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Entscheidung 11 U 243/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 11. Zivilsenat Entscheidungsdatum 21.02.2024
Aktenzeichen 11 U 243/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0221.11U243.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 12.10.2023, Az. 6 O 99/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung der Klägerin offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, es der vorliegenden Rechtssache an grundsätzlicher - über den Streitfall hinausgehender - Bedeutung fehlt, weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Judikatur eine Entscheidung durch das Berufungsgericht im Urteilswege erforderlich ist und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Berufungsgründe sind nicht gegeben; weder beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere - für den Kläger günstige(re) - Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Der Klägerin stehen weder die mit der Berufung weiter verfolgten Feststellungs- noch die ebenfalls geltend gemachten Zahlungsansprüche zu.

Das Landgericht ist zu Recht von der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit der im Berufungsverfahren im Streit stehenden Prämienerhöhungen in den zum 31.12.2019 beendeten Tarifen (X) und (Y) zum 01.01.2018 entsprechend den Anforderungen des § 203 Abs. 2 i. V. m. Abs. 5 VVG ausgegangen.

Dazu im Einzelnen:

Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG erfordert lediglich die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat (vgl. nur BGH, Urt. v. 16.12.2020, Az. IV ZR 294/19 - juris). Der Versicherer muss dabei zwar nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben. Der Versicherungsnehmer muss den Mitteilungen aber mit der gebotenen Klarheit entnehmen können, dass eine Veränderung der genannten Rechnungsgrundlagen über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat (vgl. BGH, Urt. v. 09.02.2022, Az. IV ZR 337/20; Urt. v. 21.07.2021, Az. IV ZR 191/20; Urt. v. 20.10.2021, Az. IV ZR 148/20; Urt. v. 17.11.2021, Az. IV ZR 113/20 - jeweils zitiert nach juris). Ihm muss verdeutlicht werden, dass es einen vorab festgelegten Schwellenwert für eine Veränderung der betreffenden Rechnungsgrundlage gibt, dessen Überschreitung die in Rede stehende Prämienanpassung ausgelöst hat (vgl. insbesondere BGH, Urt. v. 09.02.2022, Az. IV ZR 337/20; Urt. v. 21.07.2021, Az. IV ZR 191/20 - zitiert jeweils nach juris).

Diesen höchstrichterlichen Anforderungen genügt – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – zumindest im Rahmen einer Gesamtschau – die Mitteilung der Beklagten über die Änderung der Beiträge in ihrem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom November 2017 in Verbindung mit den gleichzeitig übersandten Informationen zu der betreffenden Beitragsanpassung 2018. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zu den jeweiligen Erhöhungsschreiben auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angegriffenen Urteil und auf frühere Entscheidungen des Senats (so u.a. Beschl. v. 24.11.2023, 11 U 169/23 zu den Erhöhungen für die Jahre 2020 bis 2022; Urt. v. 28.04.2024, 11 U 128/22 zu den Erhöhungen für die Jahre 2017 bis 2020) Bezug genommen werden.

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin im Übrigen darauf, dass ihr Bestreiten der materiellen Rechtmäßigkeit der formell wirksamen Beitragsanpassungen der Beklagten zu einer Stattgabe seiner Klage hätte führen müssen.

Dazu im Einzelnen:

Die Vollständigkeit der dem Treuhänder seitens der beklagten Versicherung übergebenen Unterlagen betrifft nicht die materielle Rechtmäßigkeit der jeweiligen Beitragsanpassung, sondern das hierfür vorgesehene Verfahren. Die dahingehende Rechtsauffassung entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Senats (vgl. hierzu statt vieler die den Prozessbevollmächtigten beider Parteien bekannten Urt. v. 27.09.2023 – 11 U 65/23; v. 12.07.2023 – 11 U 28/23; v. 05.07.2023 - 11 U 24/23; Beschl. v. 24.05.2023 - 11 U 275/22; vgl. hierzu auch OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.09.2023 – 8 U 810/23, Rn. 10, juris; OLG Köln, a.a.O., Rn. 17), an denen auch die Ausführungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung nichts zu ändern vermögen.

Nach § 155 Abs. 1 S. 2 VAG (bzw. § 12b Abs. 1 VAG a.F.) wird dem Treuhänder im Hinblick auf die Berechnung der Prämien auferlegt, dass er zu prüfen hat, ob diese mit den dafür bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang stehen. Ist dies der Fall, ist die Zustimmung nach Satz 5 dieser Regelung zu erteilen. Was dagegen die in § 155 Abs. 2 VAG (bzw. § 12 b Abs. 2 VAG a.F.) gesondert geregelte Verwendung der (erfolgsunabhängigen und erfolgsabhängigen) RfB-Mittel angeht, die der Zustimmung des Treuhänders bedürfen, so heißt es demgegenüber lediglich, dass er darauf zu achten habe, dass die in der Satzung und den Versicherungsbedingungen bestimmten Voraussetzungen erfüllt und die Belange der Versicherten ausreichend gewahrt sind (Senatsurt. v. 04.10.2023 – 11 U 62/23; v. 26.09.2023 – 11 U 65/23; v. 05.07.2023 - 11 U 24/23, BeckRS 2023, 16581 zustimmend Günther, FD-VersR 2023, 458602, beck-online; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 21.02.2023 – 16 U 139/19, Rn. 69 ff., juris). Der Umstand, ob dem Treuhänder die erforderlichen Unterlagen vollständig vorgelegt worden sind, betrifft demnach nicht die formelle oder materielle Wirksamkeit der Beitragsanpassung als solcher (Senat, a.a.O.; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, a.a.O., Rn. 71, juris). Dieser Umstand und die daraus resultierende Folgefrage, ob nämlich der Treuhänder auf der Grundlage der – vollständig oder nicht – vorgelegten Unterlagen seine tatsächlich erteilte Zustimmung hätte erteilen dürfen, betrifft nach mittlerweile ständiger Senatsrechtsprechung nicht die Wirksamkeit der Beitragsanpassung, sondern ist Teil der aufsichtsrechtlichen Aufgaben des Treuhänders. Diese zu überprüfen ist aber nicht Sache der Zivilgerichte, sondern der Aufsichtsbehörde (vgl. mit überzeugender Begründung OLG Nürnberg, Beschl. v. 05.06.2023 – 8 U 3284/22, BeckRS 2023, 12283 Rn. 44). Zwar macht § 203 Abs. 2 S. 1 VVG die Berechtigung des Versicherers zur Neufestsetzung der Prämie davon abhängig, dass der zustimmende Treuhänder die „technischen Berechnungsgrundlagen“ überprüft hat. Allein deren Unvollständigkeit als solche vermittelt dem Versicherungsnehmer nach zutreffender Auffassung des OLG Nürnberg, der der Senat folgt, aber keine Befugnis, die Wirksamkeit der Prämienanpassung mit Erfolg zu beanstanden. Der Wortlaut des § 203 VVG gibt insoweit keinen Aufschluss darüber, ob sich der Versicherungsnehmer im Prämienanpassungsstreit mit Erfolg auf die Unvollständigkeit der Treuhänderunterlagen berufen kann. § 203 Abs. 2 S. 1 VVG verlangt vielmehr lediglich, dass die Unterlagen den Treuhänder in die Lage versetzen müssen, die Beitragsanpassung nach Maßgabe des in § 203 Abs. 2 S. 4 VVG in Verbindung mit § 155 VAG vorgeschriebenen Verfahrens zu überprüfen. § 155 Abs. 1 S. 3 und 4 VAG ordnen ausdrücklich an, dass dem Treuhänder „sämtliche“ Berechnungsgrundlagen, die inhaltlich „vollständig“ sein müssen, vorzulegen sind (statt vieler Senat, a.a.O.). Ob § 203 VVG insoweit aber nur einen Verweis auf das einzuhaltende Verfahren beinhaltet oder dessen Nichteinhaltung – hier: betreffend die Unterlagenvollständigkeit – vom Versicherungsnehmer mit Erfolg im Prämienanpassungsstreit gerügt werden können soll, geht aus dem Wortlaut nicht hervor (OLG Nürnberg, a.a.O., Rn. 45). Rechtssystematische Erwägungen und die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung sprechen jedenfalls nicht dafür, dass der Versicherungsnehmer die Wirksamkeit der Prämienanpassung allein mit der behaupteten Unvollständigkeit der Treuhänderunterlagen angreifen könnte (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O. unter Hinweis auf OLG Hamm, Hinweisbeschl. v. 12.05.2023 – 20 U 7/23). Die Zivilgerichte haben demnach den Treuhändervorgang an sich nicht zu überprüfen (vgl. Senat, a.a.O.).

Ungeachtet dessen ist der gesamte erstinstanzliche klägerische Vortrag zur vermeintlichen materiellen Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen „ins Blaue hinein“ erfolgt und damit prozessual unbeachtlich. Die Klägerin hat für die behaupteten Rechtsverstöße im Prüfungsverfahren keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, sondern lediglich subjektive Zweifel mitgeteilt, die sie auf einen – woran auch immer festgemachten – Eindruck stützt, dass die treuhänderische Zustimmung ohne tatsächliche Prüfung der Voraussetzungen erteilt worden sei. Selbst wenn man – entgegen der vorgenannten Rechtsauffassung – das Prüfungsverfahren des Treuhänders einer zivilgerichtlichen Kontrolle unterwürfe, setzt diese unabhängig von der Verteilung der Beweislast zumindest voraus, dass insoweit Fehler durch die Klägerin mit greifbarem Ansatz vorgebracht werden. Hieran fehlt es vorliegend, denn Anlass für seinen Vortrag waren erklärtermaßen keine Ungereimtheiten, sondern bloße Spekulationen, denen ein tatsachenbasierter Vortrag seitens der Klägerin nicht zugrunde lag.

Im Ausgangspunkt tritt der Senat der klägerischen Rechtsauffassung bei, wonach die Frage einer materiell wirksamen Prämienerhöhung des privaten Krankenversicherers grundsätzlich uneingeschränkt der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Die Klage auf Rückzahlung der Erhöhungsbeträge aufgrund einer behaupteten materiellen Unwirksamkeit der Prämienanpassung setzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die die Klägerin anführt und der auch der Senat folgt, nämlich nur voraus, dass der Versicherungsnehmer Kenntnis von einer Prämienerhöhung hat und diese für materiell nicht berechtigt hält (vgl. BGH, Urt. v. 22.06.2022 – IV ZR 193/20, juris Rn. 51; statt vieler auch Senatsurt. v. 12.07.2023 – 11 U 28/23). Zwar trifft den beklagten Krankenversicherer die Darlegungs- und Beweislast für die materielle Rechtmäßigkeit der von ihm geltend gemachten Beitragsanpassung (vgl. BGH, Urt. v. 22.06.2022 – IV ZR 193/20, r+s 2022, 462 Rn. 51 m.w.N.). Im Ansatz geht die Klägerin daher zutreffend davon aus, dass ein Klagevortrag nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits dann schlüssig und erheblich ist, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Das gilt auch dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Dabei darf sie von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann.

Der Senat folgt der klägerischen Argumentation allerdings nicht, wonach der Bundesgerichtshof bei Rückforderungsansprüchen von Prämienzahlungen im Bereich der privaten Krankenversicherung von den allgemein geltenden zivilprozessualen Grundsätzen abweichen wollte und abgewichen ist. Unbeachtlich ist danach, was die Klägerin im Ansatz auch noch richtig zugrundelegt, der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei aber dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt, wobei dies einer strengen Kontrolle unterliegt (st. Rspr. BGH, z.B. Beschl. v. 10.01.2023 – VIII ZR 9/21, Rn. 14 f., juris, m.w.N.). Die Beweislast zu Lasten des Krankenversicherers wird demnach nur im Falle einer prozessual beachtlichen Beanstandung seitens des klagenden Versicherungsnehmers ausgelöst (vgl. Senatsurt. v. 08.11.2023 - 11 U 9/22; 11 U 263/21; 11 U 125/18; 11 U 172/19; 11 U 282/21; v. 18.10.2023 - 11 U 110/23; 27.09.2023 – 11 U 65/23; OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.09.2023 – 8 U 810/23, Rn. 20, juris m.w.N.).

Etwas anderes folgt - entgegen der von der Klägerin vertretenen Rechtsauffassung auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 28.12.1999 - 1 BvR 2203/98, r + s 2000, 167), das bei einer Beitragsanpassung in der privaten Krankenversicherung eine materielle Überprüfung aus rechtsstaatlichen Gründen für geboten hält, was im Grundsatz auch der ständigen Rechtsprechung des BGH entspricht und der auch der Senat folgt (vgl. Senatsurt. v. 27.09.2023 – 11 U 65/23). Danach ist das Interesse des Versicherungsnehmers an einer umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Überprüfung der Berechnung der Prämienerhöhungen mit einem schutzwürdigen Interesse des Krankenversicherers an der Geheimhaltung der Berechnungsgrundlagen zum Ausgleich zu bringen. Von Verfassungs wegen darf daher insoweit eine sachliche Überprüfung der Berechnung der Prämienerhöhungen nicht allein mit Rücksicht auf Geheimhaltungsinteressen der Versicherung gänzlich versagt werden. Die Zivilgerichte haben deshalb zu prüfen, inwieweit einem Interesse der Krankenversicherers an Geheimhaltung durch die Anwendung der §§ 172 Nr. 2, 173 Abs. 2, 174 Abs. 3 S. 1 GVG (vgl. auch § 353d Nr. 2 StGB) Rechnung getragen werden kann. Sie haben auch zu klären, worauf dieses Interesse sich im Einzelnen bezieht (BVerfG, a.a.O.). Weder das Bundesverfassungsgericht noch der Bundesgerichtshof fordern hierbei allerdings, dass dadurch die im Zivilprozess geltenden Regeln der Darlegungs- und Substantiierungslast außer Kraft gesetzt würden (vgl. statt vieler Senatsurt. v. 08.11.2023 - 11 U 9/22; 11 U 263/21; 11 U 125/18; 11 U 172/19; 11 U 282/21; v. 18.10.2023 - 11 U 110/23; v. 27.09.2023 – 11 U 65/23). Davon, dass der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung unter Aufgabe langjährig etablierter Anforderungen in einem Nebensatz im Rahmen der Prüfung des Verjährungsbeginns aufgegeben haben könnte (so wohl die hierzu vertretene klägerische Rechtsauffassung auf S. 29 der Berufungsbegründung), ist fernliegend.

Gemessen daran erfolgte das klägerische Bestreiten der jeweils materiell ordnungsgemäßen Beitragsanpassung im Streitfall, wie bereits auch in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle, die beim Senat seitens der klägerischen Prozessbevollmächtigten vertreten werden, anhängig waren und sind, offen erkennbar „ins Blaue hinein“ und ist damit prozessual unbeachtlich (vgl. hierzu bereits vgl. Senatsurt. v. 04.10.2023 – 11 U 62/23; v. 27.09.2023 – 11 U 65/23; Beschl. v. 24.05.2023 - 11 U 275/22; Urt. v. 21.06.2023 - 11 U 336/22; s.a. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.05.2023 - 1 U 218/22, Rn. 11 ff. juris; dass., Beschl. v. 22.05.2023 - 1 U 222/22, Rn. 9 ff., juris; s.a. LG München, Urt. v. 01.06.2023 – 12 O 1228/19). Bei dem Vorbringen des Klägers ist weder für das Gericht noch für die Beklagte der Umfang des Bestreitens überhaupt erkennbar. Die Klägerin hat hier weder erstinstanzlich noch in der gem. § 520 Abs. 3 ZPO maßgeblichen Berufungsbegründung Tatsachen vorgetragen, weshalb sie von der materiellen Unwirksamkeit in dem jeweiligen Tarif ausgeht; vielmehr beschränkte sie sich durchgehend auf das bloße (pauschale) Bestreiten der im Gesetz genannten Anpassungsvoraussetzungen. Auf der Grundlage des klägerischen Vortrags sind im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer materiellen Unwirksamkeit eines oder mehrerer Tarife, die Gegenstand dieses Rechtsstreits sind, ersichtlich. Die Klägerin hat weder erstinstanzlich noch im Berufungsverfahren irgendwelche „tatsachenbasierten“ Umstände dafür dargetan, weshalb die hier in Rede stehenden Prämienanpassungen materiell fehlerhaft sein könnten (in diese Richtung auch OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.09.2023 – 8 U 810/23, Rn. 21, juris; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.06.2023 – 1 U 70/23, juris Rn. 10; Franz/Püttgen, VersR 2022, 1, 25; LG Duisburg, Urt. v. 23.05.2023 – 6 O 281/22, juris Rn. 42; vgl. zu streckenweise wortgleichem Klägervortrag auch Senatsurt. v. 04.10.2023 – 11 U 62/23). Ein Verweis auf angeblich nicht eingehaltene Rechtsvorschriften stellt kein Sachvortrag dar, sondern ist erst Ergebnis der Bewertung des – hier fehlenden – Sachvortrages (vgl. Senatsurt. a.a.O.; sowie v. 27.09.2023 – 11 U 65/23). Demzufolge ist der gleichermaßen pauschale Vortrag ihrer Prozessbevollmächtigten, die nicht nur zu allen hier im Streit stehenden Beitragsanpassungen, sondern auch in zahlreichen Parallelverfahren, die eine Vielzahl von Tarifen verschiedenster Versicherer betreffen, nicht tatsachenbasiert, sondern rein spekulativ. Greifbare Anhaltpunkte oder auch nur Vortrag zur Plausibilität bleibt die Klägerin auch hier schuldig (vgl. auch LG Wuppertal, Urt. v. 04.07.2023 – 4 O 276/22, BeckRS 2023, 17390 Rn. 27). Allein das Bestehen von Anforderungen bietet jedoch keinen Anhalt für die Annahme, diese könnten nicht erfüllt sein (Senatsurt. v. 08.11.2023 - 11 U 9/22; 11 U 263/21; 11 U 125/18; 11 U 172/19; 11 U 282/21; v. 18.10.2023 - 11 U 110/23; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.03.2023, I-13 U 125/22, zit n. LG Duisburg, Urt. v. 23.05.2023 – 6 O 281/22, BeckRS 2023, 16631 Rn. 21).

Die Klägerin hat auch keinerlei konkrete Tatsachen vorgetragen, die einen gewissen Anhaltspunkt dafür liefern könnten, dass und aus welchem Grund die Beitragsanpassungen seitens der Beklagten in Bezug auf den Einsatz limitierender Maßnahmen nicht korrekt vorgenommen worden sein könnten (vgl. hierzu OLG Nürnberg, Beschl. v. 18.09.2023 – 8 U 810/23, Rn. 22, juris). Schließlich hat sie sich nicht einmal ansatzweise mit den Darlegungen der Beklagten aus der Klageerwiderung befasst. Sie legt zwar auch noch mit der Berufungsbegründung ausführlich abstrakt dar, welche Vorgaben bei der Verteilung der Limitierungsmittel zu beachten sind, versäumt dann indes auf den konkreten Einzelfall bezogen mitzuteilen, was sie davon nicht eingehalten sehen will (zu einer ähnlichen Konstellation Senatsurt. v. 08.11.2023 - 11 U 9/22; 11 U 263/21; 11 U 125/18; 11 U 172/19; 11 U 282/21; v. 18.10.2023 - 11 U 110/2327.09.2023 – 11 U 65/23; vgl. auch LG Wuppertal, Urt. v. 04.07.2023 – 4 O 276/22, BeckRS 2023, 17390 Rn. 23).

Mit dieser Subsumtion liegt der Senat im Übrigen auch auf der Argumentationslinie des Bundesgerichtshofs in vergleichbaren Fallkonstellationen. So hat der BGH in einer Entscheidung zu Prämienanpassungen (BGH, Urt. v. 09.02.2022, IV ZR 337/20, Rn. 21) in einem gleichgelagerten Fall ausgeführt, dass der Kläger in diesem Verfahren im Wesentlichen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Beitragsanpassungen, einer Abweichung der Rechnungsgrundlagen über den Schwellenwert und die Richtigkeit der Beitragskalkulation ins Blaue hinein bestritten haben könnte. Der Bundesgerichtshof hat insoweit – auch wenn er diese Frage letztendlich im genannten Bezugsfall offenlassen konnte, ausdrücklich ein Bestreiten „ins Blaue hinein“ in Erwägung gezogen. Für ein unzulässiges Bestreiten in Beitragsanpassungsprozessen sprechen im Streitfall erhebliche (weitere) Gesichtspunkte, zumal eine Erhöhung der Prämien nur mit Zustimmung des aufsichtsrechtlich überwachten Treuhänders, der in der Argumentationslinie des BGH die Interessen der Gesamtheit der Versicherten wahrnimmt, demgemäß auch nicht im Lager des Versicherers steht, möglich ist (vgl. zu einer gleich gelagerten Argumentation bereits Senatsurt. v. 04.10.2023 – 11 U 62/23; v. 27.09.2023 – 11 U 65/23). Dieser ist als Kontrollinstanz an die Stelle der Finanzaufsicht getreten. Alle Argumente, die der BGH gegen die Nichtüberprüfbarkeit der Unabhängigkeit des Treuhänders angeführt hat (vgl. hierzu grundlegend BGH, Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17, NJW 2019, 919 Rn. 48, 53, 55, 71), lassen sich – entgegen der klägerseits vertretenen Rechtsauffassung auch gegen die gerichtliche Prüfbarkeit aufgrund eines ausschließlich pauschalen Vortrags übertragen:

Wenn die Zivilgerichte im Bereicherungsprozess eine anhaltslose und umfassende materielle Prüfung von Voraussetzungen und Umfang der vorgenommenen Prämienerhöhung „ins Blaue hinein“ vorzunehmen hätten, wäre dadurch offensichtlich die Stabilität der Prämien gefährdet (vgl. hierzu BGH, a.a.O., Rn. 48 so auch Senat, Urt. v. 04.10.2023 – 11 U 62/23; v. 27.09.2023 – 11 U 65/23). Auch würde diese serienmäßige Prüfung die Gefahr mit sich bringen, dass eine Überprüfung ihrer Richtigkeit die Einhaltung des Äquivalenzprinzips und die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen unterliefe (Arg. BGH, a.a.O., Rn. 49). Eine vorübergehende Äquivalenzstörung muss im Interesse der Beitragsstabilität vermieden werden (BGH, a.a.O., Rn. 49). Zudem darf der Zweck der Einschaltung des Prämientreuhänders bei dieser Aufgabe keine Überprüfungsmöglichkeit der materiellen Rechtmäßigkeit durch den einzelnen Versicherungsnehmer im Rechtsstreit über eine Prämienanpassung erfordern (BGH, a.a.O., Rn. 50), denn der Treuhänder übernimmt an dieser Stelle gerade die staatlichen Aufgaben. Die Einführung des Bedingungstreuhänders verfolgte überdies den Zweck, anstelle des bisherigen aufsichtsrechtlichen Instrumentariums der Bedingungsgenehmigung ein neues vertragsrechtliches Instrumentarium zu entwickeln. Dieses Instrumentarium sollte ein Ersatz für die bisherige aufsichtsrechtliche Qualitätskontrolle darstellen. Das bedeutet, dass die Wirksamkeit der Bedingungsänderung an die Prüfung und Zustimmung des Treuhänders geknüpft sein sollte (vgl. hierzu eingehend Senat, a.a.O.; Langheid/Wandt/Boetius, MüKO-VVG; 2. Aufl. 2017, § 203 Rn. 597 m.w.N.). Aus der engen Verzahnung zwischen Vertrags- und Aufsichtsrecht, wie sie in § 203 Abs. 2 S. 4 VVG zum Ausdruck kommt, folgt zudem, dass der Zweck des Anpassungsrechts nach § 155 VAG, namentlich die dauerhafte Erfüllbarkeit der vertraglichen Verpflichtungen des Versicherers sicherzustellen und damit die Belange der Versicherten zu wahren sind und nicht durch eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung konterkariert werden dürfen (Langheid/Rixecker/Muschner, VVG., 7. Aufl. 2022, § 203 Rn. 37). Zwar ist der Treuhänder kein Organ der Versicherungsaufsicht (Langheid/Wandt/Boetius, a.a.O., § 203 Rn. 603). Allerdings verpflichtet § 155 Abs. 3 Satz 5 VAG den Treuhänder, die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu unterrichten, wenn er zu einer notwendigen Prämienanpassung mit dem Versicherungsunternehmen keine übereinstimmende Beurteilung erzielen kann (Langheid/Wandt/Boetius, a.a.O., § 203 Rn. 606). Zudem betont der BGH die unternehmerische Entscheidung, die der Prämienerhöhung zugrunde liegt (BGH, a.a.O., Rn. 52). Zudem ist dem BGH auch darin zuzustimmen, dass die Grenzen der dem Versicherer zustehenden Beurteilungsspielräume grundsätzlich im Rahmen der materiellen Überprüfung der Berechtigung des Versicherers zur Prämienanpassung gewährleistet werden müssen (BGH, a.a.O., Rn. 53). Dies setzt jedoch greifbare Anhaltspunkte für dahingehende Fehler voraus. Dass dies in tausenden, bei den Instanzgerichten anhängigen und annähernd gleichgelagerten Individualfällen „ins Blaue hinein“ - mit dem Risiko gravierender inhaltlicher Divergenzen bei jedem einzelnen Tarif - geprüft werden muss, wird weder von den Vorschriften des VVG noch den Normen des VAG und somit überlagernd die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze gefordert. Dass der Bundesgerichtshof die vorgenannten Bedenken in der Grundsatzentscheidung vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19) revidiert haben könnte, ist fernliegend.

Im Gegenteil, die Richtigkeit der hier vertretenen Rechtsauffassung wird vielmehr durch die jüngste Praxis des Bundesgerichtshofs bestätigt, denn der BGH geht selber nicht davon aus, dass es für den Einstieg in eine materielle Überprüfung der Wirksamkeit der jeweiligen Tarife ausreicht, dass der Kläger die materielle Rechtmäßigkeit lediglich behauptet, denn sonst hätte der BGH etwa in seiner Entscheidung vom 19.07.2023 (IV ZR 123/22, juris) die materielle Rechtmäßigkeit der in Rede stehenden Beitragsanpassungen ohne eine weitere Sachprüfung nicht bejahen können und dürfen. Dass der für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat beim Bundesgerichtshof daher ohne jegliche Begründung von den allgemein anerkannten Grundsätzen aller anderen Senate beim Bundesgerichtshof abweichen wollte, die er im Übrigen in anderen Zusammenhängen nicht infrage stellt, liegt fern (vgl. bereits Senatsurt. v. 08.11.2023 - 11 U 9/22; 11 U 263/21; 11 U 125/18; 11 U 172/19; 11 U 282/21; v. 18.10.2023 - 11 U 110/23; 27.09.2023 – 11 U 65/23; überzeugend auch LG Wuppertal, Urt. v. 04.07.2023 – 4 O 276/22, BeckRS 2023, 17390 Rn. 25). Denn ohne Vorliegen jeglicher, objektiver Anhaltspunkte, die den Verdacht einer materiell fehlerhaften Beitragsanpassung rechtfertigen, liefe es auf eine ausforschende Prozessführung hinaus, die der ZPO jedoch wesensfremd ist (vgl. Gesetzesbegründung zur ZPO-Reform zum 01.01.2002: BT-Drs. 14/6036, S. 120, 2. Sp.). Das Gericht wäre in jedem Einzelfall – da sich die Berechnungsgrundlagen regelmäßig nur mit Hilfe eines Sachverständigen bis ins Einzelne gehend überprüfen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 16.06.2004 – IV ZR 117/02, Rn. 16, juris) - schon bei der Erheblichkeitsprüfung des Parteivortrags angehalten, sich im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Unterstützung eines Sachverständigen zu bedienen (für derartige Verfahrenskonstellationen s.a. BT-Drs. 19/13828, S. 18), was ersichtlich weder im Sinne des Gesetzgebers war noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung entnommen werden kann (vgl. bereits Senatsurt. v. 08.11.2023 - 11 U 263/21; 11 U 125/18; 11 U 172/19; 11 U 282/21).

Die Nebenforderungen wie Zinsen und Nutzungen folgen dem Schicksal der erfolglosen Hauptforderungen.

Es wird anheimgestellt, die Berufung im Kosteninteresse zurückzunehmen. Durch die Rücknahme werden zwei Gerichtsgebühren erspart.