 1 Satz 1 VwGO |
Der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27. August 2020 wird aufgehoben, soweit die darin festgesetzte Gebühr einen Betrag in Höhe von 662,10 Euro übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 3/5 und der Beklagte zu 2/5.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung von Baugenehmigungs- und Widerspruchsgebühren.
Er ist ein altrechtlicher Verein und rechtlich selbstständiges Werk der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Er ist Mitglied des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. und dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland - dem evangelischen Spitzenverband der freien Wohlfahrtspflege - angeschlossen (vgl. § 1 Nr. 3 der Satzung des Klägers).
Am 29. März 2019 beantragte er die Erteilung einer Baugenehmigung „für den Neubau eines Wohngebäudes für eine Wohnanlage für volljährige Menschen mit Behinderungen“. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2019 erteilte der Beklagte die beantragte Baugenehmigung und setzte hierfür eine Gesamtgebühr in Höhe von 6.621,00 Euro fest.
Am 14. Januar legte der Kläger (ausschließlich) gegen die Gebührenfestsetzung Widerspruch ein und begründete ihn im Wesentlichen damit, dass er gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 7 des Gebührengesetzes für das Land Brandenburg (GebGBbg) i.V.m. Art. 7 Abs. 1, Art. 94 Abs. 1 S. 3 der Grundordnung der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz i.V.m. § 1 Nr. 3 Satz 1 der Satzung des Landesausschusses für Innere Mission von Gebühren befreit sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2020, zugestellt am 2. September 2020, wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Nr. 1), legte dem Kläger die Kostentragung für das Widerspruchsverfahren auf (Nr. 2) und setzte für das Widerspruchsverfahren eine Gebühr in Höhe von 5.712,00 Euro fest (Nr. 3). Zur Begründung führte er aus, dass eine Gebührenfreiheit zugunsten des Klägers gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 6 GebGBbg nicht bestehe. Der mit dem Bauvorhaben verfolgte Zweck stelle keine Amtshandlung dar, die unmittelbar der Durchführung kirchlicher Zwecke im Sinne des § 54 der Abgabenordnung (AO) diene. Zwar erfordere § 54 AO nicht, dass sich die Tätigkeit auf den genuin sakralen Bereich beschränke, aber sie müsse für Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts typisch sein. Der Kläger habe weder dargetan noch sei ersichtlich, dass bei der Betreuung volljähriger Menschen mit Behinderungen der spezifisch kirchliche Binnenbereich im Vordergrund stünde. Für die Privilegierung der Kirche bestünde kein sachlicher Anlass, soweit sie Aufgaben erfülle, die in gleicher Weise von anderen – nicht gebührenbefreiten – Organisationen wahrgenommen werden könnten. Der Anwendung stehe auch das Erfordernis der Unmittelbarkeit im Sinne des § 57 AO entgegen, denn es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger den Zweck selbst oder durch eine Hilfsperson erfülle. Die unter Nr. 3 ausgesprochene Widerspruchsgebühr beruhe auf § 18 Abs. 1 Satz 2 GebGBbg. Es sei die gleiche Gebühr wie für die Sachentscheidung zu erheben, wobei - da die Untere Naturschutzbehörde des Beklagten im Widerspruchsverfahren nicht erneut beteiligt gewesen sei - die (Teil-)Gebühr in Höhe von 909,00 Euro nicht in Rechnung zu stellen sei.
Daraufhin hat der Kläger am 1. Oktober 2020 Klage erhoben.
Zur Begründung vertieft er seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Die Betreuung, Begleitung und Pflege von Menschen mit Behinderung sei tief verwurzelt mit dem christlichen Glauben, sodass er, der Kläger, mit dem Bauvorhaben kirchliche Zwecke verfolge. Die ihm und seinen Mitarbeitern anvertrauten Menschen erhielten einen nahen Bezug zum christlichen Glauben auch durch Tischgebete zu den Mahlzeiten sowie Fest-, Tauf- oder Trauergottesdienste. Die Mitarbeiter nähmen an Weiterbildungen teil, um ihren Glauben und ihre Erkenntnisse an die Menschen in den Einrichtungen weiterzugeben. Aufgrund der Annahme, dass die Amtshandlung nach Art. 17 Abs. 1 des Evangelischen Kirchenvertrags Brandenburg unmittelbar der Durchführung kirchlicher Zwecke diene, habe auch das Landesamt für Umwelt bei der Erteilung eines Negativzeugnisses gemäß § 26 des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes, die das Vorkaufsrecht für ein Grundstück auf dem er, der Kläger, beabsichtige, eine gemeinnützige Behindertenwerksatt zu errichten, am 22. Juni 2023 entschieden, dass diese Amtshandlung gebührenfrei sei. Denn die Fürsorge für Kranke und die allgemeine Unterstützung Hilfsbedürftiger sei ein untrennbarer Teil des kirchlichen Auftrags. Der Beklagte habe schließlich verkannt, dass nicht § 18 Abs. 1 GebGBbg, sondern § 18 Abs. 3 GebGBbg für die Festsetzung der Widerspruchsgebühr einschlägig gewesen wäre. Demnach wäre nur eine Gebühr in Höhe von 662,10 Euro festzusetzen gewesen.
Der Kläger beantragt,
die Kostenentscheidung des Bescheides des Beklagten vom 11. Dezember 2019 (Baugenehmigung) zum Aktenzeichen 01835-19-10 und den Widerspruchsbescheid vom 27. August 2020 zum Aktenzeichen W 00262-20-10, zugegangen am 2. September 2020, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Die Beteiligten haben mit den Schriftsätzen vom 22. Juni 2022 ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Die Kammer entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).
Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist sie nicht mangels Durchführung eines Vorverfahrens nach § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO hinsichtlich der im Widerspruchsbescheid festgesetzten Widerspruchsgebühr unzulässig.
Gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Die Widerspruchsgebührenfestsetzung war nicht Gegenstand eines solchen Vorverfahrens. Es liegt jedoch ein Fall des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO vor, in dem die Durchführung eines Vorverfahrens ausnahmsweise entbehrlich ist. Danach bedarf es keiner Nachprüfung, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält. Zwar ergibt sich die Entbehrlichkeit des Vorverfahrens nicht von Gesetzes wegen aus § 25 Abs. 1 des Gebührengesetzes für das Land Brandenburg vom 7. Juli 2009 (GVBl.I/09, [Nr. 11], S.246) zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 10. Juli 2014 (GVBl.I/14, [Nr. 32]) – GebGBbg –. Danach kann die Festsetzung der Gebühren und Auslagen zusammen mit der Sachentscheidung oder selbständig angefochten werden; der Rechtsbehelf gegen eine Sachentscheidung erstreckt sich auch auf die Festsetzung. Die Regelung greift nicht, weil der Kläger nicht gegen die Baugenehmigung, sondern isoliert gegen die Gebührenfestsetzung vorgegangen. Allerdings ist hier von einer erstmaligen Beschwer im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO durch die Widerspruchsgebühr auszugehen (vgl. VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 22. August 2012 – 7 K 575/09 –, juris Rn. 24; so wohl auch BVerwG, Urteil vom 12. August 2014 – 1 C 2/14 –, juris Rn. 12 ff.; VG Weimar, Beschluss vom 7. März 2007 – 6 K 5016/04 –, juris Rn. 5; a. A. OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. April 2019 – 1 LA 59/18 –, juris Rn. 12; Wöckel, in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 68 Rn. 26 jeweils m. w. N.), die die Durchführung des Vorverfahrens insoweit entbehrlich macht. Andernfalls bestünde die Gefahr einer „Endlosschleife“ sich wiederholender Widerspruchsverfahren gegen die in dem jeweiligen Widerspruchsbescheid festgesetzte Widerspruchsverfahrensgebühr (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. August 2014 – 1 C 2/14 –, juris Rn. 14). Jedenfalls war das Vorverfahren vorliegend aber auch deswegen entbehrlich, weil die Widerspruchsverfahrensgebühr im unmittelbaren Zusammenhang mit der Baugebühr stand und auf wesentlich gleich liegenden Gründen beruhte (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 28. Oktober 2009 – 3 K 180/06 –, juris Rn. 11; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO – Kommentar 24. Auflage 2018, § 68 Rn. 24).
Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Der Bescheid vom 17. Dezember 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. September 2020 ist, soweit darin eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 6.621,00 Euro festgesetzt wurde, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung in Höhe von 5.712,00 Euro sind die §§ 1 Abs. 1, 2, 12 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 GebGBbg in Verbindung mit § 1 der Verordnung über die Gebühren in bauordnungsrechtlichen Angelegenheiten im Land Brandenburg (hier in der Fassung vom 20. August 2009, GVBl.II/09, [Nr. 28], S.562, zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Oktober 2016, GVBl.II/16, [Nr. 53]) – BbgBauGebO – und der Tarifstelle 1.1.3 des dazugehörigen Gebührenverzeichnisses. Rechtsgrundlage für die (weitere) Gebührenfestsetzung in Höhe von 909,00 Euro sind die §§ 1 Abs. 1, 2, 12 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 GebGBbg in Verbindung mit § 1 der Gebührenordnung des Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (hier in der Fassung vom 22. November 2011, GVBl.II/11, [Nr. 77], zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 25. Januar 2018, GVBl.II/18, [Nr. 7], S.2) – GebOMUGV – sowie der Tarifstelle 4.1.2, 4.3.6 und 4.6 der Anlage 2.
Nach der Tarifstelle 1.1.3 des Gebührenverzeichnisses ist für die Erteilung der Baugenehmigung bei der Errichtung und Änderung von baulichen Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Baugenehmigungsverfahren eine Gebühr in Höhe von 1,4 Prozent des anrechenbaren Bauwerts, jedoch mindestens 100,00 Euro zu erheben. Der Beklagte hat auf Veranlassung des Klägers (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 1 Var. 1 GebGBbg) die Baugenehmigung für den Neubau eines Wohngebäudes für eine Wohnanlage für volljährige Menschen mit Behinderungen zu Gunsten des Klägers erteilt. Nach den Tarifstellen 4.1.2 und 4.3.6 der Anlage 2 der GebOMUGV ist jeweils ein Gebührenrahmen von 30,00 bis 5.000,00 Euro vorgesehen. Nach 4.6 der Tarifstelle der Anlage 2 der GebOMUGV ist eine Gebühr von 90 % der nach den Tarifstellen 4.1 bis 4.5 festgesetzten Gebühr zu erheben, soweit naturschutzrechtliche Entscheidungen in Zulassungen auf Grund anderer Gesetze eingeschlossen oder ersetzt werden. Bedenken hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Gebühr sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Steht somit fest, dass der Kläger dem Grunde und der Höhe nach zu Recht zur Zahlung der Gebühren für die von ihm begehrte Baugenehmigung herangezogen worden ist, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 7 GebGBbg von der Zahlungsverpflichtung befreit zu sein.
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 GebGBbg sind die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts von Verwaltungsgebühren befreit. Es ist bereit fraglich, ob der Kläger dem von der Norm begünstigten Personenkreis der „Kirche und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts“ angehört (vgl. insoweit nur Sächsisches OVG, Urteil vom 23. Januar 2003 – 1 B 35/02 –, juris Rn. 21 ff., das die Subsumtion als Kirche oder Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts für das Diakonische Werk der Ev. Luth. Landeskirche Sachsens verneint hat; bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2003 – 9 B 25/02 –, juris LS und Rn. 10). Diese Frage bedarf vorliegend jedoch keiner Klärung, da eine Gebührenbefreiung unabhängig davon aufgrund der Rückausnahme in § 8 Abs. 2 Nr. 6 GebGBbg ausscheidet. Danach gilt die Gebührenbefreiung nach Abs. 1 nicht für öffentliche Leistungen an die Kirchen und Religionsgemeinschaften, soweit die Amtshandlung nicht unmittelbar der Durchführung kirchlicher Zwecke im Sinne des § 54 AO dient. Gemäß § 54 Abs. 1 AO verfolgt eine Körperschaft kirchliche Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, selbstlos zu fördern. Kirchliche Zwecke sind gemäß § 54 Abs. 2 AO insbesondere die Errichtung, Ausschmückung und Unterhaltung von Gotteshäusern, die Ausbildung von Geistlichen, die Erteilung von Religionsunterricht, die Beerdigung und die Pflege des Andenkens der Toten, ferner die Verwaltung des Kirchenvermögens, die Besoldung der Geistlichen, Kirchenbeamten, die Alters- und Behindertenversorgung für diese Personen und die Versorgung ihrer Witwen und Waisen.
Der Vortrag des Klägers, dass Amtshandlungen, die im Zusammenhang mit dem Neubau eines Wohngebäudes zur Unterbringung und Pflege volljähriger Menschen mit Behinderungen stehen, unmittelbar der Durchführung kirchlicher Zwecke dienten, greift nicht durch. Die Vorschriften des § 8 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 6 GebGBbg beschränkt die Gebührenfreiheit der Kirchen auf die in § 54 AO angesprochenen typisch kirchlichen Bereiche im engeren Sinne (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 16. Januar 2004 – 9 A 4608/02 –, juris Rn. 9). Die in § 54 Abs. 2 AO beispielhaft genannten Zwecke stellen indes keine abschließende Legaldefinition der kirchlichen Zwecke dar, sondern sind der Fassung der Vorschrift nach („insbesondere“) bloße Beispielsfälle hierfür. Demgemäß kann ein kirchlicher Zweck i. S. d. § 54 Abs. 1 AO auch dann anzunehmen sein, wenn keine der in § 54 Abs. 2 AO ausdrücklich genannten Tätigkeiten gegeben ist. Maßgeblich dafür ist, ob die zu beurteilende Tätigkeit den Merkmalen entspricht, die sich bei einer wertungsmäßigen und generalisierenden Betrachtung den normierten Beispielsfällen als kennzeichnend für das allgemeine Tatbestandsmerkmal „kirchlicher Zweck“ entnehmen lassen. Dem Beispielskatalog des § 54 Abs. 2 AO nach ist kennzeichnend für den Begriff der „kirchlichen Zwecke“ zunächst deren Zielrichtung, die auf die Schaffung der Grundlage und des äußeren Rahmens für eine institutionalisierte Religionsausübung gerichtet ist, sowie ihre sachliche Unterteilung in einen Kultusbereich, den Verkündigungs- und Unterweisungsbereich sowie den Organisations- und Verwaltungsbereich der Kirchen. Der Aufzählung in § 54 Abs. 2 AO lässt sich aber in diesem Sinne darüber hinaus noch entnehmen, dass nur solche Zwecke als „kirchlich“ angesehen werden können, die dem typisch kirchlichen Bereich im engeren Sinne angehören, d. h. die Verkündigung bestimmter Glaubenswahrheiten und die Glaubensbetätigung in spezifisch kirchlichen Ausdrucksformen betreffen. Nicht diesem kirchlichen Binnenbereich zuordnen lässt sich insbesondere die Förderung allgemeiner Gemeinwohlbelange, wie bei gemeinnützigen und mildtätigen Betätigungen in sozialen, karitativen und kulturellen Aufgabenbereichen, selbst wenn sie von den Kirchen in Vollzug ihres religiösen Selbstverständnisses wahrgenommen werden (OVG Münster, Beschluss vom 24. Mai 2016 – 9 A 1021/14 –, juris Rn. 9 ff. m. w. N.).
Diesem Maßstab entsprechend stellt der mit dem Neubau verbundene Betrieb eines Wohnhauses zur Betreuung und Pflege volljähriger Menschen mit Behinderungen keine typisch kirchliche Aufgabe dar. Den Ausführungen des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass sich die Betreuung und Pflege von Menschen mit Behinderungen auf Geistliche und Kirchenbeamte beschränkt (vgl. § 54 Abs. 2 AO), sodass der Kläger keine typisch kirchlichen, sondern gemeinnützige und mildtätige Aufgaben erfüllt. Die gemeinnützigen und mildtätigen Aufgaben der Kirchen fallen nicht unter den Gebührenbefreiungstatbestand (vgl. OVG Münster, Urteil vom 22. Januar 1979 – II A 1065/78 –, juris; bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 10. Juni 1977 – VII B 153.75 –, juris Rn. 4; Benedens, in: Benedens, Liese, Tropp Verwaltungsgesetze Brandenburg, August 2023, § 8 Rn. 21 m. w. N.). Denn nach der Überzeugung des Gerichts bestehen in tatsächlicher Hinsicht keine konzeptionellen Unterschiede zu solchen „unterstützenden Wohnformen“ i. S. d. § 1 Abs. 2 S. 2 des Gesetzes über das Wohnen mit Pflege und Betreuung des Landes Brandenburg (BbgPBWoG), die einer weltlichen Trägerschaft unterstellt sind. Im Vordergrund eines Behindertenwohnheims oder einer vergleichbaren Wohnform steht die Schaffung eines selbstbestimmten und würdevollen Lebens der Menschen mit Behinderung (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 BbgPBWoG). Die von dem Kläger aufgeführten religiösen Übungen nehmen im Verhältnis zu der Betreuung, Begleitung und Pflege der Heimbewohner lediglich eine untergeordnete Rolle ein. Denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern das gemeinsame Beten, Gespräche religiöser Natur sowie die Seelsorge ein Gewicht haben, dass die allgemeine Betreuung und Pflege eine gleichwertige oder gar untergeordnete Rolle spielte. Dieser Befund wird dadurch gestützt, dass der Präambel d_____ zu entnehmen ist, dass sich die Diakonie an „Christen und Nichtchristen“ richte. Mit anderen Worten betreut der Kläger auch nicht- oder andersgläubige Menschen. Im Mittelpunkt steht also die Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen und die Gewährleistung ihrer – auch gemäß § 1 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX) gesetzlich garantierten – Teilhabe am sozialen Leben.
Dieses Ergebnis entspricht gerade der Intention des Gesetzgebers, dass nicht jede durch die Kirche veranlasste Amtshandlung gebührenfrei ist. Eine andere Auslegung würde zudem gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen, da kein sachlicher Grund ersichtlich ist, die Kirchen zu privilegieren, soweit sie ebenso wie andere Organisationen, Vereine und Verbände gemeinnützige und mildtätige Zwecke erfüllen (vgl. Benedens, Liese, Tropp Verwaltungsgesetze Brandenburg, August 2023, § 8 Rn. 23). Zumal die der Kirche zugehörige Einrichtungen, wie der Kläger, die von ihnen betriebenen Pflegeinrichtungen durch die Einnahmen aus Pflegesätzen bzw. Entgelten der Bewohner refinanzieren und somit auch der Ausschlussgrund für eine Gebührenbefreiung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 GebGBbg greifen dürfte (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 6. März 2008 – 7 A 11218/07 –, juris Rn. 20 f.).
Die Festsetzung der Kosten für das Widerspruchsverfahren ist jedoch rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO), soweit die festgesetzte Gebühr einen Betrag von 662,10 Euro übersteigt.
Zwar wird grundsätzlich nach § 18 Abs. 1 GebGBbg für die vollständige Zurückweisung eines Widerspruchs gegen eine gebührenpflichtige Sachentscheidung eine Verwaltungsgebühr in Höhe der Sachentscheidungsgebühr erhoben. Allerdings wird nach § 18 Abs. 3 GebGBbg abweichend davon eine Verwaltungsgebühr in Höhe von (nur) 10 Prozent des erfolglos angegriffenen Betrages, mindestens jedoch 10 Euro erhoben, wenn sich der Widerspruch, wie hier, nur gegen die Festsetzung der Gebühren oder Auslagen richtet. Da die Sachentscheidungsgebühr 6.621,00 Euro beträgt, ist nach § 18 Abs. 3 GebGBbg die Gebühr für das erfolglose Widerspruchsverfahren nur bis zur vorgenannten Höhe rechtmäßig und darüber hinaus rechtswidrig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 der Zivilprozessordnung.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß §§ 124 a, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.
Beschluss
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 12.333,00 Euro festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 3, 39 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Gemäß § 52 Abs. 3 S. 1 GKG ist die Höhe der bezifferten Geldleistung für den Streitwert der Gebührenbescheide maßgebend. Daraus folgt für die Baugenehmigungsgebührenfestsetzung ein Streitwert in Höhe von 6.621,00 Euro und für die Widerspruchsgebührenfestsetzung ein Streitwert in Höhe von 5.712,00 Euro. Sie sind zwei selbstständige Verwaltungsakte, sodass die Streitwerte gemäß § 39 Abs. 1 GKG addiert werden.