Gericht | OLG Brandenburg 5. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 18.04.2024 | |
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Aktenzeichen | 5 U 188/22 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0418.5U188.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Berufung der Beklagten gegen das am 28. Juli 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az. 8 O 79/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Potsdam ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils und des angegriffenen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 95.000 €.
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aufgrund eines Grundstücksüberlassungsvertrages geltend.
Die Klägerin ist die letzte Lebensgefährtin und Alleinerbin des am XX. Juni 2019 verstorbenen Erblassers H…-W… D…. Der Erblasser übertrug sein in N…, T…, gelegenes Grundstück, eingetragen im Grundbuch von N… Blatt …, mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 11. Mai 2010 an die Beklagte. Dort heißt es:
„§ 3 Belastungs- und Veräußerungsverbot
Der Erwerber verpflichtet sich, den übertragenen Grundbesitz bis zum Tod des Veräußerers ohne dessen Zustimmung weder zu belasten noch zu veräußern und auch keine Verpflichtung hierzu einzugehen. Die Zwangsvollstreckung in den übertragenen Grundbesitz steht dem gleich.
Im Falle des Verstoßes hiergegen ist der Erwerber verpflichtet, den übertragenen Grundbesitz gegen Übernahme der etwaigen dinglich gesicherten Verbindlichkeiten, sofern es sich dabei um solche handelt, die im Einvernehmen mit dem Veräußerer bestellt wurden, im übrigen unentgeltlich an den Veräußerer zurück zu übertragen. …“
Wegen des Wortlautes des Vertrages im Übrigen wird auf die Anlage K3 Bezug genommen.
Die Beklagte veräußerte das Grundstück am 10. September 2018 zum Kaufpreis von 95.000,- €. Die Parteien streiten darüber, ob hierfür eine Zustimmung des Erblassers vorlag. Hierüber hat das Landgericht Beweis erhoben.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. November 2019 verlangte die Klägerin von der Beklagten mit Fristsetzung zum 13. Dezember 2019 die Rückübertragung des Grundstücks, hilfsweise die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 95.000,- €. Dies lehnte die Beklagte ab.
Wegen des weiteren Sachverhalts und der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 95.000,- € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Der Anspruch folge aus den §§ 285 Abs. 1, 1922 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 3 des Grundstücksüberlassungsvertrages. Der lebzeitige Rückübertragungsanspruch sei im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Klägerin übergegangen. Da der Beklagten eine Rückübertragung des überlassenen Grundstücks aufgrund dessen Veräußerung und gutgläubigen Erwerbs der Käufer gemäß § 275 BGB unmöglich geworden sei, schulde sie die Herausgabe des erlangten Surrogats an die Klägerin. Die Beklagte habe gegen das Veräußerungsverbot verstoßen, indem sie das Grundstück noch zu Lebzeiten des Erblassers ohne dessen Zustimmung verkaufte. Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin habe den Beweis geführt, dass eine Zustimmung zur Grundstücksveräußerung seitens des Erblassers bis zu dessen Tod nicht vorlag.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der form- und fristgerechten Berufung. Sie rügt, der Rückübertragungsanspruch sei ein höchstpersönliches Recht des Erblassers gewesen, der nicht vererblich sei. § 3 des Übertragungsvertrages sei in Zusammenhang mit § 4 des Vertrages zu sehen, mit dem sich der Erblasser ein unentgeltliches Mitnutzungsrecht an dem Grundstück zu seinen Lebzeiten sicherte. Er habe durch den Rückübertragungsanspruch sicherstellen wollen, dass er persönlich seinen Garten weiterhin habe bearbeiten und gestalten können. Dies sei ihm gesundheitlich in den letzten Jahren nicht mehr möglich gewesen. Sinn und Zweck der Vertragsklausel seien aber erfüllt gewesen, da es Ziel des Erblassers gewesen sei, den Nutzen und Wert des Grundstücks der Beklagten zukommen zu lassen. Das Ergebnis der Beweisaufnahme stehe dem nicht entgegen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landgerichts Potsdam, Az. 8 O 79/20, vom 28. Juli 2022 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und vertieft ihren Vortrag. § 3 und § 4 des Übertragungsvertrages seien getrennt voneinander zu betrachten. Insbesondere sollte der Erblasser berechtigt sein, den Grundbesitz mit dem „jeweiligen Eigentümer des Grundstücks“ zu Erholungszwecken zu nutzen. Dies habe daher den hypothetischen Fall einer Veräußerung mit Zustimmung des Erblassers umfasst.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte im Rahmen von Vergleichsgesprächen mitgeteilt, dass ihr für eine vergleichsweise Einigung keine hinreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung stünden. Die Klägerin meint, dass es der Beklagten daher auch nicht möglich sein dürfte, den Erwerbern den Kaufpreis in Höhe von 95.000,- € zurückzuerstatten, und deshalb von einer Unmöglichkeit eines Rückerwerbs der Beklagten auszugehen sei.
II.
A)
Die zulässige (§§ 517, 519, 520 BGB) Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an sie den als Surrogat aus der Veräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks erlangten Betrag in Höhe von 95.000,- € zu zahlen.
Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte folgt aus den §§ 285 Abs. 1, 1922 Abs. 1 BGB i.V.m. § 3 des Grundstücksüberlassungsvertrages vom 11. Mai 2010.
1.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der dem Erblasser nach § 3 des Grundstücksüberlassungsvertrages zustehende lebzeitige Rückübertragungsanspruch gegen die Beklagte auf die Klägerin als Alleinerbin übergegangen ist, § 1922 Abs. 1 BGB. Dass die Beklagte das streitgegenständliche Grundstück ohne Zustimmung des Erblassers veräußert und damit gegen das Veräußerungsverbot des Übertragungsvertrages verstoßen hat, ist im Berufungsverfahren nicht mehr streitig. Aus § 3 Abs. 2 des Vertrages folgt, dass der Erwerber im Falle des Verstoßes verpflichtet ist, den übertragenen Grundbesitz unentgeltlich an den Veräußerer zurück zu übertragen. Dieser Anspruch ist mit dem Tod des Erblassers auf die Klägerin übergegangen, § 1922 Abs. 1 BGB. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich nicht um einen höchstpersönlichen Anspruch, der mit dem Tod des Erblassers erloschen ist.
Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen als Erben über. Dabei geht auch die Rechtsstellung des Erblassers aus einem vertraglichen Schuldverhältnis insgesamt auf den Erben über. Anderes gilt nur, wenn das Recht ausschließlich dem Erblasser vorbehalten gewesen sein sollte. Ob der in einem Grundstücksübergabevertrag vereinbarte bedingte Rückübertragungsanspruch mit dem Tod des Übergebers erlischt, obliegt deshalb, wenn eine ausdrückliche Regelung fehlt, der Auslegung des Vertrages (§§ 133, 157 BGB, vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 7. März 2006, Az. 15 W 99/05). Das Fehlen einer ausdrücklichen Formulierung schließt eine Vererblichkeit nicht aus. Auch einen Grundsatz, dass der Rückforderungsanspruch „im Zweifelsfall“ nicht vererblich ist, gibt es nicht (OLG Schleswig, Beschluss vom 2. September 2021, Az. 2 Wx 53/20, FGPrax 2021, 251).
a.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier davon auszugehen, dass der bereits zu Lebzeiten des Erblassers entstandene Rückauflassungsanspruch auf die Klägerin im Wege der Erbfolge übergegangen ist. Dass die Parteien des Überlassungsvertrages, der Erblasser und die Beklagten, wollten (§ 157 BGB), dass ein etwaig entstandener Rückübertragungsanspruch jedenfalls mit dem Tode des Erblassers erlöschen sollte, lässt sich nicht feststellen.
Der Wortlaut des Übertragungsvertrages zwischen dem Erblasser und der Beklagten enthält keine ausdrückliche Regelung, ob der bedingte Rückübertragungsanspruch vererblich sein oder mit dem Tod des Erblassers erlöschen sollte. Mangels Vortrags zu dem Gang der notariellen Verhandlungen oder Gesprächen der Vertragsparteien vor Vertragsschluss lassen sich Anhaltspunkte erkennen, die eine Auslegung des Vertrages im Sinne der Beklagten zuließen. Zwar mag hierfür sprechen, dass ein Interesse des Erblassers, dessen Lebensgefährtin die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt noch nicht war, an einer Rückübertragung auch im Fall seines Todes nicht ohne Weiteres ersichtlich ist. Andererseits spricht gerade der Umstand, dass die Vertragsparteien die Rückübertragung für den Todesfall des Erblassers nicht ausgeschlossen haben, dafür, dass der Erblasser im Fall einer (neuen) Lebenspartnerschaft und gegebenenfalls testamentarischen Begünstigung seiner Partnerin nicht auf eine bereits mit Bedingungseintritt entstandenen Rückauflassungsanspruch verzichten wollte.
Auch die Systematik des Überlassungsvertrages gibt für einen höchstpersönlichen Anspruch nichts her. Zwar sollte dem Erblasser das Mitnutzungsrecht am Gartengrundstück zustehen. Insofern hatte er mit der Beklagten in § 4 Abs. 1 des Vertrages vereinbart, dass er gemeinschaftlich mit dem „jeweiligen Eigentümer“ berechtigt sein sollte, den Grundbesitz zu Erholungszwecken mit zu nutzen. Das Mitnutzungsrecht des § 4 des Vertrages ist indes nicht mit dem vorstehend in § 3 vereinbarten Veräußerungsverbot verknüpft. Zwar mag Sinn und Zweck des Veräußerungsverbotes zumindest auch darin gelegen haben, das Mitnutzungsrecht des Veräußerers am Grundstück sicherzustellen. Weder aus dem Vertragstext noch aus den sonstigen Umständen ergibt sich jedoch, dass das Veräußerungsverbot ausschließlich der Sicherung des Mitbenutzungsrechts dienen sollte. Vielmehr ist der bedingte Rückübertragungsanspruch nur die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen dieses Veräußerungsverbot und sollte es absichern mit der Möglichkeit, eine Rückauflassungsvormerkung im Grundbuch eintragen zu lassen.
Schließlich sprechen auch die möglichen Rechtsfolgen bei der Geltendmachung des Rückauflassungsanspruchs nach Eintritt der Bedingung – der Weiterveräußerung – gegen eine Auslegung, dass der Anspruch mit dem Tod des Erblassers erlöschen sollte. Hätte der Erblasser den Rückauflassungsanspruch gegen die Beklagte gerichtlich geltend machen müssen und wäre er vor rechtskräftiger Entscheidung verstorben, wäre nach der Auffassung der Beklagten der Anspruch erloschen. Der Rechtsstreit hätte allein aus diesem Grund keinen Erfolg haben können. Dafür, dass die Parteien eine solche Folge wollten, ist nichts ersichtlich.
b.
Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung zur Löschung einer Rückauflassungsvormerkung nach dem Tod des Erblassers (vgl. unter anderem BGH, Beschluss vom 3. Mai 2012, Az. V ZB 112/11 m.w.N.). Der Entscheidung – wie auch weiteren – liegt eine Vormerkung zugrunde, die für einen auf die Lebenszeit des Gläubigers befristeten, nicht übertragbaren und nicht vererblichen Anspruch eingetragen ist; sie kann nach dessen Tod nicht als Sicherung für einen unbedingten, vererblichen Anspruch eines Dritten dienen. Damit liegt diesen Entscheidungen aber ein anderer Sachverhalt zugrunde: während in den vom Bundesgerichtshof die Bedingung noch nicht eingetreten war und damit der schuldrechtliche Rückübereignungsanspruch zu Lebzeiten des Verfügenden noch nicht entstanden war, ist im hier zu entscheidenden Fall der Rückauflassungsanspruch zu Lebzeiten des Erblassers in seiner Person bereits entstanden.
c.
Auf Gesichtspunkte des Schenkungswiderrufs nach § 530 BGB kommt es nicht an, weil die Vertragsparteien einen Rückauflassungsanspruch unter einer aufschiebenden Bedingung vereinbart haben. Der Anspruch war damit weder von einem Widerruf noch einem sonstigen Gestaltunsgsrecht (Rücktritt) abhängig.
2.
Die nach § 3 Abs. 2 des Vertrages vom 11. Mai 2010 geschuldete unentgeltliche Rückübertragung vermag die Beklagte nicht mehr zu erbringen. Sie ist ihr, nachdem sie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, über keinen finanziellen Spielraum für einen Vergleich zu verfügen, unmöglich im Sinne des § 275 BGB. Zwar wird der Schuldner nach § 275 Abs. 1 BGB erst dann von einer Verpflichtung zur Verschaffung des Eigentums frei, wenn er das durch die Veräußerung an einen Dritten eingetretene Leistungshindernis auch nicht durch einen Rückerwerb beheben kann (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2011, Az. V ZR 84/10). Dass ein solcher Rückerwerb am fehlenden finanziellen Spielraum der Beklagten scheitert, hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen. Die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten, so dass die Unmöglichkeit zur Leistungserbringung unstreitig ist.
3.
Die Beklagte hat daher nach § 285 Abs. 1 BGB den erlangten Kaufpreis an die Klägerin herauszugeben. Einen Ersatz für den geschuldeten Gegenstand, den der Schuldner infolge des seine Leistung unmöglich machenden Umstands erlangt hat, stellt auch das rechtsgeschäftliche Surrogat dar, also der Erlös, den der Schuldner durch die Veräußerung des geschuldeten Gegenstands erzielt (BGHZ 46, 260, 264; BGHZ 75, 203, 206; BGH, Teilurteil vom 15. Oktober 2004, Az. V ZR 100/04). Die Beklagte hat unstreitig durch den Verkauf des streitgegenständlichen Grundstücks durch notariellen Grundstückskaufvertrag vom 10. September 2018 einen Betrag in Höhe von 95.000,- € als Kaufpreis erhalten, den sie folglich herauszugeben verpflichtet ist.
4.
Die Zinsforderung und der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, den die Beklagte auch der Höhe nach mit der Berufung nicht in Zweifel gezogen hat, ergeben sich aus §§ 280, 286 BGB.
B)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.