Gericht | VG Potsdam 3. Kammer | Entscheidungsdatum | 09.04.2024 | |
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Aktenzeichen | VG 3 K 788/19 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2024:0409.3K788.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur Richtlinie, § 49 Abs 3 Satz 1 Nr 1 VwVfG |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf und die Rückforderung einer Zuwendung samt Zinsen.
Mit Zuwendungsbescheid vom 23. Mai 2012 in der Fassung des letzten Änderungsbescheids vom 2. August 2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger gemäß der Richtlinien des Ministeriums für Wirtschaft und Europaangelegenheiten zur Förderung der gewerblichen Wirtschaft im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ – GRW – Wachstumsprogramm für kleine Unternehmen vom 20. Dezember 2011 eine zweckgebundene Zuwendung für die „Errichtung einer Pension in ... ... , ... “. Zuwendungszweck war zudem, die Betriebsstätte nach Beendigung des Investitionszeitraums für mindestens zehn Jahre durch den Kläger zu betreiben. Nach der letzten Fassung des Zuwendungsbescheides (vgl. Änderungsbescheid vom 2. August 2016) war Investitionszeitraum die Zeit vom 9. Februar 2012 bis 30. Juni 2017. Bestandteil des Zuwendungsbescheides waren unter anderem die allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P) vom 19. Januar 2011 sowie die Besonderen Nebenbestimmungen. Diese enthielten unter Nr. 4.2.2 die Auflage, nach Beendigung des Investitionszeitraums ein Gesamtverwendungsnachweis zu erbringen.
Die Zuwendung wurde in Höhe von 413.440,00 Euro an den Kläger ausgezahlt.
Im Sommer 2017 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass sich die Kosten für das Vorhaben erhöht hätten und er Schwierigkeiten mit der Nachfinanzierung habe. Am 9. August und 25. September 2017 fanden zwischen dem Kläger, der Beklagten und der das Vorhaben begleitenden Bank Gespräche über Möglichkeiten der Umschuldung/Nachfinanzierung des Vorhabens statt. Am 5. Oktober 2017 setzte die Bank die Beklagte darüber in Kenntnis, dass sie dem Kläger das Darlehen gekündigt habe und keine weiteren Mittel zur Verfügung gestellt würden. Im November 2017 teilte der damalige Verfahrensbevollmächtigte des Klägers der Beklagten mit, der Kläger sei weiterhin um Nachfinanzierung bemüht. Weitere Mitteilungen zur Finanzierung und zum Abschluss des Investitionsvorhabens erfolgten nicht. Der Verwendungsnachweis wurde nicht eingereicht.
Auf das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 13. Februar 2018 zu einem beabsichtigten Widerruf der Zuwendung teilte der Kläger unter dem 15. März 2018 mit, dass er plane, das Gebäude bis September 2018 zu verkaufen. Aus den Verkaufserlösen sollte das Vorhaben fertiggestellt werden. Ab Sommer 2019 wolle er das Hotel betreiben und verwalten.
Mit Schreiben vom 20. Juli 2018 wies die die Beklagte dem Kläger auf die förderrechtlichen Konsequenzen des beabsichtigten Verkaufs hin und räumte ihm die Möglichkeit ein, bis Ende September 2018 einen Erwerber zu finden, der ihn als Zuwendungsempfänger ersetze, das Zuwendungsvorhaben fertigstelle und den Verwendungsnachweis einreiche. Nach Erinnerung teilte der Kläger am 21. Oktober 2018 mit, einen Investor gefunden zu haben.
Mit Widerrufs- und Leistungsbescheid vom 21. November 2018 widerrief die Beklagte den Zuwendungsbescheid vom 23. Mai 2012 mit Wirkung zum Zeitpunkt des Erlasses in vollem Umfang (Ziffer 1), setzte den zu erstattenden Betrag auf 413.440,00 Euro fest (Ziffer 2) und regelte weiter, dass dieser vom Zeitpunkt der Auszahlung der Zuwendung an mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB jährlich bis zum Zahlungseingang zu verzinsen sei (Ziffer 3). Zur Begründung führt sie aus, nach der Förderrichtlinie sei ein Investitionsvorhaben innerhalb von 36 Monaten durchzuführen. Sie habe ihr Ermessen dahin betätigt, dass der Investitionszeitraum bereits auf 65 Monate verlängert worden sei. Das Vorhaben sei nicht abgeschlossen, der Verwendungsnachweis nicht eingereicht und nicht nachgewiesen, dass der Zuwendungszweck und die Auflagen erfüllt worden seien. Der Bescheid habe daher nach der gebotenen Abwägung der Interessen in vollem Umfang widerrufen werden können. Der Widerruf entspreche ihrer Verwaltungspraxis in gleichgelagerten Fällen. Bereits erbrachte Leistungen seien zu erstatten und der Erstattungsbetrag zu verzinsen.
Unter dem 3. Dezember 2018 erhob der Kläger Widerspruch, den er nicht begründete. Mit Schreiben vom 1. März 2019 bat er die Beklagte u.a. um Prüfung, ob der Erwerber in das Zuwendungsverhältnis eintreten könne, was diese mit der Begründung verneinte, dass die damit einhergehende weitere Verlängerung des Investitionszeitraums zu groß wäre.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 2019 zurück und führte ergänzend aus, der Zuwendungszweck sei verfehlt worden, weil das Bauvorhaben nicht innerhalb des Investitionszeitraums fertiggestellt worden sei. Die zehnjährige Bindefrist sei nicht eingehalten worden. Auch liege ein Auflageverstoß vor, da der Verwendungsnachweis nicht erbracht worden sei. Die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 VwVfG seien damit erfüllt. Die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zwängen bei Vorliegen von gewichtigen Widerrufsgründen im Regelfall zum vollständigen Widerruf der Zuwendung. Atypische Umstände, weshalb von dieser Regel abzuweichen sei, lägen nicht vor. Dass die Kosten zur Realisierung des Vorhabens sich erhöht hätten und der Kläger dies möglicherweise nicht zu vertreten habe, sei ohne Belang, weil es auf ein Vertretenmüssen der Zweckverfehlung nicht ankomme. Berücksichtigt worden sei auch, dass der Verwendungsnachweis nicht eingereicht worden sei; er diene dem Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung des Vorhabens. Dieser Nachweis sei nicht geführt worden, was ebenfalls den vollständigen Widerruf rechtfertige.
Hiergegen hat der Kläger am 26. März 2019 Klage erhoben. Er macht geltend, gemäß Nr. 8.4 des Zuwendungsbescheids sei dieser innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der zum Widerruf führenden Tatsachen zu widerrufen. Der Zuwendungszweck sei bereits am 1. Juli 2017 verfehlt worden, weil das Bauvorhaben nicht innerhalb des am 30. Juni 2017 endenden Investitionszeitraums fertiggestellt worden sei. Gleichzeitig habe er zu diesem Zeitpunkt gegen die Auflage, das Hotel in Betrieb zu nehmen, verstoßen. Dies seien die Gründe für den Widerruf der Zuwendung, über die er die Beklagte bereits im Sommer 2017 in Kenntnis gesetzt habe. Die Widerrufsfrist habe spätestens mit Kenntnisnahme der E-Mail der Bank vom 5. Oktober 2017 zu laufen begonnen, weil der Beklagten ab diesem Zeitpunkt bekannt war, dass die Finanzierung des Vorhabens insgesamt gescheitert gewesen sei. Die im Anschluss erfolgte Anhörung sei für den Widerruf objektiv nicht mehr erforderlich gewesen. Der Kläger habe im Rahmen der im August und September 2017 stattgefundenen Gespräche ausreichend Gelegenheit zur Äußerung gehabt. Die Sachlage sei gemeinsam in einem Umfang erörtert und ermittelt worden, der einer Anhörung gleichstünde. Zwar gehe auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Sachverhalt regelmäßig erst mit der Anhörung des Betroffenen umfassend ermittelt sei. Allerdings konkretisiere dies den Grundsatz, dass die Entscheidungsfrist erst mit umfassender Kenntnis der Behörde zu laufen beginne. Es käme daher nicht schematisch auf den Abschluss des Anhörungsverfahrens an. Umfassende Kenntnis habe die Beklagte spätestens am 5. Oktober 2017 gehabt. Die Beklagte habe nicht ausgeführt, welche Sachverhaltsunsicherheit durch das Anhörungsverfahren hätte beseitigt werden können. Allein die abstrakte Möglichkeit der Beschaffung neuer Kreditmittel führe nicht zu einer ermessensrelevanten Sachverhaltsunsicherheit, zumal auch bei erfolgreichem Bemühen der Nachfinanzierung eine erhebliche Verzögerung des Vorhabenabschlusses eingetreten wäre, weshalb der Widerruf der Zuwendung bereits im Oktober 2017 ermessensgerecht gewesen wäre.
Der Kläger beantragt,
den Widerrufs- und Leistungsbescheid der Beklagten vom 21. November 2018 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 18. März 2019 aufzuheben,
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, die Jahresfrist des §§ 49 Abs. 3 Satz 2, 48 Abs. 4 VwVfG sei eine Entscheidungsfrist, die erst bei vollständiger Kenntnis der für die Aufhebung maßgeblichen Sach- und Rechtslage beginne und regelmäßig nur nach Anhörung des Betroffenen vorliege. Der Kläger habe sich erstmals am 15. März 2018 zur beabsichtigten Aufhebung geäußert; selbst wenn dieser Zeitpunkt trotz der weiteren Äußerungen des Klägers die Frist in Gang gesetzt hätte, wäre die Jahresfrist noch nicht abgelaufen. Hinzu komme, dass der Widerruf auch auf das Nichteinreichen des Zuwendungsnachweises gestützt worden sei. Dieser sei innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende des Investitionszeitraums, hier als bis zum 30. Juni 2018, einzureichen gewesen, sodass die Entscheidungsfrist erst danach zu laufen begonnen habe. Der Kläger verhalte sich treuwidrig, indem er sich auf den Ablauf der Widerrufsfrist berufe. Er habe ihr selbst mitgeteilt, das Vorhaben noch realisieren zu können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten über die Sache verhandeln und entscheiden, da in der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, § 102 Abs. 2 VwGO.
Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Der angefochtene Widerrufs- und Leistungsbescheid der Beklagten vom 21. November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Widerruf in Ziffer 1 des Zuwendungsbescheides beruht auf § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG. Danach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird.
a) Diese Voraussetzungen liegen vor.
Dem Kläger wurde mit Zuwendungsbescheid vom 23. Mai 2012 eine Geldleistung gewährt, die nicht bis zum Ende der Zweckbindungsfrist dem Förderzweck entsprechend verwendet wurde.
Der Zuwendungszweck ergibt sich regelmäßig aus dem Inhalt des Zuwendungsbescheids. Danach ist Zweck die Errichtung einer Pension in ... ... , die nach Beendigung des Investitionszeitraums für mindestens zehn Jahre durch den Kläger zu betreiben war. Die Leistung wurde nicht für diesen Zweck verwendet.
b) Die Beklagte hat von dem ihr in § 49 Abs. 3 Satz 1 VwVfG eingeräumten Widerrufsermessen Gebrauch gemacht und dieses fehlerfrei dahingehend ausgeübt, dass sie den Zuwendungsbescheid in Gänze widerrufen hat.
Das Gericht hat insoweit nach § 114 Satz 1 VwGO lediglich zu kontrollieren, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Es ist hingegen nicht befugt, zu prüfen, ob eine andere Entscheidung sachgerechter gewesen wäre. Insbesondere darf das Gericht die behördliche Entscheidung nicht durch eigene Ermessenserwägungen ersetzen.
aa) Zwar ist fraglich, ob, wie die Beklagte ausführt, die haushaltsrechtlichen Grund-sätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit weiterhin im Regelfall einen Widerruf intendieren (so BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1997 – 3 C 22.96 –, juris Rn. 14 ff.; Urteil vom 26. Februar 2015 – 3 C 8.14 –, juris Rn. 17; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Oktober 2020 – OVG 3 N 95/20 –, n.v., BA, S. 3; für den Fall des Widerrufs wegen eines Auflagenverstoßes: BVerwG, Urteil vom 19. Juni 2019 – 10 C 2.18 –, juris Rn. 16 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt bei der Rücknahme rechtwidriger Verwaltungsakte ein Fall des intendierten Ermessens grundsätzlich und insbesondere auch im Bereich des Zuwendungsrechts nicht vor. Vielmehr stehen die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten gleichberechtigt nebeneinander. Die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Verwaltung gebieten keine Abweichung hiervon. Auch dann, wenn sich der Betroffene nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, ist nicht von einem intendierten Ermessen auszugehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2021 – 8 C 25.19 –, juris Rn. 11; Urteil vom 16. Juni 2015 – 10 C 15.14 –, juris Rn. 29; anders OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. November 2015 – OVG 7 B 4.15 –, juris Rn. 29: im Falle fehlenden Vertrauensschutzes ist mit Blick auf die gesetzliche Regelung des § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG von intendiertem Ermessen auszugehen). Ob daher der Widerruf (im Fall eines rechtmäßigen Verwaltungsakts) noch intendiert sein kann, wenn dies selbst bei einer Rücknahme (also bei einem rechtswidrigen Verwaltungsakt) und insbesondere auch nicht gilt, wenn sich der Betroffene nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, ist offen.
Allerdings war die Beklagte entsprechend ihrer ständigen Verwaltungspraxis verpflichtet, die Zuwendung vollständig zu widerrufen. Die Beklagte trägt unwidersprochen vor, dass nach ihrer Verwaltungspraxis eine Zweckverfehlung zum vollständigen Widerruf der Zuwendung führt.
bb) Die Entscheidung der Beklagten, den Zuwendungsbescheid vollständig zu widerrufen, ist ermessensfehlerfrei und insbesondere verhältnismäßig erfolgt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der als zwingende Ermessensschranke bei der Aufhebung von Zuwendungsbescheiden zu berücksichtigen ist, kann bei objektiv geringfügigen Zweckverfehlungen oder Auflagenverstößen einem Widerruf des gesamten Bescheids entgegenstehen (Urteil der Kammer vom 10. April 2018 – 3 K 1509/14 –, juris Rn. 25 unter Verweis auf VGH Bayern, Urteil vom 25. Mai 2004 – 22 B 01.2468 –, juris Rn. 49 m.w.N.). Hier ist die Zweckverfehlung bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände nicht als geringfügig zu bewerten. Vielmehr wurde der Zuwendungszweck vollständig nicht erfüllt.
Außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls, die hier eine andere Entscheidung gebieten würden, sind nicht gegeben.
Insoweit ist zunächst einzustellen, dass der Widerrufsgrund des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG verschuldensunabhängig ist (vgl. Ramsauer, in: Kopp/ders., VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 49 Rn. 67), sodass ein etwaiges fehlendes Verschulden keinen außergewöhnlichen Umstand darstellt.
Soweit der Kläger vorträgt, atypische Umstände seien darin begründet, dass die Beklagte den Widerruf auf mehrere Widerrufsgründe gestützt habe, es aber an Erwägungen dazu fehle, inwieweit diese jeweils für sich genommen den Widerruf rechtfertigten, trifft dies schon nicht zu. So heißt es im angefochtenen Widerspruchsbescheid (Seite 3 unten), dass die Zweckverfehlung zum vollständigen Widerruf des Zuwendungsbescheids führe, wobei die Ermessenserwägungen unter diesem Gesichtspunkt weiter erläutert werden. Erst sodann wird im Rahmen der Ausführungen zum Ermessen auf den Umstand eingegangen, dass der Kläger den Verwendungsnachweis nicht eingereicht hat und bereits aus diesem Grund ein vollständiger Widerruf angezeigt gewesen sei. Die Beklagte hat damit hinreichend deutlich gemacht, dass nach ihrer Auffassung beide Widerrufsgründe jeweils für sich genommen den Widerruf des Zuwendungsbescheids rechtfertigten.
c) Die Widerrufsfrist von einem Jahr (§ 49 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG) ist eingehalten. Als Entscheidungsfrist wird sie erst in Gang gesetzt, wenn der Behörde die für die Widerrufsentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind, wozu außer der Kenntnis der für den Widerruf erheblichen Tatsachen auch die Kenntnis der für die Ermessensausübung wesentlichen Gründe gehört. Diese erlangt die Behörde regelmäßig nur infolge einer Anhörung des Betroffenen. Die Anhörung selbst setzt die Frist noch nicht in Lauf; vielmehr versetzt erst die Stellungnahme des Betroffenen die Behörde in Kenntnis der maßgeblichen Umstände oder verschafft jedenfalls die Gewissheit, dass ihre bisherige Kenntnis vollständig ist. Entsprechendes gilt, wenn der Betroffene die gesetzte Frist verstreichen lässt, ohne Stellung zu nehmen (zu alledem: BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 – 10 C 5/17 –, juris Rn. 30 ff. mit weiteren Nachweisen aus der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe war die Frist bei Erlass des Ausgangsbescheides vom 21. November 2018 noch nicht verstrichen.
Zwar hatte die Beklagte – wenn nicht schon seit den Gesprächen am 9. August und 25. September 2017 – spätestens am 5. Oktober 2017 positive Kenntnis von dem Grund erlangt, wegen dem sie mit dem hier angefochtenen Bescheid den Zuwendungsbescheid aufgehoben hat, nämlich der Verfehlung des Zuwendungszwecks. So wurde sie an diesem Tag darüber informiert, dass die Bank dem Kläger das zur Finanzierung des Vorhabens gewährte Darlehen gekündigt hat. Damit war der Beklagten spätestens zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass das Bauvorhaben nicht mehr innerhalb des Investitionszeitraums (zuletzt verlängert bis zum 30. Juni 2017) fertiggestellt und die Pension auch nicht betrieben werden konnte.
Allerdings hatte sie am 5. Oktober 2017 noch keine vollständige Kenntnis der für die Ermessensausübung wesentlichen Gründen. Denn als Alternative zum Widerruf der Zuwendung stand bis zum Erlass des angefochtenen Bescheids in Rede, dem Kläger noch die Gelegenheit zu geben, die Pension mit einer zeitlichen Verzögerung fertigzustellen und diese im Anschluss zu betreiben. Dies war Gegenstand der zwischen den Beteiligten und der Bank im August und September 2017 geführten Gespräche. So heißt es in dem Aktenvermerk über das Gespräch vom 9. August 2017, die Bank hätte „eine Umschuldung für 300.000 Euro“ angeboten. Als Gesprächsergebnis wurde festgehalten, dass die Beklagte innerhalb der nächsten drei Monate „eine Aussage zur Fertigstellung der Pension“ haben wolle. Dies wurde mit dem Hinweis versehen, dass die „Bindefrist“ (gemeint ist wohl der Pensionsbetrieb für mindestens zehn Jahre) erst danach beginne. Ausweislich des Aktenvermerks über das Gespräch am 25. September 2017 habe die Bank noch einmal prüfen wollen, ob eine weitere Finanzierung des Vorhabens möglich sei. Auch hat die Beklagte mitgeteilt, dass sie im bejahenden Fall den Investitionszeitraum hätte verlängern können. Der Kläger habe sich in den Gesprächen gewiss gezeigt, das Vorhaben noch realisieren zu können (vgl. Aktenvermerk vom 25. September 2017). Auch nachdem dem Kläger das Darlehen gekündigt worden ist, bemühte er sich um eine Nachfinanzierung, wie er in einem Telefonat am 24. November 2017 mitteilte. Die Beklagte wiederum zeigte sich bereit, die Bemühungen abzuwarten (vgl. die Telefonnotiz vom 24. November 2017: „Wir werden nicht sofort handeln“). Auch als diese den Kläger unter dem 13. Februar 2018 zum Widerruf der Zuwendung anhörte, äußerte er sich unter dem 15. März 2018 dahingehend, das Gebäude bis September 2018 verkaufen, aus den Verkaufserlösen das Bauvorhaben fertigstellen und ab Sommer 2019 das Hotel betreiben zu wollen. Daraufhin räumte die Beklagte ihm die Möglichkeit ein, noch bis „Ende September“ einen Käufer zu präsentieren, der in das Zuwendungsverhältnis eintrete, um einen Widerruf der Zuwendung abzuwenden. Sie griff damit ersichtlich im Sinne des bei der Ermessensausübung zu beachtenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit den Wunsch des Klägers nach einer Verlängerung des Investitionszeitraums und die von ihm selbst genannte Frist auf, die fruchtlos verstrich.
Nach alledem war die Beklagte ohne die Anhörung des Klägers nicht in der Lage, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über den Widerruf der Zuwendung zu entscheiden. Die vollständige Kenntnis auch von den für die Ausübung des Widerrufsermessens maßgeblichen Umständen erlangte sie erst mit Ablauf des Monats September 2018, als der Kläger keinen Käufer präsentierte, spätestens mit dessen Schreiben vom 21. Oktober 2018. Da eine spätere Realisierung des Vorhabens zu einer weiteren Verzögerung geführt hätte, für die nach der Verwaltungspraxis der Beklagten – so trägt sie unwidersprochen vor – keine Zuwendung gewährt werden darf, stand erst mit Ablauf des Monats September 2018, spätestens am 21. Oktober 2018 fest, dass das Vorhaben insgesamt gescheitert war.
Soweit der Kläger anbringt, eine Anhörung sei nicht erforderlich gewesen, weil die Gespräche am 9. August 2018 und 25. September 2018 ihm ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme boten und der Sachverhalt damit umfassend ermittelt gewesen sei, trifft dies nicht zu. Die Gespräche betrafen die Frage der weiteren Finanzierung des Vorhabens durch die Bank und die Verlängerung des Investitionszeitraums. Anhaltspunkte dafür, dass ein Widerruf der Zuwendung in den Gesprächen thematisiert worden ist, bestehen keine, sodass der Kläger auch nicht die Möglichkeit hatte, Einwände dagegen zu äußern. Vielmehr sprechen die Umstände dafür, dass die Beklagte sich den Widerruf während des Anhörungsverfahrens noch offenhielt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. September 2001 – 7 C 6/01 –, juris Rn. 13; BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2001 – 8 C 8/00 –, juris Rn. 13 m.w.N.). Demnach begann die Jahresfrist erst im Oktober 2018 zu laufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 2001 – 8 C 8/00 –, juris Rn. 13 m.w.N.), sodass der unter dem 21. November 2018 ergangene Widerrufsbescheid rechtzeitig erging.
Soweit sich der Kläger im Klageverfahren erstmals mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29. November 2023 auf den Standpunkt stellt, er habe eine Verlängerung des Investitionszeitraums nicht beantragt und die Beklagte hätte den Widerruf bereits ermessensfehlerfrei nach dem 5. Oktober 2017 verfügen können, greift der Einwand nicht. Wie oben dargestellt, stand eine Verlängerung des Investitionszeitraums in Rede und entsprach dem Wunsch des Klägers, ungeachtet dessen, dass dieser keinen ausdrücklichen Antrag stellte. Da eine Verlängerung des Investitionszeitraums rechtlich auch noch möglich war, kam es maßgeblich darauf an, ob und wenn ja, in welchem Zeitraum der Kläger doch noch in der Lage gewesen war, den Zuwendungszweck zu erfüllen. Dass die Zuwendung erst mit Bescheid vom 21. November 2018 widerrufen worden ist, beruht im Wesentlichen auf dem Verhalten des Klägers, der bis zuletzt in Aussicht stellte, das Vorhaben doch noch zu realisieren.
d) Da der Widerruf der Zuwendung wegen Zweckverfehlung gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG rechtmäßig ist, kommt es nicht darauf an, ob die Zuwendung daneben auch wegen Nichtvorlage des Verwendungsnachweises nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG in voller Höhe widerrufen werden konnte.
2. Die Festsetzung des Erstattungsbetrages unter Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Danach sind bereits erbrachte Leistungen als Erstattungsbetrag festzusetzen, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen worden ist. Ermessen ist insoweit nicht eingeräumt (OVG Frankfurt [Oder], Beschluss vom 12. August 1998 – 4 B 31/98 –, juris Rn. 27; Ramsauer, in: Kopp/ders., VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 49a Rn. 11).
3. Der unter Ziffer 3 des Bescheids festgesetzte Zinsanspruch beruht auf § 49a Abs. 3 Satz 1 VwVfG. Danach ist der zu erstattende Betrag vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsakts an mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Gründe für ein Absehen von der Geltendmachung des Zinsanspruchs (vgl. § 49a Abs. 3 Satz 2 VwVfG) sind nicht ersichtlich. Einwände gegen die Zinsforderung hat der Kläger im Übrigen nicht erhoben.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 32, 14469 Potsdam, zu stellen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen.
Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch nach § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zugelassene Bevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung.