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Entscheidung 1 ORbs 324/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Bußgeldsachen Entscheidungsdatum 24.04.2024
Aktenzeichen 1 ORbs 324/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0424.1ORBS324.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Perleberg vom 17. Mai 2023 wird als unbegründet verworfen.

Der Betroffene trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg hat gegen den Betroffenen mit Bescheid vom 19. Mai 2022 auf ein Bußgeld in Höhe von 200,00 € erkannt. Mit dem Bußgeldbescheid wird dem Betroffenen zur Last gelegt, am … gegen … Uhr die Bundesstraße … in …, Abfahrt …, mit dem Personenkraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichen … mit 103 km/h befahren und die dort bestehende zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 33 km/h (nach Toleranzabzug) überschritten zu haben.

Nach form- und fristgerecht erhobenem Einspruch hat der Bußgeldrichter beim Amtsgericht Perleberg mit Verfügung vom 27. September 2022 Termin zur Hauptverhandlung anberaumt auf den 23. November 2022 und den Betroffenen sowie seine Verteidigerin geladen, den Betroffenen förmlich, die Verteidigerin nachrichtlich, da eine schriftliche Vollmachtsurkunde der Verteidigerin des Betroffenen sich nicht bei den Akten befindet.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 10. Oktober 2022 hat der Betroffene die Fahrereigenschaft zum Zeitpunkt des Tatvorwurfs eingeräumt, dargelegt, sich nicht weiter zur Sache zu äußern und beantragt, ihn von „der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung“ zu entbinden. Dem Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht ist das Amtsgericht Perleberg mit Beschluss vom 17. Oktober 2022 nachgekommen.

Im Ergebnis der Hauptverhandlung am 23. November 2022 erachtete das Gericht die Einholung von Auskünften zur Konformitätserklärung, zur Eichung des Messgerätes am 7. Januar 2022 und zur Softwareversion beim Staatsbetrieb für Mess- und Eichwesen des Freistaates Sachsen für erforderlich, setzte das Verfahren aus und ordnete die neue Terminierung „von Amts wegen“ an. Eine Abschrift der entsprechenden schriftlichen Anfrage des Bußgeldgerichts an den vorgenannten Staatsbetrieb vom 24. November 2022 wurde der Verteidigerin des Betroffenen am 25. November 2022 zugesendet.

Mit Telefax vom 5. Dezember 2022 hat der Staatsbetrieb für Mess- und Eichwesen des Freistaates Sachsen die erbetenen Auskünfte erteilt, insbesondere dargelegt, dass das Konformitätsbewertungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde und eine Konformitätserklärung dem Messmittelbesitzer vorliege; die Eichung des bei der Geschwindigkeitsmessung verwendeten Laserhandmessgerätes LTI 20.20 TruSpeed sei am 7. Januar 2022 durch das Eichamt Zwickau abgeschlossen worden, das Messgerät sei zum Zeitpunkt der Eichung mit der Software 1.19 laut Baumusterprüfbescheinigung DE-16-M-TB-0096, Revision 1 Pkt. 1.3 ausgestattet gewesen. Unter dem Datum des 28. Dezember 2022 hat der Bußgeldrichter die Übersendung einer Abschrift des vorgenannte Schreibens sowohl an den Betroffenen als auch an dessen Verteidigerin verfügt mit der Bitte um Prüfung, „ob der keine Erfolgsaussicht bietende Einspruch in der Bußgeldsache zurückgekommen wird“. Die Verfügung wurde noch am selben Tag ausgeführt (Bl. 15 d.A.).

Nachdem sich weder der Betroffene noch die Verteidigerin zu dem Schreiben des Staatsbetriebs für das Mess- und Eichwesen des Freistaates Sachsen vom 5. Dezember 2022 geäußert hatten, beraumte das Amtsgericht Perleberg am 19. Januar 2023 neuen Termin zur Hauptverhandlung auf den 8. März 2023 an. Mit Anwaltsschriftsatz vom 27. Januar 2023 beantragte der Betroffene mit gleicher Begründung wie im Schriftsatz vom 10. Oktober 2022, ihn von „der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung“ zu entbinden, dem das Amtsgericht mit Beschluss vom 1. Februar 2023 erneut nachgekommen war.

Mit weiterem Anwaltsschriftsatz vom 28. Februar 2023 beantragte die Verteidigerin die Einstellung des Verfahrens nach § 47 OWiG, da u.a. eine Konformitätsbescheinigung nicht vorliege und der Name des Prüfers, der die Verantwortung der Eichung trage, nicht benannt werden konnte. Für den Fall, dass das Bußgeldgericht der Einstellung nicht nachkomme, beantragte die in … ansässige Verteidigerin Terminverlegung, da der 8. März 2023 ein gesetzlicher Feiertag im Bundesland … ist. Der Bußgeldrichter hat mit Verfügung vom 3. März 2023 u.a. unter Hinweis auf die den vorliegenden Eichschein dargelegt, dass eine Einstellung des Verfahrens nicht in Betracht komme, den Hauptverhandlungstermin auf den 17. Mai 2023 verlegt und den Betroffenen sowie seine Verteidigerin, den Betroffen förmlich, geladen.

Das Bußgeldgericht hat die Hauptverhandlung, zu der weder der Betroffene noch seine Verteidigerin erschienen waren, durchgeführt und im Zuge der Beweisaufnahme u.a. den vorgenannten Schriftsatz der Verteidigerin vom 28. Februar 2023 zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht. Im Ergebnis der Hauptverhandlung hat das Amtsgericht Perleberg den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einem Bußgeld in Höhe von 200,00 € verurteilt.

Unter dem Datum des 17. Juli 2023 vermerkte der Bußgeldrichter, dass „durch ein Bearbeitungsversehen (Akte lag in der Kiste eines Umfangsverfahrens)“ die Urteilsabsetzungsfrist nicht hatte eingehalten werden können, mithin „dem Gericht eine wirksame Urteilsbegründung verwehrt ist“ und verfügte die Zustellung des schriftlichen Urteils mit einem entsprechenden Zusatz anstelle einer Urteilsbegründung. Das entsprechende schriftliche Urteil wurde dem Betroffenen am 21. Juli 2023 förmlich zugestellt.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 25. Juli 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag, beantragte der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil vom 17. Mai 2023 und für den Fall der Zulassung zugleich die Aufhebung des angefochtenen Urteils. Die Verteidigerin des Betroffenen hat die Verfahrens- und die Sachrüge erhoben und das Rechtsmittel insbesondere damit begründet, dass dem Betroffenen das rechtliche Gehör verkürzt worden sei. Des Weiteren wird beanstandet, dass das Amtsgericht „nicht ordnungsgemäß verhandelt“ habe, das Gericht den in der Hauptverhandlung am 23. November 2023 aufgekommenen Zweifeln an einer korrekten Geschwindigkeitsmessung nicht nachgekommen sei und das Urteil keine Gründe enthalte, mithin nicht überprüfbar sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat mit Stellungnahme vom 31. August 2023 beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Perleberg vom 17. Mai 2023 aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Perleberg zurückzuverweisen. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Auffassung, dass der Betroffene erneut von der Anwesenheitspflicht hätte entbunden werden müssen, ein voraufgegangener Entpflichtungsbeschluss im Falle einer Terminverlegung oder Anberaumung eines neuen Hauptverhandlungstermins hätte wiederholt werden müssen; mithin habe im konkreten Fall das Amtsgericht nicht in Abwesenheit des Betroffenen entscheiden dürfen.

II.

1. Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 1 OWiG statthaft und entsprechend den §§ 80 Abs. 3 OWiG, 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden.

2. Der Antrag nach § 80 Abs. 1 OWiG hat in der Sache jedoch keinen Erfolg; es liegen keine Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vor.

Die Rechtsbeschwerde ist bei einer erkannten Geldbuße von mehr als 100,00 € bis zu 250,00 € dann zuzulassen, wenn das Urteil (a) wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) oder (b) die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG).

a) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht in der für eine Verfahrensrüge erhobenen Form gerügt worden und – dessen ungeachtet – auch nicht gegeben.

aa) Soweit der Betroffene die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) erhoben hat, handelt es sich um eine Verfahrensrüge, die jedoch nicht den an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO iVm. §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 zu stellenden Anforderungen genügt. Da das Rechtsbeschwerdegericht nicht von sich aus die Ordnungsgemäßheit des gesamten Verfahrens prüfen kann, muss der Beschwerdeführer die den konkrete geltend gemachten Verfahrensmangel begründenden Tatsachen angeben; hierzu gehören auch die Tatsachen, die dem behaupteten Verfahrensfehler die Grundlage entziehen (sog. Negativtatsachen; vgl. statt vieler: BGH StV 2004, 30; BGH NJW 2016, 419; BGH NStZ-RR 2008, 85).

Im vorliegenden Fall hat der Betroffene geltend gemacht, zum anberaumten Hauptverhandlungstermin nicht erschienen zu sein; zugleich behauptet der Betroffene in der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift vom 25. Juli 2023, vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden zu sein.

Soweit die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 31. August 2023 die Aufhebung des angefochtenen Urteils mit der Begründung beantragt, dass der Betroffene nicht (erneut) von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung durch das Gericht entbunden worden war, kann dies der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, da es insoweit an einem entsprechenden Sachvortrag durch den Beschwerdeführer fehlt. Es fehlt an Angaben dazu, ob und ggf. in welchem Umfang der Betroffene von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung am 17. Mai 2023 gemäß § 73 Abs. 2 OWiG entbunden worden war. Hierzu hätte es eines konkreten Vortrags insbesondere deswegen bedurft, weil der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs auf den Vorlagebeschluss des Kammergerichts vom 28. Februar 2022 (3 Ws (B) 31/22, abgedruckt in: DAR 2023, 94) am 10. Oktober 2023 grundlegend entschieden hat, dass die antragsgemäß nicht auf einen konkreten Termin bezogene Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen gemäß § 73 Abs. 2 OWiG bei Verlegung des Hauptverhandlungstermins fortwirkt, so dass ein Entbindungsbeschluss des Gerichts für den neuen Termin nicht erneut beantragt und erlassen werden muss (4 StR 94/22, abgedruckt in: NJW 2024, 776 f. = DAR 2024, 165 ff. = NZV 2024, 180 ff.). Um entscheiden zu können, ob das Bußgeldgericht die Hauptverhandlung zu Recht in Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt hatte, hätte es eines entsprechenden Vortrags gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO iVm. §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG insbesondere dahingehend bedurft, ob eine Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung durch das Gericht für einen konkreten Hauptverhandlungstermin ausgesprochen worden war oder sich generell auf die Hauptverhandlung in der vorliegenden Bußgeldsache bezogen hat. Hierzu verhält sich weder die Rechtsbeschwerdebegründungsschrift vom 27. Juli 2023 noch die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 31. August 2023.

bb) Die Abwesenheit der Verteidigerin von der Hauptverhandlung kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht begründen, so dass es nicht darauf ankommt, ob ein entsprechender Sachvortrag den an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO iVm. §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 zu stellenden Anforderungen genügt.

Eine Verletzung des Anspruches des Betroffenen auf rechtliches Gehör kann selbst bei Ablehnung eines auf die Verhinderung des Verteidigers gestützten Terminaufhebungs- oder Terminverlegungsantrages nicht liegen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12. November 2012, 2 RBs 253/12; BayObLG, Beschluss vom 31. Mai 1994, 2 ObOWi 194/94, jew. zitiert nach juris, jew. m.w.N.). Die Verhinderung seines Verteidigers nimmt dem Betroffenen nicht die Möglichkeit, sich selbst vor Gericht rechtliches Gehör zu verschaffen. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet nur das rechtliche Gehör als solches, nicht rechtliches Gehör gerade durch Vermittlung eines Rechtsanwalts (vgl. bereits BVerfG NJW 1984, 862; OLG Hamm a.a.O; BayObLG a.a.O.; OLG Köln VRS 83, 367; OLG Düsseldorf VRS 95, 104). Mithin hätte der Betroffene mit seinen Einwendungen gehört werden können, was erst Recht gilt, wenn diese – wie hier – bereits schriftsätzlich vorgetragen worden sind (vgl. auch BGHSt 28, 44, 46; BayObLG NZV 1992, 43; OLG Düsseldorf VRS 82, 209; OLG Köln VRS 83, 367; OLG Dresden DAR 2004, 102; siehe auch BVerfGE 85, 386,404).

cc) Soweit die Verteidigung die Verletzung rechtlichen Gehörs damit zu begründen sucht, dass das Bußgeldgericht „den in der Hauptverhandlung am 23. November 2023 aufgekommenen Zweifeln an einer konkreten Geschwindigkeitsmessung nicht nachgekommen“ sei, genügen die Ausführungen ebenfalls nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO iVm. §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG. Dies betrifft sowohl die inhaltlichen Darlegungen zu den konkreten Zweifeln wie auch die Negativtatsache, dass ausweislich der Bußgeldakte eine Abschrift des Schreibens des Staatsbetriebs für das Mess- und Eichwesen des Freistaates Sachsen vom 5. Dezember 2022 sowohl dem Betroffenen als auch dessen Verteidigerin am 18. Dezember 2022 zugeleitet worden war.

b) Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

aa) Rechtsklarheit herrscht hinsichtlich der Abfassung eines schriftlichen Urteils ohne Gründe. Die Fertigung eines Urteils ohne Gründe stellt zwar einen nicht unerheblichen Rechtsfehler dar, da kein Fall des § 77b OWiG gegeben ist. Jedoch führt allein die Tatsache, dass das Amtsgericht von einer Begründung des Urteils – versehentlich – abgesehen hat, obwohl die Voraussetzungen des § 77b OWiG nicht vorliegen, nicht automatisch zur Zulassung der Rechtsbeschwerde; erforderlich ist auch in einem solchen Fall die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen des § 80 OWiG (grundlegend: BGHSt 42, 187,189 ff. = NJW 1996, 3157 = NStZ 1997, 39 = VRS 92, 135; ebenso OLG Celle NdsRpfl. 1997, 52; OLG Köln NZV 1997, 371; Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 77b Rdnr. 8, § 80 Rdnr. 12, 13; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2019, (1 Z) 53 Ss-OWi 721/19 (416/19); Senatsbeschluss vom 9. November 2017, (1 Z) 53 Ss-OWi 653/17 (308/17); Senatsbeschluss vom 16. Mai 2017, (1 Z) 53 Ss-OWi 191/17 (100/17); Senatsbeschluss vom 21. November 2011, (1 Z) 53 Ss-Owi 450/11 (246/11); Senatsbeschluss vom 22. Mai 2012, (1 Z) 53 SS-Owi 256/12 (136/12), in: VRS 116, 279 m.w.N.).

Das Fehlen der Urteilsgründe führt – entgegen der Auffassung des Betroffenen – im vorliegenden Fall nicht zugleich zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Eine solche Auffassung würde auf der fehlerhaften Annahme beruhen, dass die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1, 2 OWiG nur an Hand der Urteilsgründe überprüft werden könnten. Damit aber würden sachlich-rechtliche Rechtsbeschwerdegrundsätze auf das Zulassungsverfahren ausgedehnt, ohne dass dies zwingend ist. Die bei Nichtvorliegen von Urteilsgründen lediglich nicht ausschließbare Möglichkeit, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde geboten sein kann, ersetzt nicht die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1, 2 OWiG. Hierzu hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, dass selbst in den Fällen, in denen die Sachrüge erhoben ist, die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde häufig ohne Kenntnis von Urteilsgründen geprüft werden können. Dies gelte insbesondere bei massenhaft auftretenden Bußgeldverfahren wegen einfacher Verkehrsordnungswidrigkeiten, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten aufzeigen und bei denen nach den Gesamtumständen ausgeschlossen werden kann, dass die Zulassungsvoraussetzungen nach § 80 OWiG vorliegen. Zur Prüfung der Zulassung der Rechtsbeschwerde ist es möglich, den Bußgeldbescheid (vgl. dazu auch BGHSt 23, 336; BGHSt 23, 365; BGHSt 27, 271; vgl. auch Senatsbeschluss vom 9. November 2017, (1 Z) 53 Ss-OWi 653/17 (308/17); Senatsbeschluss vom 16. Mai 2017, (1 Z) 53 Ss-OWi 191/17 (100/17)), den Zulassungsantrag, nachgeschobene Urteilsgründe oder dienstliche Äußerungen heranzuziehen; sonstige Umstände können selbst bei Vorliegen von Urteilsgründen berücksichtigt werden, wenn beispielsweise zu erwägen ist, ob ein rechtsfehlerhaftes Urteil sich als bloße Fehlentscheidung im Einzelfall darstellt (BGHSt 42, 187,189). All dies folgt schon daraus, dass es sich bei dem Zulassungsverfahren um ein Vorschaltverfahren handelt (vgl. KK-Senge, OWiG, 5. Aufl., § 80 Rdnr. 5), bei dem ermittelt wird, ob ein Rechtsbeschwerdeverfahren durchzuführen ist (ständige Senatsrechtsprechung, zuletzt Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2019, (1 Z) 53 Ss-OWi 721/19 (416/19); ebenso schon: Senatsbeschluss vom 14. Januar 2009, 1 Ss-OWi 238 Z/08, abgedr. bei juris; vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2017, (1 Z) 53 Ss-OWi 653/17 (308/17); Senatsbeschluss vom 16. Mai 2017, (1 Z) 53 Ss-OWi 191/17 (100/17); Senatsbeschluss vom 21. November 2011, (1 Z) 53 Ss-OWi 450/11 (246/11); Senatsbeschluss vom 22. Mai 2012, (1 Z) 53 SS-Owi 256/12 (136/12).

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde bei Fehlen von Urteilsgründen ist auch nicht aus Gründen der Verfassung (Rechtsstaatsprinzip, Gewährung rechtlichen Gehörs) geboten. Denn durch den Verfahrensverstoß ist der Betroffene nicht gehindert, die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu beantragen und Umstände vorzutragen, die zu einer Zulassung führen können (BGHSt a.a.O., 190 f.). Da zudem die Zulassung der Rechtsbeschwerde einer einheitlichen und sachgerechten Rechtsprechung und nicht in erster Linie der Entscheidung des Einzelfalls dient, ist es von Verfassung wegen nicht geboten, allein aus dem Umstand, dass Urteilsgründe fehlen, einen Zulassungsgrund herzuleiten.

Dies heißt freilich nicht, dass das Fehlen von Urteilsgründen im Einzelfall nicht zur Begründetheit des Zulassungsantrags führen kann. Bei tatsächlich und rechtlich schwierigen Ordnungswidrigkeitsverfahren mag dies in Einzelfällen anders liegen. Kann ohne Kenntnis der Urteilsgründe nicht ohne weiteres beurteilt werden, ob die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen, und können solche Zweifel weder durch das abgekürzte Urteil, den Bußgeldbescheid, den Zulassungsantrag noch durch nachgeschobene Gründe, dienstliche Äußerungen oder sonstige Umstände ausgeräumt werden, so führt in einem solchen Einzelfall das Fehlen von Urteilsgründen zur Begründetheit des Zulassungsantrags.

Im vorliegenden Fall ist eine Prüfung der Zulassungsgründe nach § 80 Abs. 1 OWiG möglich und führt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht vorliegen, weshalb der Zulassungsantrag insoweit als unbegründet zu verwerfen ist. Das Fehlen der Urteilsgründe allein erfordert die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist – wie oben dargelegt – nicht zu besorgen. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls hat sich das Tatgericht mit den von dem Betroffenen erhobenen Einwendungen und Beweisanregungen auseinander gesetzt. Insbesondere waren auch der Schriftsatz der Verteidigerin des Betroffenen vom 28. Februar 2023 und die Stellungnahme des Staatsbetriebs für das Mess- und Eichwesen des Freistaates Sachsen vom 5. Dezember 2022 Gegenstand der Hauptverhandlung.

bb) Die weiteren erhobenen Verfahrensrügen führen nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Dies schon deswegen, weil mögliche Verfahrensfehler nicht hinreichend dargelegt werden.

Die Rüge, das Bußgeldgericht sei „den in der Hauptverhandlung am 23. November 2023 aufgekommenen Zweifeln an einer konkreten Geschwindigkeitsmessung nicht nachgekommen“, kann weder als so genannte Aufklärungsrüge noch als Rüge des Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens Erfolg haben, da sie auch insoweit nicht den an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO iVm. §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG zu stellenden Anforderungen genügt und sich beispielsweise mit den Ausführungen des Staatsbetriebs für das Mess- und Eichwesen des Freistaates Sachsen vom 5. Dezember 2022 nicht auseinandersetzt, diese nicht einmal erwähnt.

Dass es sich bei dem Lasermessverfahren LTI 20.20 TruSpeed um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 39, 291, BGHSt 43, 277) handelt, ist obergerichtlich hinreichend entschieden (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 12. Oktober 2023, 3 ORbs 211/23, in: StV 2024, 156; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Februar 2023, 2 ORbs 35 Ss 4/23, in: ZfSch 2023, 472 f.).

cc) Die erhobene Sachrüge führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Denn es handelt sich vorliegend um eines der massenhaft auftretenden Bußgeldverfahren wegen einer sehr einfachen Verkehrsordnungswidrigkeit, die in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten aufweist.

Nach den Gesamtumständen kann ausgeschlossen werden, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde vorliegen. Nach alledem sind Anhaltspunkte für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.