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Asyl, Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung Afghanistan


Metadaten

Gericht VG Potsdam 7. Kammer Entscheidungsdatum 20.02.2018
Aktenzeichen VG 7 K 4367/16.A ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2018:0220.7K4367.16.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 11 Abs 5 AufenthG, § 3 AsylG, § 4 AsylG, § 60 Abs 7 AufenthG

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Kläger; insoweit ist die Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung internationalen Schutzes sowie hilfsweise die Feststellung, dass Abschiebungsverbote in seiner Person hinsichtlich seines Herkunftslandes vorliegen.

Nach eigenen Angaben wurde der Kläger am in der Provinz Baghlan geboren, ist afghanischer Staatsangehöriger paschtunischer Volkszugehörigkeit und muslimischen Glaubens; er ist ledig und hat im Verwaltungsverfahren angegeben, dass er bis zu seiner Ausreise am 4. April 2015 im Ort A... in der Provinz Baghlan gelebt habe. Dann sei er nach Pakistan gereist, von wo er mit einem Schleuser durch unbekannte Länder weitergereist sei. Erst als er in Serbien und Bulgarien angekommen sei, sei ihm mitgeteilt worden, wo er sei. Er sei dann über Ungarn und Österreich nach Deutschland gekommen. Insgesamt sei er einundeinhalb Monate unterwegs gewesen und habe sich drei Tage in Serbien und zwei Tage in Bulgarien aufgehalten. In Ungarn seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. Die Reise habe 8000 $ gekostet. Er habe jedoch nur die Hälfte von angespartem Geld bezahlen müssen. Die andere Hälfte müsse er noch begleichen. Die Einreise in die Bundesrepublik sei am 22. Mai 2015 erfolgt.

Am 23. Juni 2015 stellte der Kläger einen Asylantrag bei der Außenstelle der Beklagten in Eisenhüttenstadt. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) in Eisenhüttenstadt am 11. März 2016 gab er im Wesentlichen an, er habe noch seine Eltern und eine Schwester in Afghanistan. Ein Bruder sei bereits vor fünf Jahren geflüchtet. Seit zwei Monaten habe er auch keinen Kontakt zu seinen Eltern. Er habe keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt, sondern seit dem zwölften Lebensjahr in der Landwirtschaft gearbeitet. Das Land habe zur Hälfte seiner Familie gehört und sei zur Hälfte gepachtet gewesen.

Die Taliban, die in seinem Heimatort sehr starken Einfluss hätten, hätten ihn mehrmals aufgefordert, für sie zu arbeiten. Einmal hätten sie auch den Vater mitgenommen, nach einigen Tagen aber wieder freigelassen. Ein Freund von ihm sei von denen verschleppt worden und wenige Tage später tot vor seiner Haustür abgelegt worden. Die Taliban wollten, dass er für sie arbeite, er habe das aber nicht gewollt. Aus diesem Grund sei bereits der Bruder vor einigen Jahren außer Landes geschickt worden. Nachdem die Taliban vom Vater nun die Herausgabe des Klägers verlangt hätten, habe der Vater keinen Ausweg gesehen und ihn fort geschickt. Er selber sei von den Taliban nicht persönlich bedroht worden, er habe sich immer versteckt. Sie hätten immer mit dem Vater geredet, zuletzt ca. 20 Tage oder einen Monat vor seiner Ausreise. Eine Anzeige bei der Polizei sei mangels Polizeiwache vor Ort und der herrschenden Kriegszustände nicht erfolgt. Der Vater sei etwa 2-3 Monate vor seiner Ausreise auch einmal zusammengeschlagen worden. In einer anderen Region seines Landes könne er wirtschaftlich nicht überleben und befürchte bei einer Rückkehr in seine Heimat getötet zu werden.

Mit Bescheid vom 3. August 2016, den Prozessbevollmächtigten des Klägers per Einschreiben am 15. November 2016 übersandt, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab (2.) und stellte fest, dass die Flüchtlingseigenschaft (1.) und der subsidiäre Schutzstatus (3.) nicht zuerkannt werde sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (4.). Ferner forderte es den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte er die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Afghanistan abgeschoben (5.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (6.).

Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne des § 3 Asylgesetzes - AsylG. Aus dem Vorbringen sei weder eine flüchtlingsrelevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Der Kläger habe auch nicht um internen Schutz z. B. durch die Polizei nachgesucht. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen ebenfalls nicht vor, da der Kläger weder von der Verhängung der Todesstrafe noch von Folter oder einer sonstigen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung in seiner Heimat bedroht werde. Abschiebungshindernisse lägen auch nicht vor, da weder eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention - EMRK -, noch andere Abschiebungshindernisse festzustellen seien. Die derzeitige humanitäre Lage in Afghanistan begründe nicht die Annahme, dass bei der Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK drohe. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller als volljähriger, gesunder Mann, der mangels familiärer Bindungen keine Unterhaltslasten zu tragen habe, trotz fehlendem Vermögen und abgeschlossener Berufsausbildung im Falle einer Rückkehr in der Lage wäre, mit Gelegenheitsarbeiten, etwa in Kabul ein kleines Einkommen zu erzielen. Dies werde ausreichen, um sich ein Existenzminimum zu finanzieren und wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren. Das gelte auch bei fehlender Rückgriffsmöglichkeit auf ein familiäres Netzwerk. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbot sei mangels anderer Erkenntnisse angemessen.

Der Kläger hat am 16. November 2016 Klage erhoben. Zur Begründung führt er schriftsätzlich aus, er habe durch die Entziehung der Rekrutierung durch die Taliban und anschließende Flucht seine oppositionelle Haltung gegenüber den Taliban offenbart, weshalb von einer bereits erlittenen Verfolgung auszugehen sei. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Heimatregion zu den Provinzen zähle, in denen für die Zivilbevölkerung ein erhöhtes Sicherheitsrisiko bestehe. Aufgrund des Zusammenbruchs der afghanischen Wirtschaft sei auch die Rückkehrmöglichkeit alleinstehender junger Männer grundlegend in Frage gestellt. Zudem würden insbesondere abgeschobene Rückkehrer aus westlichen Ländern stigmatisiert.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 3. August 2016 mit dem Geschäftszeichen 6023060-423, zugestellt am 16. November 2016, zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zuzuerkennen, höchst hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG vorliegen,

hilfsweise,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des benannten Bescheides zu verpflichten, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf null Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen,

höchst hilfsweise,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des benannten Bescheides zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Befristung nach § 11 Abs. 2 AufenthG zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung und auf ein gegen den Kläger beim Bundesgerichtshof laufendes Ermittlungsverfahren (2 BJs 9/17-8) und die dazugehörige Beschuldigten- und Zeugenvernehmung.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 10. Januar 2018 den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wurde mit Verfügung vom 23. Januar 2018 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Das Gericht hat den Kläger zu seinen Fluchtgründen angehört. Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Erkenntnisse gewesen, wie sie als Anlage zur Ladung aufgeführt worden sind sowie weitere, gesondert benannte Quellen zur Gefährdungslage in Afghanistan. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die das Gericht infolge des Übertragungsbeschlusses vom 10. Januar 2018 gemäß § 76 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) durch den Einzelrichter entscheiden konnte, ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Der Bescheid des Bundesamtes vom 3. August 2016 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 des Asylgesetzes (AsylG).

Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob einem solchen Anspruch bereits der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AsylG entgegensteht. Zwar kann, wer aktiv eine Organisation unterstützt, deren Zweck auf solche terroristische Handlungen mit internationalem Bezug gerichtet ist, sich mithin in sonstiger Weise an Handlungen des internationalen Terrorismus beteiligt, den Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 AsylVfG verwirklichen. Dabei müssen entsprechende Handlungen nicht definitiv erwiesen sein. Ausreichend ist vielmehr, dass aus schwerwiegenden Gründen eine entsprechende Annahme gerechtfertigt ist, d. h. ausreichend ist insoweit ein gegenüber der nach § 108 VwGO erforderlichen Überzeugungsgewissheit abgesenktes Beweismaß (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09. März 2011 – 11 A 1439/07.A –, juris).

Die vorliegend zunächst aufgrund des bei der Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof geführten Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger (2 Bjs 9/17-8) bestehenden diesbezüglichen Bedenken haben sich jedoch nicht weiter verfestigt. So ist das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger mit Verfügung vom 23. Januar 2018 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Auch hat die Vernehmung des Klägers in der mündlichen Verhandlung keine weiteren diesbezüglichen durchgreifenden Anhaltspunkte ergeben. Insoweit hat das Gericht von einer weiteren dahingehenden Aufklärung, etwa durch Vernehmung des Bruders als Zeugen abgesehen.

Denn der Kläger hat unabhängig vom Vorliegen des genanntenAusschlusstatbestandes keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.

Rechtsgrundlage der begehrten Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist vorliegend § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG. Danach wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, soweit er keinen Ausschlusstatbestand nach § 60 Abs. 8 Satz 1 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - erfüllt. Ein Ausländer ist Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention - GK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Nach § 77 Abs. 1 AsylG ist vorliegend das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2780 ff.) geändert worden ist, anzuwenden. Dieses Gesetz setzt in §§ 3 bis 3e AsylG - wie die Vorgängerregelungen in §§ 3 ff. Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) - die Vorschriften der Art. 6 bis 10 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Amtsblatt Nr. L 337, S. 9) - Qualifikationsrichtlinie (QRL) - im deutschen Recht um. Nach § 3a Abs. 1 AsylG gelten als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsyIG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK (BGBI 1952 II, S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsyIG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsyIG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung nicht nur vom Staat, sondern auch von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen (VG Würzburg, Urteil vom 10. Oktober 2017 - VV 1 K 16.31908 -, juris Rn. 16).

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn sie aufgrund der im Herkunftsland des Antragstellers gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 19).

Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, juris Rn. 32 m.w.N., und vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, juris Rn. 23; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A juris Rn. 35 ff.).

Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits in seinem Herkunftsland verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, er werde erneut von solcher Verfolgung bedroht (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL).

Ob sich der Antragsteller im Einzelfall auf diese Beweiserleichterung in Form einer tatsächlichen Vermutung, frühere Handlungen und Bedrohungen wiederholten sich bei einer Rückkehr in das Herkunftsland, berufen kann bzw. die Vermutung widerlegt wurde, ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, juris Rn. 23; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A juris Rn. 39).

Es ist dabei Sache des Antragstellers, die Gründe für seine Furcht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung Verfolgung droht oder bereits stattgefunden hat. Hierzu gehört, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Antragstellers berücksichtigt werden (vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -, juris Rn. 33 m.w.N.).

1. Der Kläger hat im Kern vorgetragen, die Taliban hätten ihn zwangsrekrutieren wollen. Dem Zwangsrekrutierungsversuch habe er sich durch Flucht entzogen.

Die Erkenntnismittellage zu Zwangsrekrutierungen durch die Taliban stellt sich wie folgt dar:

Das Auswärtige Amt führt hierzu aus, dass Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden nicht auszuschließen seien. Konkrete Fälle kämen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihre Familien kaum an die Öffentlichkeit (Lagebericht vom 19. Oktober 2016, S. 12).

Der UNHCR erläutert im fraglichen Zusammenhang, dass in Gebieten, in denen regierungsfeindliche Gruppen die Kontrolle über die Bevölkerung ausübten, eine Vielzahl von Mechanismen bestehe, um Kämpfer zu rekrutieren, einschließlich durch Zwangsmaßnahmen. Es gebe Berichte, dass regierungsfeindliche Gruppen weiterhin auch Kinder, sowohl Jungen als auch Mädchen, für ihre Zwecke rekrutierten. Daher könnten Männer im kampffähigen Alter oder Kinder, die sich einer zwangsweisen Rekrutierung widersetzt hätten, des internationalen Flüchtlingsschutzes aufgrund deren (unterstellter) politischer Meinung oder aus anderen relevanten Gründen bedürfen (UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016, S. 44 ff.).

Das Bundesasylamt der Republik Österreich hat in seiner Staatendokumentation vom 2. April 2012 zu Afghanistan betreffend die Rekrutierung durch die Taliban ausgeführt, es gebe eine Vielzahl von Gründen, warum sich in Afghanistan Menschen den Taliban anschließen. Ein wesentlicher Faktor seien Armut, Arbeitslosigkeit und schlechte Ausbildung. So werde die Beteiligung am Aufstand als Möglichkeit gesehen, sich und die eigene Familie zu versorgen. Bis zu 70% der Taliban sollen aus jungen arbeitslosen Männern bestehen, die versuchten, ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Vor allem Flüchtlingslager in Afghanistan und Pakistan und die dortigen schlechten Lebensumstände schienen die Rekrutierung zu begünstigen. Ein weiterer Grund, sich den Taliban anzuschließen, könne auch in der persönlichen Rache für die Tötung von Angehörigen liegen. Außerdem gelinge es den Taliban immer wieder geschickt, lokale Konflikte auszunutzen, um neue Verbündete zu finden. Vor diesem Hintergrund einer Vielzahl ökonomischer, machtpolitischer und ideologischer Beweggründe, sich den Taliban anzuschließen, basiere die tatsächliche Rekrutierung jedoch im Wesentlichen auf den persönlichen Kontakten zu lokalen Kommandanten und Mullahs bzw. es würden Personen in Koran-Schulen angeworben und indoktriniert. Eine Facette der Politik der Taliban gegenüber der Bevölkerung liege in der Vermeidung lokaler Konflikte. So suchten die Taliban die Unterstützung der Dorfältesten, bevor sie in ein Gebiet eindringen würden. Seit ihrem Sturz versuchten die Taliban, alle zu rekrutieren, die ihre Herrschaft in den 1990er Jahren unterstützt und mit der Vertreibung der Taliban im Jahr 2001 an Einfluss verloren hätten. In einigen Fällen seien das auch Nicht-Paschtunen. Grundsätzlich scheine die Zwangsrekrutierung im Sinne einer Rekrutierung durch Waffengewalt eher ein Randphänomen zu sein. Es müsse jedoch festgehalten werden, dass die allgemeine Quellenlage über Rekrutierung durch die Taliban rar sei. Auffällig sei, dass die Fälle von Zwangsrekrutierung mit Waffengewalt sich nach den vorliegenden Quellen ausschließlich in Pakistan zugetragen hätten. Es gebe keine Berichte über konkrete Fälle aus jüngerer Zeit. Die Mehrheit der Kämpfer scheine sich freiwillig den aufständischen Gruppen anzuschließen. Gehe man davon aus, dass die Taliban in einem nicht geringen Ausmaß auf die Unterstützung der lokalen Bevölkerung beim Kampf gegen die Regierung und die internationalen Gruppen angewiesen seien und die Zuverlässigkeit von zwangsrekrutierten Kämpfern sehr zweifelhaft sei, sei eine Politik der Zwangsrekrutierung auch kontraproduktiv. Dies würde die eigene Schlagkraft schwächen und den Widerstand der Bevölkerung provozieren. Dieser Befund decke sich auch mit der Feststellung, dass die Taliban bemüht seien, Konflikte mit der lokalen Bevölkerung weitestgehend zu vermeiden, indem sie die lokalen Würdenträger vor dem Beginn ihrer Aktivitäten in einem bestimmten Gebiet in Kenntnis setzten und ihre Zustimmung einholten. Wenn überhaupt, gehe man davon aus, dass es nur in von Taliban kontrollierten Gemeinschaften zu Zwangsrekrutierungen gekommen sein könne.

Das European Asylum Support Office stellt in seinem Herkunftsländer-Report zu Afghanistan „Taliban Strategies - Recruitment“ vom Juli 2012 u.a. dar, die Basis für die Rekrutierung durch die Taliban stelle die lokale Zelle dar. Dies könne eine Koran-Schule, ein Mullah, ein örtlicher Kommandant oder ein Stammesältester sein. Die Taliban versuchten, besser ausgebildete Menschen von den Schulen und Universitäten in den großen Städten zu rekrutieren, um die Kommunikation sowie das technische und medizinische Know How der Organisation weiterzuentwickeln. Zwangsrekrutierungen hätten in der Vergangenheit in Afghanistan stattgefunden. Quellen aus den Jahren 2010 bis 2012 erwähnten, dass Zwangsrekrutierungen in der Provinz Helmand stattgefunden hätten, ebenso in Marjah sowie in Camps, in denen sich Binnenvertriebene aufhielten. Berichte über Ängste vor Vergeltung wegen verweigerter Rekrutierung gebe es aus Kunduz, Kunar und Gebieten in Pakistan. Zwei Quellen erwähnten den Gebrauch von Zwang und Einschüchterung zum Zwecke der Rekrutierung in der Provinz Uruzgan. Andere Quellen berichteten explizit, dass Gewalt und Zwang in ihren Provinzen nicht für Rekrutierungsmaßnahmen angewendet worden seien, nämlich in Ghazni, Herat und Logar. Quellen, die die generelle Situation in Afghanistan diskutierten, würden feststellen, dass Zwang beim Rekrutierungsprozess selten sei. Vorkommen könne dies in Flüchtlingscamps und Gebieten unter dem starken Einfluss der Taliban. Einige Quellen erwähnten Argumente, die gegen Zwangsrekrutierungen sprächen. So würde diese die Bevölkerung verstimmen, zum anderen bestehe hierfür auch keine Notwendigkeit, da die Taliban auf ausreichend Freiwillige zurückgreifen könnten. Zusammenfassend wird festgestellt, dass Zwangsrekrutierungen durch die Taliban als außergewöhnlich anzusehen seien. Eine Vielzahl glaubwürdiger Quellen stelle dies explizit heraus und gebe plausible Argumente für diese Einschätzung.

Auch im EASO-Bericht vom September 2016 (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Afghanistan: Recruitment by armed groups, September 2016, S. 22) wird bestätigt, dass Fälle von Zwangsrekrutierungen in Afghanistan als außergewöhnlich zu bezeichnen sind.

Dr. Mostafa Danesch führt in seinem Gutachten vom 30. April 2013 an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht zu der Frage, ob in den letzten Jahren in Afghanistan Fälle von Rückkehrern aus dem Ausland oder von Binnenflüchtlingen bekannt geworden seien, die in der Stadt Kabul von den Taliban aufgespürt und getötet oder bestraft worden seien, weil sie sich durch Flucht einer Zwangsrekrutierung entzogen hätten, und wenn ja, wie häufig dies vorkomme, aus, ihm seien drei Personen bekannt geworden, die hätten zwangsrekrutiert werden sollen und nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan erneut von den Taliban behelligt worden und daraufhin ein weiteres Mal geflohen seien. Des Weiteren berichtet er über zwei weitere Fälle von Binnenflüchtlingen, die aus ihrer Heimatregion geflohen und in der Hauptstadt Kabul von den Taliban wiederum bedroht worden seien. Es gebe keine Statistik über solche Fälle, aber Informanten berichteten, dass es häufig zu Fällen komme, in denen junge Männer getötet würden und Gerüchte wollten wissen, dass es sich um Racheakte der Taliban handele. Konkret könne er die Frage nach der Häufigkeit solcher Racheaktionen nicht beantworten. Zur weiteren Frage, ob die Taliban in Kabul über Netzwerke verfügten, mittels derer sie gezielt Nachforschungen anstellten, ob sich unter Rückkehrern und Binnenflüchtlingen Personen befinden, die sich in ihrer Heimatregion einer Zwangsrekrutierung entzogen hätten, erklärt Herr Dr. Danesch, konkret könne er diese Frage nicht beantworten, seine Informanten hätten bei ihren Recherchen nicht feststellen können, ob innerhalb der Informationszentren der Taliban Strukturen existierten, die dazu dienten, nach solchen Personen zu suchen. Seine Kollegen seien jedoch der Überzeugung, dass die Taliban selbst in der Hauptstadt zwangsrekrutierten. Ob die Taliban in den genannten Fällen, in denen sie abgeschobene Personen ein zweites Mal zu rekrutieren versuchten, gezielt nach ihnen gesucht hätten, könne er nicht beantworten. Er müsse davon ausgehen, dass die Taliban mindestens in der Lage seien, viele der Personen, die eine Zwangsrekrutierung abgelehnt hätten, zu finden. Auf die weitere Frage, ob Rückkehrer und Binnenflüchtlinge, die sich einer Zwangsrekrutierung entzogen hätten, einer erhöhten Gefahr ausgesetzt seien, in Kabul von den Taliban entdeckt zu werden, wenn sie aus einer Region im näheren Umkreis von Kabul stammten, führt Dr. Danesch aus, dass es vor allem darauf ankomme, ob sie einem paschtunischen Stamm angehörten, aus dem viele Taliban kämen. Dann sei eine solche Person in Kabul leichter zu identifizieren als jemand, der aus einem nicht-paschtunischen Volk stamme.

Dies zugrunde gelegt besteht nach Überzeugung des Gerichts keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan befürchten müsste, durch die Taliban zwangsrekrutiert oder im Falle der Ablehnung einer Zusammenarbeit bestraft oder gar getötet zu werden. Der Erkenntnismittellage lässt sich nämlich insoweit zusammenfassend entnehmen, dass derartige Vorkommnisse zwar nicht auszuschließen sind, dass es sich jedoch bei Zwangsrekrutierungen um seltene Fälle handelt, da sich die Menschen in aller Regel freiwillig den Taliban anschließen, wobei insbesondere finanzielle Aspekte eine wichtige Rolle spielen (so auch: VG Würzburg, Urteil vom 22. Januar 2018 – W 1 K 16.32611 –, juris).

Des Weiteren kann nicht davon ausgegangen werden, dass hinsichtlich der Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban eine solche Verfolgungsdichte für alle jungen männlichen afghanischen Staatsangehörigen besteht, dass insoweit von einer „bestimmten sozialen Gruppe“ im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gesprochen werden könnte (vgl. VG München, Urteil vom 7. Juni 2017 – M 17 K 17.32802 –, juris unter Verweis auf: VG Lüneburg, Urteil vom 6. Februar 2017 – 3 A 140/16 – juris Rn. 18 f. m.w.N).

Darüber hinaus hat der Kläger seine Heimat nicht auf der Flucht vor politischer Verfolgung verlassen. Das Vorbringen des Klägers genügt bereits nicht den Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines persönlichen Verfolgungsschicksals.

Denn das Gericht hat erhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers, da die Darstellung seines behaupteten Verfolgungsschicksals im Verlauf des Verfahrens gesteigert wurde und wesentliche Widersprüchlichkeiten aufweist, die auch auf Nachfrage nicht geklärt werden konnten.

Der Kläger hat sowohl in der Anhörung beim Bundesamt, als auch gegenüber der Polizei im Ermittlungsverfahren und auch in der mündlichen Verhandlung in weiten Teilen nur vage Angaben gemacht und sich bei vorgehaltenen unterschiedlichen Äußerungen auf vermeintliche Verständigungsschwierigkeiten insbesondere in der polizeilichen Vernehmung zurückgezogen. Diesen behaupteten Übersetzungsschwierigkeiten steht bereits entgegen, dass der Kläger sowohl zu Beginn als auch am Ende der polizeilichen Vernehmung erklärt hat, er habe sich gut verständigen können und dies durch seine Unterschrift bestätigt hat. Daneben hat er bei seiner Meldung als Asylsuchender angegeben, Kenntnisse in den Sprachen paschto und dari zu haben. Das Gericht erachtet es ferner als nicht glaubhaft, dass der Kläger sich an einzelne Daten nicht erinnern können will und hierzu angibt, in seiner Heimat werde „nicht so genau mit Zahlen operiert“ und der Prozessbevollmächtigte diesbezüglich auf den mangelnden Bildungsstand verweist. Denn im Gegensatz dazu kann der Kläger bestimmte Ereignisse, wie das letzte Erscheinen der Taliban vor seiner Ausreise, seinen eigenen Geburtstag und den Tag der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland taggenau angeben.

Des Weiteren sind die Angaben des Klägers zu den Zahlungen für seine Ausreise widersprüchlich. Während er durchgängig angibt, 4000,00 $ seien aus angespartem Geld geleistet worden, erklärt der Kläger hinsichtlich der weiteren (vermeintlichen) 4000,00 $ gegenüber dem Bundesamt, diese Hälfte müsse noch gezahlt werden. Demgegenüber hat er in der polizeilichen Vernehmung ausgesagt, sein Vater habe für diesen Betrag gebürgt und zahle darauf Teilbeträge an den Schlepper. In der mündlichen Verhandlung behauptet der Kläger nunmehr, der Vater habe sich den Betrag von einem Dorfbewohner geborgt und die Rückzahlung sei noch offen. Diese unterschiedlichen Angaben wurden auch auf Nachfrage nicht erklärt. Ebenso weichen die Erklärungen zum bewirtschafteten Land des Vaters voneinander ab. Während gegenüber dem Bundesamt gesagt wird, die Hälfte des Landes gehöre der Familie und die andere Hälfte sei gepachtet, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung zunächst erklärt, die Familie besitze kein eigenes bewirtschaftetes Land. Soweit er auf Vorhalt zur anderslautenden Aussage gegenüber dem Bundesamt erklärt, dass das Hausgrundstück dem Vater gehöre und das Gelände darum herum auch bewirtschaftet werde, vermag dies nicht zu überzeugen, da dieses Gelände um das Haus, nicht die Hälfte der bewirtschafteten Fläche ausmachen kann, um die Eltern und die Schwester zu versorgen.

Neben diesen vagen und widersprüchlichen Angaben zu den Randerscheinungen der behaupteten fluchtauslösenden Ereignisse, sind auch die zentralen Angaben zu den angegebenen Erkundigungen durch die Taliban nicht glaubhaft. Denn es ist bereits nicht nachvollziehbar, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass er einerseits das Erscheinen der Talibanmitglieder an der Haustür mitbekommen haben und dann durch die Hintertür verschwunden sein will und zum anderen behauptet, sich im Wald hinter dem Haus versteckt zu haben. Denn es ist nicht ersichtlich, warum er sich bereits im Wald versteckt gehalten haben will, wenn er nichts vom Erscheinen der Taliban gewusst hat. Daneben sind auch die Angaben zur vermeintlichen Mitnahme des Vaters äußerst vage geblieben und aufgrund der Angabe des Klägers, dass die Taliban wegen dessen Alter kein Interesse am Vater gehabt hätten, auch nicht nachvollziehbar.

Danach hält das Gericht auch die vom Kläger geschilderten, vermeintlich fluchtauslösenden Ereignisse im Ergebnis für unglaubhaft und ungeeignet, eine Flüchtlingsanerkennung zu rechtfertigen.

Insgesamt lassen die vagen und unterschiedlichen, auch auf Nachfrage nicht plausibel erläuterten widersprüchlichen Angaben allein den Schluss zu, dass der Kläger nicht von real Erlebtem berichtet.

Nach alledem ist der Kläger unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist, und es ist auch nicht ersichtlich, dass ihm im Falle seiner Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht.

2. Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen besteht zudem für den Kläger in Afghanistan die Möglichkeit eines internen Schutzes nach § 3e AsylG in Kabul, wenn man davon ausgeht, dass der Kläger vorverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist wäre.

Einem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach § 3e AsylG nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zum Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Hierbei sind die allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsland und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 Abs. 3 QRL zu berücksichtigen.

Das Gericht geht - auch unter Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 QRL - davon aus, dass der Kläger in der afghanischen Hauptstadt Kabul internen Schutz erlangen kann und dort keine Verfolgungsgefahr zu befürchten hat.

Der Kläger könnte zunächst sicher und legal nach Kabul reisen. Daneben kann von ihm vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich neben einer etwaigen Rückkehr in seine Heimatregion auch in Kabul niederlässt. Erforderlich ist hierfür, dass am Ort des internen Schutzes die entsprechende Person durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen kann. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder im Bausektor ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Der Zumutbarkeitsmaßstab geht im Rahmen des internen Schutzes über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. Juni 2016 - 13 A 18182/15.A - juris).

Die diesbezügliche aktuelle Lage in Afghanistan und in der Hauptstadt Kabul stellen sich wie folgt dar:

Das Auswärtige Amt führt in seinem Lagebericht vom 19. Oktober 2016 (S. 21 ff.) aus, dass Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt sei und trotz Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, erheblicher Anstrengungen der Regierung und kontinuierlicher Fortschritte im Jahr 2015 lediglich Rang 171 von 187 im Human De-velopment Index belegt habe. Die afghanische Wirtschaft ringe in der Übergangsphase nach Beendigung des NATO-Kampfeinsatzes zum Jahresende 2014 nicht nur mit der schwierigen Sicherheitslage, sondern auch mit sinkenden internationalen Investitionen und der stark schrumpfenden Nachfrage durch den Rückgang internationaler Truppen um etwa 90 %. So seien ausländische Investitionen in der ersten Jahreshälfte 2015 bereits um 30 % zurückgegangen, zumal sich die Rahmenbedingungen für Investoren in den vergangenen Jahren kaum verbessert hätten. Die wirtschaftliche Entwicklung bleibe durch die schwache Investitionstätigkeit geprägt. Ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum scheine kurzfristig nicht in Sicht. Rund 36 % der Bevölkerung lebe unterhalb der Armutsgrenze. Die Grundversorgung sei für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, was für Rückkehrer naturgemäß verstärkt gelte. Dabei bestehe ein eklatantes Gefälle zwischen urbanen Zentren wie z.B. Kabul und ländlichen Gebieten Afghanistans. Das rapide Bevölkerungswachstum stelle eine weitere Herausforderung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes dar. Zwischen den Jahren 2012 und 2015 werde das Bevölkerungswachstum auf rund 2,4 % pro Jahr geschätzt, was in etwa einer Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb einer Generation gleichkomme. Die Schaffung von Arbeitsplätzen bleibe eine zentrale Herausforderung. Nach Angaben des afghanischen Statistikamtes sei die Arbeitslosenquote im Oktober 2015 auf 40 % gestiegen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze die afghanische Regierung maßgeblich in ihren Bemühungen, die Lebensbedingungen der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Aufgrund kultureller Bedingungen seien die Aufnahme und die Chancen außerhalb des eigenen Familien- bzw. Stammesverbandes vor allem in größeren Städten realistisch. Aus der Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes vom 28. Juli 2017 ergibt sich im Kern nichts hiervon Abweichendes.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 30. September 2016, Seite 24 ff. und vom 14. September 2017, Seite 27 ff.) führt aus, Afghanistan bleibe weiterhin eines der ärmsten Länder weltweit. Die bereits sehr hohe Arbeitslosenrate sei seit dem Abzug der internationalen Streitkräfte Ende 2014 wegen des damit zusammenhängenden Nachfrageschwundes rasant angestiegen und inzwischen auch in städtischen Gebieten hoch, das Wirtschaftswachstum betrage nur 1,5 %. Die Analphabetenrate sei noch immer hoch und der Pool an Fachkräften bescheiden. Die Landwirtschaft beschäftige bis zu 80 % der Bevölkerung, erziele jedoch nur etwa 25 % des Bruttoinlandprodukts. Vor allem in Kabul gehöre wegen des dortigen großen Bevölkerungswachstums die Wohnraumknappheit zu den gravierendsten sozialen Problemen. Auch die Beschäftigungsmöglichkeiten hätten sich dort rapide verschlechtert. Nur 46 % der afghanischen Bevölkerung verfüge über Zugang zu sauberem Trinkwasser und lediglich 7,5 % zu einer adäquaten Abwasserentsorgung. Unter Verweis auf den UNHCR sähen sich Rückkehrende beim Wiederaufbau einer Lebensgrundlage in Afghanistan mit gravierenden Schwierigkeiten konfrontiert. Geschätzte 40 % der Rückkehrer seien verletzlich und verfügten nur über eine unzureichende Existenzgrundlage sowie einen schlechten Zugang zu Lebensmitteln und Unterkunft. Außerdem erschwere die prekäre Sicherheitslage die Rückkehr. Gemäß UNHCR verließen viele Rückkehrende ihre Dörfer innerhalb von zwei Jahren erneut. Sie wichen dann in die Städte aus, insbesondere nach Kabul.Die Alphabetisierungsrate bei den über 15-jährigen betrug im Jahr 2015 38 % (Asylmagazin 3/2017, Überleben in Afghanistan?, S. 79).

Trotz dieser geschilderten schwierigen Bedingungen kann von dem Kläger erwartet werden, dass er in seine Heimatregion zurückkehrt oder sich in Kabul niederlässt. Aufgrund seiner nicht nur in Europa erworbenen Erfahrungen, insbesondere seiner Kenntnis der deutschen Sprache, befindet er sich in einer vergleichsweise guten Position. Bei diesen Erfahrungen und Kenntnissen ist davon auszugehen, dass der Kläger auch ohne nennenswertes Vermögen und familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in der Lage wäre, zumindest durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines ausreichendes Einkommen zu erzielen. Das entspricht auch der Auffassung des UNHCR - auf den die Schweizerische Flüchtlingshilfe (vom 19. April 2016, S. 27) hinsichtlich der Situation der Rückkehrenden Bezug nimmt -, wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern - wie dem 21-jährigen Kläger - eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016, S. 10). An dieser Einschätzung des Gerichts ändert sich auch durch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 nichts. Der UNHCR weist zwar in seiner Stellungnahme darauf hin, dass sich die Sicherheitslage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe, da sich der Konflikt in Afghanistan im Laufe des Jahres 2016 weiter ausgebreitet habe und die Zahl der zivilen Opfer im ersten Halbjahr 2016 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um weitere 4 % gestiegen sei. Die Zahl der intern Vertriebenen habe im Jahr 2016 auf Rekordniveau gelegen; zudem sei auch aus den Nachbarländern Pakistan und Iran eine große Zahl von Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt, was zu einer extremen Belastung der ohnehin bereits überstrapazierten Aufnahmekapazitäten in den wichtigsten Städten der Provinzen und Distrikte in Afghanistan geführt habe. Dies gelte auch für die Stadt Kabul, wo nur begrenzte Möglichkeiten der Existenzsicherung, eine extrem angespannte Wohnraumsituation sowie mangelnder Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen bestehe, sodass die Verfügbarkeit einer internen Schutzalternative im Umfeld eines dramatisch verschärften Wettbewerbs um den Zugang zu knappen Ressourcen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände jedes einzelnen Antragstellers geprüft werden müsse.

Abgesehen davon, dass der UNHCR für die beschriebene Einschätzung seine eigenen Maßstäbe zugrunde legt, hält er gleichzeitig ausdrücklich an seinen Richtlinien von April 2016 fest (a. a. 0. S. 3, 7, 8), wonach bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Betracht kommt, wovon das Gericht auch bei dem hiesigen Kläger ausgeht (so auch: VG Würzburg, Urteil vom 11. August 2017 - W 1 K 16.31583 -, juris). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Update der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 14. September 2017. Denn auch danach ist die Aufnahmekapazität in der Hauptstadt zwar äußerst eingeschränkt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Aufnahme von Rückkehrern ausgeschlossen ist.

Vor diesem Hintergrund folgt das Gericht auch nicht der Einschätzung von Friederike Stahlmann, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt sei (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 11. August 2017 - W 1 K 16.31583 - unter Verweis auf: Friederike Stahlmann, Überleben in Afghanistan, Asylmagazin 3/2017, S. 73 ff. [77 f.]). Denn nach Überzeugung des Gerichts bieten die geschilderten persönlichen Verhältnisse und Ressourcen des Klägers ausreichende und realistische Möglichkeiten dafür, zumindest für den hiesigen Kläger ein Leben in Kabul zumutbar erscheinen zu lassen.

Der Kläger verfügt zwar über keine Schulbildung und kann nach eigenem Bekunden keine Schriftstücke auf Pashto oder Dari lesen. Damit befindet er sich aber in der gleichen Situation wie die vielen Analphabeten in Afghanistan.Zudem kann eine sehr große Zahl von Menschen in Afghanistan nicht richtig lesen und schreiben, zumal mehr als die Hälfte aller Afghanen nicht des Lesens und Schreibens mächtig ist (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 2. März 2015, S. 22), so dass dies nicht weiter negativ ins Gewicht fällt, wobei zumindest eine Vielzahl von Hilfstätigkeiten existiert, bei denen das Lesen und Schreiben nicht von Bedeutung ist. Auch aufgrund seiner in Europa erworbenen Erfahrungen und Sprachkenntnisse befindet sich der Kläger in einer vergleichsweise guten Position (so auch: VG Würzburg, Urteil vom 08. November 2017 – W 1 K 16.32223 –, juris). Er hat den größten Teil seines bisherigen Lebens in Afghanistan verbracht und ist daher bestens mit den aktuellen Gegebenheiten, Lebensbedingungen und auch möglichen drohenden Gefahren in seinem Heimatland vertraut. Er verfügt auch noch über Familienangehörige in Afghanistan, die ihn bei einer Rückkehr notfalls auch finanziell teilweise unterstützen können. Dem in Afghanistan aufgewachsenen Kläger ist daher, ungeachtet dass er wohl Analphabet ist, ein Bemühen um eine Anstellung auf dem hart umkämpften afghanischen Arbeitsmarkt durchaus zumutbar. Darüber hinaus konnte er bereits berufliche Erfahrungen in der Landwirtschaft sammeln.Dem Kläger ist es in Afghanistan zumutbar, als ungelernte Kraft eine Anstellung zumindest als Hilfsarbeiter/Tagelöhner zu erlangen. Warum ihm dies bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht gelingen könnte, ist für das Gericht nicht erkennbar.

Der Kläger ist mindestens einer der Landessprachen (paschto) mächtig und verfügt über Sprachkenntnisse in dari. Überdies hat er in der mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2018 bestätigt, dass seine Kernfamilie sich wohl noch in seinem Heimatort aufhält. Eine aktuelle Notlage seiner Familie hat der Kläger nicht aufgezeigt. Diese Umstände lassen erwarten, dass der Kläger auch unter eventueller Inanspruchnahme einer finanziellen Unterstützung durch seine Angehörigen in Afghanistan seinen Lebensunterhalt in Kabul bzw. in einer anderen größeren Stadt in Afghanistan sicherstellen kann (vgl. ebenfalls bezogen auf einen Analphabeten VG Augsburg, Urteil vom 05. Februar 2018 – Au 5 K 17.31525 – und VG Lüneburg, Urteil vom 20. März 2017 – 3 A 124/16 –, jeweils juris).

Darüber hinaus kann der Kläger seine finanzielle Situation zusätzlich auch dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt. So können afghanische ausreisewillige Personen seit dem Jahr 2016 Leistungen aus dem REAG-Programm sowie aus dem GARP-Programm erhalten, die Reisebeihilfen im Wert von 200,00 EUR und Starthilfen im Umfang von 500,00 EUR beinhalten. Darüber hinaus besteht seit Juni 2016 das Reintegrationsprogramm ERIN. Die Hilfen aus diesem Programm umfassen z.B. Service bei Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzsuche sowie Unterstützung bei einer Geschäftsgründung. Die Unterstützung wird weitgehend als Sachleistung gewährt. Der Leistungsrahmen für rückgeführte Einzelpersonen beträgt dabei ca. 700 EUR (vgl. Auskunft des Bundesamts vom 12. August 2016 an das VG Ansbach; VG Augsburg, Urteil vom 18. Oktober 2016 - AU 3 K 16.30949 - juris). Der Kläger könnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die genannten Start- und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehrer gewährt werden, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten - wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr - im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 1997 - 9 C 38.96 - juris; VGH BW, Urteil vom 26. Februar 2014 - A 11 S 2519/12 - juris). Dementsprechend ist es dem Kläger möglich und zumutbar, gerade zur Überbrückung der ersten Zeit nach einer Rückkehr nach Afghanistan freiwillig Zurückkehrenden gewährte Reisehilfen sowie Reintegrationsleistungen in Anspruch zu nehmen. Ebenfalls nicht entgegenstehend für die Annahme internen Schutzes ist der Umstand, dass der Kläger längere Zeit in Europa verbracht hat. Vielmehr wirkt sich dies eher begünstigend auf seine Erwerbsperspektive in Afghanistan aus (vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 20. Juli 2015 - 13 A 1531/15 A - juris). Eine Rückkehr nach Afghanistan scheitert nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. etwa BayVGH, Beschluss vom 4. Januar 2017 - 13a ZB 16.30600 - juris), der sich das Gericht anschließt, grundsätzlich auch nicht an einem langjährigen Aufenthalt in Europa oder Drittländern. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betroffene den größten Teil seines Lebens in einer islamisch geprägten Umgebung verbracht hat und eine der beiden Landessprachen spricht, was vorliegend der Fall ist.

Nach alledem kann der Kläger internen Schutz gegebenenfalls auch in der Hauptstadt Kabul in Anspruch nehmen, so dass auch aus diesem Grunde ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausscheidet.

II. Der Kläger hat weiterhin auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.

1.Dem Kläger droht nach Überzeugung des Gerichts weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG noch droht ihm ein ernsthafter Schaden durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Es fehlt insoweit bereits an einem glaubhaften Vortrag, zumindest aber besteht für den Kläger die Möglichkeit internen Schutzes in Kabul nach § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e AsylG. Auf die obigen Ausführungen unter I. 2 wird verwiesen.
2.Dem Kläger droht bei Rückkehr auch keine individuelle und konkrete Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund der Sicherheitslage in seiner Herkunftsregion oder der Hauptstadt Kabul.

Für eine ernsthafte und individuelle Bedrohung ist es nicht ausreichend, dass ein eventueller Konflikt zu einer permanenten Gefährdung der Bevölkerung führt (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 10 C 6.13 - juris, Rn. 24), sondern es bedarf der Feststellung, dass die Gefahr individuell bezogen auf den Schutzsuchenden besteht. Hierzu bedarf es einer Feststellung zur Gefahrendichte, die jedenfalls auch eine annäherungsweise quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos umfasst. Dafür ist eine wertende Gegenüberstellung der Einwohnerzahlen des betreffenden Gebietes mit der Anzahl der sicherheitsrelevanten Ereignisse und der Anzahl der Opfer in diesem Gebiet notwendig (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014, a. a. 0.). Dabei sind nicht nur solche Gewaltakte der Konfliktpartei zu berücksichtigen, die gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen, sondern alle, durch die Leib und Leben von Zivilpersonen wahllos und ungeachtet ihrer persönlichen Situation verletzt werden (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 409 - juris, Rn. 23 zu der inhaltlich übereinstimmenden Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F.). Hierbei ist in der Regel auf die Herkunftsregion des Ausländers abzustellen, soweit sich dieser nicht bereits vor seiner Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst hat und sich in einem anderen Landesteil auf unabsehbare Zeit niedergelassen hatte (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15/12 - juris, Rn. 13). Die fehlende Wertung der statistischen Betrachtung führt jedenfalls dann nicht zu einem Fehler der Beurteilung, wenn die statistischen Zahlen weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt sind (BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13/10 - juris, Rn. 23). Dabei ist jedenfalls bei einem Opferrisiko von 1 : 800 ( = 0,125 %) noch nicht von einem Überschreiten der relevanten Risikoschwelle und auch noch nicht von einer relevanten Annährung an dieselbe auszugehen (BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a. a. 0.).

Davon ausgehend, gibt schon die aktuelle statistisch erkennbare Gefahrendichte keinen Anlass zur Annahme, dass der Kläger einer individuellen Gefährdung infolge des bewaffneten Konflikts in seiner Heimat ausgesetzt wäre.

Unter Zugrundelegung der Einwohnerzahlen Afghanistans (Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 2. März 2017, in der Fassung der letzten Einfügung vom 25. September 2017, Nrn. 3.1 ff, S. 29 ff) von insgesamt 27.656.245 Personen und einer Gesamtanzahl ziviler Opfer in Afghanistan von 8.019 für die ersten neun Monate des Jahres 2017 laut UNAMA (Afghanistan. Quarterly Report on the Protection of Civilans in armed Conflict: 1 January to 30 September 2017 vom 12. Oktober 2017) lässt sich eine landesweite Gesamtwahrscheinlichkeit von 0,03865 Prozent pro Jahr feststellen, dass ein Mensch ein ziviles Opfer willkürlicher Gewalt in Afghanistan wird. Das entspricht einem Verhältnis von 1 : 2587 und liegt damit weit unter dem Schwellenwert von 1 : 800. Auch im Vergleich zu den Zahlen aus den vergangenen Jahren lässt sich zwar feststellen, dass die Sicherheitslage in absoluten Zahlen nach wie vor angespannt ist, aber sich im Jahresvergleich leicht verbessert hat. Im Referenzzeitraum 2016 waren von der UNAMA landesweit 8531 und 2015 8487 Fälle ziviler Opfer gezählt worden.

Bezogen auf die Provinz Baghlan, aus der der Kläger stammt, lässt sich keine Gefahrenlage feststellen, die eine ernsthafte und individuelle Bedrohung des Klägers nach sich zöge. Baghlan zählt zu den nordöstlichen Provinzen Afghanistans. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 926.969 geschätzt (Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt, a. a. O., S. 49). In dieser Provinz sind im Jahr 2017 von der UNAMA 222 Opfer willkürlicher Gewalt gezählt worden, davon 66 Todesfälle (UNAMA, Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2017, Anlage I). Das entspricht einem Opferrisiko von 0,0239 % oder 1 : 4175 pro Jahr. Für den Vergleichszeitraum 2016 konnte das VG Bayreuth für diese Provinz den Wahrscheinlichkeitswert von 0,05 % feststellen, der einem Verhältnis von 1 : 2000 entspricht (Urteil vom 30. August 2017 - B 6 K 17.30573 - juris, Rn. 38). Beide Werte liegen deutlich über dem Schwellenwert.

Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind darüber hin-aus nicht erkennbar. Daran ändern auch die im Jahresbericht UNAMA vom Februar 2018 veröffentlichten Zahlen nichts. Danach ist bezogen auf ganz Afghanistan für den Zeitraum vielmehr von einem leichten Rückgang der Opfer insgesamt auszugehen. Auch die medial sehr präsenten Anschläge in Afghanistan seit Mai 2017 vermögen nicht, diese Einschätzung zu widerlegen (so auch: VG Bayreuth, Urteil vom 30. August 2017, a. a. O. Rn. 52 m. w. N.). Im Übrigen wird insoweit auf die obigen Ausführungen in vollem Umfang verwiesen.

Auch bezogen auf die Region Kabul lässt sich nicht eine Gefahrenlage feststellen, die eine ernsthafte und individuelle Bedrohung des Klägers nach sich zöge. In der Provinz Kabul, in der geschätzt 4.523.718 Menschen wohnen, sind im Jahr 2017 1831 Menschen Opfer willkürlicher Gewalt gewesen. Das entspricht einer Prozentzahl von 0,04 oder einem Opferrisiko von 1 : 2470 (UNAMA, Annual Report 2017 Afghanistan, Februar 2018). In der etwas weiter zu ziehenden Zentralregion, zu der die Provinz Kabul zählt, wurden im Jahr 2016 2.348 Zivilpersonen getötet oder verletzt (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 11. August 2017 - W 1 K 16.31583 - unter Verweis auf: UNAMA, Annual Report 2016 Afghanistan, Februar 2017, S. 11 f.). Die Anschlagswahrscheinlichkeit für die Zentralregion lag damit im Jahr 2016 ebenfalls deutlich unter 1:800 und damit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011 - 10 C 13/13 - juris). Im Jahr 2017 hat sich diese Zahl (unter Verdoppelung der Halbjahreszahlen) bis zur Jahresmitte in der Zentralregion leicht erhöht. In der Zentralregion wurden im ersten Halbjahr 2017 1.254 Zivilpersonen getötet oder verletzt (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 11. August 2017, a. a. 0. unter Verweis auf: UNAMA, Midyear Report 2017, Juli 2017, S. 10). Damit ist dennoch derzeit nicht davon auszugehen, dass infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen des internationalen und innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in Afghanistan praktisch jede (dorthin zurückkehrende) Zivilperson schon allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben ausgesetzt wäre (so auch: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 1. September 2017 - 8 A 11005/17 -, juris Rn. 10 f.). Dies hat sich durch die Zahlen im Jahresbericht 2017 bestätigt.

Auch die medial sehr präsenten Anschläge in Afghanistan seit Mai 2017 sprechen nicht gegen diese Einschätzung (so auch: VG Bayreuth, Urteil vom 30. August 2017 - B 6 K 17.30573 - juris, Rn. 52 m.w.N.). Im Übrigen wird auch insoweit auf die obigen Ausführungen in vollem Umfang verwiesen.

Individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers sind ebenfalls nicht erkennbar.

III. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

1. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht, da dem Kläger keine existentielle Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG droht. Auch in diesem Zusammenhang wird auf die obigen Ausführungen zu den §§ 3, 4 AsylG verwiesen. Die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan stellt darüber hinaus ebenfalls keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK dar. Zwar können schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat in besonderen Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen. In Afghanistan ist die Lage für alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige jedoch nicht so ernst, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - NVwZ 2013, 1167; BayVGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - 13a B 14.30309 - juris). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend" sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernsthaft einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden kann, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, Urteil vom 21. November 2014 -13a B 14.30285 - juris). Eine solche ist bei dem Kläger vorliegend nicht gegeben; besondere Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung gebieten würden, sind nicht ersichtlich.

2. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine Abschiebestopp-Anordnung besteht jedoch für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.

Dem Kläger droht weder aufgrund der unzureichenden Versorgungslage in Afghanistan noch infolge einer Verdichtung der allgemeinen Gefahrenlage die erhebliche konkrete Gefahr, die zu einem Abschiebungsverbot im Sinne der verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 7 AufenthG führen könnte. Wann allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den betroffenen Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer einer extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Das Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung setzt zudem für die Annahme einer extremen Gefahrensituation wegen der allgemeinen Versorgungslage voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann (BayVGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - 13a B 14.30309 - juris Rn. 16; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. A. 2016, § 60 AufenthG Rn. 54). Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssten. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sowie weiterer Oberverwaltungsgerichte, der sich das erkennende Gericht anschließt, ergibt sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine derartige extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Afghanistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung nach Afghanistan alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Kläger wäre selbst ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren (st. Rspr. vgl. VG Würzburg, Urteil vom 11. August 2017 unter Verweis auf: z.B. BayVGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2017 - 13a ZB 17.30400 -, 6. April 2017 - 13a ZB 17.30254 -, 23. Januar 2017 - 13a ZB 17.30044 -, 27. Juli 2016 - 13a ZB 16.30051 -, 15. Juni 2016 - 13a ZB 16.30083 - alle juris, Urteil vom 12. Februar 2015 - 13a B 14.30309 - juris Rn. 17 m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 3. März 2016 - 13 A 1828/09.A - juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, Beschluss vom 21. Oktober 2015 - 1 A 144/15.A - juris; NdsOVG, Urteil vom 20. Juli 2015 - 9 LB 320/14 - juris). Gerade Rückkehrer aus dem Westen sind dabei in einer vergleichsweisen guten Position. Allein schon durch die Sprachkenntnisse sind ihre Chancen, einen Arbeitsplatz zu erhalten, gegenüber den Flüchtlingen, die in die Nachbarländer Afghanistans geflüchtet sind, wesentlich höher (so auch VG Cottbus, Urteil vom 22. August 2017 - VG 5 K 2328/16.A, juris Rn. 22 unter Verweis auf: BayVGH, Urteil vom 12. Februar 2015 a.a.O. Rn. 21).

Auch aus den aktuellsten Erkenntnismitteln ergibt sich nichts anderes. Insoweit kann auf die Ausführungen unter I. 2. verwiesen werden. Nachdem das Gericht davon ausgeht, dass für den Kläger eine interne Schutzmöglichkeit in der Heimatregion und in Kabul besteht und deren Voraussetzungen über diejenigen im Rahmen des Vorliegens einer extremen Notlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinausgehen, ist auch ein Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach dieser Vorschrift abzulehnen. Entsprechend obiger Ausführungen liegt bei dem Kläger auch keine schwerwiegende Erkrankung i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.

Daneben bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.

Schließlich hat der Kläger gegen die Beklagte auch weder Anspruch auf Verpflichtung zur Verkürzung der Sperrfrist für das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG von 30 Monaten auf null noch auf Verpflichtung zur Neubescheidung des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO; vgl. zur Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage: BayVGH, U. v. 28.6.2016 – 10 B 15.1854 – juris Rdnr. 47).

Nach § 11 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot). Nach § 11 Abs. 2 AufenthG ist das mit der Ausweisung verbundene Einreise- und Aufenthaltsverbot von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise und ist gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung festzusetzen.

Nach § 75 Nr. 12 AufenthG ist das Bundesamt für die nach § 11 Absatz 2 AufenthG von Amts wegen vorzunehmende Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots i.S.v. § 11 Abs. 1 AufenthG im Fall einer Abschiebungsandrohung nach den §§ 34, 35 AsylG zuständig. Gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG wird über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden. Sie darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Diese Frist soll zehn Jahre nicht überschreiten.Da nicht ersichtlich ist, dass die Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erfüllt sind, ist hier für die Bemessung der Frist von einem Rahmen von null bis fünf Jahren auszugehen.

Ferner ist das Gericht der Auffassung, dass es nicht zu beanstanden ist, wenn sich das Bundesamt - wie es regelmäßig in der Praxis geschieht - in Fällen, in denen keine nach § 11 Abs. 1 AufenthG zu berücksichtigenden individuellen Gründe vorgebracht werden oder ersichtlich sind, generell aus Gründen der Gleichbehandlung für eine Frist von 30 Monaten entscheidet und damit das in § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in der Regel geltende Höchstmaß zur Hälfte ausschöpft (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 6. April 2017 - 11 ZB 17.30317 -, juris Rn. 16; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 9. Mai 2017 - 1 LZ 254/17 -, juris, Rn. 14; VG Düsseldorf, Urteil vom 27. Januar 2016 - 21 K 7126/15.A -, juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 2. Oktober 2015 - 5 B 3636/15 -, juris).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass das Ermessen der Beklagten in dem Sinne auf Null reduziert ist, dass der Kläger einen Anspruch darauf hat, dass die Dauer des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots auf null Tage zu befristen ist. Eine derartige Gewichtung seines Interesses, im Bundesgebiet zu bleiben, lässt sich seinem Vorbringen nicht entnehmen. Insoweit lässt sich indes schon im Ansatz nicht begründen, der Kläger habe einen Anspruch auf Verkürzung der Sperrfrist auf null. Hierzu müssten die Voraussetzungen einer entsprechenden Ermessensreduzierung auf null vorliegen (vgl. BayVGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – 10 B 15.1854 – juris Rdnr. 47). Dies ist indes nicht der Fall.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Das Bundesamt hat ausweislich des Bescheids erkannt, dass eine Ermessensentscheidung vorliegt und dieses Ermessen auch rechtsfehlerfrei ausgeübt. Der Umstand, dass der Kläger derzeit die Schule besucht, ist kein im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigender Belang (vgl. VG München, Urteil vom 16. Mai 2017 – M 2 K 16.31622 –, juris unter Verweis auf: BayVGH, Beschluss vom 6. April 2017 – 11 ZB 17.30317 – juris Rdnr. 13).

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 83b AsylG.