Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Normenkontrollverfahren, gespaltene Verbrauchsgebühr, Anschlussbeiträge,...

Normenkontrollverfahren, gespaltene Verbrauchsgebühr, Anschlussbeiträge, Entscheidung nach Zurückverweisung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 9. Senat Entscheidungsdatum 26.04.2024
Aktenzeichen OVG 9 A 2/24 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0426.OVG9A2.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 47 VwGO, § 144 Abs 6 VwGO

Tenor

§ 4 Abs. 2 der Trinkwassergebührensatzung des Antragsgegners vom 15. Mai 2014 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 6. Dezember 2016 wird für unwirksam erklärt.

§ 4 Abs. 2 der Schmutzwassergebührensatzung des Antragsgegners vom 15. Mai 2014 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 6. Dezember 2016 wird für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten, die dem Antragsteller im Beschluss des BVerwG vom 16. Dezember 2022 (9 BN 5.22) auferlegt worden sind.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller hat im März 2017 Normenkontrollanträge gegen zum 1. Januar 2017 in Kraft getretene Änderungen der Trink- und Schmutzwassergebührensatzungen des Antragsgegners gestellt, wonach Beitragszahler und Nichtbeitragszahler eine unterschiedlich hohe Verbrauchsgebühr zu entrichten haben (sog. gespaltene Gebühren-sätze). Die Änderungen bezogen sich jeweils auf den § 4 der Satzungen, wobei in Abs. 2 der Gebührensatz für die Nichtbeitragszahler festgelegt worden ist.

Mit Beschluss vom 14. Juni 2022 (- OVG 9 A 2.17 -, juris) hat der erkennende Senat § 4 Abs. 2 der Trinkwassergebührensatzung des Antragsgegners vom 15. Mai 2014 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 6. Dezember 2016 für unwirksam erklärt, weil die konkrete Ausgestaltung der Gebührensätze für Beitragszahler und Nichtbeitragszahler fehlerhaft erfolgt sei. Den Normenkontrollantrag in Bezug auf § 4 Abs. 2 der Schmutzwassergebührensatzung (SGS) hat der Senat zurückgewiesen. Er ist dabei davon ausgegangen, dass es mit Blick auf die gebührenmindernde Wirkung gezahlter Anschlussbeiträge (Abzugskapital) notwendig sei, unterschiedlich hohe Gebühren für Beitragszahler und Nichtbeitragszahler vorzusehen, wenn feststehe, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Gebührenzahlern weder Beiträge gezahlt habe noch Beiträge zahlen werde. In diesem Falle sei die gebührenmindernde Wirkung der gezahlten Beiträge allein den Beitragszahlern zugute zu bringen. Zu den "endgültigen" Nichtbeitragszahlern gehörten auch diejenigen, die im Lichte des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 (- 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 , juris) wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung Vertrauensschutz gegenüber der Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG n. F. und damit einer Beitragserhebung genössen. Dieser Vertrauensschutz erstrecke sich nicht auf andere Entgelte als Beiträge.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat der Antragsteller Beschwerde erhoben. Diese hat das Bundesverwaltungsgericht verworfen, soweit sie sich gegen die Entscheidung des erkennenden Senats zur Trinkwassergebührensatzung gerichtet hat; insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht dem Antragsteller auch die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens anteilig auferlegt. Hinsichtlich der Zurückweisung des Normenkontrollantrages in Bezug auf § 4 Abs. 2 SGS hat das Bundesverwaltungsgericht die Revision zugelassen und insoweit mit Urteil vom 17. Oktober 2023 (- 9 CN 3.22 -, juris) den Beschluss des Senats aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Der Vertrauensschutz in den Bestand einer hypothetischen Festsetzungsverjährung erstrecke sich auch darauf, dass die Kostenanteile, die durch die hypothetisch verjährten Beiträge hätten gedeckt werden sollen, nicht mehr durch Gebühren gedeckt würden. Das sei auch nach dem Gleichheitssatz geboten. Dementsprechend seien die Gebührenzahler, die wegen hypothetischer Festsetzung keine Beiträge zu zahlen hätten, gebührenseitig so zu behandeln, als hätten sie Beiträge gezahlt. Eine hieraus folgende Doppelbelastung der Beitragszahler lasse sich dadurch vermeiden, dass im Rahmen der Gebührenkalkulation in Bezug auf die endgültigen Nichtbeitragszahler ein fiktives Abzugskapital angerechnet werde. Durch das Oberverwaltungsgericht zu klären sei noch die Frage, ob vorliegend Anschlussbeiträge tatsächlich wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung nicht mehr hätten erhoben werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die vom Antragsgegner vorgelegten Satzungs- und Kalkulationsunterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet durch Beschluss, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz VwGO); die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden. Die Zurückverweisung „zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung“ (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO) steht einer Entscheidung durch Beschluss nicht entgegen. Sie enthält keine der Bindungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO unterliegende rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zum weiteren Verfahren durch das Berufungsgericht. Eine Entscheidung im Beschlussverfahren ist deshalb zulässig, wenn dessen Voraussetzungen in dem neuen, durch die Zurückverweisung eröffneten Verfahrensabschnitt erfüllt sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. November 2004 - 1 B 33.04 -, juris Rn. 4).

Die Unwirksamkeit des § 4 Abs. 2 der Trinkwassergebührensatzung in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 6. Dezember 2016 hat der Senat bereits rechtskräftig mit Beschluss vom 14. Juni 2022 festgestellt; die erneute Tenorierung dient insoweit nur der Klarstellung.

Auf den noch nicht rechtskräftig beschiedenen Antrag in Bezug auf § 4 Abs. 2 SGS in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 6. Dezember 2016 ist auch diese Vorschrift für unwirksam zu erklären. Ihre Nichtigkeit ergibt sich vom rechtlichen Ansatz her aus den Überlegungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 17. Oktober 2023 (- 9 CN 3.22 -, juris, Rn. 17 ff.), auf die der Senat Bezug nimmt und an die er vorliegend wegen § 144 Abs. 6 VwGO gebunden ist. Die noch zu klärende Frage, ob vorliegend tatsächlich Anschlussbeiträge wegen hypothetischer Festsetzungsverjährung in erheblichem Umfang nicht mehr erhoben werden können, ist nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten zu bejahen. Das erscheint auch plausibel; andernfalls hätte es für die Regelung unterschiedlicher Gebühren für Beitrags- und Nichtbeitragszahler keinen Grund gegeben.

Im Hinblick darauf, dass sich der Normenkontrollantrag - letztlich - gegen eine Änderungssatzung zur Schmutzwassergebührensatzung richtet, hat der Senat den Unwirksamkeitsausspruch – wie im Beschluss vom 14. Juni 2022 – nicht auf die Stammsatzung erstreckt. Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtigkeit des Gebührensatzes für die Nichtbeitragszahler auch den Gebührensatz für die Beitragszahler (§ 4 Abs. 1 SGS in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 6. Dezember 2016) erfasst (vgl. Beschluss des Senats vom 13. August 2019 - OVG 9 A 10.17 -, juris Rn. 25).

Die Kostenentscheidung folgt unter Einbeziehung des rechtskräftigen Teils des Beschlusses vom 14. Juni 2022 aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Der Streitwert ist bereits mit Beschluss vom 14. Juni 2022 festgesetzt worden.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist bei dem oben genannten Gericht schriftlich oder in der bezeichneten elektronischen Form einzureichen.

Rechtsanwälte, Behörden, juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Vertretungsberechtigte, die über ein elektronisches Postfach nach § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO verfügen, sind zur Übermittlung elektronischer Dokumente nach Maßgabe des § 55d VwGO verpflichtet.

Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. In Angelegenheiten, die ein gegenwärtiges oder früheres Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis betreffen, und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind auch die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 VwGO bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 VwGO als Bevollmächtigte zugelassen; sie müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen als Bevollmächtigte nicht vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören.