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Entscheidung 3 U 224/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 09.04.2024
Aktenzeichen 3 U 224/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0409.3U224.22.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18.11.2022 - 11 O 13/22 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 65.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sog. Diesel-Skandal geltend.

Auf Grundlage einer verbindlichen Bestellung vom 31.10.2017 (Anlage K 1a) erwarb der Kläger ein Wohnmobil Sun Living S 75 SL zu einem Kaufpreis in Höhe von 55.340 €, dessen Basisfahrzeug - einen Fiat Ducato - die Beklagte hergestellt hat. Das Fahrzeug wurde am 18.04.2018 erstmals zugelassen und dem Kläger am 26.04.2018 übergeben (Anlage K 1c). In dem Fahrzeug ist ein Diesel-Motor Multijet 150, 2,3 l, 96 kW, Euro 6 mit NOx-Speicherkatalysator (NSK) verbaut. Motorhersteller ist laut der EU-Übereinstimmungserklärung die („Firma 01“).

Für das Basisfahrzeug erteilte die italienische Genehmigungsbehörde der Beklagten eine Typgenehmigung, für den Wohnmobilaufbau das Kraftfahrtbundesamt (KBA).

Ein Rückrufbescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) im Zusammenhang mit dem Emissionsverhalten des streitgegenständlichen Fahrzeuges liegt nicht vor, auch keiner einer ausländischen Behörde.

Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat betrug die Laufleistung 17.356 km.

Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug sei mit mehreren unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen.

Zum einen verfüge das Fahrzeug über eine Software, die erkenne, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) befinde. Es komme im normalen Straßenbetrieb zu deutlich höheren Stickoxidemissionen als auf dem Prüfstand. Die Software reduziere die Abgasrückführung 26 Minuten 40 Sekunden nach dem Motorstart und schalte die Regeneration des NSK nach 22 Minuten bzw. nach sechs Regenerationsvorgängen ab.

Außerdem sei in dem Fahrzeug ein eng definiertes „Thermofenster“ verbaut, das im Prüfstand eine vollständige AGR bewirke, während es diese im Realbetrieb stark reduziere.

Zusätzlich sei das On-Bord-Diagnose-System so manipuliert worden, dass die unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht erkannt würden.

Das KBA habe den streitgegenständlichen Dieselmotor als verdächtig eingestuft (siehe Anlage K 1).

Die Beklagten hätten mittels der beschriebenen Funktionen vorgetäuscht, die Abgaswerte entsprächen den gesetzlichen Bestimmungen, um an die Typengenehmigungen für das streitgegenständliche Fahrzeug zu gelangen. Dies stelle eine absichtliche Übervorteilung der Fahrzeugerwerber zum Zwecke der Erreichung eigener materieller Ziele dar.

Die Nutzungsentschädigung sei nach einer zu erwartenden Nutzzeit von mindestens 15 Jahren zu berechnen.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt von der Beklagten die Zahlung eines Betrages in Höhe von 41.875,70 € (38.738 € + 3.137,70 €) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.07.2021 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs und die Freistellung von seinen vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.877,11 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.07.2021 begehrt.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, in dem streitgegenständlichen Motor sei keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut worden. Die von den italienischen und deutschen Zulassungsbehörden erteilten Typengenehmigungen entfalteten Tatbestandswirkung. Das AGR-System würde nicht nach einem fest definierten Zeitraum bzw. einer bestimmten Anzahl von Zyklen abgeschaltet. Vielmehr werde die AGR während der gesamten Motoraktivität ohne Differenzierung nach Prüfstand oder Realbetrieb aus zwingenden technischen Gründen moduliert.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.11.2022, auf dessen Feststellungen und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er macht geltend, die zeitbasierte Abschalteinrichtung sei von der Beklagten aufgrund einer strategischen Entscheidung bewusst und gewollt so programmiert, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten würden, während die AGR im Realbetrieb größtenteils abgeschaltet werde. Da hierfür kein technischer Verwendungszweck ersichtlich sei, diene der Timer nur der Täuschung der Zulassungsbehörden. Das gelte ebenso für das auf die im Prüfstand herrschenden Bedingungen zugeschnittene Thermofenster, dessen Vorhandensein die Beklagte grundsätzlich zugestehe, ohne zu dessen Erforderlichkeit ausreichend vorzutragen.

Die rechtliche Beurteilung der italienischen Behörden entbinde nicht von einer eigenständigen zivilgerichtlichen Prüfung der hier maßgeblichen EU-Vorschriften.

Er habe substanziiert zu den Abschalteinrichtungen in seinem Fahrzeug vorgetragen, indem er sich auf Testergebnisse der Deutschen Umwelthilfe, das Vertragsverletzungsverfahren gegen die italienische Regierung, Aussagen des damaligen Bundesverkehrsministers vor dem Untersuchungsausschuss und ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main bezogen habe. Das KBA habe in vergleichbaren Basisfahrzeugen unzulässige Abschalteinrichtungen entdeckt (vgl. Anlage KGR BB 1 und 3).

Sein Hauptantrag zu 1 berücksichtige Nutzungen auf der Basis einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 350.000 km. Bei einem Kilometerstand von 14.418 km am 18.11.2022 (Tag der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht) ergebe dies einen Abzug von 2.279,69 €.

Der Kläger macht zweitinstanzlich hilfsweise den kleinen Schadensersatz in Höhe von mindestens 5% des Kaufpreises wegen des von ihm behaupteten Thermofensters und Timers geltend. Nutzungen seien nicht anzurechnen, da der ursprüngliche Hauptanspruch weder aufgrund gefahrener Kilometer noch aufgrund Zeitablaufs den ursprünglich gezahlten Kaufpreis unterschritten werde.

Der Kläger beantragt nunmehr,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18.11.2022, Az.: 11 O 13/22, aufzuheben (gemeint ist abzuändern) und die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn unter Erledigungserklärung im Übrigen 52.138,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.07.2021 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Wohnmobils Sun Living S 75 SL mit der FIN … zu zahlen;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Antrag zu 1 genannten Wohnmobils im Annahmeverzug befindet;

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.137,70 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.07.2021 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Wohnmobils Sun Living S 75 SL mit der FIN … zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.877,11 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.07.2021 freizustellen.

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen vom Gericht zu schätzenden Betrag, mindestens aber 5% des von ihm für das Wohnmobil Sun Living S 75 SL mit der FIN … gezahlten Kaufpreises nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. In dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei keine Abschalteinrichtung in Form eines Timers installiert. Dies ergebe sich auch aus einem Sachverständigengutachten aus einem Parallelverfahren vom 27.06.2022 zu einem identischen Basisfahrzeug (Anlage BE 1). Die Motorsteuerung enthalte keine Prüfstandserkennung und funktioniere auf dem Rollenstand in gleicher Weise wie im Realbetrieb. Der Kläger trage zum Motor schon mangels Vorlage der Übereinstimmungserklärung nicht ausreichend vor. Die streitgegenständliche Motorbauart (2,3 l-Hubraum) sei auch nicht vom KBA in den veröffentlichten Marktüberwachungs-Informationen als auffällig gelistet. Im Übrigen seien die vom KBA an anderen Motoren durchgeführten Abgasmessungen mangels näherer Kenntnis nicht nachvollziehbar. Auch aufgrund einer Neukalibrierung der Motoren im Jahr 2016 und einer kompletten Überarbeitung des Abgasverhaltens sei keine Vergleichbarkeit der Motoren gegeben.

Ein auf den Prüfstand zugeschnittenes Thermofenster existiere nicht. Vielmehr werde die AGR-Rate ab einer Lufttemperatur von ca. 9 bis 12° am Ansaugstutzen und somit in Abhängigkeit des individuellen Fahrverhaltens reduziert, was aus Motorschutzgründen und zum sicheren Fahrzeugbetrieb erforderlich sei. Dies sei allgemeiner Industriestandard. Der Vorwurf, die Beklagte habe ein Thermofenster eingebaut, könne im Übrigen dahinstehen, da der bloße Einbau eines Thermofensters nicht genüge, um das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren.

Ein etwaiger Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB bestehe schon deshalb nicht mehr, weil der Schaden durch die Vorteilsausgleichung vollständig aufgezehrt werde. Die Nutzungsentschädigung sei allein anhand einer voraussichtlichen Gesamtnutzungszeit von zehn Jahren zu errechnen und betrage hier rund 30.437 €. Das Fahrzeug habe zudem einen Restwert von 49.375 €, wie sich einschlägigen Verkaufsangeboten auf mobile.de entnehmen lasse (Anlage BE10).

II.

Die Berufung ist unbegründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 826 BGB.

Ein Anspruch aus § 826 BGB wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung scheidet nach dem hier vorgetragenen Sach- und Streitstand aus. Es fehlt an Vortrag der Kläger zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch ein Verhalten der Beklagten.

a)

Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2021 – VII ZR 257/20, Rn. 20, juris, m.w.N.).

b)

Das Inverkehrbringen eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Kraftfahrzeugs durch einen Fahrzeughersteller ist aber nicht schon wegen des darin liegenden Gesetzesverstoßes als sittenwidriges Verhalten gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs anzusehen. Damit eine unzulässige Abschalteinrichtung eine Haftung des Fahrzeugherstellers wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB auslösen kann, müssen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weitere Umstände hinzutreten, die sein Verhalten als besonders verwerflich erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2023 – III ZR 303/20, Rn. 11, juris, m.w.N.).

c)

Einen derartigen Umstand kann es darstellen, dass die Abschalteinrichtung danach unterscheidet, ob das Kraftfahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird oder sich im normalen Fahrbetrieb befindet. Die Tatsache, dass eine Manipulationssoftware ausschließlich im Prüfstand die Abgasreinigung verstärkt aktiviert, indiziert eine arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2023 – III ZR 303/20, Rn. 12, juris, m.w.N.).

d)

Sofern die verwendete Abschalteinrichtung demgegenüber auf dem Prüfstand und im normalen Fahrbetrieb im Grundsatz in gleicher Weise funktioniert, ist darauf abzustellen, ob die konkrete Ausgestaltung der Abschalteinrichtung angesichts der sonstigen Umstände die Annahme eines heimlichen und manipulativen Vorgehens oder einer Überlistung der Typgenehmigungsbehörde rechtfertigen kann. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt in einem solchen Fall jedenfalls voraus, dass der Fahrzeughersteller bei der Entwicklung und/oder Verwendung der Abschalteinrichtung in dem Bewusstsein handelte, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahm. Fehlt es daran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20, Rn. 28, juris; Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20, Rn. 16, juris; Urteil vom 20.07.2023 – III ZR 303/20, Rn. 13, m.w.N.).

e)

Die Darlegungs- und Beweislast für ein derartiges Vorstellungsbild der handelnden Personen trägt dabei nach den allgemeinen Grundsätzen der Fahrzeugkäufer als Anspruchsteller (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2022 – VI ZR 435/20, Rn. 18, juris). Reichen die von einer Partei für das Vorstellungsbild der anderen Partei behaupteten Indizien nach Auffassung des Tatgerichts für eine dahingehende Überzeugungsbildung auch dann nicht aus, wenn sie sich als zutreffend erweisen, so ist das Tatgericht nicht gehalten, Feststellungen zu den behaupteten Indizien zu treffen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 20).

f)

Gemessen hieran kann die für einen Anspruch aus § 826 BGB erforderliche Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten nicht festgestellt werden. Es fehlt an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass das Inverkehrbringen des Basisfahrzeugs mit – insoweit unterstellt – unzulässigen Abschalteinrichtungen von der Beklagten in dem Bewusstsein der Unrechtmäßigkeit geschah und damit objektiv sittenwidrig war.

Weder ergibt sich dies aus der Implementierung der so genannten „Timerfunktion“, noch aus der eines Thermofensters, so dass in diesem Zusammenhang offenbleiben kann, ob solche Funktionen tatsächlich im streitgegenständlichen Fahrzeug vorhanden sind.

g)

Dafür, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug von der Beklagten eine sog. Prüfstandserkennungssoftware verbaut worden wäre, die bewusst und gewollt von der Beklagten so programmiert worden wäre, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden (Umschaltlogik), und die damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abgezielt hätte, wie sie etwa dem BGH-Urteil vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19, zum VW-Motor EA 189) zugrunde lag, fehlen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte (vgl. OLG München, Beschluss vom 01.03.2021 – 8 U 4122/20, Rn. 33, juris).

h)

Der Klägervortrag zeigt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine Zeitschaltuhr im streitgegenständlichen Fahrzeug die Steuerungsbedingungen im normalen Fahrbetrieb anders regelt als auf dem Prüfstand, nicht auf. Vielmehr trägt er selbst vor, dass die „Timerfunktion“ lediglich an den Zeitablauf gekoppelt und diese Funktion bei jedem Betrieb aktiviert sei, indem - unabhängig davon, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet oder nicht - die Abgasrückführung nach 22 Minuten reduziert bzw. deaktiviert werde. Dementsprechend kommt diese Funktion - anders als die so genannte Kippschalterlogik beim VW-Motor EA 189 - auch im Straßenbetrieb zum Einsatz. Diese Ausführungen lassen sich mit der klägerischen Behauptung einer Prüfstandserkennung nicht in Einklang bringen.

i)

Mangels Prüfstandsbezogenheit begründet die behauptete Funktion deshalb für sich genommen keinen Anspruch aus § 826 BGB. Nichts anderes gilt für den Umstand, dass die von der Zeitschaltuhr vorgegebenen Zeiträume nur vergleichsweise kurz bemessen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZR 126/21, Rn. 17, juris; vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 27.04.2022 - 23 U 208/21, juris, Rn. 61; OLG Celle, Beschluss vom 16.10.2023 – 7 U 346/22, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 17.08.2022, 10 U 56/22, bestätigt vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 27.11.2023, VI a ZR 1425/22, Rn 16).

j)

Sonstige Umstände, die die Annahme eines heimlichen und manipulativen Vorgehens oder einer Überlistung der Typgenehmigungsbehörde rechtfertigen könnten, trägt der Kläger nicht vor. In der Berufungsbegründung stützt er sich zur Begründung der Sittenwidrigkeit allein auf die Funktionsweise des „Timers“. Die Funktionsweise der Abschalteinrichtung allein reicht als Indiz für ein sittenwidriges Verhalten aber - wie dargelegt - nicht aus, soweit es, wie hier der Fall, an der Prüfstandsbezogenheit fehlt.

k)

Auch der Einsatz eines sogenannten Thermofensters ist nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen, die dem Urteil des BGH vom 25.05.2020 - VI ZR 252/19 - zum Motortyp EA 189 zugrunde liegt. Bei dem bloßen Einsatz eines Thermofensters wie im vorliegenden Fall fehlt es ebenfalls an einem derartigen arglistigen Vorgehen des beklagten Automobilherstellers, das die Qualifikation seines Verhaltens als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rn. 17, juris).

l)

Von dem Kläger werden auch insoweit keine konkreten Umstände vorgetragen, die auf eine besondere Verwerflichkeit im Handeln der Beklagten schließen lässt. Der pauschale Vortrag, die Beklagte habe bereits seit 2011 gewusst, dass es sich beim Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele und dadurch, dass sie ein solches dennoch verwendet habe, den Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen, reicht hierfür nicht aus und ist durch nichts belegt. Soweit die Kläger für die Kenntnisse der Beklagten auf Mitteilungen seitens des KBA abstellen, ist dies schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die zuständige Typengenehmigungsbehörde nicht das KBA, sondern die italienische Zulassungsbehörde war.

2.

Dafür, dass in Fahrzeug darüber hinaus prüfstandsbezogene Abschalteinrichtungen verbaut sind, gibt es keine Hinweise. Zur Darlegung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer Prüfstandserkennung genügt insbesondere die Bezugnahme auf Testergebnisses der Deutschen Umwelthilfe bezüglich eines vergleichbaren Wohnmobils nicht. Mit der pauschalen Behauptung, das Fahrzeug überschreite außerhalb des Prüfstands die gesetzlichen Grenzwerte um ein Vielfaches, legt die Klägerin keine Anhaltspunkte für eine in seinem Fahrzeug verbaute prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung dar. Dass die entsprechenden Werte im Realbetrieb diejenigen teilweise auch erheblich übertreffen, die im seinerzeit maßgeblichen NEFZ erzielt werden, ist schon angesichts der unterschiedlichen Bedingungen und unabhängig von der Verwendung einer Umschaltlogik zu erwarten und stellt deshalb keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür dar, dass der entsprechende Motor zur Täuschung der zuständigen Behörde auf dem Prüfstand in einem anderen Modus als außerhalb betrieben wird (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2022, VI ZR 435/20, Rn 15; OLG Celle, Beschluss vom 14.09.2023, 11 U 39/23, Rn 19). Dass bei dem hier streitgegenständlichen Fahrzeug so extreme Abweichungen bestehen, dass darin jedenfalls ein ausreichender Anhaltspunkt für eine prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung gesehen werden könnte, der eine Beweisaufnahme erforderlich machen würde, ist nicht ersichtlich.

3.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-GFV bzw. i.V. m. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007.

Ob die von dem Kläger behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen vorliegen, kann offen bleiben, da ein etwaiger, nach dieser Norm ausschließlich in Betracht kommender Differenzschaden durch die Nutzungsvorteile und den Restwert des Fahrzeugs jedenfalls vollständig aufgezehrt ist.

a)

Hierbei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Ersatz eines Differenzschadens aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gegen den Fahrzeughersteller ergeben, wenn dem Kläger aufgrund des Vertragsschlusses ein Vermögensschaden entstanden ist (BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21, juris, Rn. 28 ff. m.w.N. zur Judikatur des EuGH). Die Schätzung des Differenzschadens unterliegt in den Fällen des Vertrauens eines Käufers auf die Richtigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung bei Erwerb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs unionsrechtlichen Vorgaben für die Anwendung des nationalen Rechts sowohl in Bezug auf die Untergrenze als auch auf die Obergrenze des nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu gewährenden Schadensersatzes. Damit wird das dem Tatrichter nach § 287 ZPO eingeräumte Schätzungsermessen innerhalb einer Bandbreite zwischen 5% und 15% des gezahlten Kaufpreises rechtlich begrenzt (BGH, a.a.O., Rn. 73).

b)

Zudem finden die von der Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 06.07. 2021 – VI ZR 40/20, ders. Urteil v. 24.01.2022 – VIa ZR 100/21) entwickelten Maßstäbe zum „kleinen“ Schadensersatz auf den Differenzschaden Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Rn. 80, juris). Danach sind die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs erst dann und nur insoweit anspruchsmindernd im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen, als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen. Bei der Schätzung des Schadens innerhalb eines Rahmens zwischen 5% und 15% sind für die Bestimmung des objektiven Werts des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Nachteile, insbesondere das Risiko behördlicher Anordnungen, zu berücksichtigen. Weiter sind der Umfang in Betracht kommender Betriebsbeschränkungen und die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Beschränkungen mit Rücksicht auf die Einzelfallumstände in den Blick zu nehmen. Maßgebend ist dabei eine auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene Betrachtung (BGH, Urteil vom 26.06.2023 - VIa ZR 335/21, Rn. 76, juris). Über diese originär schadensrechtlichen Gesichtspunkte hinaus sind das Gewicht des der Haftung zugrundeliegenden konkreten Rechtsverstoßes für das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte sowie der Grad des Verschuldens nach Maßgabe der Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls zu bewerten, um so dem Gebot einer verhältnismäßigen Sanktionierung auch bezogen auf den zu würdigenden Einzelfall Rechnung zu tragen (BGH, a.a.O., Rn. 77).

c)

Dies zugrunde gelegt gilt hier Folgendes:

aa)

Der Senat schätzt den Minderwert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls gemäß § 287 Abs. 1 ZPO höchstens auf 10 % des Bruttokaufpreises, mithin 10 % von 55.340 €, das sind 5.534 €. Das Fahrzeug hatte also bei Erwerb einen tatsächlichen Wert von 49.806 €.

Bei der Schätzung hat der Senat berücksichtigt, dass - anders als bei den Fahrzeugen des VW-Konzerns mit dem Motor EA 189 - das Risiko behördlicher Anordnungen bei Vertragsschluss im Jahr 2016 gering war und weiterhin ist. Zu diesem Zeitpunkt war die italienische Zulassungsbehörde bereits in Kenntnis der vom KBA erhobenen Vorwürfe, ohne dass dies zu irgendwelchen Aktivitäten der zuständigen Behörden geführt hätte. Auch bezüglich des von der Beklagten eingeräumten Thermofensters ist in absehbarer Zeit nicht mit Maßnahmen zu rechnen.

bb)

Bei der Bemessung des kleinen Schadenersatzes sind weiter die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs auf den Anspruch schadensmindernd anzurechnen, dies allerdings erst dann und nur insoweit, als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (BGH, Urteil vom 24.01.2022, VIa ZR 100/21, Rn. 22, juris). Maßgeblicher Zeitpunkt zur Berechnung des Nutzungsvorteils ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (BGH, a.a.O., Rn. 23, juris).

cc)

Bei dem anzurechnenden Nutzungsvorteil ist dabei nach Auffassung des Senats zu berücksichtigen, dass zum bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Wohnmobils - wie es schon im Wortlaut zum Tragen kommt - nicht nur das Fahren, sondern auch das Wohnen auf Rädern während der Standzeit gehört. Anders als bei einem PKW gibt es deshalb bei Sonderfahrzeugen wie einem Wohnmobil keinen einheitlichen Berechnungsmaßstab. Wie bei einem PKW nur auf die Gesamtfahrleistung abzustellen (so OLG Naumburg, Urteil vom 26.09.2023, 8 U 37/23) erscheint deshalb ebenso wenig sachgerecht wie allein auf die voraussichtliche Gesamtlebensdauer eines solchen Fahrzeugs (so z.Bsp. OLG Celle, Beschluss vom 16.10.2023, 7 U 346/22; LG Karlsruhe, Urteil vom 26.10.2023, 22 O 5/21). Zusätzlich zur Laufleistung müssen deshalb die Wohnvorteile berücksichtigt werden (Staudinger/Kaiser/Sittmann-Haury, BGB, 2022, § 346, Rn 264). Der Senat hält es deshalb im Anschluss an eine Entscheidung des OLG Hamm (Urteil vom 18.12.2014, 28 U 135/13) für angemessen, neben dem Fahr- auch den Wohnfaktor in die Berechnung des Nutzungswertersatzes einfließen zu lassen und aus beiden einen Mittelwert zu bilden (so auch Ermann/Metzger, BGB, 17. Aufl., § 346, Rn 36).

Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 27.11.2023 - VIa ZR 1425/22 - ergibt sich nichts anderes, vor allem nicht etwa die grundsätzliche Unbeachtlichkeit des Wohnfaktors im Sinne der Lebensdauer des jeweiligen Fahrzeugs bei der Berechnung der Höhe des Schadens. Aus dieser Entscheidung ergibt sich nur, dass eine Ausklammerung einer ganzen Gruppe von Fahrzeugtypen aufgrund abstrakter, mit ihrer Bauart zusammenhängender Erwägungen ohne Bezug zu Art 5 Abs. 2 der Verordnung € Nr. 71572007 die von den Mitgliedsstaaten zu gewährleistende Effektivität der Durchsetzung der Ziele des Unionsrechts unvertretbar einschränken würde. Zur konkreten Berechnung des anzurechnenden Nutzungsvorteils bei einem Wohnmobil trifft das Urteil keine Aussage.

dd)

Die zu erwartende Gesamtlaufleistung eines Wohnmobils schätzt der Senat auf 200.000 km (so auch OLG Nürnberg, Urteil vom 14.11.2001, 4 U 372/01; OLG Hamm, a. a. O.; Ermann/Metzger, a. a. O., § 346, Rn 36).

Die zu erwartende Lebensdauer schätzt der Senat auf 15 Jahre (180 Monate). Hierbei befindet er sich im Einklang mit verschiedenen anderen Obergerichten (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 16.10.2023, 7 U 346/22; OLG Stuttgart, Urteil vom 12.05.2016, 1 U 133/13). Einen solchen Zeitraum von 15 Jahren hat der vom Oberlandesgericht Stuttgart (a. a. O., juris, Rn 123 ff) im dortigen Fall beauftragte Sachverständige für zutreffend erachtet. Eingeflossen in seine Bewertung sind dabei auch Informationen des Caravaning Industrie-Verband e.V. (CIVD) und Angaben des Deutschen Caravaning Industrie-Verband e.V. (DCHV). Dies hält der Senat für plausibel.

ee)

Somit berechnet sich der Nutzungsvorteil, bezogen auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wie folgt:

55.340 € (Kaufpreis) : 200.000 km (im Kaufzeitpunkt noch zu erwartende Restlaufleistung) x 17.356 km = 4.802,41 €

55.340 € (Kaufpreis) : 180 Monate x 71 Monate (Nutzungszeit des Klägers) = 21.828,56 €.

26.630,97 € (4.802,41 € + 21.828,56 €) : 2 = 13.315,49 €.

ff)

Den Restwert schätzt der Senat auf mindestens 44.000 €.

Hierbei legt er die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 28.02.2024 vorgelegten Anzeigen aus der Verkaufsplattform mobile.de zugrunde, deren Authentizität der Kläger nicht in Abrede stellt.

In der obergerichtlichen Rechtsprechung werden zur Schätzung des erzielbaren Verkaufserlöses, in dem sich der Restwert spiegelt, regelmäßig Internetplattformen wie mobile.de herangezogen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.12.2023, 6 U 198/20, Rn 246; OLG Köln, Urteil vom 17.08.2022 - I-22 U 30/22, Rn. 28, juris m.w.N.; OLG Brandenburg, Urteil vom 10.11.2022 - 12 U 41/22, Rn. 14, juris; OLG Dresden, Urteil vom 01.02.2023 - 13 U 1920/22, Rn. 10, juris; Urteil vom 25.05.2023 - 4 U 2558/22, Rn. 45, juris; OLG Celle, Beschluss vom 30.03.2023 - 16 U 300/22, Rn. 24, juris; OLG München, Urteil vom 17.05.2023 - 36 U 3730/22, Rn. 30, juris; Beschluss vom 27.07.2023 - 35 U 5534/22, Rn. 74, juris; siehe auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.08.2023 - 8 U 86/21, Rn. 180, juris Urteil vom 15.09.2023 - 8 U 383/21, Rn. 79, juris). Dies ist auch nach Auffassung des Senats im Rahmen der Überzeugungsbildung nach dem gemäß § 287 ZPO abgesenkten Maßstab zulässig und gegebenenfalls geboten. Es ist anerkannt, dass in geeigneten Fällen zur Schadensschätzung (etwa im Internet) veröffentlichte Listen oder Tabellen Verwendung finden können (siehe BGH, Urteil vom 12.04.2011 - VI ZR 300/09, NJW 2011, 1947 Rn. 17 ff; Urteil vom 26.04.2016 - VI ZR 50/15, NJW 2016, 3092 Rn. 26; BeckOK-ZPO/Bacher, Stand März 2023, § 287 Rn. 20.1). Der Tatrichter ist bei der Verwendung geeigneter Listen grundsätzlich frei (vgl. BGH, Urteil vom 12.04.2011 - VI ZR 300/09, NJW 2011, 1947 Rn. 17). Ebenso kann eine gewisse Übersicht öffentlich zugänglicher Gebrauchtwagenangebote eine Schätzung des erzielbaren Verkaufspreises ermöglichen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass auf Internetangebots-Plattformen genannte Preise die Vorstellung des Anbieters darstellen und der im Rahmen eines etwa folgenden Verkaufs nach Verhandlungen mit dem Käufer tatsächlich vereinbarte Preis häufig geringer sein wird, so dass bei der Wertschätzung ein Abschlag gegenüber Angebotspreisen geboten sein kann (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 13.09.2023 - 30 U 81/21, Rn. 148, juris). Die von dem Kläger angeführte starre lineare Berechnung nach bewerta.de bildet demgegenüber den realen Marktpreis nicht ab.

gg)

Auf der Verkaufsplattform mobile.de werden ausweislich der vorgelegten Anzeigen vergleichbare Fahrzeuge für Preise in Höhe von 42.900 € bis 55.850 € angeboten, durchschnittlich also für 49.375 €. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Fahrzeuge auf den Verkaufsplattformen letztlich nicht für den dort aufgerufenen Preis verkauft werden und hierfür ein Abschlag angesetzt wird, rechtfertigt dies im Rahmen des Schätzungsermessens einen Restwert von mindestens 44.000 € anzusetzen.

hh)

Damit betragen der anzurechnende Nutzungsvorteil (13.315,49 €) und der Restwert (44.000 €x €) zusammen 57.315,49 € und übersteigen den tatsächlichen Fahrzeugwert zum Erwerbszeitpunkt (49.806 €) um einen Wert (7.509,49 €), der höher als der ermittelte Minderwert des Fahrzeugs (5.534 €) ist, so dass sich der Schadensersatz auf Null reduziert.

Dies würde selbst dann gelten, wenn man einen Ersatzanspruch in Höhe von 15 % als angemessen ansähe.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

6.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die hier zu entscheidenden Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt sind. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 27.11.2023, VI a ZR 1425/22, Rn 16, entnimmt der Senat - unter Heranziehung der Ausgangsentscheidung des OLG Bamberg -, dass der Bundesgerichtshof die Frage, ob die in zahlreichen Fällen entscheidungserhebliche Frage, ob die so genannte „Timerfunktion“ per se, das heißt auch ohne deren unmittelbare Prüfstandsbezogenheit feststellen zu können, die Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten indiziert, verneint.