Gericht | OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 11.04.2024 | |
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Aktenzeichen | 9 WF 69/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0411.9WF69.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen – Familiengericht - vom 12.03.2024 - Az.: 5 F 424/19 - aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
I.
Dem Antragsteller ist mit Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen – Familiengericht - vom 16.10.2019 für das Ehescheidungsverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden, nachdem er das ausgefüllte und unterzeichnete amtliche Formular zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Entgeltabrechnungen für 2 Monate, Nachweise zu Kosten des PKW, eine Kopie des Mietvertrages sowie einen Beleg von einer Seite über ein Pfändungsschutzkonto mit dem Ausweis eines Solls von 350 € (ohne Umsatzübersichten) eingereicht hatte.
Das Amtsgericht hat den Antragsteller mit Schreiben vom 12.09.2023 um Mitteilung gebeten, ob sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geändert hätten und zur Vorlegung entsprechender Belege aufgefordert. Nach Abgabe einer fristgerechten neuen Formularerklärung nebst 4 aktuellen Bezügeabrechnungen hat das Amtsgericht weiter Gehaltsnachweise sowie Kontoauszüge für den Zeitraum der letzten 3 Monate angefordert. Neben weiteren Bezügemitteilungen und einer Erklärung zu Weihnachts- und Urlaubsgeld hat der Antragsteller sodann zum Nachweis des „aktuellen Kontostands“ eine neue Druckansicht des Pfändungsschutzkontos mit einem Habensaldo von 708, 21 € eingereicht. Mit weiterer Verfügung vom 14.12.2023 ist der Antragsteller darauf hingewiesen worden, dass allein die Mitteilung des aktuellen Kontostandes die gerichtliche Verfügung nicht erledigt, (insoweit Formularvordruck:) „eine abschließende VKH-Überprüfung allein auf der Grundlage der vorliegenden Unterlagen nicht möglich“ sei. Der Antragsteller hat - offensichtlich in der Annahme, sein letztes Schreiben sei nicht beim Gericht angekommen, diese nebst Anlagen erneut übersandt
Sodann hat das Amtsgericht Königs Wusterhausen mit Beschluss vom 12.03.2024 die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe mit einer Formularbegründung wegen fehlender Unterlagen aufgehoben. Gegen den am 13.03.2023 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit am 27.03.2024 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und erneut Lohnbescheinigungen sowie ein Blatt des letzten Kontoauszugs (Kontostand 438 €) eingereicht.
Daraufhin hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 03.04.2024 aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 113 Abs. 1; 121 Nr. 1 FamFG; 127 Abs. 2; 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Das Amtsgericht hat im Prüfungsverfahren überzogene Anforderungen gestellt und die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu Unrecht aufgehoben. Verfahrenskostenhilfe ist eine Sozialleistung, die von der solidarisch verbundenen Allgemeinheit im Bereich der Rechtspflege dem bedürftigen Beteiligten zur Verfügung gestellt wird. Eigenes Einkommen und Vermögen sind vorrangig einzusetzen, § 115 ZPO. Gemäß § 120a Abs. 1 ZPO hat daher das Gericht die getroffene Entscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe darauf hin zu überprüfen, ob sich die maßgeblichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geändert haben. Gibt der Beteiligte eine Erklärung nicht oder ungenügend ab, ist die Bewilligung gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aufzuheben. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Maßstab für die Überprüfung der Bewilligungsentscheidung, die vorrangig der Beantwortung der Frage dient, ob der Bedürftige nunmehr in der Lage ist, Zahlungen zu leisten, sind die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die im Zeitpunkt der Bewilligung vorgelegen haben. Es ist ein Vergleich der Verhältnisse bei der Ursprungsentscheidung mit denjenigen zur Zeit der erneuten Entscheidung vorzunehmen (Zöller/Schultzky, ZPO, 35. A., § 120a Rz. 6 m.w.N.). § 118 Abs. 2 ZPO gilt gemäß § 120a Abs. 4 S. 2 ZPO entsprechend.
Hier hat das Amtsgericht einen Vergleich der Einkommensverhältnisse des Antragsgegners zum jetzigen Zeitpunkt mit denjenigen zum Zeitpunkt seiner Bewilligungsentscheidung gar nicht vorgenommen, sondern - ohne auf den Fall bezogene formularmäßige Begründung - angenommen, eine Prüfung sei nicht möglich. Mit den aufgrund der Erklärungen und eingereichten Belegen feststellbaren Veränderungen und mit der Frage, was denn konkret nicht prüfbar gewesen sein soll, hat sich das Amtsgericht weder bei seiner angefochtenen Entscheidung noch im Nichtabhilfebeschluss irgendwie auseinandergesetzt. Vielmehr hat es den Antragsteller so behandelt, als hätte er gar keine (nachprüfbaren) Erklärungen abgegeben. Dies greift jedoch erheblich zu kurz und stellt eine Verweigerung des gebotenen rechtlichen Gehörs dar.
Anscheinend soll die Nichtvorlegung von Kontoauszügen der Grund für die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe sein. Es ist jedoch schon nicht nachvollziehbar, zur Überprüfung welcher Angaben die Kontoauszüge angefordert worden sind und was mangels Vorlage im Einzelnen nicht hat geprüft werden können.
Die Anforderung von Kontobelegen für einen gewissen Zeitraum ist zwar auch im Überprüfungsverfahren grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Es liegt im Ermessen des Rechtspflegers, konkrete Angaben aufzuerlegen und ergänzende Belege anzufordern, um die abgegebene Erklärung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Allerdings ist das allgemeine Übermaßverbot zu beachten, das einer unverhältnismäßigen Ausforschung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten entgegensteht. Es muss einen ausreichenden Anlass geben, weitere Nachforschungen anzustellen (Senat, Beschluss vom 28.01.2015, 9 WF 16/15; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 07.03.2012, Az.: 1 Ta 24/12, nach juris; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 23.05.2011, Az.: 3 Ta 32/11, nach juris;Zöller/Schultzky a.a.O. § 118 Rz. 20 f). Ein derartiger Anlass im Sinne konkreter Zweifel an der Richtigkeit des Vortrages ist hier nicht ersichtlich. Das Amtsgericht hat zwar wiederholt auf das Fehlen von Unterlagen hingewiesen, aber zu keiner Zeit mitgeteilt, welche Angaben des Antragstellers zu seinem Einkommen damit untermauert werden sollten. Der Antragsteller, der auf jede Aufforderung reagiert hat und erkennbar bemüht war, seinen Verpflichtungen nachzukommen, hat offenbar nicht verstanden, zu welchem Zweck vollständige Kontoauszüge vorgelegt werden sollten, d.h.: welche Tatsachen er zusätzlich zu seiner Erklärung noch glaubhaft machen sollte.
Angesichts der eingereichten Gehaltsnachweise u.a. wäre auch keinesfalls die gesamte Prüfung der Einkommensverhältnisse obsolet. Gegebenenfalls wären etwa nicht ausreichend belegte Zahlungen auf Verbindlichkeiten schlicht nicht als Abzugsbetrag anzusetzen. Eine Rechtfertigung, die Prüfung überhaupt zu unterlassen, besteht nicht.
Insbesondere gibt es keinen Anlass, das monatlich erzielte Einkommen anzuzweifeln. Der Antragsteller hat im Ursprungsverfahren monatlich etwa 1.860 € netto verdient und nunmehr durch Bezügemitteilungen nachgewiesen, dass er monatlich etwa 1.940 € verdient. Er ist jetzt nicht mehr nur 2, sondern 4 Kindern zu Unterhaltsleistungen verpflichtet und hat nach wie vor erhebliche Rückzahlungen auf Unterhaltsvorschüsse zu leisten. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass zusätzliches Einkommen bezogen wird oder Vermögen erworben wurde, sind nicht gegeben. Falls Zweifel an der kontinuierlichen Zahlung von Unterhalt bestanden haben sollten, ist jedenfalls insoweit eine Aufforderung zur Glaubhaftmachung nicht erfolgt. Die kontinuierliche Zahlung ist auch glaubhaft, weil erstinstanzlich zunächst die (Gehalts-)Pfändung betrieben worden war und der daraufhin geschlossene Ratenzahlungsvergleich mit der Ankündigung verbunden war, dass seitens des Jugendamtes die Pfändung sofort wieder aufgenommen wird, wenn der vereinbarte laufende Unterhalt an die Mutter der Kinder M.. und M... S... nicht pünktlich geleistet wird.
Zudem ist durch das Amtsgericht nicht beachtet worden, dass die ursprüngliche Entscheidung auf einer Grundlage von Auskünften und (nur wenigen) Belegen erfolgt ist, die ebenfalls keine Kontoauszüge beinhalteten. Es war lediglich der Kontostand mitgeteilt worden. Auch weitere Belege hinsichtlich der Zahlung von Unterhalt lagen nicht vor.
Die Anforderung ungeschwärzter Kontoauszüge der letzten drei Monate ohne nähere Angabe des Zwecks war danach unverhältnismäßig (vgl.: LAG Schleswig-Holstein, a.a.O.; LG Bremen, FamRZ 2011, 389) und diente überdies nicht dem Vergleich der Verhältnisse im Zeitpunkt der Überprüfung und der Ausgangsentscheidung, weil damals entsprechende Angaben ebenfalls nicht erfordert worden waren.
Die Aufhebungsentscheidung konnte somit keinen Bestand haben.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.