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Ablehnung, Durchsuchung, Pass, sonstige Urkunden, Wohnung


Metadaten

Gericht VG Potsdam 3. Kammer Entscheidungsdatum 27.03.2024
Aktenzeichen VG 3 I 2/24 ECLI ECLI:DE:VGPOTSD:2024:0327.3I2.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 48 Abs 3 Satz 2 AufenthG

Leitsatz

Die Vorschrift des § 48 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erfasst nicht den Fall, dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Ausländer im Besitz eines Passes ist und nach diesem seine Wohnung durchsucht werden soll.

Tenor

Der Antrag auf Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners, Herrn , zu dem Zweck, den Nationalpass des Antragsgegners aufzufinden und in amtliche Verwahrung zu nehmen, wird abgelehnt.

Gründe

1. Der Antrag auf Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners zu dem Zweck, den Nationalpass des Antragsgegners aufzufinden und in amtliche Verwahrung zu nehmen, hat keinen Erfolg.

Rechtsgrundlage für die Durchsuchungsanordnung ist § 48 Abs. 3 Satz 2 und 3 AufenthG in der Fassung des Gesetzes vom 21. Februar 2024 (BGBl. I 2024 – Rückführungsverbesserungsgesetz). Durchsuchungen nach § 48 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bedürfen gemäß § 48 Abs. 3 Satz 3 AufenthG i.V.m. Art. 13 Abs. 2 GG der richterlichen Anordnung; eine solche ergeht im Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies ist in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Durchsuchungen nach § 58 AufenthG a.F. (Beschluss vom 19. Oktober 2022 – 1 B 65/22 –, juris) und dem entsprechenden Wortlaut des Richtervorbehalts in den jeweiligen Vorschriften zu schließen (vgl. auch Beschluss der Kammer vom 9. Dezember 2021 – 3 I 14/21 –, S. 2 des amtlichen Entscheidungsabdrucks m. w. N. zu § 58 AufenthG).

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ist ein Ausländer verpflichtet, seinen Pass, Passersatz oder Ausweisersatz auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist. Besitzt ein Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz, ist er gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verpflichtete, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken sowie alle Urkunden, sonstigen Unterlagen und Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden auf Verlangen vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Kommt der Ausländer seiner Verpflichtung nicht nach und bestehen tatsächliche Anhaltspunkte, dass er im Besitz solcher Unterlagen oder Datenträger ist, kann nach § 48 Abs. 3 Satz 2 AufenthG u.a. seine Wohnung nach diesen Unterlagen oder Datenträgern durchsucht werden. Derartige Durchsuchungen der Wohnung dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden angeordnet werden. Der Ausländer hat die Maßnahme zu dulden, § 48 Abs. 3 Satz 3 und 4 AufenthG.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar ist der Antragsgegner infolge des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Januar 2016, mit dem sein Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie sein Antrag auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet abgelehnt, der Antrag auf Zuerkennung subsidiären Schutzes abgelehnt, das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten festgestellt und er unter Androhung der Abschiebung aufgefordert wurde, das Bundesgebiet binnen Wochenfrist zu verlassen, vollziehbar ausreisepflichtig. Dieser Bescheid wurde am 12. Februar 2016 unanfechtbar. Seiner Ausreisepflicht ist der Antragsgegner seither nicht nachgekommen. Der wiederholt ergangenen Aufforderung, einen in seinem Besitz befindlichen Reisepass abzugeben, ist er nicht nachgekommen, hat aber im Jahre 2018 mitgeteilt, er sei nicht – wie noch im Asylverfahren angegeben – syrischer, sondern vielmehr tunesischer Staatsangehöriger. Der Umstand, dass eine deutsche Staatsangehörige am 15. Februar 2024 bei der Ausländerbehörde der Stadt P____ vorgesprochen und erklärt hat, sie wolle den Antragsgegner heiraten und auf Nachfrage einräumte, er besitze ein Identitätsdokument, bietet tatsächlich Anhaltspunkte für die Annahme, dass er im Besitz eines Nationalpasses ist. Dieser ist auch nach dem Antrag der Behörde Gegenstand der beantragten Durchsuchung.

Dies ist jedoch von der Vorschrift des § 48 AufenthG nicht erfasst. Diese setzt nach § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG voraus, dass der Ausländer nicht im Besitz eines Passes ist. Nach der Antragsbegründung bestehen indes Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner einen Pass besitzt. Die an den fehlenden Passbesitz anknüpfende Verpflichtung zur Vorlage, Aushändigung und Überlassung bezieht sich auf Urkunden, sonstige Unterlagen und Datenträger, aber gerade nicht auf einen Pass. Die Zulässigkeit einer Durchsuchung u.a. der Wohnung des Ausländers führt dies fort, indem § 48 Abs. 3 Satz 2 AufenthG regelt, dass sich die Durchsuchung auf solche Unterlagen und Datenträger bezieht, die wegen des fehlenden Passbesitzes gerade dem Zweck der Feststellung der Identität usw. im Sinne des § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dienen können. Ausgehend von dieser Systematik stehen sich Pass und sonstige Unterlagen im Sinne des § 48 Abs. 3 AufenthG im Verhältnis der Alternativität gegenüber.

Dies wird bestätigt durch die Neufassung des § 50 Abs. 5 AufenthG. Denn zum Zwecke eines Gleichlaufs mit § 48 AufenthG hat der Gesetzgeber mit dem Rückführungsverbesserungsgesetz in dieser Vorschrift den Pass und Passersatz, der bislang allein unter den dortigen Voraussetzungen in amtliche Verwahrung genommen werden konnte, um „sonstige Urkunden, Unterlagen und Datenträger“ erweitert. Dies lässt es ausgeschlossen erscheinen, die Durchsuchung gegen den Wortlaut des § 48 Abs. 3 Satz 2 AufenthG auch auf ein Passdokument selbst zu erstrecken, für dessen Besitz es tatsächliche Anhaltspunkte gibt. Auch die Begründung des Gesetzentwurfs des Rückführungsverbesserungsgesetzes lässt keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, dass mit der Einführung der Wohnung als Durchsuchungsobjekt auch eine Erweiterung auf den Pass gemeint sein sollte (vgl. BR-Drs. 563/23 S. 36 f.).

Es mag für das Ziel, die Ausreisepflicht durchzusetzen, ineffektiv erscheinen, dass sich die Wohnungsdurchsuchung nach § 48 AufenthG nicht – erst recht – auf einen Pass selbst bezieht. Doch angesichts des klaren Wortlauts des § 48 Abs. 3 Satz 2 AufenthG und angesichts des Gewichts des Eingriffs in den durch Art. 13 GG gewährleisteten Schutz der Wohnung, der zwangsläufige Folge einer Wohnungsdurchsuchung ist, sieht sich die Kammer gehindert, die Vorschrift erweiternd oder gar analog auszulegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen den Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu. Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Potsdam, Friedrich-Ebert-Straße 32, 14469 Potsdam, innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen.

Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten durch nach § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung zugelassene Bevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde.