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Entscheidung 3 W 113/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 3. Zivilsenat Entscheidungsdatum 13.05.2024
Aktenzeichen 3 W 113/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0513.3W113.23.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 22.06.2023 - 34 VI 263/22 - aufgehoben.

2. Der Antrag der Beteiligten zu 2, den Beteiligten zu 1 aus dem Amt des Testamentsvollstreckers zu entlassen, wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

4. Der Beschwerdewert beträgt 29.500 €.

Gründe

I.

Die vorverstorbene Ehefrau und der mit ihr in zweiter Ehe verheiratete Erblasser errichteten am 13.07.2020 ein notarielles Testament, mit dem sie sich gegenseitig zu ihren Alleinerben einsetzten. Die Beteiligten zu 1 bis 5 sind die Kinder der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers aus erster Ehe. Der Erblasser hatte keine Abkömmlinge.

Zu Schlusserben setzten die testierenden Ehegatten die Beteiligten zu 1 bis 4 ein; der Beteiligte zu 5 wurde im Hinblick auf eine früher erfolgte Grundstücksschenkung nicht bedacht. Sie setzten außerdem folgende Vermächtnisse aus (Ziffer III. 1. des notariellen Testaments vom 13.07.2020):

„a) Unser Sohn (Beteiligter zu 1) erhält als Vorabvermächtnis alle unsere Bücher sowie alle Haushaltsgegenstände, die er möchte.

b) Unser Schwiegersohn (Beteiligter zu 6) erhält als Vorabvermächtnis alle unsere Bierkrüge.

c) Unser Sohn (Beteiligter zu 1) und unsere Tochter (Beteiligte zu 2) erhalten als Vorabvermächtnis je 30.000,00 Euro.

(Beteiligter zu 1) und (Beteiligte zu 2), auch deren Mann (Beteiligter zu 6), haben sich in den letzten 15 Jahren vorbildlich um uns gekümmert, waren immer für uns da und haben uns viel geholfen. Sie werden das auch weiter tun. Ihnen für ihre Hilfe einen Bonus zu zahlen, halten wir für mehr als gerecht.“

In Ziffer VI. des notariellen Testaments ordneten die testierenden Ehegatten Testamentsvollstreckung an und bestimmten den Beschwerdeführer sowie den Beteiligten zu 6 zu gemeinsam vertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Testamentsvollstreckern. Die Testamentsvollstrecker sollen grundsätzlich eine Abwicklungsvollstreckung unter Verkauf der Immobilie vornehmen. Außerdem sollen die Testamentsvollstrecker ein Nachlassverzeichnis erstellen, wobei alle Gegenstände mit einem Wert von weniger als 1.000 € nicht aufzulisten sind. Wegen der weiteren Einzelheiten des notariellen Testaments vom 13.07.2020 wird auf dessen Ablichtung Bezug genommen (Bl. 32 der beigezogenen Akte des Amtsgerichts Neuruppin - 32 IV 211/21). Das Testament wurde nach dem Tod des länger lebenden Erblasser am 07.08.2022 eröffnet (Eröffnungsniederschrift vom 07.08.2022, Bl. 76 der Akte 32 IV 211/21 des Amtsgerichts Neuruppin).

Der Beteiligte zu 6 nahm das Amt des Testamentsvollstreckers mit Schreiben vom 08.09.2022, eingegangen beim Amtsgericht am 12.09.2022, an und der Beschwerdeführer mit Erklärung zu Protokoll des Amtsgerichts Neuruppin am 17.10.2022.

Unter dem 23.01.2023 hat die Beteiligte zu 2 beantragt, den Beschwerdeführer aus seinem Amt als Testamentsvollstrecker zu entlassen. Die Beteiligten zu 3 bis 5 haben sich dem entgegengestellt und dem Beschwerdeführer ihr uneingeschränktes Vertrauen ausgesprochen.

Mit Beschluss vom 22.06.2023 hat das Amtsgericht Neuruppin den Beschwerdeführer aus seinem Amt als Testamentsvollstrecker entlassen (Bl. 51 ff.). Zur Begründung hat es ausgeführt, es liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 2227 BGB für die Entlassung vor. Denn der Beteiligte zu 1 habe vor der Annahme seines Amtes am 17.10.2022 bereits Handlungen in Bezug auf den Nachlass vorgenommen, die mangels Genehmigung nicht wirksam geworden seien. Auch habe er entgegen der testamentarischen Anordnung und ohne Zustimmung des weiteren Testamentsvollstreckers - des Beteiligten zu 6 - das ihm zugewandte Vermächtnis durch Herausnahme von Haushaltsgegenständen selbst erfüllen wollen. Obwohl die Beteiligten zu 3 bis 5 diesen Handlungen nicht entgegengetreten seien, reiche es für die Entlassung des Beteiligten zu 1 aus, dass die Antragstellerin aufgrund der von ihm begangenen Pflichtverletzungen Bedenken gegen seine Befähigung als Testamentsvollstrecker habe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1. Er macht geltend, am 17.07.2022 habe es eine erste Absprache zwischen ihm und dem Beteiligten zu 6 gegeben, derzufolge sie u. a. beide das Amt des Testamentsvollstreckers gemeinsam ausüben wollten, ohne dass die Notwendigkeit der Annahmeerklärung gegenüber dem Nachlassgericht erwähnt worden sei. Es seien einvernehmlich Gegenstände aus dem Haushalt des Erblassers an den Beteiligten zu 6 ausgehändigt und leicht verderbliche Lebensmittel entsorgt worden. Bei einer weiteren Besprechung am 23.07.2022 betreffend die Beerdigung sei man übereingekommen, dass der Beteiligte zu 6 einen Termin bei der …bank vereinbaren solle. In dem Termin bei der …bank am 04.08.2022 hätten sich er und der Beteiligte zu 6 gegenüber dem Mitarbeiter als Testamentsvollstrecker vorgestellt. Ihm - dem Beschwerdeführer - sei von dem Mitarbeiter der Bank eine postmortale Kontovollmacht ausgehändigt worden. Er habe daraufhin mit Zustimmung des Beteiligten zu 6 die Auflösung des Depotkontos veranlasst. Die Bezahlung der anstehenden Rechnungen sei ebenfalls einvernehmlich erfolgt. Am 03.09.2022 habe er das Nachlassgrundstück nicht eigenmächtig beräumt.

Der Beteiligte zu 6 gesteht zu, dass am 17.07.2022 gemeinsam leicht verderbliche Lebensmittel im Erblasserhaushalt entsorgt worden seien. Auch sei ihm ein Dyson-Akku-Staubsauger übergeben worden. Dieser habe allerdings nicht zum Nachlass gehört, sondern sei sein Eigentum, wie sich aus der Kaufquittung vom 18.08.2017 ersehen lasse. Er habe dem Erblasser diesen Staubsauger nur zur Benutzung überlassen. In dem am 04.08.2022 gemeinsam mit dem Beschwerdeführer wahrgenommen Termin bei der …bank habe der Bankmitarbeiter angeregt, das Depotkonto aufzulösen. Dies sei aber bis heute nicht erfolgt, da die Bank auf eine Legitimation dringe. Da ihm noch kein Testamentsvollstreckerzeugnis ausgehändigt worden sei, könne er dem nicht nachkommen. Die Begleichung der Rechnungen sei nicht einvernehmlich erfolgt. Den Beschwerdeführer habe er zuletzt persönlich anlässlich der Beisetzung des Erblassers am 27.08.2023 gesehen. Dieser habe sich mit der Ankündigung zweier Urlaubsreisen verabschiedet, so dass es erst in vier Wochen in (Ort) weitergehen könne. Am 03.09.2023 sei er von Dritten informiert worden, dass das Nachlassgrundstück ausgeräumt werde. Der Beschwerdeführer sei telefonisch nicht erreichbar gewesen. Er habe erst über das Diensttelefon eines telefonisch herbeigerufenen Polizeibeamten mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufnehmen und der Räumung widersprechen können. Die Beschwerdegegnerin habe am 21.09.2022 Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit Beschluss vom 27.11.2023 zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, inwieweit einzelne Zahlungen bzw. rechtsgeschäftliche Handlungen seitens des Beschwerdeführers im Einvernehmen mit dem Beteiligten zu 6 erfolgt seien. Jedenfalls stelle die Entnahme von Geld für eine Rechtsberatung in eigener Sache, auch wenn sie die Testamentsvollstreckung betroffen habe, einen schwerwiegenden Verstoß im Rahmen der gemeinschaftlichen Vertretung durch zwei ernannte Testamentsvollstrecker dar. Der Beschwerdeführer könne sich in diesem Zusammenhang nicht erfolgreich auf die vom Erblasser erteilte Vollmacht berufen.

II.

Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde hat Erfolg. Die Voraussetzungen für die Entlassung des Beschwerdeführers aus seinem Amt als Testamentsvollstrecker sind nicht gegeben.

Nach § 2227 BGB kann das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Beteiligten entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt; ein solcher Grund ist insbesondere grobe Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung. Neben den im Gesetz genannten Beispielfällen kann ein wichtiger Grund ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Testamentsvollstreckers auch dann vorliegen, wenn dieser durch sein persönliches Verhalten begründeten Anlass zu der Annahme gibt, dass ein längeres Verbleiben im Amt der Ausübung des letzten Willens des Erblassers hinderlich sei oder dass sich dadurch eine Schädigung oder eine erhebliche Gefährdung der Interessen der Erben ergeben könnte. Auch ein nicht nur auf subjektiven Gefühlsmomenten, sondern auf Tatsachen beruhendes Misstrauen eines Beteiligten, zu dem der Testamentsvollstrecker Anlass gegeben hat, kann zur Entlassung des Testamentsvollstreckers führen. Schließlich kann auch ein erheblicher Interessengegensatz zwischen dem Testamentsvollstrecker, der zugleich Miterbe ist, einerseits und den anderen Miterben andererseits ein wichtiger Grund zur Entlassung sein. Andererseits setzt das Amt des Testamentsvollstreckers kein Vertrauensverhältnis zu den (Mit-)Erben voraus. Der Testamentsvollstrecker muss unabhängig von diesen den Willen des Erblassers ausführen, wenngleich er sich im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nicht grundlos über die Interessen und Vorstellungen der Erben hinwegsetzen darf. Daher ist an eine Entlassung des Testamentsvollstreckers wegen berechtigten Misstrauens ein strenger Maßstab anzulegen; die Beteiligten dürfen nicht in die Lage versetzt werden, einen ihnen möglicherweise lästigen Testamentsvollstrecker durch eigenes feindseliges Verhalten oder aus für sich genommenen unbedeutendem Anlass aus dem Amt zu drängen (OLG München, ErbR 2020, 265 m. w. N.; BayObLG, NJW-RR 2004, 366; OLG Hamm, ZEV 2001, 278; Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl., § 2227 Rn. 10, 11).

1.

Auf eine grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit des Beschwerdeführers zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung kann im vorliegenden Fall die Entlassung nicht gestützt werden. Denn der Beschwerdeführer hat sein Amt erst am 17.10.2022 zu Protokoll des Amtsgerichts angenommen, die von der Antragstellerin für die von ihr begehrte Entlassung herangezogenen Handlungen des Beschwerdeführers erfolgten aber vorher (nämlich am 03.09, 05.09. und 05.10.2022) und können daher nicht als Verletzung der sich aus dem Testamentsvollstreckeramt ergebenden Pflichten angesehen werden (so auch BayObLG, NJW-RR 1996, 714).

2.

Soweit ein wichtiger Grund aus einem auf Tatsachen begründeten Misstrauen der (Mit-)Erben in die unparteiliche Amtsführung des Testamentsvollstreckers hergeleitet wird, können die ein solches Misstrauen begründenden Umstände auch auf einem Verhalten beruhen, das der Testamentsvollstrecker vor Antritt seines Amtes gezeigt hat (BayObLG, a. a. O.; BeckOGK/Tolksdorf, BGB, Stand: 01.04.2023, § 2227 Rn. 5). Der Beschwerdeführer hat hier aber vor Amtsantritt keinen Anlass für ein objektiv berechtigtes Misstrauen in seine Amtsführung gegeben.

a)

Der Beschwerdeführer hat zwar bereits am 03.09.2022 Haushaltsgegenstände aus dem Erblasserhaushalt entnommen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch nicht Testamentsvollstrecker war und als solcher auch nur gemeinsam mit dem weiteren Testamentsvollstrecker - dem Beteiligten zu 6 - handeln darf. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass er aufgrund eines Vorabvermächtnisses ohnehin sämtliche Bücher und Haushaltsgegenstände nach Belieben (mit Ausnahme der Bierkrüge) erhalten sollte. Formaljuristisch wäre hierfür im Zuge der Abwicklungsvollstreckung zwar eine Übereignung durch beide, gemäß § 2205 S. 2 BGB verfügungsberechtigte Testamentsvollstrecker gemeinsam erforderlich gewesen (vgl. Grüneberg/Weidlich, BGB, 83. Aufl., § 2203 Rn. 3); am 03.09.2022 war aber noch keiner der beiden Testamentsvollstrecker im Amt. Allerdings hatten sich der Beschwerdeführer und der Beteiligte zu 6 schon am 17.07.2022 gemeinsam in die Wohnung des Erblassers begeben. Im Zuge dessen hat der Beteiligte zu 6 im Einverständnis des Beschwerdeführers jedenfalls zumindest einen Staubsauger aus dem Erblasserhaushalt als sein Eigentum an sich genommen (ob er bzw. die Beteiligte zu 2 noch weitere Gegenstände mit Zustimmung des Beschwerdeführers mitnahmen, ist streitig). Auch waren sich die beiden Testamentsvollstrecker einig, dieses Amt gemeinsam ausüben zu wollen und haben sich auch so geriert, indem sie etwa bei einem Termin der …bank am 04.08.2022 gemeinsam auftraten. Denn es gab keinen anderen Grund für den Beteiligten zu 6, der selbst nicht Miterbe ist, zusammen mit dem Beschwerdeführer die Bankangelegenheiten zu regeln.

Vor diesem Hintergrund hat der Beschwerdeführer keinen Anlass zu Misstrauen gegeben, als er in laienhafter Annahme seiner Berechtigung und des (mutmaßlichen) Einverständnisses des Beteiligten zu 6 am 03.09.2022 Haushaltsgegenstände an sich genommen hat. Weder ist ersichtlich, dass er dadurch die Verwirklichung des letzten Willens des Erblassers hinderte, noch ergibt sich daraus eine Schädigung oder eine erhebliche Gefährdung der Interessen der anderen Miterben. Allenfalls hätten die Miterben ein Interesse an einem vorläufigen Belassen der Haushaltsgegenstände im Hinblick auf die notwendige Erstellung des Nachlassverzeichnisses haben können. Unter den Beteiligten besteht aber Einigkeit, dass der Erblasserhaushalt keinen Gegenstand mit einem Wert von mehr als 1.000 € aufweist, so dass diese nicht in das zu erstellende Nachlassverzeichnis aufzunehmen waren. Sämtlichen Beteiligten, insbesondere aber auch den Beteiligten zu 2 und 6 ist der Bestand des Haushaltes des Erblassers ohnehin bekannt.

Die von dem Beteiligtem zu 6 angeführte Äußerung des Beschwerdeführers am 27.08.2022, es werde im Hinblick auf anstehende Urlaubsreisen erst in vier Wochen in (Ort) weitergehen, ist deshalb auch nicht zwingend als Täuschung über die Absicht zu verstehen, sich heimlich die Haushaltsgegenstände aneignen zu wollen. Dafür gab es ersichtlich keinen Grund, hätte sich der Beteiligte zu 6 dem ohnehin nicht entgegenstellen können. Vielmehr ergibt die Äußerung in Bezug auf die übrigen, von den Testamentsvollstreckern in spe zu bewältigenden Aufgaben (insbesondere den Immobilienverkauf) Sinn.

b)

Auch soweit der Beschwerdeführer Überweisungen vom Erblasserkonto tätigte, nämlich am 05.09.2022 einen Betrag von 355 €, am 05.10.2022 einen Betrag von 226,10 € und am 06.10 2022 einen Betrag von 305 €, sind diese nicht geeignet, ein derartiges Misstrauen in ihn zu begründen, dass seine Entlassung als Testamentsvollstrecker geboten ist.

Der Beschwerdeführer hatte eine postmortale Vollmacht des Erblassers, die ihm am 04.08.2022 von dem Mitarbeiter der …bank im Beisein des Beteiligten zu 6 ausgehändigt wurde. Mittels der Vollmacht hat er - wie er in Übereinstimmung mit den Beteiligten zu 3 und 4 vorträgt - Nachlassverbindlichkeiten erfüllt. Letztlich stellt dies auch der Beteiligte zu 6 nicht in Abrede, der angibt, mit der Bezahlung der anstehenden Rechnungen nicht einverstanden gewesen zu sein (ohne zu sagen, wie dann mit den Nachlassverbindlichkeiten hätte umgegangen werden sollen). Vor Annahme des Testamentsvollstreckeramtes durch den Beteiligten zu 6 war dessen Einverständnis im Hinblick auf die Bevollmächtigung des Beschwerdeführers jedenfalls auch nicht nötig.

Es kann auch davon ausgegangen werden, dass die Vollmacht bei Ausführung der Überweisungen noch wirksam war. Die Bank hat jedenfalls die Verfügungen des Beschwerdeführers ausgeführt und erst nach (offenbar später) telefonisch erklärtem Widerruf die Vollmacht nicht mehr als gültig erachtet.

Ob der seitens der Antragstellerin mit Schreiben vom 08.09.2022 erklärte Widerruf wirksam ist, ist zudem zweifelhaft. Zwar kann ein Miterbe eine postmortale Vollmacht mit Wirkung nur für sich selbst widerrufen; das Widerrufsrecht steht aber statt den Erben dem Testamentsvollstrecker im Hinblick auf den seiner Verwaltung unterliegenden Nachlass zu (Staudinger/Schilken, BGB, Stand: 21.11.2022, § 168 Rn. 34). Als die Antragstellerin erstmals den Widerruf der Vollmacht mit Schreiben vom 08.09.2022 erklärte, hat der Beteiligte zu 6 mit Schreiben vom selben Tag gegenüber dem Nachlassgericht das Amt des Testamentsvollstreckers angenommen.

Ungeachtet der im Außenverhältnis wirksamen Vollmacht ist ein vorsätzlicher Missbrauch im Innenverhältnis nicht ersichtlich. Fest steht lediglich (in Ermangelung anderer Nachweise), dass die Überweisung vom 05.10.2022 in Höhe von 226,10 € auf ein eigenes Konto des Beschwerdeführers erfolgte. Diesen Betrag hat der Beschwerdeführer für eine Rechtsberatung in Anspruch genommen, nachdem die Beteiligte zu 2 am 03.08.2022 die Polizei herbeigerufen hatte. Dazu war er allerdings nicht gemäß §§ 2205, 2218 BGB i. V. m. § 670 BGB berechtigt.

Zwar hat der Testamentsvollstrecker nach § 2218 BGB i. V. m. § 670 BGB einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen, die er zum Zweck der ihm übertragenen Aufgaben tätigte und die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. So kann ein Testamentsvollstrecker, der nicht Rechtsanwalt ist, Ersatz der Kosten verlangen, die ihm durch die Zuziehung eines Rechtsanwaltes entstehen, wenn die Zuziehung nach den Umständen gerechtfertigt ist (Staudinger/Dutta, 2021, BGB, § 2218 Rn. 334). Da der Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 271 BGB sofort fällig ist und zu den Nachlassverbindlichkeiten zählt, ist der Testamentsvollstrecker insoweit auch gemäß § 2205 BGB zur Selbstentnahme aus dem Nachlass berechtigt (Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Aufl., § 2218 Rn. 29, 30). Der Beschwerdeführer war hier aber mangels Amtsannahme am 05.10.2022 noch nicht Testamentsvollstrecker.

Ob er als Inhaber der postmortalen Vollmacht zur Selbstentnahme berechtigt war, kann dahinstehen. Denn selbst wenn dies zu verneinen wäre, kann die Überweisung des im Verhältnis zum Gesamtwert des Nachlasses (295.000 €) geringfügige Summe (226,10 €), nicht als wichtiger Grund angesehen werden, der die Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Testamentsvollstreckeramt rechtfertigen könnte. Denn es ist nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer sich in laienhafter Bewertung berechtigt glaubte, die Haushaltsgegenstände an sich nehmen, und anlässlich der eskalativen Hinzuziehung der Polizei durch die Beteiligte zu 2 als Testamentsvollstrecker in spe bzw. vermeintlicher Testamentsvollstrecker eine Rechtsberatung in Anspruch nehmen zu dürfen, die er im Wege der Selbstentnahme glaubte, aus dem Nachlass sich erstatten zu können. Dies räumt zwar nicht notwendig das für § 2227 BGB regelmäßig erforderliche Verschulden aus, da die subjektive Annahme des Beschwerdeführers als unbeachtlicher Rechtsirrtum einzustufen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 17.05.2017 - IV ZB 25/16, ZEV 2017, 412, Rn. 226). Eine vorsätzliche Schädigungs- oder Benachteiligungsabsicht in Bezug auf die übrigen Miterben ist darin aber auch nicht zu sehen.

c)

Letztlich erscheinen die Hinzuziehung der Polizei durch die Antragstellerin am 03.08.2022 aus für sich genommen unbedeutendem Anlass sowie ihr Entlassungsantrag als völlig unverhältnismäßig in Bezug auf die hier in Rede stehenden Vorgänge.

3.

Selbst wenn man dem aber nicht folgt und - wie das Amtsgericht - in der Entnahme der 226,10 € für eine Rechtsberatung im Zusammenhang mit der Testamentsvollstreckung einen wichtigen Grund i. S. d. § 2227 BGB annähme, führt dies nicht zur Entlassung des Beschwerdeführers.

Denn eine Entlassung des Testamensvollstreckers ist auch bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht zwingend. Vielmehr ist stets zu prüfen, ob überwiegende Gründe für sein Verbleiben im Amt sprechen (BGH, a. a. O., Rn. 25). Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung ist eine Abwägung zwischen Entlassungs- und Fortführungsinteresse vorzunehmen. Dabei ist zum Einen zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Testamentsvollstrecker um die nach dem Willen des Erblassers amtierende Vertrauensperson handelt und deshalb Beachtung verdient, ob bestimmte Umstände den Erblasser, wenn er noch lebte, mutmaßlich zum Widerruf der Ernennung des von ihm ausgewählten Testamentsvollstreckers veranlasst hätten. Auf der anderen Seite bietet § 2227 BGB angesichts der beschränkten Funktionen des Nachlassgerichts bei einer Testamentsvollstreckung die einzige effektive Möglichkeit, das Testamentsvollstreckerverfahren zu beeinflussen und hierbei nötigenfalls die Nachlassbeteiligten durch staatliche Gerichte zu schützen, wobei hierfür eine ernstliche Gefährdung der Interessen der Erben erforderlich ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2017 - I-3 Wx 20/16, BeckRS 2017, 103227, Rn. 15; Beschluss vom 07.10.2021 - I-3 Wx 59/21, Rn. 40, juris).

Die Abwägung führt hier dazu, dass der Beschwerdeführer im Amt zu verbleiben hat.

a)

Das Interesse der Antragstellerin an der Entlassung des Testamentsvollstreckers ist für sich genommen bei der vorzunehmenden Abwägung von untergeordneter Bedeutung, soweit dies nicht im Verhältnis zu dem von dem Erblasser mit der Anordnung der Testamentsvollstreckung verfolgten Zweck abgeglichen wird. Gewichtiger erscheint die Berücksichtigung der Interessen der Erben oder sonstigen Beteiligten, die trotz wichtigen Grundes und Antragstellung durch einen anderen Beteiligten an der Testamentsvollstreckung und der aktuell im Amt befindlichen Person festhalten wollen, da dies häufig mit der von dem Erblasser mit der Anordnung der Testamentsvollstreckung verfolgten Intention korrespondieren wird (BeckOGK/Tolksdorf, a. a. O., § 2227 Rn. 41 m. w. N.).

Dies ist hier der Fall. Der Erblasser hat den Beschwerdeführer und den Beteiligten zu 6 als seine Vertrauenspersonen angesehen, indem er sie zu Testamentsvollstreckern bestimmte. Dem Beschwerdeführer hat er aber noch besonderes Vertrauen bezeugt, indem er ihm eine postmortale Vollmacht erteilt hat. Die in der Gesamtbetrachtung unerheblichen Vorfälle, auf die die Antragstellerin ihren Entlassungsantrag stützt, begründen nicht die Annahme, dass dies das Vertrauen des Erblassers erschüttert und er die Vollmacht und Bestimmung des Beschwerdeführers zum Testamentsvollstrecker widerrufen hätte. Hinzu kommt, dass sämtliche Geschwister des Beschwerdeführers (die Beteiligten zu 3 bis 5) - mit Ausnahme der Antragstellerin - diesem ohne erkennbares Eigeninteresse ihr volles Vertrauen ausgesprochen haben und eine Fortführung seiner Tätigkeit als Testamentsvollstrecker wünschen.

b)

Es entspricht auch dem Erblasserwillen, dass beide Testamentsvollstrecker gemeinsam die Abwicklungsvollstreckung gemäß Testament vornehmen.

In der Auseinandersetzung um den vorliegenden Entlassungsantrag ist sichtbar geworden, dass sich die Miterbengemeinschaft in zwei Lager geteilt hat. So würden die Beteiligten zu 3 und 4 es vorziehen, dass nur der Beschwerdeführer als Testamentsvollstrecker agiert und der Beteiligte zu 6 aus seinem Amt entlassen wird. Auf der anderen Seite unterstellt die Antragstellerin dem Beschwerdeführer, er habe die Beteiligten zu 3 und 4 dazu bewogen, gemeinsam mit ihm gegen den weiteren Testamentsvollstrecker - den Beteiligten zu 6 - zu votieren, um ein vermeintlich zur Abwahl des weiteren Testamentsvollstreckers berechtigendes Stimmenverhältnis von 3 : 1 innerhalb der Erbengemeinschaft herbeizuführen; dieses Verhalten belege, dass es ihm nicht darauf ankomme, den Erblasserwillen umzusetzen, sondern seine und die der ihm gewogenen Miterben eigenen Sonderinteressen durchzusetzen. Es ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Tatsachen die Antragstellerin hier die Verfolgung von Sonderinteressen seitens der übrigen Miterben zu erkennen meint. Die Beteiligten zu 3 und 4 haben demgegenüber erklärt, aufgrund eigener Urteilsfähigkeit ihre Stellungnahmen abgegeben zu haben.

Trotz der feindseligen Haltung der Antragstellerin ihm gegenüber, die in der Strafanzeige und ihren vorgenannten Äußerungen zum Ausdruck kommt, hat der Beschwerdeführer seinerseits davon abgesehen, einen solchen Ton angeschlagen. Vielmehr hat er die jetzige Auseinandersetzung als nicht zielführend bezeichnet und an die übrigen Beteiligten appelliert, dass man ungeachtet der jetzigen Situation zusammenarbeiten müsse; zu einer außergerichtlichen Einigung sei er jederzeit bereit.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Wille des Erblassers besser umsetzbar, wenn - wie von ihm bestimmt - beide Testamentsvollstrecker gemeinsam die Abwicklungsvollstreckung vornehmen, weil nur so gewährleistet ist, dass beide „Lager“ sich gut vertreten fühlen. Der Beschwerdeführer hat sich durch seine mäßigende Art auch als geeignet hierfür gezeigt. Es liegt nun an dem Beteiligten zu 6 seinerseits guten Willen zu zeigen.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81 Abs. 1 S, 1 FamFG.

Der festgesetzte Beschwerdewert beträgt 10% des Nachlasswertes entsprechend § 65 GNotKG.

Anlass, die Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 GNotKG zuzulassen, besteht nicht.