Gericht | VG Potsdam 9. Kammer | Entscheidungsdatum | 26.04.2024 | |
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Aktenzeichen | VG 9 K 1790/21 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2024:0426.9K1790.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | LWaldG , § 42 VwGO, § 43 VwGO, § 35 VwVfG |
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Kläger wendet sich gegen die Waldfunktionenkartierung durch den Landesbetrieb F___.
Mit Schreiben vom 7. Juni 2021 teilte der Kläger dem Landesbetrieb F___ mit, dass er, der Kläger, Eigentümer von konkret bezeichneten, mit Wald bestandenen Grundstücken in der Gemarkung F_____ sei. Nach den ihm vorliegenden Informationen sei eine Waldkartierung durchgeführt worden, die für die betreffenden Grundstücke die Funktion „Wald mit hoher ökologischer Bedeutung (WFK 7710)“ ausweise. Für die Grundstücke bestehe ein Nutzungsvertrag, der zivilrechtlich die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen ermögliche. Der Nutzungsberechtigte werde aber für die in Rede stehenden Flächen keine Genehmigung nach dem Bundesimmiss-ionsschutzgesetz (BImSchG) erhalten, weil notwendige Umwandlungsgenehmigungen nach dem Waldgesetz des Landes Brandenburg (LWaldG) nicht erteilt würden. Begründung dafür sei ausschließlich die Einstufung des vorhandenen Waldes in Waldfunktionen. Aufgrund dessen werde er erhebliche Einnahmeverluste hinnehmen müssen. Zudem sei die Festlegung von Waldfunktionen mit einer erheblichen Steigerung des Ausgleichbedarfs im Fall von Umwandlungsgenehmigungen verbunden, die letztlich faktisch zu einer Umwandlungssperre führten. Die Waldkartierung habe ihm gegenüber erhebliche rechtliche Auswirkungen. Bisherige zulässige Nutzungen würden unzulässig, was zu Schadensersatzansprüchen führen könne. Er sei mit der Waldkartierung betreffend seine Grundstücke nicht einverstanden und erhebe daher Widerspruch.
Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin unter dem 5. August 2021 mit, dass der Widerspruch nicht statthaft sei, weil es sich bei der Waldfunktionenkartierung nicht um einen Verwaltungsakt handle, gegen den Widerspruch erhoben werden könne.
Mit der am 5. August 2021 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er meint, bei der Waldkartierung handle es sich um einen mit der Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt bzw. eine Allgemeinverfügung. Er gehe davon aus, dass der in Rede stehende Wald als Schutzwald im Sinne von § 12 Abs. 4 LWaldG qualifiziert sei, was mit ausdrücklichen gesetzlichen Ver- und Geboten gemäß § 12 Abs. 6 LWalG einhergehe. Jedenfalls sei die Klage als Feststellungsklage zulässig. Letztlich schränke der Beklagte mit der Waldkartierung sein Besitz- und Bewirtschaftungsrecht ein. Das Bestreiten des Ergebnisses der Waldkartierung begründe ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Im Übrigen sei die Genehmigung einer Windenergieanlage bereits immissionsschutzrechtlich beantragt, wegen der streitigen Einstufung jedoch abgelehnt worden.
Der Kläger beantragt,
die durch Waldkartierung auf den Grundstücken der Gemarkung F_____, Flur 1_____, Flurstück 1_____ und Flur 3_____, Flurstücke 6_____ und 6_____ vorgenommene Einstufung des dort vorhandenen Waldes als „Wald mit hoher ökologischer Bedeutung (WFK_7710)“ aufzuheben,
hilfsweise festzustellen, dass die durch Waldkartierung auf den Grundstücken der Gemarkung F_____, Flur 1_____, Flurstück 1_____ und Flur 3_____, Flurstücke 6_____ und 6_____ vorgenommene Einstufung des dort vorhandenen Waldes als „Wald mit hoher ökologischer Bedeutung (WFK_7710)“ rechtswidrig ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Klarstellung hat der Beklagte mitgeteilt, dass für die streitgegenständliche Fläche die Waldfunktionen Wald mit hoher ökologischer Bedeutung (WFK 7710) und Wald auf erosionsgefährdetem Standort (WFK 2100) ausgewiesen seien.
Die Kammer hat den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Die Klage – über die das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet – ist unzulässig.
Der Kläger kann die streitige Waldfunktionenkartierung nicht im Wege der verwaltungsgerichtlichen Klage angreifen.
Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO ist nicht statthaft. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei der Waldfunktionenkartierung nicht um einen mit der Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt oder eine Allgemeinverfügung. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) unter anderem, dass eine Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme getroffen wird, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Hieran fehlt es. Die auf dem Erlass des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft zur Erfassung und Darstellung der Waldfunktionen im Land Brandenburg vom 10. September 2012 (ABl. vom 10. Oktober 2012, Nr. 40, S. 1383) beruhende Waldfunktionenkartierung stellt keine rechtlich verbindliche Festlegung von bestimmten Eigenschaften eines Waldes dar, sondern lediglich ein behördeninternes Arbeitsmittel, das den Forstbehörden und anderen Trägern öffentlicher Belange flächenbezogene Kenntnisse zu den verschiedenen Wirkungen und Funktionen des Waldes vermitteln soll (so OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Juni 2023 – OVG 3a A 30/23 –, Juris Rn. 30; vgl. auch Klose/Orf, Forstrecht, 2. Aufl. 1998, § 13 BWaldG Rn. 7). Dass die Waldfunktionenkartierung von einer Fachbehörde (dem Landesbetrieb F___) erstellt wird, der in Bezug auf forstliche Fragen eine besondere Erfahrung zuzubilligen und deren Einschätzung von besonderem Sachverstand getragen ist, und ihr im Rahmen der Sachverhalts- und Beweiswürdigung insoweit ein besonderes Gewicht zugemessen werden kann, als solche fachbehördlichen Aussagen auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen (OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O.), ändert hieran nichts. Dies ist in der vom Ministerium für ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft als oberster Forstbehörde erarbeiteten Anleitung „Kartierung der Waldfunktionen im Land Brandenburg“ vom 1. Januar 2018 (https://forst.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/Kartieranleitung.pdf) unter Punkt 1.3 auch ausdrücklich festgehalten: „Eine rechtliche Bindung für die Waldfunktionen wird durch die Waldfunktionenkartierung nicht bewirkt. Sie ist vielmehr eine Entscheidungshilfe für den Wald betreffende Planungen und Maßnahmen und versetzt die Träger öffentlicher Belange sowie die Waldbesitzer in die Lage, den gesetzlichen Anforderungen des LWaldG Rechnung zu tragen.“ Die gegenteilige Auffassung des Klägers findet im Gesetz keine Stütze.
Soweit der Kläger argumentiert, dass es sich bei dem in Rede stehenden Wald um Schutzwald im Sinne von § 12 Abs. 4 LWaldG handle, was mit ausdrücklichen gesetzlichen Ver- und Geboten gemäß § 12 Abs. 6 LWaldG einhergehe, kann das Gericht dem nicht folgen, zumal der Kläger selbst sieht, dass das brandenburgische Landesrecht insoweit eine Rechtsverordnung vorsieht. Gemäß § 12 Abs. 1 LWaldG kann Wald bei Vorliegen der Voraussetzungen der Absätze 4 oder 5 von Amts wegen oder auf Antrag durch Rechtsverordnung des für Forsten zuständigen Mitglieds der Landesregierung zu Schutz- oder Erholungswald erklärt werden. Danach bedarf die Ausweisung eines Schutz- oder Erholungswaldes im Sinne dieser Vorschrift der Erklärung, die durch eine Rechtsverordnung und nicht etwa durch eine Allgemeinverfügung zu erfolgen hat (vgl. Koch, Waldgesetz des Landes Brandenburg, 15. Nachlieferung November 2023, § 12 LWaldG Ziff. 4.1.1). Dass eine dahingehende Rechtsverordnung existiert, macht der Kläger im Übrigen selbst nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.
Ebenso wenig ist die hilfsweise erhobene Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Danach kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein solches Rechtsverhältnis begründet die streitige Waldfunktionenkartierung indes nicht. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis in diesem Sinne sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Rechtliche Beziehungen haben sich nur dann zu einem Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1996 – 8 C 19/94 –, Juris Rn. 10 m. w. N.). Ein solches Rechtsverhältnis vermag ein rechtlich nicht verbindliches Arbeitsmittel, das den Forstbehörden und anderen Trägern öffentlicher Belange lediglich flächenbezogene Kenntnisse zu den verschiedenen Wirkungen und Funktionen des Waldes vermitteln soll, nicht zu begründen (vgl. hierzu im Zusammenhang mit einem kommunalen Mietspiegel BVerwG, a. a. O., Rn. 12 ff.). Auch insoweit folgt aus dem Umstand, dass der Waldfunktionenkartierung – wie ausgeführt – im Rahmen der Sachverhalts- und Beweiswürdigung besonderes Gewicht zugemessen werden kann, nichts Anderes. Soweit die in Rede stehende Waldfunktion – wie vom Kläger geltend gemacht – der Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung entgegengehalten wird, sind Einwände dagegen daher in dem entsprechenden Verfahren geltend zu machen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O., Rn. 29 ff.). Insoweit ist auch auf § 43 Abs. 2 VwGO hinzuweisen, wonach die (verwaltungsgerichtliche) Feststellung nicht begehrt werden kann, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Auch die (pauschalen) Überlegungen des Klägers zur Beschränkung seines Bewirtschaftungsermessens und zu etwaigen Schadensersatzansprüchen können nach alledem nicht weiterführen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Ein Grund, gemäß §§ 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO die Berufung zuzulassen, liegt nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 32, 14469 Potsdam, zu stellen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, einzureichen.
Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch nach § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zugelassene Bevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung.
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstands wird gemäß auf 5.000 Euro festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen den Beschluss ist die Beschwerde zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt oder die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen wird. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 32, 14469 Potsdam, innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen.