Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 21.03.2024 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 A 23/22 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0321.OVG5A23.22.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 47 VwGO, § 4 Abs 2 4. SARS-CoV-2-EindV , § 28 Abs 1 Satz 1 IfSG , § 28a Abs 1 Nr 11 IfSG, Art 2 Abs 1 GG, Art 11 GG, Art 103 Abs 2 GG |
Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Beschlusses vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
I.
Der Antragsteller begehrt die nachträgliche Feststellung, dass § 4 Abs. 2 der Vierten Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (Vierte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - 4. SARS-CoV-2-EindV) vom 8. Januar 2021 (GVBl. II, S. 1) unwirksam gewesen ist. Nach dieser Vorschrift war ihm zeitweise der Aufenthalt im öffentlichen Raum zur Ausübung von Sport sowie zur Bewegung an der frischen Luft nur bis zu einem Umkreis von 15 Kilometern ab der Landkreisgrenze gestattet. Er wohnte zu dieser Zeit im Gebiet des Landkreises O____.
§ 4 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV lauteten:
Sobald laut Veröffentlichung des Landesamtes für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (https://kkm.brandenburg.de/kkm/de/corona/fallzahlen-land-brandenburg/) in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt innerhalb der letzten sieben Tage pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohnern kumulativ mehr als 200 Neuinfektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus vorliegen und die zuständige Behörde die Überschreitung in geeigneter Weise öffentlich bekanntgegeben hat, ist für die Einwohnerinnen und Einwohner des betreffenden Landkreises oder der betreffenden kreisfreien Stadt ab dem Tag der Bekanntgabe der Aufenthalt im öffentlichen Raum zur Ausübung von Sport nach Maßgabe des § 12 Absatz 2 Nummer 1 sowie zur Bewegung an der frischen Luft nur bis zu einem Umkreis von 15 Kilometern der betreffenden Landkreis- oder Stadtgrenze gestattet. Eine Unterschreitung des Inzidenz-Wertes innerhalb eines Gesamtzeitraums von fünf Tagen ist unbeachtlich.
§ 12 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV lauteten:
(1) Der Sportbetrieb auf und in allen Sportanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 der Sportanlagenlärmschutzverordnung in Verbindung mit § 3 Absatz 5 Nummer 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist untersagt. Dies gilt insbesondere für Gymnastik-, Turn- und Sporthallen, Fitnessstudios, Tanzstudios, Tanzschulen, Bolzplätze, Skateranlagen und vergleichbare Einrichtungen.
(2) Absatz 1 gilt nicht für
1. den Individualsport auf allen Sportanlagen unter freiem Himmel allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Haushalts, soweit keine Nutzung von Umkleiden und anderen Aufenthaltsräumen oder Gemeinschaftseinrichtungen erfolgt; die Ausübung von Kontaktsport mit Personen eines anderen Haushalts ist untersagt.
Den am 11. Januar 2021 eingegangenen Normenkontrollantrag begründete der Antragsteller damit, dass er von der angegriffenen Regelung unmittelbar betroffen sei, weil im Landkreis O____ nach amtlichen Quellen eine 7-Tages-Inzidenz in Höhe von 392,24 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner bestehe und damit der Inzidenzwert von 200 überschritten sei.
Den zugleich gestellten Antrag des Antragstellers, die Regelung des § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV durch Erlass einer einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen, wies der 11. Senat des OVG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 14. Januar 2021 (OVG 11 S 3/21) zurück.
Die angegriffene Regelung trat mit Ablauf des 22. Januar 2021 außer Kraft.
Mit am 29. April 2021 eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller erklärt, das Normenkontrollverfahren fortführen zu wollen. Der Antrag sei weiterhin zulässig, weil er sich auf die kurze Geltungsdauer der Verordnung sowie auf einen gewichtigen Eingriff in sein Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG sowie in sein Recht auf Freizügigkeit aus Art. 11 GG berufen könne.
Der Antrag sei auch begründet, weil § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV gegen höherrangiges Recht verstoßen habe.
Die Regelung sei zu unbestimmt gewesen. Es sei offen geblieben, wie die Entfernung von 15 Kilometern habe bestimmt werden sollen, ob dafür die Luftlinie oder Straßenkilometer maßgeblich gewesen seien. Außerdem sei es für die Bürgerinnen und Bürger praktisch unmöglich gewesen, außerhalb des Landkreises zu bestimmen, ob sie sich innerhalb des Radius aufhielten oder nicht. Der vom Antragsgegner empfohlene „Brandenburg Viewer“ im Internet habe hierfür nur eine ungefähre Orientierung geboten. Einzelne Straßen seien von der Karte aufgrund des großen Maßstabs nicht angezeigt worden. Die Grenzen von Landkreisen seien teilweise nur sporadisch ausgeschildert, so dass der Anfangspunkt für die Berechnung fehle. Zudem sei die Formulierung, dass der Landkreis die Überschreitung der Inzidenz von 200 Neuinfektionen „in geeigneter Weise“ öffentlich bekanntzugeben habe, zu unbestimmt gewesen, um den Radius von 15 Kilometern in Kraft zu setzen. Dies habe der Behörde jede Form der Bekanntmachung erlaubt, es für die Bürgerinnen und Bürger aber erschwert, sich über die Geltung der Beschränkung zu informieren.
Des Weiteren sei fraglich, ob § 28 i.V.m. §§ 28a, 32 IfSG überhaupt eine geeignete Ermächtigungsgrundlage für die erlassene Beschränkung des Bewegungsradius‘ dargestellt habe. Zweifel bestünden hier insbesondere hinsichtlich § 28a IfSG, da diese Vorschrift eine Reihe teils tiefgreifender Grundrechtseingriffe aufgrund der bloßen Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite ermöglicht habe. Dabei sei weder eine Kontrolle der Richtigkeit der Angaben der WHO noch eine bestimmte Schwere der in Rede stehenden Krankheit, insbesondere hinsichtlich der Infektiösität und/oder der Todesraten, vorgeschrieben. Zudem habe der Katalog des § 28a IfSG Instrumente vorgesehen, deren Wirksamkeit zur Bekämpfung des Coronavirus‘ nach dem damaligen Stand der Wissenschaft mehr als fragwürdig gewesen seien. So seien beispielsweise Ausgangsbeschränkungen vorgesehen worden, obwohl nach dem damaligen Stand der Wissenschaft das Risiko einer Ansteckung mit Covid-19 im Freien sehr gering gewesen sei. Selbst das Robert-Koch-Institut, welches die Bundesregierung maßgeblich zu den Corona-Maßnahmen beraten habe, habe auf seiner Homepage von einer geringen Ansteckungsgefahr im Freien gesprochen. Es sei vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar gewesen, weshalb ausgerechnet der Aufenthalt im Freien verboten worden sei.
Jedenfalls erweise sich § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV als unverhältnismäßig. Denn selbst wenn § 28a IfSG grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet habe, Reise- oder Ausgangsbeschränkungen einzuführen, habe dies nicht ohne Vorgabe weiterer Voraussetzungen oder Grenzen erfolgen dürfen. Im Übrigen sei bereits nicht ersichtlich, inwieweit eine pauschale Einschränkung des Bewegungsradius‘ geeignet gewesen sei, die Übertragung des Corona-Virus‘ einzudämmen. Das Virus werde nicht aktiver oder gefährlicher, wenn man sich weiter von seinem Wohnort entferne. Zudem habe er zur Fortbewegung grundsätzlich seinen Pkw verwendet, weshalb die Reise als solche das geringste Ansteckungsrisiko dargestellt habe. Aber selbst bei einer Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln habe eine größere Entfernung nicht automatisch ein höheres Ansteckungsrisiko bedeutet. Das Risiko sei hauptsächlich von der Auslastung des jeweiligen Verkehrsmittels und insbesondere von der Reisezeit und der Route abhängig gewesen.
Hinzu komme, dass aufgrund weiterer Vorschriften der Verordnung eine Reihe sonstiger kultureller und sportlicher Einrichtungen ohnehin geschlossen gewesen sei und deshalb ein Aufenthalt dort nicht in Betracht gekommen sei. Die Freizeitmöglichkeiten hätten sich im Wesentlichen auf Wandern bzw. Radfahren im Freien beschränkt. Aus epidemiologischer Sicht sei es vollkommen unerheblich gewesen, ob er diese Aktivitäten in seinem Landkreis oder an einem weiter entfernten Ort ausgeübt habe. Zwar habe das Infektionsrisiko bei einem Besucheransturm auf bestimmte Sehenswürdigkeiten oder Sportstätten ansteigen können. Es sei aber bereits mehr als fraglich gewesen, ob sich ein solcher Ansturm durch die Einführung eines Entfernungsradius‘ von 15 Kilometern um den jeweiligen Landkreis überhaupt habe verhindern lassen. Insbesondere in der Umgebung größerer Städte sei genau der gegenteilige Effekt aufgetreten. Am Wochenende habe ein Großteil der Stadtbewohner und -bewohnerinnen bestimmte Sehenswürdigkeiten, Parks, Waldgebiete usw. aufgesucht. Außerdem habe der Bewegungsradius nur für die Einwohner und Einwohnerinnen bestimmter Städte und Landkreise gegolten. Die Einwohner und Einwohnerinnen der umliegenden Gebiete, die von der Einschränkung nicht betroffen gewesen seien, hätten ebenfalls solche Attraktionen aufsuchen können.
Auf die mangelnde Geeignetheit der Maßnahme habe auch das VG Wiesbaden in seinem Beschluss vom 15. Januar 2021 (7 L 31/21.WI) unter Berufung auf Erkenntnisse des Robert-Koch-Instituts hingewiesen. Nach Auffassung dieses Gerichts (zur damals aktuell geltenden Regelung) trage die Beschränkung des Bewegungsradius‘ nicht zur Reduzierung des Ansteckungsrisikos bei. Vielmehr führe die Maßnahme dazu, dass sich Menschen in geschlossenen Räumen mit dritten Personen träfen, was das Infektionsrisiko erhöhe. Wenn die Bürger sich stattdessen an der frischen Luft aufhalten wollten, seien sie auf einen kleineren Umkreis beschränkt, was dazu führe, dass das Einhalten von Mindestabständen, insbesondere in Innenstädten und innerstädtischen Parkanlagen, erschwert werde. Die Beschränkung des Bewegungsradius‘ verhindere somit eine Verteilung von Spaziergängern und Wanderern auf größere Flächen, eine Massierung in Städten und Gemeinden werde sogar gefördert. Im Übrigen lasse sich die Einhaltung im Einzelfall nur schwer überprüfen. Mangels guter Kontrollmöglichkeiten spreche viel dafür, dass sich die Beschränkung als wirkungslos erweise, was die Geeignetheit der Regelung zur Verhinderung neuer Infektionsfälle und -ketten in Frage stelle.
Die Einführung eines Bewegungsradius‘ von 15 Kilometern um den jeweiligen Landkreis sei auch nicht erforderlich gewesen, um eine erhöhte Infektionsgefahr durch Bildung von Menschenansammlungen in bestimmten Gebieten zu vermeiden. Es hätte vielmehr ausgereicht, derartigen Gefahren durch lokale Maßnahmen, wie etwa Sperrungen oder lokale Betretungsverbote, entgegenzuwirken. Solche Maßnahmen hätten dann auch unabhängig davon gewirkt, ob die Besucher aus der unmittelbaren Umgebung gekommen seien oder einen weiteren Anreiseweg auf sich genommen hätten. Sie wären damit sogar besser geeignet gewesen, Menschenansammlungen zu verhindern oder zu beseitigen als die pauschale Einschränkung des Bewegungsradius‘. Die Anzahl solcher „Besuchermagnete“ sei aufgrund der zahlreichen Schließungen sehr überschaubar gewesen. Demgegenüber sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund ihm für (allein durchgeführte) Wanderungen im Wald ein Bewegungsradius habe vorgegeben werden müssen.
Im Übrigen habe die Regelung den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne widersprochen. Der Antragsgegner habe zur Abwehr geringer Gefahren auch nur geringfügige Eingriffe vornehmen dürfen. Die Einschränkung des Bewegungsradius‘ sei hingegen ein drastischer Eingriff. Sie habe auch nicht nur einen kleinen Teil der Freizeitgestaltung betroffen. Denn aufgrund der sonstigen Regelungen in der Verordnung sei ein insgesamt großer Teil der Freizeitgestaltung betroffen gewesen. Die Alternative habe darin bestanden, sich (in geschlossenen Räumen) mit Familienangehörigen und Freunden zu treffen, was aber in einem weitaus höherem Maße zur Verschärfung des Infektionsgeschehens geführt habe.
Der Antragsgegner habe einbeziehen müssen, dass zur Vorbeugung gegen Krankheiten, insbesondere auch von Corona-Infektionen, Sport und Bewegung an der frischen Luft vom Robert Koch-Institut empfohlen worden seien. Eine Maßnahme, die ausgerechnet diese Freizeitbeschäftigung einschränke, könne nicht zur Bekämpfung geeignet sein. Die Betroffenen hätten sich aufgrund der Einschränkung veranlasst gesehen, von einer für die Prävention sinnvollen Maßnahme abzusehen.
Die Regelung habe ferner gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, da die Landkreise bzw. kreisfreien Städte von unterschiedlicher Größe seien. Dadurch habe sich die Größe der Gebiete beträchtlich unterschieden, in denen die Menschen noch zu Freizeitzwecken hätten unterwegs sein dürfen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
festzustellen, dass § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV vom 8. Januar 2021 unwirksam gewesen ist.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Normenkontrollantrag abzulehnen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (OVG 11 S 3/21) umfasst, Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet durch Beschluss, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (vgl. § 47 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO). Die Beteiligten haben sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt.
Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.
I. Der Antrag ist zulässig.
1. Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 1 Bbg VwGG entscheidet das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit von anderen (nicht von § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erfassten) im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften und damit auch über die angegriffene Vorschrift des § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV.
2. Der Antragsteller ist antragsbefugt. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person den Normenkontrollantrag stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung der Rechtsverletzung sind keine höheren Anforderungen zu stellen, als für die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gelten. Die Antragsbefugnis fehlt nur, wenn subjektive Rechte des Antragstellers offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2001 – 6 CN 4/00 –, juris Rn. 10). Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einem subjektiven Recht verletzt wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. November 2015 – 4 CN 9/14 –, juris Rn. 12 und vom 30. April 2004 – 4 CN 1/03 –, juris Rn. 9).
a) Der Antragsteller war bis zum Außerkrafttreten der angegriffenen Vorschrift antragsbefugt, da er geltend machen konnte, durch die in § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV geregelte Beschränkung, sich zur Ausübung von Sport und Bewegung an der frischen Luft im öffentlichen Raum nur in seinem Landkreis zuzüglich eines Radius‘ von 15 Kilometern ab der Landkreisgrenze aufhalten zu dürfen, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Er konnte sich zumindest auf eine mögliche Verletzung seines Rechts auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 GG, auch in dessen Ausprägung als allgemeine Handlungsfreiheit, stützen.
In der am 11. Januar 2021 eingegangenen Antragsschrift gab er an, regelmäßig Wanderungen in der Natur zu unternehmen. Davon mache er insbesondere während der Pandemie in Ermangelung von Alternativen für die Freizeitgestaltung Gebrauch. Er reise dafür auch in weiter entfernt liegende Gebiete, da er sich die unmittelbare Umgebung seines Wohnortes bereits mehr oder weniger vollständig erschlossen habe. Diese Aktivitäten wurden durch die angegriffene Regelung konkret beschränkt, da im Landkreis O____ im Zeitraum vor dem Außerkrafttreten der Norm mit Ablauf des 22. Januar 2021 innerhalb der letzten sieben Tage pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ mehr als 200 Neuinfektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus vorlagen und die Überschreitung des Grenzwertes öffentlich bekanntgegeben worden war.
Am 7. Januar 2021 lag die 7-Tage-Inzidenz bei 260,58, am 13. Januar 2021 bei 396,8 und am 22. Januar 2021 bei 234,1 (vgl. Mitteilungen des Landkreises vom 7., 13. und 21. Januar 2021 jeweils unter dem Titel „Neuartiges Corona- virus: Entwicklungen im Landkreis O____“, abrufbar unter: https://www.osl-online.de/news/1/621669/nachrichten/621669.html; https://www.osl-online.de/news/1/623080/nachrichten/623080.html; https://www.osl-online.de/news/1/625131/nachrichten/625131.html). Im Amtsblatt für den Landkreis O____ vom 13. Januar 2021 wurde die zu diesem Zeitpunkt aktuelle 7-Tage-Inzidenz für den Landkreis in Höhe von 396,8 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV öffentlich bekannt gemacht (vgl. Amtsblatt für den Landkreis O____ vom 13. Januar 2021, Jahrgang 28, Nr. 02/2021, S. 2). Der Antragsteller durfte ab dem Tag der Bekanntgabe das Gebiet seines Landkreises zuzüglich eines Radius‘ von 15 Kilometern ab der Landkreisgrenze nicht mehr verlassen, um außerhalb dieses Gebietes Sport zu treiben oder sich an der frischen Luft zu bewegen. Die 7-Tage-Inzidenz fiel erstmals am 31. Januar 2021 und damit nach Außerkrafttreten des § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV unter den Grenzwert von 200 (vgl. Mitteilung des Landkreises vom 5. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.osl-online.de/news/1/628034/nachrichten/628034.html).
b) Der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags steht nicht entgegen, dass die angegriffene Vorschrift mit Ablauf des 22. Januar 2021 außer Kraft getreten ist (vgl. § 27 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 der Fünften Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg [Fünfte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – 5. SARS-CoV-2-EindV] vom 22. Januar 2021, GVBl. II, S. 21).
Ein gestellter Normenkontrollantrag kann trotz Aufhebung oder Außerkrafttreten nach Ablauf der Geltungsdauer der angegriffenen Rechtsvorschrift zulässig bleiben, wenn die Vorschrift – wie hier – während der Anhängigkeit eines zulässigerweise erhobenen Normenkontrollantrags aufgehoben wird oder außer Kraft tritt. Die Aufhebung oder das Außerkrafttreten der Norm allein lässt den zulässig gestellten Normenkontrollantrag nicht ohne Weiteres zu einem unzulässigen Antrag werden, wenn die Voraussetzung der Zulässigkeit nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO fortbesteht, mithin der Antragsteller weiterhin geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt (worden) zu sein (vgl. BVerwG, Urteile vom 22. November 2022 – 3 CN 1/21 –, juris Rn. 9, 11 und vom 19. Februar 2004 – 7 CN 1/03 –, juris Rn. 13).
Erforderlich ist in diesen Fallgestaltungen aber, dass ein berechtigtes individuelles Interesse an der begehrten Feststellung besteht, die bereits außer Kraft getretene Rechtsvorschrift sei unwirksam gewesen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 1/21 –, juris Rn. 9, 12 ff. und Beschlüsse vom 28. Juli 2022 – 3 BN 8/21 –, juris Rn. 6 sowie vom 2. September 1983 – 4 N 1/83 –, juris Rn. 9 ff.). Ein berechtigtes individuelles Interesse an der Fortführung des Normenkontrollverfahrens kann sich daraus ergeben, dass ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2020 – 1 BvR 1630/20 –, juris Rn. 9; BVerwG, Urteile vom 15. Juni 2023 – 1 CN 1/22 –, juris Rn. 12, vom 16. Mai 2023 – 3 CN 6/22 –, juris Rn. 14 und vom 22. November 2022 – 3 CN 1/21 –, juris Rn. 13; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 2021 – 2 BvR 676/20 –, juris Rn. 30 f.).
Die „Corona-Verordnungen“, die alle Bundesländer seit März 2020 auf der Grundlage von § 32 und § 28 Abs. 1 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 und von COVID-19 erließen, waren dadurch gekennzeichnet, dass sie typischerweise auf eine kurze Geltungsdauer angelegt waren mit der Folge, dass sie regelmäßig außer Kraft traten, bevor ihre Rechtmäßigkeit im Verfahren der Hauptsache abschließend gerichtlich geklärt werden konnte. Das Inkrafttreten und Außerkrafttreten der Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erfolgte stets unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung des Infektionsgeschehens (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10. Februar 2022 – 1 BvR 1073/21 –, juris Rn. 25 und vom 3. Juni 2020 – 1 BvR 990/20 –, juris Rn. 8; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 1/21 –, juris Rn. 14). Eine nachträgliche Klärung ihrer Vereinbarkeit mit Grundrechten im Verfahren der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle liegt auch deshalb nahe, weil die darin enthaltenen Ge- und Verbote die grundrechtlichen Freiheiten häufig schwerwiegend beeinträchtigten und sie zudem in der Regel keines Verwaltungsvollzugs bedurften (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 2020 – 1 BvR 1630/20 –, juris Rn. 9 m.w.N.).
Danach ist jedenfalls im vorliegenden Fall ein schützenswertes Interesse des Antragstellers an der nachträglichen gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verordnungsregelung anzuerkennen. Die zur Prüfung gestellte Norm hatte eine kurze Geltungsdauer (vom 9. bis zum 22. Januar 2021), innerhalb derer gerichtlicher Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden konnte. Des Weiteren macht der Antragsteller vorliegend in hinreichender Weise Beeinträchtigungen seiner grundrechtlichen Freiheiten geltend, die ein Gewicht haben, das hier die nachträgliche Klärung der Rechtmäßigkeit der in § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV geregelten Beschränkung rechtfertigt. Nach seinem Vorbringen hat die Maßnahme erheblich in die Gestaltung seines Alltags- und Privatlebens eingegriffen (vgl. zu Beschränkungen des Aufenthalts im öffentlichen Raum BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 1/21 –, juris Rn. 14; OVG Bautzen, Urteil vom 27. April 2023 – 3 C 8/21 –, juris Rn. 36).
II. Der Antrag ist unbegründet.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2 EindV vom 8. Januar 2021 unwirksam gewesen ist, soweit darin der Aufenthalt im öffentlichen Raum zur Ausübung von Sport und Bewegung im Freien nur bis zu einem Umkreis von 15 Kilometern ab der Landkreisgrenze gestattet war. Die Regelung beruhte auf einer verfassungskonformen Ermächtigungsgrundlage und war formell und materiell rechtmäßig.
1. Ermächtigungsgrundlage für die streitgegenständliche Regelung waren §§ 32 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG i.V.m. § 28a Abs. 1 Nr. 11, Abs. 3 IfSG in der Fassung vom 18. November 2020 (BGBl. I, S. 2397), deren Anwendungsbereich eröffnet war (a) und die keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegneten (b).
Nach § 32 Satz 1 IfSG durften die Landesregierungen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend waren, durch Rechtsverordnungen entsprechende Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen. Wurden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergab sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so konnte die zuständige Behörde gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen treffen, insbesondere die in § 28a Abs. 1 und in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich war; sie konnte insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befanden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Gemäß § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG konnten notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG insbesondere Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum sein. Gemäß § 28a Abs. 1 Nr. 11 IfSG gehörte auch die Untersagung oder Beschränkung von Reisen, insbesondere von touristischen Reisen, zu den möglichen Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG.
a) Der Anwendungsbereich der Ermächtigungsgrundlage war eröffnet. Die Regelung des § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV konnte zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus auf §§ 32 Satz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG i.V.m. § 28a Abs. 1 Nr. 11, Abs. 3 IfSG gestützt werden.
aa) Bei der angegriffenen Regelung handelte es sich um eine Aufenthaltsbeschränkung im Sinne des § 28a Abs. 1 Nr. 11 IfSG und nicht – wie der Antragsteller meint – um eine Ausgangs- und Kontaktbeschränkung im Sinne des § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG, die möglicherweise den weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG unterlegen hätte. Dafür spricht bereits die vom Verordnungsgeber für § 4 der 4. SARS-CoV-2-EindV gewählte Überschrift, die von Aufenthaltsbeschränkungen im öffentlichen Raum spricht. Mit der Regelung des § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV wurde nicht das Verlassen der Wohnung oder der Kontakt zu anderen Menschen beschränkt, sondern der Aufenthalt im öffentlichen Raum jenseits des 15-Kilometer-Radius‘ ab der Landkreis- oder Stadtgrenze untersagt. Nach der Verordnungsbegründung verfolgte dies den Zweck, die freizeitorientierte Mobilität einzuschränken und insbesondere tagestouristische Ausflüge im Land Brandenburg zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie weitgehend zu unterbinden (vgl. Allgemeine Begründung der Vierten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 8. Januar 2021, Ziffer III 3., GVBl. II, S. 20 [25]; siehe auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Januar 2021 – OVG 11 S 3/21 –, juris Rn. 17 f.; ferner zu den hier in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen Ogorek, Bewegungsbeschränkungen für Bewohner von Corona-Hotspots, NJW 2021, 824 [825]).
bb) Die Untersagung oder Beschränkung von Reisen zählte nach § 28a Abs. 1 Nr. 11 IfSG für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag zu den notwendigen Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG. Mit Beschluss vom 25. März 2020 hatte der Bundestag gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG eine solche epidemische Lage von nationaler Tragweite aufgrund der Ausbreitung des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 festgestellt (vgl. BT-Plenarprotokoll 19/154, S. 19169 C). Mit Beschluss vom 18. November 2020 hatte der Bundestag das Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite festgestellt (vgl. BT-Plenarprotokoll 19/191, S. 24100 D und 24109 C).
b) Entgegen der Auffassung des Antragstellers begegnete die Ermächtigungsgrundlage keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie genügte insbesondere dem Wesentlichkeitsgrundsatz und dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 26. März 2021 – LVG 4/21 –, juris Rn. 92; BayVerfGH, Entscheidung vom 30. Dezember 2020 – Vf.96-VII-20 –, juris Rn. 17; OVG Bautzen, Urteil vom 27. April 2023 – 3 C 8/21 –, juris Rn. 47 f. m.w.N.; OVG Magdeburg, Beschluss vom 25. Januar 2021 – 3 R 2/21 –, juris Rn. 19 m.w.N.; VGH München, Beschluss vom 8. Dezember 2020 – 20 NE 20.2461 –, juris Rn. 22 ff.; ferner zu früheren Fassungen BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2023 – 3 CN 5/22 –, juris Rn. 22 ff. und vom 22. November 2022 – 3 CN 1/21 –, juris Rn. 34 ff.).
2. Die auf Grundlage der genannten Verordnungsermächtigung erlassene Vierte Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg genügte auch den formellen Voraussetzungen, insbesondere den Anforderungen des § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG in der Fassung vom 18. November 2020. Danach waren Rechtsverordnungen, die nach § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 und § 28a Abs. 1 IfSG erlassen wurden, mit einer allgemeinen Begründung zu versehen (a) und zeitlich zu befristen (b).
a) Der streitgegenständlichen Verordnung war eine entsprechende Begründung beigefügt (vgl. Allgemeine Begründung der Vierten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 8. Januar 2021, GVBl. II, S. 20-31). Darin wurde unter I. ausgeführt, dass eine nachhaltige Reduzierung des Infektionsgeschehens noch nicht erreicht worden sei. Das Robert-Koch-Institut (RKI) habe in seinem Lagebericht vom 3. Januar 2021 die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland nach wie vor insgesamt als sehr hoch eingeschätzt und das Infektionsgeschehen als äußerst diffus bezeichnet. Unter Zugrundlegung dieser Erwägungen würden die bereits getroffenen Schutzmaßnahmen verlängert, um die Infektionszahlen nachhaltig abzusenken und eine spürbare Entlastung des Gesundheitssystems herbeizuführen. Das andauernd sehr dynamische Infektionsgeschehen führe zu einer steigenden Inanspruchnahme der im Einzelnen näher dargestellten intensivmedizinischen Kapazitäten. Unter II. folgten Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Fortschreibung der bereits ergriffenen Schutzmaßnahmen am Maßstab der §§ 32 Satz 1, 28 Abs. 1, 28a Abs. 1, Abs. 3, Abs. 6 IfSG. Unter III. wurden die Schutzmaßnahmen jeweils im Einzelnen näher erläutert und ihre Notwendigkeit begründet.
Nach Auffassung des Senates ist diese Begründung nicht zu beanstanden (vgl. zum Streitstand OVG Bautzen, Urteil vom 27. April 2023 – 3 C 8/21 –, juris Rn. 51 f.; OVG Weimar, Beschluss vom 24. Januar 2022 – 3 EN 804/21 –, juris Rn. 36; OVG Münster, Beschlüsse vom 12. Januar 2022 – 13 B 1929/21. NE -, juris Rn. 46 ff. und vom 22. Januar 2021 – 13 B 53/21.NE –, juris Rn. 21; OVG Schleswig, Beschluss vom 14. Dezember 2021 – 3 MR 31/21 –, juris Rn. 16). Der Verordnungsgeber hat die wesentlichen Entscheidungsgründe für die getroffenen Maßnahmen in der Begründung transparent gemacht und hinreichend erläutert, in welcher Weise die Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Gesamtkonzepts der Infektionsbekämpfung dienen. Eine empirische und umfassende Erläuterung war nicht geschuldet (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit vom 16. November 2020, BT-Drs. 19/24334, S. 74). Im Übrigen verlangte § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG lediglich in formeller Hinsicht das Vorhandensein einer Begründung, ohne Anforderungen an deren inhaltliche Richtigkeit zu stellen.
b) Die zeitliche Befristung der streitgegenständlichen Regelung ergab sich aus § 26 Abs. 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV und genügte auch § 28a Abs. 5 Satz 2 IfSG.
3. Die angegriffene Regelung des § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV war materiell rechtmäßig, insbesondere war sie hinreichend bestimmt (a), erfüllte die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage und war verhältnismäßig (b).
a) Die Vorschrift entsprach den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen nach Art. 103 Abs. 2 GG und damit auch dem allgemeinen Gebot der Normenklarheit und Normenbestimmtheit.
Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Dies gilt auch für Ordnungswidrigkeitentatbestände (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. –, juris Rn. 154). Die Gewährleistung des Art. 103 Abs. 2 GG beinhaltet, dass alle am Rechtsverkehr Teilnehmenden vorhersehen können, welches Verhalten verboten und straf- oder bußgeldbewehrt ist. Daher ist der Wortlaut entsprechender Normen so zu fassen, dass der Normadressat im Regelfall bereits anhand des Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift voraussehen kann, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht. Die Verwendung unbestimmter, konkretisierungsbedürftiger Begriffe bis hin zu Generalklauseln wird dadurch jedoch nicht ausgeschlossen, da andernfalls der Vielgestaltigkeit der zu regelnden Lebenssachverhalte nicht hinreichend Rechnung getragen werden könnte. Es muss aber gewährleistet sein, dass mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden und unter Berücksichtigung gefestigter Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der fraglichen Norm gewonnen werden kann. Der Grad der für eine Norm jeweils erforderlichen Bestimmtheit lässt sich dabei nicht abstrakt festlegen, sondern hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Tatbestands einschließlich der Umstände ab, die zur gesetzlichen Regelung geführt haben, wobei der Gesetzgeber die Strafbarkeitsvoraussetzungen umso genauer festlegen und präziser bestimmen muss, je schwerer die von ihm angedrohte Strafe ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. –, juris Rn. 155). Deshalb sind zwar die an bußgeldbewehrte Vorschriften zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen gegenüber dem allgemeinen aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gründenden Gebot hinreichender Bestimmtheit der Gesetze (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 2020 – 1 BvR 3214/15 –, juris Rn. 86 ff.) gesteigert, aber nicht in einem Umfang wie im materiellen Strafrecht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. –, juris Rn. 159).
Auch unter Anwendung des strengen Maßstabs des Art. 103 Abs. 2 GG erweist sich § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV als hinreichend bestimmt. Die Frage der hinreichenden Normenbestimmtheit ist an den strengen Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG zu messen, weil ein Verstoß gegen diese Regelung nach § 24 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV i.V.m. § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG bußgeldbewehrt war und § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV den als Blankettnorm ausgestalteten Ordnungswidrigkeitentatbestand ausfüllte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. –, juris Rn. 152, 165).
Für den Normadressaten war sowohl der zeitliche als auch der räumliche Geltungsbereich der Regelung (noch) hinreichend klar erkennbar.
aa) Der Verordnungsgeber hat die zeitliche Komponente des § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV dahingehend konkretisiert, dass die zuständige Behörde die Überschreitung des maßgeblichen Inzidenzwertes in geeigneter Weise öffentlich bekanntzugeben hat und die Aufenthaltsbeschränkung ab dem Tag der Bekanntgabe gilt. Mit der Bekanntmachungspflicht wurde die erforderliche Normenklarheit in zeitlicher Hinsicht hergestellt. Denn für den Normadressaten war hinreichend deutlich, dass es ihm ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Überschreitung des Grenzwertes untersagt war, Ausflüge über einen Umkreis von 15 Kilometern um seine Wohnortgemeinde hinaus zu unternehmen. Unter dem Gesichtspunkt der Normenbestimmtheit ist auch nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber es der jeweils zuständigen Behörde überlassen hat, eine geeignete Form der Bekanntmachung zu wählen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers erlaubte dies der Behörde nicht jede Form der Bekanntmachung. Der ihr insoweit eingeräumte Gestaltungsspielraum war vielmehr begrenzt durch das Kriterium der Geeignetheit, in Zeiten eines dynamischen Pandemiegeschehens in kurzer Zeit eine Vielzahl von Menschen tatsächlich zu erreichen. Dass die Umsetzung der Bekanntmachungspflicht im Einzelfall unzureichend gewesen sein mag, betrifft den Vollzug der Regelung, ohne ihre Bestimmtheit als solche in Frage zu stellen.
bb) Den räumlichen Geltungsbereich hat der Verordnungsgeber durch die Gestattung des Aufenthalts im öffentlichen Raum bis zu einem Umkreis von 15 Kilometern ab der betreffenden Landkreis- oder Stadtgrenze hinreichend präzise beschrieben.
Durch die Verwendung des Begriffs „Umkreis“ wurde hinreichend deutlich, dass auf die Luftlinie und nicht auf die Zahl tatsächlich zurückgelegter Kilometer abzustellen war. Dies ergab sich auch daraus, dass nach dem Wortlaut für die Bemessung der Entfernung weder der Verlauf von Straßen und Wegen noch konkrete Gebiets- oder Geländebeschaffenheiten eine Rolle spielten (kritisch dazu Ogorek, Bewegungsbeschränkungen für Bewohner von Corona-Hotspots, NJW 2021, 824 [826]). Die Entfernung von 15 Kilometern ab der Landkreis- oder Stadtgrenze ließ sich überdies eindeutig bestimmen. Insbesondere handelte es sich bei der Landkreis- oder Stadtgrenze um einen abstrakt festgelegten Anfangspunkt, ab dem sich die 15-Kilometer-Grenze berechnen ließ. Die Regelung war insoweit aus sich selbst heraus verständlich (vgl. zur Gegenansicht VGH München, Beschluss vom 26. Januar 2021 – 20 NE 21.162 –, juris Rn. 18; Ogorek, Bewegungsbeschränkungen für Bewohner von Corona-Hotspots, NJW 2021, 824 [826]; ferner zu einer Beschränkung des Bewegungsradius‘ „auf den Umkreis von 15 Kilometern des Wohnortes [politische Gemeinde]“ VG Wiesbaden, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 7 L 31/21.WI –, juris Rn. 36 ff.; auch OVG Bautzen, Urteil vom 27. April 2023 – 3 C 8/21 –, juris Rn. 61).
Für die Bestimmtheit der Vorschrift ist ohne Bedeutung, dass der Normadressat möglicherweise gewisse Mühen auf sich nehmen muss, um sicherzustellen, dass er die ihm auferlegte Verpflichtung einhält. Denn dies betrifft die Anwendung und Umsetzung des Gebots, lässt aber dessen initiale Bestimmtheit und Klarheit unberührt. Dabei wurde hier nichts Unmögliches oder Unzumutbares von den Normadressaten verlangt. Mit Hilfe entsprechenden Kartenmaterials konnten sie sich den zulässigen Bewegungsradius erschließen. Im Internet stand eine interaktive Karte des Landesbetriebs Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg (LGB) zur Verfügung, auf der unter dem Stichwort „Corona: 15-Kilometer-Grenze“ die entsprechenden Entfernungen angezeigt wurden. Auf die Internetadresse hatte der Landkreis O____ in seiner Mitteilung vom 12. Januar 2021 hingewiesen (vgl. Mitteilung des Landkreises vom 12. Januar 2021, „Neue Eindämmungsverordnung: 15-Kilometer-Regel für Corona-Hotspots – Antworten auf häufig gestellte Fragen zur Corona-Verordnung“, abrufbar unter: https://www.osl-online.de/news/1/622706/nachrichten/622706.html). Mit Hilfe der Zoom-Funktion des „Brandenburg Viewers“ dürfte es auch möglich gewesen sein, sich einzelne Straßen anzeigen zu lassen. Dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot in seiner Ausformung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass dem Normadressaten zwingend „aus eigener Sinneswahrnehmung“ und ohne Rückgriff auf „elektronische Tools“ klar sein muss, an welchem Gebietspunkt der Bereich des Umkreises beginnt und wo er endet (so aber VGH München, Beschluss vom 26. Januar 2021 – 20 NE 21.162 –, juris Rn. 18; Ogorek, Bewegungsbeschränkungen für Bewohner von Corona-Hotspots, NJW 2021, 824 [826]). Abgesehen hiervon war die Ermittlung des jeweiligen Radius‘ auch unter Zuhilfenahme von üblichem papiernem Kartenmaterial möglich. Nach Auffassung des Senates bedurfte es keiner Anordnung der (ortsüblichen) Bekanntmachung einer Landkarte oder eines Plans, um dem Bestimmtheitserfordernis zu genügen (a. A. VGH München, a.a.O., Rn. 17; Ogorek, a.a.O., S. 826).
b) Die nach § 28 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 28a Abs. 1 Nr. 11, Abs. 3 IfSG zu erfüllenden Voraussetzungen für den Erlass von Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus lagen zum Zeitpunkt des Erlasses der Vierten Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg am 8. Januar 2021 vor. Bei der Bewertung sind die durch das RKI zur Verfügung gestellten Erkenntnisse und Bewertungen zu SARS-CoV-2 und COVID-19 wie ein Sachverständigengutachten zu berücksichtigen (vgl. § 4 IfSG; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 1/21 –, juris Rn. 55 ff.).
aa) Es waren Kranke im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 1 IfSG festgestellt worden. Zur Infektionslage in Deutschland lagen im Zeitraum des Erlasses der angegriffenen Verordnungsregelungen folgende Erkenntnisse und Bewertungen des RKI vor (vgl. Epidemiologisches Bulletin des RKI, Ausgabe 2/2021, Stand: 14. Januar 2021, S. 12 f; abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/02_21.pdf?__blob=publicationFile):
„Die Infektionsausbreitung hat in Deutschland und auch weltweit eine wechselhafte Dynamik und daher gibt die Darstellung der Epidemiologie vielfach nur eine Momentaufnahme wieder. Die ersten COVID-19-Fälle traten in Deutschland im Januar 2020 auf. Mit Datenstand 08.12.2020 wurden 1.197.709 labordiagnostisch bestätigte COVID-19-Fälle an das RKI übermittelt, knapp 82.000 Fälle (7,0%) wurden hospitalisiert, 19.342 Personen (1,6%) sind verstorben. Dies entspricht einer kumulativen Inzidenz von 1.440 COVID-19-Fällen/100.000 Einwohnern (Einw.). Im März haben die täglich übermittelten Fallzahlen in Deutschland deutlich zugenommen und die erste Infektionswelle erreichte ihr Maximum Mitte März mit knapp 6.000 täglich übermittelten Fällen. Um die Pandemie einzudämmen, wurde Mitte März 2020 auf Basis eines Bund-Länder-Beschlusses entschieden, eine weitgehende Einschränkung des öffentlichen Lebens umzusetzen. Der erste „Lockdown“ führte zu einem deutlichen Rückgang der Infektionsfallzahlen, die sich zwischen Mitte Mai und Mitte Juli auf einem niedrigen Niveau stabilisierten. Seit Anfang September nehmen die Fallzahlen wieder deutlich zu. Aktuell ereignet sich eine zweite, weit intensivere Infektionswelle. Ab Anfang November galt bundesweit ein zweiter „Teil-Lockdown“, der ab Mitte Dezember ausgeweitet wurde. Das bisherige Maximum der zweiten Infektionswelle wurde in der 3. Novemberwoche mit knapp 24.000 Fällen täglich erreicht.
Bezüglich der regionalen Verteilung kann man aktuell feststellen, dass sich SARS-CoV-2 flächendeckend im Bundesgebiet ausgebreitet hat. Anfang Januar (Stand: 04.01.2021) wurden aus allen 412 Kreisen COVID-19-Fälle gemeldet. Die 7-Tage-Inzidenz liegt in 292 Kreisen (71 %) bei > 100 Fällen/100.000 Einw. und davon in 44 Kreisen bei > 250 Fällen/100.000. […]
Im Mai und Juni gingen die Infektionszahlen in allen Altersgruppen zurück. Ab Anfang Juli nahmen die Fallzahlen leicht zu; blieben aber, bis auf die erhöhten Werte bei den 15 – 34-Jährigen bis Mitte September, auf einem stabilen Niveau mit wöchentlich weniger als 20 Fällen/100.000 Einw. Danach setzte eine exponentielle Zunahme in allen Altersgruppen ein. Die wöchentlichen Inzidenzen der 47. Meldewoche liegen zwischen 60/100.000 bei den 0 – 4-Jährigen und 201/100.000 bei den 15 – 34-Jährigen.“
bb) Der Verordnungsgeber hat mit der Regelung des § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV eine notwendige Schutzmaßnahme getroffen, die dem legitimen Ziel der Eindämmung der Pandemie diente (1) und verhältnismäßig war (2).
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG waren im Falle der Feststellung von Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, soweit und solange dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich war (vgl. zur Handlungspflicht BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 –, juris Rn. 8). Die Untersagung oder Beschränkung von Reisen zählte nach § 28a Abs. 1 Nr. 11 IfSG zu den möglichen Schutzmaßnahmen i. S. d. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Die in § 28a Abs. 1 IfSG typisierten Schutzmaßnahmen konnten – wie hier – unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht an jede Person im Geltungsbereich der Verordnung gerichtet sein, umfassten also auch die generelle Inanspruchnahme Nichtverantwortlicher (vgl. SächsVerfGH, Urteil vom 26. März 2021 – LVG 4/21 –, juris Rn. 117).
Notwendig ist eine solche Schutzmaßnahme dann, wenn sie an dem Ziel ausgerichtet ist, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern, und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügt. Sie muss also zur Erreichung des vorgenannten Zwecks geeignet und erforderlich sowie verhältnismäßig im engeren Sinne sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 2/21 –, juris Rn. 12). Dabei waren insbesondere die in § 28a IfSG niedergelegten und den Verhältnismäßigkeitsmaßstab im Wesentlichen präzisierenden Vorgaben (vgl. BT-Drs. 19/23944, S. 35) zu beachten, da der Deutsche Bundestag, wie ausgeführt, das Bestehen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Bezug auf COVID-19 festgestellt hatte. Innerhalb dieser durch § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sowie § 28a IfSG und das Verhältnismäßigkeitsgebot gezogenen Grenzen verfügte der Verordnungsgeber auch im streitgegenständlichen Zeitraum beim Erlass seiner Maßnahmen über ein normatives Ermessen. Ob die Grenzen dieses Einschätzungsspielraums überschritten sind, unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 2/21 –, juris Rn. 12; OVG Bautzen, Urteil vom 27. April 2023 – 3 C 8/21 –, juris Rn. 73 f.).
(1) Das mit § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV verfolgte Ziel stand mit dem Zweck der Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Einklang, die weitere Ausbreitung der übertragbaren Krankheit COVID-19 zu verhindern. Zudem wurden die Vorgaben des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG beachtet, wonach Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten sind (a). Der Verordnungsgeber hat auf einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage angenommen, dass die Zielerreichung dringlich und ohne die getroffene Maßnahme gefährdet ist (b).
(a) Der Verordnungsgeber hat in der für die Beurteilung der legitimen Zielsetzung heranzuziehenden Verordnungsbegründung ausgeführt, dass die Verordnung dazu diene, eine akute Gesundheitsnotlage im Land Brandenburg zu vermeiden und somit den Schutz von Leib und Leben der Bürgerinnen und Bürger des Landes Brandenburg zu gewährleisten. Aufgrund der dargestellten bundesweiten Dynamik des Infektionsgeschehens und der besorgniserregenden Entwicklung im Land Brandenburg sei es zwingend erforderlich, das Infektionsgeschehen weiter einzudämmen und die Zahl der Neuinfektionen wieder in die nachverfolgbare Größenordnung von unter 50 Neuinfektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus innerhalb der letzten sieben Tage pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner zu senken (vgl. Allgemeine Begründung der Vierten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 8. Januar 2021, Ziffer III 3., GVBl. II, S. 20 [22]). Die Senkung der Zahl der Neuinfektionen stellte ebenso wie die Ermöglichung der Kontaktnachverfolgung ein legitimes Ziel im Sinne des § 1 Abs. 1 IfSG und des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG dar. Eine geringere Anzahl von Infizierten bewirkte eine Verlangsamung der Weiterverbreitung des Virus‘, was auch dem Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung diente. Denn eine verringerte Viruslast in der Bevölkerung führte zu weniger Infektionen und damit zu weniger Erkrankungen mit schwerwiegenden Gesundheitsfolgen, was auch zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems beitrug (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 27. April 2023 – 3 C 8/21 –, juris Rn. 82). Diese nach § 1 Abs. 1 IfSG und § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG legitimen Ziele verfolgte auch die angegriffene Regelung des § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV. Die Einschränkung des Bewegungsradius für die freizeitorientierte Mobilität zielte auf die Durchsetzung einer konsequenten Verringerung zwischenmenschlicher Kontakte, die notwendige Voraussetzung für die Verbreitung des Coronavirus’ war (vgl. zur Übertragung von Mensch zu Mensch via Tröpfcheninfektion und über Aerosole Epidemiologisches Bulletin des RKI, Ausgabe 2/2021, Stand: 14. Januar 2021, a.a.O., S. 10; OVG Magdeburg, Beschluss vom 25. Januar 2021 – 3 R 2/21 –, juris Rn. 44).
(b) Die Annahme des Verordnungsgebers, dass diese Ziele ohne das erlassene Ge- bzw. Verbot gefährdet waren und die Gefahr wegen einer möglichen Überlastung des Gesundheitssystems dringlich war, beruhte auf einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. –, juris Rn. 177 und Urteil vom 30. Juli 2008 – 1 BvR 3262/07 u.a. –, juris Rn. 103; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 1/21 –, juris Rn. 52). Ausweislich der Begründung hat er sich in zulässiger Weise (s.o.) insbesondere auf die Gefahreneinschätzung des RKI gestützt (vgl. Allgemeine Begründung der Vierten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 8. Januar 2021, Ziffer III 3., GVBl. II, S. 20 mit Hinweis auf den Lagebericht des RKI vom 3. Januar 2021, S. 2, 9 abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Jan_2021/2021-01-03-de.pdf?__blob=publicationFile). Aus dem Lagebericht ergab sich folgendes Bild:
„Nach einer vorübergehenden Stabilisierung der Fallzahlen auf einem erhöhten Niveau Ende August und Anfang September ist es im Oktober in allen Bundesländern zu einem steilen Anstieg der Fallzahlen gekommen. Durch die Maßnahmen seit Anfang November stagnierte zwar die Zunahme der Fallzahlen, ohne dass jedoch ein nennenswerter Rückgang erreicht werden konnte. Seit Anfang Dezember ist ein erneuter starker Anstieg der Fallzahlen zu verzeichnen […].
Der R-Wert liegt aktuell um 1. Aufgrund der nach wie vor sehr hohen Zahl an infizierten Personen in Deutschland bedeutet dies jedoch weiterhin eine hohe Zahl von täglichen Neuinfektionen. Während der Feiertage und zum Jahreswechsel werden COVID-19-Fälle nur verzögert detektiert, erfasst und übermittelt, so dass der R-Wert zudem ggf. unterschätzt wird.
Bundesweit gibt es in verschiedenen Kreisen Ausbrüche, die mit unterschiedlichen Situationen in Zusammenhang stehen. So werden zunehmend COVID-19-bedingte Ausbrüche in Haushalten und Alten- und Pflegeheimen übermittelt, aber auch im beruflichen Setting. Zusätzlich kommt es in zahlreichen Kreisen zu einer zunehmend diffusen Ausbreitung von SARS-CoV-2-Infektionen in die Bevölkerung, ohne dass Infektionsketten eindeutig nachvollziehbar sind. Das genaue Infektionsumfeld lässt sich häufig nicht ermitteln.
Da ältere Personen häufiger von schweren Erkrankungsverläufen von COVID-19 betroffen sind, bewegt sich die Anzahl an schweren Fällen und Todesfällen weiterhin auf hohem Niveau. Diese können vermieden werden, wenn alle mit Hilfe der Infektionsschutzmaßnahmen die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus verlangsamen.
Daher ist es weiterhin notwendig, dass sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagiert, z. B. indem sie Abstands- und Hygieneregeln konsequent – auch im Freien – einhält, Innenräume lüftet und, wo geboten, eine Mund-Nasen-Bedeckung korrekt trägt. Menschenansammlungen – besonders in Innenräumen – sollten möglichst gemieden werden.
Am 19.12.2020 wurde im Vereinigten Königreich über eine neue Virusvariante (B.1.1.7) berichtet. Das ECDC hat am 29.12.2020 hierzu ein Risk Assessment veröffentlicht. Es ist noch nicht abschließend geklärt, wie sich die neue Variante auf das Infektionsgeschehen auswirkt. Vertreter dieser Linie sind weltweit in zahlreichen Ländern identifiziert worden. Es ist zu erwarten, dass in weiteren Ländern Infektionen mit der neuen Variante detektiert werden. In Deutschland wurden dem RKI vereinzelt Fälle dieser Variante übermittelt. Es ist zu erwarten, dass weitere Fälle bekannt werden, die durch die Virusvariante bedingt sind. Die WHO berichtet außerdem von einer weiteren, neuen Virusvariante in Südafrika, die ebenfalls möglicherweise mit einer höheren Übertragbarkeit einhergeht. […]
Risikobewertung durch das RKI
Das Robert Koch-Institut schätzt aufgrund der anhaltend hohen Fallzahlen die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Hervorgehoben wird das zunehmend diffuse Infektionsgeschehen sowie das Auftreten von Ausbrüchen vor allem in Haushalten, beruflichen Settings sowie Alten- und Pflegeheimen. Daher ist eine konsequentere Umsetzung der Fallfindung und Kontaktpersonennachverfolgung als auch der Schutz der Risikogruppen notwendig. Nur wenn die Zahl der neu Infizierten deutlich sinkt, können auch Risikogruppen zuverlässig geschützt werden.“
Außerdem hat der Verordnungsgeber in der Verordnungsbegründung bezogen auf das Land Brandenburg die Zahl der an COVID-19 Erkrankten, die landesweite 7-Tage-Inzidenz und die hohe Belastung der Krankenhäuser im Zeitraum vom 18. Dezember 2020 bis zum 3. Januar 2021 statistisch nachgezeichnet, was die Risikobewertung des RKI stützt.
(2) Die Regelung des § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2-EindV war verhältnismäßig.
(a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers erwies sich die Einschätzung des Verordnungsgebers, die getroffene Maßnahme sei geeignet, die Ausbreitung der Pandemie und die damit einhergehenden Folgen einzudämmen, zum maßgeblichen Zeitpunkt des Verordnungserlasses als gerechtfertigt.
Eine Norm ist geeignet im vorgenannten Sinn, wenn mit ihrer Hilfe der verfolgte Zweck gefördert werden kann. Dabei genügt bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 1/21 –, juris Rn. 59). Dem Verordnungsgeber stand bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung wegen der damals in der Fachwissenschaft vorhandenen Ungewissheiten über die Eigenschaften des Virus SARS-CoV-2 ein der verwaltungsgerichtlichen Prüfung unterliegender Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die etwa erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel bezog, um die Ziele der Norm zu erreichen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u. a. –, juris Rn. 185 und vom 13. Mai 2020 – 1 BvR 1021/20 –, juris Rn. 10). Die Grenzen dieses Spielraums sind überschritten, wenn die Eignungsprognose des Verordnungsgebers nicht auf tragfähigen tatsächlichen Annahmen beruht oder wenn das Prognoseergebnis nicht plausibel ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 1/21 –, juris Rn. 59).
Zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses am 8. Januar 2021 entsprach es dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand, dass die Erkrankung sehr infektiös ist und hauptsächlich durch die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel übertragen wird, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen und Niesen einer infizierten Person entstehen (vgl. Epidemiologisches Bulletin des RKI, Ausgabe 2/2021, Stand: 14. Januar 2021, a.a.O., S. 9 f., 17). Ferner entsprach es dem damaligen Erkenntnisstand, dass die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber infektiösen Partikeln im Umkreis von ein bis zwei Metern um eine infizierte Person herum erhöht ist (vgl. RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus Krankheit 2019 [COVID-19], Stand: 30. Oktober 2020, aktuell nicht mehr abrufbar, zitiert nach OVG Bautzen, Urteil vom 27. April 2023 – 3 C 8/21 –, juris Rn. 66; siehe aber auch RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus Krankheit 2019 [COVID-19], Stand: 26. November 2021, unter 2. „Übertragungswege“, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888#doc13776792bodyText2). Ausgehend davon lag eine hinreichend abgesicherte fachwissenschaftliche Grundlage für die Annahme des Verordnungsgebers vor, eine Beschränkung der Kontakte von Menschen im öffentlichen Raum, die durch eine Aufenthaltsbeschränkung bewirkt würde, leiste einen Beitrag zur Verringerung der Zahl von Neuinfektionen, weil Übertragungswege und -begegnungen so unterbunden würden.
Der 11. Senat des OVG Berlin-Brandenburg hat dazu in seinem Beschluss vom 14. Januar 2021 (OVG 11 S 3/21, juris Rn. 20 ff.) im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt:
„Der Senat hat bereits dazu entschieden, dass Mobilität, auch in Form von touristischen Reisen zu einer vorübergehenden Veränderung des potentiellen Kontaktumfeldes führt und damit die Verbreitungsgefahr des Virus steigt. Reisen und Ausflüge bergen zumindest abstrakt die Gefahr, eine (noch) asymptomatisch verlaufende Infektion an einen anderen Ort zu tragen und das Virus dort weiter zu verbreiten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Oktober 2020 – OVG 11 S 87/20 –, juris Rn. 37). In diesem Kontext erscheint es auch nicht sachwidrig, an einen Inzidenzwert von 200 wöchentlichen Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt (Inzidenzgebiet), anzuknüpfen. Denn wenn in einem begrenzten Gebiet bereits viele Menschen infiziert sind, besteht prinzipiell eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass das Virus von prä- oder asymptomatisch Infizierten unbemerkt in andere, möglicherweise niedrigere Inzidenzwerte aufweisende Gebiete getragen wird.
Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass das Robert Koch- Institut (RKI) eine Ansteckungsgefahr im Freien als gering einschätzt (vgl. RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Stand: 8. Januar 2021, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessinid=FB634A1D8F9F53770BF7D72933651613.internet062?nn=13490888#doc13776792bodyText2), widerlegt dies nicht die Geeignetheit der Maßnahme. Denn auch eine sehr geringe Ansteckungsgefahr stellt eine Ansteckungsgefahr dar und diese zu verhindern ist geeignet, das vom Verordnungsgeber angestrebte legitime Ziel zu fördern. Auch wenn der gemeinsame Aufenthalt im öffentlichen Raum gemäß § 4 Abs. 3 4. SARS-CoV-2-EindV grundsätzlich auf die Angehörigen des eigenen Haushalts sowie eine weitere haushaltsfremde Person limitiert ist und Individualsport i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 1 4. SARS-CoV-2-EindV nur allein, zu zweit oder mit Angehörigen des eigenen Haushalts ausgeübt werden darf, ist auch bei diesen Betätigungen ein nicht beabsichtigtes Zusammentreffen mit weiteren Menschen und die damit einhergehende Gefahr einer Übertragung des Virus z.B. auf bei Anreise mit dem Auto genutzten Parkplätzen und in deren Umfeld nicht ausgeschlossen, sodass der angegriffenen Regelung auch aus diesem Grunde die Eignung nicht von vornherein abgesprochen werden kann.
Dass die Maßnahme zu einer Konzentration der Erholung suchenden und Sport treibenden Bevölkerung an den attraktiven Orten innerhalb des zugelassenen Radius führen könnte, erscheint zwar nicht ausgeschlossen, ändert aber nichts daran, dass sie zu einer Einschränkung der Mobilität als eines wesentlichen Faktors des Infektionsgeschehens beiträgt. Entsprechendes gilt, soweit der Antragsteller darauf hinweist, dass es Einwohnern von Landkreisen oder kreisfreien Städten mit einer Inzidenz von weniger als 200 wöchentlichen Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner rechtlich nicht versagt ist, ihrerseits die durch die Maßnahme betroffenen Landkreise und kreisfreien Städte aufzusuchen.“
Dieser Bewertung, der der Antragsteller im Hauptsacheverfahren nicht substantiiert entgegengetreten ist, schließt sich der nunmehr zur Entscheidung berufene 5. Senat nach eigener, nicht mehr nur summarischer Prüfung an. Die Beschränkung des Bewegungsradius‘ der Einwohnerinnen und Einwohner von Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer mindestens über fünf Tage andauernden – sehr hohen – Inzidenz von über 200 erwies sich nach Auffassung des Senates als nicht von vornherein ungeeignetes Mittel, um das mit der Maßnahme verfolgte legitime Ziel zu erreichen, zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung und zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems die Entstehung neuer Infektionsketten und damit verbunden die weitere Verbreitung der COVID-19-Krankheit zu verhindern (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom 25. Januar 2021 – 3 R 2/21 – , juris Rn. 46; zur Gegenansicht VG Wiesbaden, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 7 L 31/21.WI –, juris Rn. 43 ff.; Ogorek, Bewegungsbeschränkungen für Bewohner von Corona-Hotspots, NJW 2021, 824 [826]; die Geeignetheit bezweifelnd, aber im Ergebnis offenlassend VGH München, Beschluss vom 26. Januar 2021 – 20 NE 21.162 –, juris Rn. 19). Eine Einschränkung der freizeitorientierten Mobilität, die mit der Untersagung oder Beschränkung von Reisen verbunden war, konnte jedenfalls zu einer Reduzierung von Kontakten zwischen Menschen führen und dazu beitragen, dass sich die Ausbreitung des Corona-Virus verlangsamte und die Infektionsdynamik verzögerte (vgl. zur Rolle der Mobilität bei der Verbreitung ferner auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 16. Oktober 2020 – OVG 11 S 87/20 –, juris Rn. 37 und vom 23. April 2020 – OVG 11 S 25/20 –, juris Rn. 15; OVG Magdeburg, Beschlüsse vom 4. November 2020 – 3 R 218/20 –, vom 27. Oktober 2020 – 3 R 205/20 – und vom 13. Mai 2020 – 3 R 78/20 –, alle bei juris).
Hinzu kommt, dass sich die genannten Erkenntnisse des RKI zur Ansteckungsgefahr im Freien nur auf das Virus in seiner Ausgangsform und der bis Ende des Jahres 2020 aufgetretenen Mutationen beziehen konnten. Im hier zu betrachtenden Zeitraum Anfang des Jahres 2021 waren aber bereits verschiedene Mutationen aufgetreten, die sich auch in der Bundesrepublik zunehmend verbreiteten. Ausgehend von den in den Ursprungsländern dieser Mutationen gemachten Erfahrungen war bereits bekannt, dass diese Mutationen deutlich ansteckender waren (vgl. Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit 2019 [COVID-19], Stand: 3. Januar 2021, a.a.O., S. 2). Inwieweit sich dies auch auf Übertragungsszenarien in Außenbereichen bezog, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht untersucht, so dass auch aus diesem Grund die Annahme eines Übertragungsrisikos im Freien keinesfalls sachwidrig war (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 27. April 2023 – 3 C 8/21 –, juris Rn. 85).
(b) Die Einschätzung des Verordnungsgebers, dass die streitgegenständliche Regelung für die Erreichung des beschriebenen Normziels erforderlich war, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
An der Erforderlichkeit einer Regelung fehlt es grundsätzlich nur dann, wenn dem Verordnungsgeber eine andere, gleich wirksame Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zwecks zur Verfügung steht, die weniger in die Grundrechte der Betroffenen eingreift und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. –, juris Rn. 202 f.; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 2/21 –, juris Rn. 15, 18). Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Maßnahmen zum Schutz vor COVID-19 hatte der Verordnungsgeber angesichts der fehlenden Erfahrungen mit dem SARS-CoV-2-Virus und den Wirkungen von Schutzmaßnahmen einen – durch die Vorgaben des § 28a Abs. 2 und 3 IfSG begrenzten – tatsächlichen Einschätzungsspielraum, der sich darauf bezog, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u. a. –, juris Rn. 204 f.; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 2/21 –, juris Rn. 17). Zwar hatte die Pandemie zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Monate gedauert, aber es lag im Januar 2021 insbesondere kein gesicherter Erkenntnisstand zu den Wirkungen von Schutzmaßnahmen vor. Das Virus hatte sich seit Pandemiebeginn stetig weiterentwickelt und insbesondere seine Eigenschaften hinsichtlich seiner Übertragbarkeit verändert. Gerade im streitgegenständlichen Zeitraum waren zwei neue Virusmutationen aufgetreten, hinsichtlich derer es – wie dargestellt – an Erkenntnissen zu Übertragbarkeit und verursachter Krankheitsschwere fehlte. Schon allein deswegen bestand hier der der gerichtlichen Kontrolle unterliegende Einschätzungsspielraum des Verordnungsgebers fort (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 27. April 2023 – 3 C 8/21 –, juris Rn. 87).
Ein solcher Spielraum hat jedoch Grenzen. Er kann sich wegen des betroffenen Grundrechts und der Intensität des Eingriffs verengen. Umgekehrt reicht er umso weiter, je höher die Komplexität der zu regelnden Materie ist. Auch hier gilt, dass bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne Weiteres zulasten der Grundrechtsträger gehen dürfen. Dient der Eingriff dem Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die verfassungsrechtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. –, juris Rn. 204 m.w.N.) Die Einschätzung des Verordnungsgebers muss zudem auf ausreichend tragfähigen Grundlagen beruhen. Das Ergebnis der Prognose muss einleuchtend begründet und damit plausibel sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 2/21 –, juris Rn. 17 f.). Die Einhaltung der vom Normgeber gezogenen Grenzen unterliegt der gerichtlichen Überprüfung. Maßgebend ist dabei die Erkenntnislage bei Erlass der Verordnung (ex-ante-Sicht).
(aa) Der Verordnungsgeber hat den Erforderlichkeitsmaßstab des Infektionsschutzgesetzes beachtet, indem er die in der Eindämmungsverordnung vom 8. Januar 2021 ergriffenen Schutzmaßnahmen zutreffend an den Vorgaben des § 28a Abs. 3 Satz 2 IfSG ausgerichtet hat. Mit diesen Vorgaben hatte der Gesetzgeber beim Ergreifen von Schutzmaßnahmen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ein gestuftes Vorgehen, welches sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientieren sollte, erreichen wollen (vgl. BT-Drs.19/23944, S. 35).
§ 28a Abs. 3 Satz 2 IfSG in seiner Fassung vom 18. November 2020 sah vor, dass die Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsgeschehens regional bezogen auf die Ebene der Landkreise, Bezirke oder kreisfreien Städte an den Schwellenwerten nach Maßgabe der Sätze 4 bis 12 ausgerichtet werden sollten, soweit Infektionsgeschehen innerhalb eines Landes nicht regional übergreifend oder gleichgelagert waren. Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen war insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 EW innerhalb von sieben Tagen. Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 EW innerhalb von sieben Tagen waren umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten ließen. Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 35 Neuinfektionen je 100.000 EW innerhalb von sieben Tagen waren breit angelegte Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine schnelle Abschwächung des Infektionsgeschehens erwarten ließen. Unterhalb eines Schwellenwertes von 35 Neuinfektionen je 100.000 EW innerhalb von sieben Tagen kamen insbesondere Schutzmaßnahmen in Betracht, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützten. Vor dem Überschreiten eines Schwellenwertes waren die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen bereits dann angezeigt, wenn die Infektionsdynamik eine Überschreitung des jeweiligen Schwellenwertes in absehbarer Zeit wahrscheinlich machte. Bei einer bundesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 EW innerhalb von sieben Tagen waren bundesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben. Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 EW innerhalb von sieben Tagen waren landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben. Nach Unterschreitung eines in den Sätzen 5 und 6 genannten Schwellenwertes konnten die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen aufrechterhalten werden, soweit und solange dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich war. Die in den Landkreisen, Bezirken oder kreisfreien Städten auftretenden Inzidenzen wurden zur Bestimmung des nach diesem Absatz jeweils maßgeblichen Schwellenwertes durch das RKI im Rahmen der laufenden Fallzahlenberichterstattung auf dem RKI-Dashboard unter der Adresse http://corona.rki.de im Internet veröffentlicht.
Der Schwellenwert von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner war im für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgeblichen Zeitpunkt unstreitig sowohl landes- als auch bundesweit deutlich überschritten. Dies erforderte nach § 28a Abs. 3 Satz 5, Satz 10 IfSG umfassende Schutzmaßnahmen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten ließen. Dem lag die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde, dass eine individuelle Kontaktnachverfolgung ab einer Überschreitung dieses Schwellenwertes nicht mehr leistbar war und es deswegen massiver Einschränkungen des öffentlichen Lebens bedurfte, um ein dynamisches Infektionsgeschehen einzudämmen (vgl. BT-Drs. 19/23944, S. 34; OVG Magdeburg, Beschluss vom 25. Januar 2021 – 3 R 2/21 –, juris Rn. 43).
(bb) Auch im Übrigen erwies sich die angegriffene Regelung als erforderlich. Die Einschätzung des Verordnungsgebers, es habe kein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Verfügung gestanden, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Die in Bezug auf die Wirksamkeit der Maßnahme angestellte Prognose ist nicht zu beanstanden. Ohne die Regelung wäre eine Ballung von Menschen etwa an beliebten Ausflugszielen zu befürchten gewesen, bei denen zwangsläufig die Kontakt- und Abstandsbeschränkungen aufgrund der Vielzahl der ungeplant aufeinandertreffenden Menschen nicht hätten eingehalten werden können. Im Ausgangspunkt erachtet der Senat es als nachvollziehbar, dass Menschen, auch wenn im streitgegenständlichen Zeitraum Winter war, nach mehreren Wochen mit Ausgangsbeschränkungen das nachvollziehbare menschliche Bedürfnis nach auch überregionalen Ausflügen hatten. Ebenso nachvollziehbar ist die daraus folgende Konsequenz, dass insbesondere an beliebten Ausflugszielen unweigerlich eine große Anzahl von Menschen hätte zusammentreffen können. Der Verordnungsgeber hatte damit eine Situation zum Ausgangspunkt seiner Prognose erhoben, wonach es der Regelungsgehalt der streitgegenständlichen Regelung verhinderte, dass es zu einem stärkeren Zusammentreffen von Menschen außerhalb ihrer Unterkunft kam als dies wegen der weiteren Gründe, wegen derer die Unterkunft verlassen werden durfte, erfolgt wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 2/21 –, juris Rn. 22). Die für die beschriebene lebensnahe Situation getroffene naheliegende Schlussfolgerung, dass selbst Bürgerinnen und Bürgern, die sich rechtstreu an Abstandsregeln halten möchten, dies bei einem unkontrollierten Zusammentreffen einer Vielzahl von Menschen aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, war ebenfalls nicht sachwidrig. Dass der Antragsgegner ausgehend von dieser typischen Lebenssituation, die eine Vielzahl der Normunterworfenen erfasste, eine sachliche Gleichwertigkeit der Abstandsvorgaben gegenüber der durch die Norm bewirkten deutlichen Begrenzung von Personen, die überhaupt aufeinandertreffen konnten, verneint hat, ist nach den dargelegten Grundsätzen hinreichend plausibel (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 27. April 2023 – 3 C 8/21 –, juris Rn. 104 f.).
Der Senat teilt nicht die Auffassung des Antragstellers, dass die Anordnung von Betretungsverboten für bekannte „Touristenmagneten“ eine zur Erreichung des Ziels mildere und zugleich effektivere Maßnahme dargestellt hätte. Zwar mögen sich solche zielgerichteten Betretungsverbote an anderen Orten als erfolgreich erwiesen haben (vgl. VG Wiesbaden, Beschluss vom 15. Januar 2021 – 7 L 31/21.WI –, juris Rn. 47 ff., 50; Ogorek, Bewegungsbeschränkungen für Bewohner von Corona-Hotspots, NJW 2021, 824 [826]). Der Antragsgegner hat seinen Einschätzungsspielraum aber auch hinsichtlich der insoweit zu treffenden Prognose nicht überschritten. Unabhängig von der Frage, wie eine solche Sperrung beispielsweise in naturnahen Erholungsgebieten überhaupt praktisch hätte umgesetzt werden können, hätte es bei einer solchen Maßnahme die Gefahr von Ausweichbewegungen gegeben (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 27. April 2023 – 3 C 8/21 –, juris Rn. 105). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass einer solchen Maßnahme eine gleichwertige Effektivität zuzusprechen gewesen wäre, sind auch im Übrigen weder dargetan noch sonst ersichtlich. Die sachliche Gleichwertigkeit dieser alternativen Maßnahme zur Zweckerreichung müsste aber in jeder Hinsicht eindeutig feststehen, um die Erforderlichkeit der getroffenen Maßnahme in Zweifel zu ziehen.
(c) Die Aufenthaltsbeschränkung war in ihrer konkreten Ausgestaltung auf der Grundlage der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Verordnungserlasses verfügbaren Erkenntnisse auch verhältnismäßig im engeren Sinne.
(aa) Die angegriffene Regelung begründete einen Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit des Antragstellers.
Der Schutzbereich des Rechts auf Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet aus Art. 11 Abs. 1 GG wurde entgegen der Auffassung des Antragstellers durch die Aufenthaltsbeschränkung hingegen nicht berührt. Zwar schützt dieses Grundrecht neben der Einreise nach Deutschland zum Zwecke der Wohnsitznahme auch die Freizügigkeit zwischen Ländern, Gemeinden und innerhalb einer Gemeinde (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 1 BvR 3139/08 –, juris Rn. 251 ff.). Umfasst ist dabei nicht nur der Zuzug, sondern auch das Recht, an dem frei gewählten Ort verweilen oder wohnen zu dürfen (vgl. BVerfG, a. a. O, Rn. 254). In Abgrenzung zur Fortbewegungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) muss der Aufenthalt im Rahmen von Art. 11 Abs. 1 GG jedoch eine gewisse Dauer und soziale Relevanz besitzen (vgl. Ogorek, in BeckOK, GG, 57. Ed. 15. Januar 2024, Art. 11 Rn. 11 m.w.N.; Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl. 2022, Art. 11 Rn. 2; Kunig/Graf von Kilmansegg, in von Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 11 Rn. 30 f.). Dies ist bei tagestouristischen Ausflügen, die allein der Freizeitgestaltung dienen, nicht der Fall (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2008 – 1 BvR 1548/02 –, juris Rn. 26; Ogorek, a.a.O., Rn. 12; zur Bedeutung von Art. 11 Abs. 1 GG während der Corona-Pandemie ausführlich Durner, in Dürig/Herzog/Scholz, GG, 102. EL August 2023, Art. 11 Rn. 63 ff., und Goldhammer/Neuhöfer, Grundrechte in der Pandemie – Freiheit und Gleichheit, JuS 2021, 641).
(bb) Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordert, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen. Angemessen ist eine Maßnahme dann, wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Eingriffsgewicht der Maßnahme und dem verfolgten Ziel sowie der zu erwartenden Zielerreichung herzustellen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Umgekehrt wird gesetzgeberisches Handeln umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. –, juris Rn. 216; BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 2/21 –, juris Rn. 28). Auch bei der Prüfung der Angemessenheit besteht grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers. Die verfassungsrechtliche Prüfung bezieht sich dann darauf, ob der Gesetzgeber seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat. Bei der Kontrolle prognostischer Entscheidungen setzt dies wiederum voraus, dass die Prognose des Gesetzgebers auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. –, juris Rn. 217).
Das Maß, in dem das in Rede stehende Verbot voraussichtlich zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beitragen würde, stand zu dem Gewicht der daraus folgenden Grundrechtsbeeinträchtigung noch in einem angemessenen, den Grundrechtseingriff rechtfertigenden Verhältnis.
Das Verbot, sich außerhalb eines 15 Kilometer umfassenden Radius‘ der Landkreisgrenze im öffentlichen Raum aufzuhalten, stellt zwar durchaus einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Adressaten dar. Allerdings betraf die angegriffene Einschränkung nur einen überschaubaren Teil der Freizeitgestaltung (Sport und Bewegung im Freien). Von wesentlicher Bedeutung ist auch, dass vorliegend keine Ausgangsbeschränkung in Rede steht, die das Verlassen der Wohnung einschränkte. Dies würde einen wesentlich tiefgreifenderen Grundrechtseingriff begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 2/21 –, juris Rn. 32 f.; OVG Bautzen, Urteil vom 27. April 2023 – 3 C 8/21 –, juris Rn. 1, 120). Das Verlassen der Wohnung und der Aufenthalt im öffentlichen Raum waren hier gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 15 der 4. SARS-CoV-2-EindV zur Ausübung von Sport nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 Nr. 1 der 4. SARS-CoV-2-EindV sowie zur Bewegung an der frischen Luft gestattet. Individualsport und Bewegung an der frischen Luft waren der aus einem Inzidenzgebiet stammenden Person damit – nur – außerhalb des durch § 4 Abs. 2 der 4. SARS-CoV-2 EindV vorgegebenen Radius‘ verwehrt. Die tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit, die von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG geschützt wird, war weiterhin in jedem der 14 Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Brandenburg auf einer großen Gebietsfläche gewährleistet (vgl. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Flächenerhebung nach Art der tatsächlichen Nutzung in Brandenburg, Statistischer Bericht 2022, abrufbar unter: https://download.statistik-berlin-brandenburg.de/b5de40c08d3a7244/351809fff3cf/SB_A05-03-00_2022j01_BB.pdf). Aus diesem Grund lag mit Blick auf den vom Antragsteller geltend gemachten Art. 3 Abs. 1 GG auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Bewohnern und Bewohnerinnen von Landkreisen und kreisfreien Städten unterschiedlicher Größe vor. Der Kontakt zur Natur, der für das Wohlbefinden vieler Menschen von elementarer Bedeutung und insbesondere in einer Zeit, in der der Kontakt zu Menschen pandemiebedingt vermieden werden sollte, umso wichtiger war, konnte innerhalb des Landkreises bzw. der kreisfreien Stadt zuzüglich eines Radius‘ von immerhin 15 Kilometern weiterhin hergestellt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 2/21 –, juris Rn. 31). Die vom Antragsteller angesprochene präventive Wirkung von Sport und Bewegung an der frischen Luft konnte sich ebenfalls noch hinreichend entfalten.
Dass das Gewicht eines Grundrechtseingriffs durch zeitlich vorausgehende vergleichbare Maßnahmen mitbestimmt werden kann und die durch die Aufenthaltsbeschränkung hervorgerufene Beeinträchtigung der privaten Lebensgestaltung durch zeitgleich geltende weitere Ge- und Verbote zur Bekämpfung der Pandemie verstärkt worden sein mag (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. –, juris Rn. 223 f.), führt zu keiner anderen Bewertung. Zum einen ist vorliegend nur ein kurzer Geltungszeitraum von zwei Wochen in den Blick zu nehmen, da das Aufenthaltsverbot jenseits von 15 Kilometern ab der Landkreis- oder Stadtgrenze zur Ausübung von Sport und Bewegung an der frischen Luft erst mit der hier streitgegenständlichen Regelung eingeführt worden ist. Die vorherigen Verordnungen (Dritte Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg - Dritte SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung [3. SARS-CoV-2-EindV] vom 15. September 2020, GVBl. II, S. 119 sowie die Verordnung zur Änderung der Dritten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 18. Dezember 2020, GVBl. II, S. 124) enthielten keine vergleichbare Regelung. Nachfolgende Verordnungen müssen bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit nicht berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2022 – 3 CN 1/21 –, juris Rn. 79). Es ist nicht feststellbar, dass die hier betroffene Beschränkung der bloßen Freizeitgestaltung in ihrer Wirkung durch die übrigen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung derart verstärkt worden wäre, dass die Grenze zur Unverhältnismäßigkeit überschritten worden wäre.
Dem durch die Aufenthaltsbeschränkung bewirkten Grundrechtseingriff standen auf der anderen Seite Gemeinwohlbelange von überragender Bedeutung gegenüber. Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit sind als solche bereits Rechtsgüter von überragender Bedeutung, zu deren Schutz der Verordnungsgeber nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u.a. –, juris Rn. 231 m.w.N.). Es ist nicht festzustellen, dass die durch die beanstandeten Maßnahmen bewirkten Beeinträchtigungen in der Abwägung außer Verhältnis zu dem hohen Schutzgut von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen bei einer weiteren Verbreitung des Coronavirus‘ gestanden haben. Vielmehr durfte der Verordnungsgeber bei Erlass der Aufenthaltsbeschränkung davon ausgehen, dass dringlicher Handlungsbedarf bestand.
Das RKI schätzte die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland zum maßgeblichen Zeitpunkt des Verordnungserlasses – wie dargelegt – als sehr hoch ein (vgl. Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID-19], Stand: 8. Januar 2021, S. 1, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Jan_2021/2021-01-08-de.pdf?__blob=publicationFile; RKI, Epidemiologisches Bulletin, Ausgabe 2/2021, Stand: 14. Januar 2021, a.a.O., S. 10 ff.). Das Land Brandenburg wies bei Erlass der Aufenthaltsbeschränkung eine auch im Bundesvergleich schlechtere epidemiologische Lage auf (vgl. Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID-19], Stand: 8. Januar 2021, S. 3 f.). Im Zeitraum der letzten sieben Tage wurden danach aus dem Land Brandenburg die drittmeisten Fälle pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner an das RKI übermittelt. Der Landkreis O____ wies eine der höchsten Inzidenzen im gesamten Bundesgebiet auf. Das OVG Berlin-Brandenburg hat in seinem Beschluss vom 14. Januar 2021 (OVG 11 S 3/21, juris Rn. 25) darüber hinaus auf die zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende starke Belastung des Gesundheitssystems, namentlich der intensivmedizinischen Abteilungen der Krankenhäuser (vgl. Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID-19], Stand: 12. Januar 2021, abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Jan_2021/2021-01-12-de.pdf?__blob=publicationFile), und die zunehmende Gefahr der Verbreitung von Virusmutationen mit einer nochmals höheren Infektiösität (vgl. FAZ.net, Mutationen auf Vormarsch, Südafrika-Variante des Coronavirus erstmals in Deutschland entdeckt, Stand: 12. Januar 2021, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/suedafrika-variante-des-coronavirus-erstmals-in-deutschland-entdeckt-17142849.html) hingewiesen.
Mit Blick auf diese zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses bestehende erhebliche und akute Gefahrenlage durften die mit der Maßnahme verbundenen Einschränkungen auch dann als angemessen erscheinen, wenn sie aus ex-ante Sicht nur in beschränktem Umfang zur Eindämmung des Infektionsgeschehens hätten beitragen können (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Januar 2021 – OVG 11 S 3/21 –, juris Rn. 25). Bezogen auf die Situation des Antragstellers stellte es sich in Anbetracht dieser Gefahrenlage überdies nicht als unangemessen dar, dass er seinem Bewegungsbedürfnis in der Natur nur auf möglicherweise schon bekannten Routen nachgehen konnte und Wanderungen auf das bereits erschlossene Umfeld begrenzen musste. Vielmehr trug die angegriffene Regelung in ihrer konkreten Ausgestaltung dem Verordnungsziel, einerseits eine durch Reise- und Ausflugstätigkeit verursachte Ansteckungsgefahr möglichst zu vermeiden, andererseits die berechtigten persönlichen Bedürfnisse nach körperlicher Bewegungsfreiheit zu berücksichtigen, hinreichend Rechnung (vgl. dazu auch OVG Bautzen, Beschluss vom 7. April 2020 – 3 B 111/20 –, juris Rn. 19).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 52 Abs. 1, Abs. 2 und 8 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist bei dem oben genannten Gericht einzureichen. Rechtsanwälte, Behörden, juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Vertretungsberechtigte, die über ein elektronisches Postfach nach § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO verfügen, sind zur Übermittlung elektronischer Dokumente nach Maßgabe des § 55d VwGO verpflichtet.
Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. In Angelegenheiten, die ein gegenwärtiges oder früheres Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis betreffen, und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 ArbGG stehen einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind auch die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 VwGO bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 VwGO als Bevollmächtigte zugelassen; sie müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen als Bevollmächtigte nicht vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören.