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Anhörungsrüge, Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz, Zusicherung, Übersendung per E-Mail, Wahrung der Schriftform


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 04.04.2024
Aktenzeichen OVG 6 RS 2/24 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0404.OVG6RS2.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 152a VwGO, § 146 VwGO, § 38 Abs 1 Satz 2 VwVfG, § 37 Abs 3 VwVfG, § 3a Abs 2 VwVfG

Leitsatz

Zur Wahrung der Schriftform im elektronischen Rechtsverkehr müssen neben den Anforderungen des § 37 Abs. 3 Satz 2 VwVfG die Anforderungen des § 3a Abs. 2 VwVfG erfüllt sein. Diese Anforderungen schließen die Kommunikation per E-Mail ein, denn auch diese ist elektronische Kommunikation. Eine per E-Mail übersandte Zusicherung wahrt die Schriftform daher nur unter den Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 VwVfG und muss zu ihrer Wirksamnkeit deshalb mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein.

Tenor

Die Anhörungsrüge der Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats vom 12. März 2024 (OVG 6 S 61/23) wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

Die Anhörungsrüge ist unbegründet.

Die Anhörungsrüge eröffnet die Möglichkeit fachgerichtlicher Abhilfe für den Fall, dass ein Gericht den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt hat. Mit Blick auf die in § 152a Abs. 1 Nr. 2 VwGO genannten Voraussetzungen bedarf es danach der Darlegung, dass das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat (§ 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO). Auf eine Verletzung materiellen Rechts kann ein Gehörsverstoß dagegen nicht mit Erfolg gestützt werden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist insbesondere nicht bereits dann verletzt, wenn das Gericht dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten nicht folgt, sondern aus Gründen des materiellen Rechts oder des Prozessrechts zu einem anderen Ergebnis gelangt, als der Beteiligte es für richtig hält. Das Gericht ist auch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. April 2012 - 8 B 7.12 - juris Rn. 2 m.w.N.). Gemessen hieran ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den angegriffenen Beschluss nicht dargelegt.

Der Senat hat die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2023 mit der Begründung zurückgewiesen, im Schreiben des Antragsgegners vom 9. November 2021 könne mangels Beachtung der vorgeschriebenen Schriftform keine wirksame Zusicherung im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 2 VwVfG erblickt werden. Eine in elektronischer Form abgegebene Zusicherung müsse hierfür die Anforderungen des § 3a Abs. 2 VwVfG erfüllen, an denen es bei dem per E-Mail übersandten Schreiben fehle.

Welcher Vortrag der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zu dieser Rechtsfrage übergangen worden sein soll, legt die Anhörungsrüge nicht dar. Mit der im Beschwerdeverfahren angeführten Auffassung der Antragstellerin, die Schriftform sei ungeachtet des Umstands, dass das Schreiben vom 9. November 2021 per Mail übersandt worden sei, gewahrt, hat sich der Senat in seinem Beschluss vom 12. März 2024 ausdrücklich befasst und diese als rechtsirrig eingeschätzt.

Soweit die Antragstellerin mit der Anhörungsrüge geltend macht, der Senat habe zu Unrecht angenommen, die Beschwerde erfülle die Darlegungsanforderungen nicht, weil das Verwaltungsgericht angenommen habe, die Schriftform sei gewahrt, ist dies vor diesem Hintergrund nicht entscheidungserheblich. Die Annahme der Antragstellerin, der Senat habe die Ablehnung der Beschwerde ausschließlich auf die Nichtbeachtung der Darlegungsanforderungen gestützt, ist unzutreffend. Dass die Senatsentscheidung selbstständig tragend auf der Annahme beruht, die Schriftform sei nicht gewahrt, ergibt sich bereits aus der den betreffenden Absatz einleitenden Formulierung „Überdies ist die Einschätzung des Verwaltungsgerichts insoweit auch in der Sache zutreffend.“

Soweit die Antragstellerin einen Gehörsverstoß darauf stützt, der Senat habe sie vor dem Beschluss vom 12. März 2024 nicht zu der Frage gehört, ob es sich bei dem Schreiben des Antragsgegners vom 9. November 2021 um einen „Verwaltungsakt in schriftlicher oder in elektronischer Form“ handele, verkennt sie, dass es hierzu keiner Anhörung bedurfte. Die Formgültigkeit des Verwaltungshandelns ist eine Rechtsfrage, die von Amts wegen zu prüfen ist. Die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, nämlich die Übersendung des Schreibens per E-Mail, hatte bereits das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss vorgenommen. Dieser Feststellung ist die Antragstellerin im Übrigen weder mit der Beschwerde noch mit der Anhörungsrüge entgegengetreten. Dessen ungeachtet war die Frage der Formgültigkeit des Verwaltungshandelns bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens.

Der Vortrag, das rechtliche Gehör sei verletzt, weil es für die Wirksamkeit einer Zusicherung nicht auf die Anforderungen des § 3a Abs. 2 VwVfG, sondern lediglich auf die Anforderungen des § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ankomme, betrifft keinen Gehörsverstoß, sondern eine Frage der rechtlichen Würdigung, die mit der Anhörungsrüge nicht angegriffen werden kann.

Auch soweit die Antragstellerin eine Auseinandersetzung des Senats mit ihrem erstinstanzlichen Vortrag zur Wahrung des Schriftformerfordernisses vermisst, zeigt sie keinen Gehörsverstoß auf, da es insoweit allein auf ihren Vortrag in der Beschwerdebegründung ankommt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Dessen ungeachtet verkennt die Anhörungsrüge, dass zur Wahrung der Schriftform im elektronischen Rechtsverkehr neben den Anforderungen des § 37 Abs. 3 Satz 2 VwVfG, die hier im Übrigen ebenfalls nicht erfüllt waren, die Anforderungen des § 3a Abs. 2 VwVfG erfüllt sein müssen. Die von der Antragstellerin in diesem Zusammenhang geäußerte Einschätzung, es müsse unterschieden werden, ob ein elektronischer oder ein schriftlicher Verwaltungsakt vorliege und hier sei nicht die Übersendung per E-Mail, sondern das dieser beigefügte, die Anforderungen des § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG wahrende Schriftstück entscheidend, verkennt die Rechtslage. Durch die mit dem 3. VwVfÄndG vom 21. August 2002 (BGBl. I S. 3322) eingeführten und am 1. Februar 2003 in Kraft getretenen Regelungen in § 3a VwVfG und 37 Abs. 3 Satz 2 und 3 VwVfG hat der Gesetzgeber die Bedingungen, unter denen die Verwaltung elektronisch kommunizieren darf, formuliert. § 3a Abs. 2 VwVfG regelt dabei den Schriftformersatz für die elektronische Kommunikation abschließend. Die in der Vorschrift bestimmten Formen elektronischer Kommunikation sind zwingend erforderlich (Tegethoff, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Auflage 2022, § 3a Rn. 14a). Diese Anforderungen schließen die Kommunikation per E-Mail ein, denn auch diese ist elektronische Kommunikation. Eine gesetzliche Schriftformerfordernisse wahrende Kommunikation per E-Mail ist daher nur unter diesen Voraussetzungen möglich. Anderenfalls droht eine Umgehung der gesetzlich vorgegebenen Formerfordernisse, wie der Senat bereits im Beschluss vom 12. März 2024 ausgeführt hat. Eine solche Umgehung läge hier vor, wenn man mit der Antragstellerin darauf abstellte, dass nicht die Übersendung per E-Mail, sondern das dieser beigefügte Schriftstück entscheidend sei. Dem entspricht, dass Rechtsprechung und Schrifttum, soweit sie sich mit dieser Frage befasst haben, einhellig davon ausgehen, dass bei einer Zusicherung die Ersetzung der Schriftform, wozu auch die Übersendung per E-Mail zählt, nur unter den Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 VwVfG wahrt und deshalb mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein muss (OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Januar 2005 - 2 PA 108/05 -, NVwZ 2005, 470, juris Rn. 5; Hennecke/Berger, in Knack/Hennecke, VwVfG, 11. Auflage 2020, § 38 Rn. 25; Stuhlfauth, in Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Auflage 2014, § 38 Rn. 25; Müller, in Huck/Müller, VwVfG, 2. Auflage 2016, § 38 Rn. 7; U. Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Auflage 2023, § 38 Rn. 58; Ramsauer, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Auflage 2022, § 38 Rn. 20 a.E.).

Auch aus der von der Klägerin zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 25. Januar 1995 - 11 C 29/93 -, BVerwGE 97, 323 ff.) ergibt sich nichts anderes. Im Zeitpunkt jener Entscheidung enthielt § 37 Abs. 3 VwVfG die nunmehr in Satz 2 vorgesehenen Anforderungen noch nicht, § 3a VwVfG existierte nicht. Das gilt im Übrigen auch für den Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 5. April 2000 - GmS-OGB 1/98 - (BGHZ 144, 160 ff., juris Rn. 9), wonach in Prozessen mit Vertretungszwang bestimmende Schriftsätze formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts übermittelt werden können. Die Erwägung in jener Entscheidung, wonach die Rechtsprechung dem technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Telekommunikation Rechnung trage (a.a.O., juris Rn. 15), erübrigt sich jedenfalls in den Bereichen, in denen - wie hier - der Gesetzgeber dem technischen Fortschritt durch ausdrückliche Regelungen selbst Rechnung trägt und bestimmte Anforderungen formuliert. Daran gehen die an diese Rechtsprechung anknüpfenden materiellen Erwägungen der Antragstellerin zu dieser Frage vorbei. Das gilt auch für den Vortrag, per Telefax oder als Computerfax mit eingescannter Unterschrift des Prozessbevollmächtigten versandte Schriftsätze würden Schriftformerfordernisse wahren. Unbehelflich ist zudem der Hinweis auf § 126a Abs. 1 BGB, zumal dieser ebenfalls eine qualifizierte elektronische Signatur verlangt.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, der Ausgangsbeschluss setze sich nicht mit der Frage auseinander, ob zumindest ein Anspruch auf Fortführung der Zuwendung aus Vertrauensschutz bestehe, ist schon nicht dargelegt, weshalb es hierauf aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Senats entscheidungserheblich angekommen sein soll.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der gesetzlich bestimmten Festgebühr nicht (KV-Nr. 5400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).