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Entscheidung 5 O 127/13


Metadaten

Gericht LG Neuruppin 5. Zivilkammer Entscheidungsdatum 12.06.2014
Aktenzeichen 5 O 127/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Der Antrag der Klagepartei auf Durchführung eines Verfahrens nach dem Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (KapMuG) wird als unzulässig verworfen

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klagepartei zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an einem Immobilienfonds geltend.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, das auf Provisionsbasis Kapitalanlagen vertreibt. Unter ihrem vormaligen Firmenkürzel „(…)“ bot die Beklagte interessierten Anlegern - wie der Klagepartei - unter anderem Beteiligungen an sogenannten Dreiländerfonds an, deren Besonderheit darin bestand, dass die gezahlten Anlagen zwecks Risikominimierung in drei verschiedenen Ländern (…), investiert wurden. Insgesamt wurden 13 Dreiländerfonds aufgelegt, welche sich in der Art der Anlage ähneln. Dabei handelt es sich um geschlossene Fonds. Die Beteiligungen wurden jeweils dadurch vollzogen, dass die Anleger mit einem Beteiligungsangebot eine Treuhänderin beauftragten, um die Beteiligung an dem jeweiligen Fonds zu bewirken. Die Beteiligungen wurden von Mitarbeitern der Beklagten mit Hilfe von Prospekten vertrieben. In diesen Prospekten sind die jeweiligen Investitionen beschrieben. Zudem werden dort diverse Chancen und Risiken aufgezählt.

Die Prozessbevollmächtigten der Klagepartei haben sinngemäß eine Massenklage initiiert. Sie haben sich dazu mit sämtlichen etwa 34.000 (…) Anlegern in Verbindung gesetzt und ihre Dienste angeboten. Insgesamt sind aufgrund dieser Aktion in der Bundesrepublik Deutschland mindestens 1.750 nahezu identische Klagen gegen die Beklagte rechtshängig, bei denen die jeweilige Klagepartei von denselben Prozessbevollmächtigten vertreten wird. Der hier zu entscheidende Rechtsstreit beruht auf einer der eben erwähnten Klagen. Weitere etwa 1.750 Klagen sind beim Landgericht Stuttgart gegen den persönlich haftenden Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaften F. rechtshängig. Dort haben die Klageparteien den genannten Gründungsgesellschafter wegen desselben behaupteten Schadens nochmals verklagt. Sämtliche nahezu identisch formulierten Klagen werden auf behauptete Unrichtigkeiten der von der Beklagten beim Vertrieb benutzten Kapitalmarktinformationen beziehungsweise auf die behauptete unrichtige Schulung der Vermittler gestützt. Die Klagen unterscheiden sich lediglich in der Parteibezeichnung und in der Bezeichnung der jeweils von der klagenden Partei erworbenen Anlage einschließlich der Beschreibung des jeweiligen Prospektinhaltes, welcher unrichtig sein soll.

Die klagende Partei vertritt insbesondere die Auffassung, der Ertrag der in den jeweiligen Fonds enthaltenen Immobilien sei unrichtig prognostiziert worden, was für die Beklagte erkennbar gewesen sei. Zudem seien die Vermittler nicht hinreichend geschult worden, was sich aus Filmaufnahmen der Schulungen ergebe, weshalb eine fehlerfreie Beratungsleistung nicht gewährleistet worden sei. Es bestünde auch ein Anspruch aus § 826 BGB. Eine Darlegung des individuellen Beratungsgesprächs erfolgt bisher nicht. Die klagende Partei meint, die erhobene Feststellungsklage sei zulässig, weil der Schaden noch nicht insgesamt beziffert werden könne.

Die Klagepartei beantragt,

es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche finanzielle Schäden zu ersetzen, die im Abschluss

- der Beteiligung mit der Vertragsnr.: (…) an der (…) K.-Beteiligungs GmbH & Co. KG

- der Beteiligung mit der Vertragsnr.: (…) an der (…) F.-KG

ihre Ursachen haben.

Weiter beantragt die Klagepartei die Durchführung eines Kapitalanleger-Musterverfahrens gemäß § 1 KapMuG.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen und den Antrag auf Durchführung eines Kapitalanleger-Musterverfahrens durch unanfechtbaren Beschluss gemäß § 3 Abs. 1 KapMuG als unzulässig zu verwerfen.

Die Beklagte rügt die Zulässigkeit der Feststellungsklage, weil die Leistungsklage vorrangig sei. Im Übrigen sei ein konkreter Lebenssachverhalt nicht vorgetragen, weil identische Klagen durch Verwendung eines stets gleichlautenden Textbausteines erhoben worden seien. Die Beklagte verweist ferner auf die bisherige Rechtsprechung, wonach die beim Vertrieb verwendeten Prospekte keine Falschangaben erkennen ließen. Sie ist unter anderem der Auffassung, soweit vor Ablauf der absoluten Verjährung am 2. Januar 2012 Schlichtungsanträge eingereicht worden seien, hätten diese die Verjährung nicht hemmen können. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Beauftragung der Klägervertreter im Jahre 2011 erfolgt ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst den dort in Bezug genommenen Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 8. Mai 2014 ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

Wie in den prozessleitenden Hinweisverfügungen bereits umfänglich ausgeführt, ist die Klage unzulässig, weil eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Neuruppin nicht besteht.

1. Ausschließlich örtlich zuständig für den Rechtsstreit ist gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO das Landgericht Stuttgart als das Gericht am Sitz des betroffenen Anbieters der Kapitalanlage. Nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO ist für Klagen, in denen ein Schadensersatzanspruch wegen Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder wegen Unterlassung der gebotenen Aufklärung darüber, dass eine öffentliche Kapitalmarktinformation falsch oder irreführend ist, geltend gemacht wird, das Gericht ausschließlich am Sitz des betroffenen Emittenten, des betroffenen Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen oder der Zielgesellschaft zuständig, wenn sich dieser Sitz im Inland befindet und die Klage zumindest auch gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft gerichtet wird.

a) Aus diversen Klageerwiderungsschriftsätzen und Pressemitteilungen (vgl. etwa Schriftsatz der Beklagten vom 17. Oktober 2013, S. 6 zu Az. 5 O 135/13, GA I, Bl. 77 d.A.) ergibt sich, dass die Klagepartei den Gründungsgesellschafter und Initiator des streitgegenständlichen Fonds, Herrn F., in mindestens 1.750 Fällen wegen einer der in § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgeführten Handlungen ebenfalls in Anspruch nimmt. Unabhängig davon, ob er als Emittent oder Anbieter zu qualifizieren ist, gehört er als Gründungsgesellschafter und Initiator jedenfalls zu dem von § 32b Abs. 1 ZPO umfassten Personenkreis (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 - X ARZ 320/13, WM 2013, 1643 Rn. 16).

b) Unerheblich für die Anwendbarkeit des § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO auf das hiesige Parallelverfahren ist, dass der Gründungsgesellschafter und Initiator Herr F. mit einer formal gesondert erhobenen Klage in Anspruch genommen wird.

Zwar muss sich nach dem Wortlaut des § 32b Abs. 1 ZPO die Klage zumindest auch gegen den Emittenten, den Anbieter oder die Zielgesellschaft richten. Dies bedeutet aber nicht, dass § 32b Abs. 1 ZPO nur dann zum Tragen kommt, wenn Anlageberater bzw. -vermittler und Verantwortliche im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO in derselben Klage-schrift in Anspruch genommen werden. Jedenfalls dann, wenn wie im Streitfall der Anlageberater bzw. -vermittler und einer der Verantwortlichen im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO aufgrund eines einheitlichen Willensentschlusses der Klagepartei in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang wegen derselben als fehlerhaft behaupteten Kapitalmarktinformationen in Anspruch genommen werden, ist die ausschließliche Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 ZPO zu bejahen. Dies folgt aus dem bei der Auslegung des § 32b Abs. 1 ZPO maßgeblich zu berücksichtigenden Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung der Begründung des Gesetzentwurfes (vgl. BGH, aaO, Rn. 28).

Danach ist Sinn und Zweck des § 32b ZPO die konzentrierte Erledigung verallgemeinerungsfähiger Tatsachen und Rechtsfragen auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts (BT-Drucks. 17/8799, S. 16). Aus diesem Grund wurden vertragliche Ansprüche in den ausschließlichen Gerichtsstand immer dann einbezogen, wenn sie einen Bezug zu einer öffentlichen Kapitalmarktinformation haben. Die Konzentration der Prüfung der verallgemeinerungsfähigen Fragen in einem ausschließlichen Gerichtsstand nach § 32b ZPO würde indes unterlaufen, wenn es der Klagepartei, die sowohl den Verantwortlichen im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO als auch den Anlageberater bzw. -vermittler in Anspruch nehmen will, überlassen bliebe, durch Erhebung zweier Klagen die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts am Sitz des Verantwortlichen im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO zu umgehen. Ein ausschließlicher Gerichtsstand, der nur dann zum Tragen kommt, wenn sich der Anleger ohnehin entscheidet, den Verantwortlichen im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO und den Anlageberater bzw. -vermittler vor demselben Gericht gemeinsam in Anspruch zu nehmen, hätte als ausschließlicher Gerichtsstand keine Bedeutung. Die ausschließliche Zuständigkeit wäre allein vom prozessualen Verhalten der Klagepartei abhängig und in deren Belieben gestellt. Hätte der Gesetzgeber es dem klagenden Anleger lediglich ermöglichen wollen, den Verantwortlichen im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO und den Anlageberater bzw. -vermittler gemeinsam an einem Gerichtsstand in Anspruch zu nehmen, hätte es völlig ausgereicht, einen fakultativen respektive besonderen Gerichtsstand für Klagen gegen den Anlageberater und -vermittler am Sitz des Anbieters für den Fall zu schaffen, dass die Ansprüche gegen diese auch auf die Verwendung unrichtiger oder irreführender Kapitalmarktinformationen gestützt werden sollen. § 32b ZPO bestimmt jedoch ganz ausdrücklich den Sitz des Verantwortlichen im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO zum ausschließlichen Gerichtsstand und unterstreicht damit den Konzentrationsgedanken.

c) Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich entgegen der Auffassung der Klagepartei nichts anderes, wenn es dort (aaO, Rn. 24) heißt: „(…) eine Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 ZPO [ist] zwar zu verneinen, wenn mit der Klage ausschließlich Anlageberater, Anlagevermittler oder sonstige Personen wegen der in § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO aufgeführten Handlungen in Anspruch genommen werden.“ Dabei darf nicht übersehen werden, dass in dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall keine parallele Klageerhebung gegen einen Verantwortlichen im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO erfolgt ist. Denn Grund für das zusätzliche Erfordernis in § 32b Abs. 1 ZPO, wonach auch der Verantwortliche im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO in Anspruch genommen werden muss, ist ausweislich der Gesetzesmaterialien allein, dass sich die Anlageberater bzw. -vermittler in der Regel in örtlicher Nähe zum Kläger befindet und es nicht angemessen erscheint, in Fällen, in denen die Anbieter nicht ebenfalls verklagt werden, den Anlegern den wohnortnäheren Gerichtsstand zu nehmen und den Rechtsstreit an einen unter Umständen weit entfernten Gerichtsstand zu verlagern. Dies erschien dem Gesetzgeber insbesondere auch aus Kostengründen „unverhältnismäßig" (siehe BT-Drucks. 17/8799, S. 27).

An einer solchen Unverhältnismäßigkeit, die nach dem Willen des Gesetzgebers eine Ausnahme von der ausschließlichen Zuständigkeit des § 32b Abs. 1 ZPO rechtfertigt, fehlt es hingegen von vornherein, wenn der Anleger zeitgleich (auch) eine Klage gegen einen Verantwortlichen im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO am Sitz des Anbieters erhebt. Er gibt damit selbst zu erkennen, dass er die Erhebung einer Klage an einem entfernten Gerichtsort als zumutbar und geboten ansieht, weshalb in diesen Fällen die Voraussetzungen des ausschließlichen Gerichtsstandes vorliegen, und zwar gerade auch gemäß der sich strikt am Gesetzeszweck orientierenden und gemäß dieser Zielsetzung den Gesetzeswortlaut sogar erweiternden höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, aaO, Rn. 23 ff.). Der vom Gesetzgeber bezweckte Schutz des Anlegers verlangt nämlich nicht, ihm ein Wahlrecht einzuräumen, ob er die Klagen gegen den Verantwortlichen im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO und den Anlageberater bzw. -vermittler verbindet oder Klagen an unterschiedlichen Gerichten einreicht. Die Regelung des § 32b Abs. 1 ZPO setzt auch nicht voraus, dass sich die Klagen gegen den Verantwortlichen im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO und den Anlageberater bzw. -vermittler auf dieselbe Anspruchsgrundlage stützen. So verhält es sich hier: Die Prozessbevollmächtigten der Klagepartei haben unbestritten in allen Parallelfällen zeitgleich eine im Wesentlichen wortgleiche Klage gegen Herrn F. als Gründungsgesellschafter und Initiator erhoben. Damit sind sämtliche mit der hiesigen Klage angeführten „Kapitalmarktinformationen“ auch Gegenstand der dortigen Klagen geworden.

d) Die Klagepartei hat mit Blick auf die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit der doppelten Klageerhebung auch nach erneuter Hinweiserteilung nicht ergänzend dargelegt, welche Vorteile aus Sicht der Klägerseite den Nachteilen der höheren Gerichts-, Anwalts, Reise- und Bürokosten sowie der Gefahr doppelter Beweiserhebungen gegenüberstehen.

aa) Wie ausgeführt, würde die vom Gesetzgeber beabsichtigte Konzentration der Prüfung der verallgemeinerungsfähigen Fragen in einem ausschließlichen Gerichtsstand unterlaufen, wenn es der Klagepartei, die sowohl den Verantwortlichen im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO als auch den Anlageberater bzw. -vermittler in Anspruch nehmen will, nach Belieben überlassen bliebe, durch die Erhebung zweier Klagen die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts am Sitz des Verantwortlichen im Sinne des § 32b Abs. 1 ZPO zu umgehen. Der dagegen bisher allein vorgebrachte Hinweis der Klagepartei auf die mögliche getrennte Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern liegt von vornherein neben der Sache, weil es gerade keinen besonderen Gerichtsstand für Gesamtschuldner gibt, in dem diese ausschließlich gemeinsam verklagt werden können. Für diese Fälle hat der Gesetzgeber das in § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO geregelte Verfahren vorgesehen (dessen Inanspruchnahme der Gesetzgeber in Fällen wie den vorliegenden durch § 32b ZPO gerade beendet hat).

bb) Es bestehen daher erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass beim Vorgehen der Prozessbevollmächtigten der klagenden Parteien nicht die Durchsetzung des Rechts, sondern lediglich Umsatzgenerierung im Vordergrund steht. Diese Anhaltspunkte ergeben sich aus folgenden Umständen: Sämtliche Klagen sowie sämtliche weiteren Schriftsätze bestehen jeweils aus einem identischen Text, in dem lediglich die Namen der Anleger, die Nummer des jeweiligen Dreiländerfonds (…) sowie der Streitwert individuell ausgestaltet sind. In der Klageschrift wird hingegen nicht einmal dargelegt, wann und wo die Beratung erfolgte. Der Inhalt des Beratungsgesprächs wird mit keinem Wort erwähnt. Überzeugend hat das Landgericht Lüneburg mit Urteil vom 6. März 2014 (5 O 55/14) dazu weiter ausgeführt:

„Ein weiteres Indiz für die Annahme, die Klagen würden nur im Gebühreninteresse der Prozessbevollmächtigten der Kläger erhoben, besteht in dem Vorgehen, die Klagen nicht vor demselben Gericht anhängig zu machen, sondern sämtliche Ansprüche noch einmal gegen den Gründungsgesellschafter der Fondsgesellschaften F. vor dem Landgericht Stuttgart zu erheben (…). Zudem spricht einiges dafür, dass die Beklagte ohne Gerichtsstandsbestimmung zusammen mit dem Gründungsgesellschafter vor dem Landgericht Stuttgart hätte verklagt werden können (zur Zuständigkeit nach § 32b Abs. 1 ZPO Zöller/Vollkommer, § 32b ZPO Rn 6). Dass die Prozessbevollmächtigten zweimal 1750 Klagen erheben, kann nur in dem Bestreben liegen, möglichst viele Gebühren zu generieren. (…) Darüber hinaus ist die entsprechende Behauptung der Beklagten, die Prozessbevollmächtigten versuchten nur krampfhaft, die Deckungszusage der Versicherten der Geschädigten zu erlangen, um hierauf aufbauend ein Millionengeschäft zu machen, unstreitig geblieben. Der Kammer sind die Streitwerte der bei anderen Gerichten anhängigen Klagen naturgemäß nicht bekannt. Allein wegen der beim Landgericht Lüneburg anhängigen Klagen sind unter Berücksichtigung der von den klagenden Parteien angegebenen Streitwerte (171.794 €; 4 * 42.948,52 €; 30.063,06 €; 2 * 21.474,26 €; 2 * 12.884,56 €; 8.589,71 €) und unter Berücksichtigung von einer 1,3 Verfahrensgebühr und einer 1,2 Terminsgebühr knapp 25.000 € Gebühren (ohne weitere Kosten) angefallen. Sollten die hier zugrunde gelegten Streitwerte der übrigen Verfahren vergleichbar sein, hätten die Prozess klagenden Parteien hochgerechnet Anwaltsgebühren in Höhe von mehr als 3,3 Mio. € generiert (1750/13 * 25.000 €). Dieser Betrag müsste verdoppelt werden, weil die gleiche Anzahl von Klagen vor dem Landgericht Stuttgart rechtshängig gemacht worden sind, also mindestens 6,6 Mio. €. Dieser Betrag müsste wieder verdoppelt werden, weil der Beklagten Kosten in derselben Höhe entstehen. Diese Kosten betreffen zudem nur die erste Instanz. Nicht berücksichtigt sind zudem die Gerichtkosten. Insgesamt wird also die Schlussfolgerung zu ziehen sein, dass allein wegen der rechtshängigen Streitigkeiten ein zweistelliger Millionenbetrag an Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren auf die Versicherungswirtschaft umzulegen sein wird. Insofern ähnelt das Vorgehen der Prozessbevollmächtigten in seinen Wirkungen einem Vertrag zu Lasten Dritter.“

cc) Auf nochmalige Nachfrage im Verhandlungstermin zum Zweck der Verfahrensaufspaltung erklärte der Klägervertreter diese Vorgehensweise sinngemäß damit, dass sie nach seiner Auffassung „eben möglich“ sei. Ein sachliches Interesse konnte oder wollte er auch nach mehrfacher Aufforderung hierzu nicht erläutern. Spätestens damit liegen die Rechtsmissbräuchlichkeit der künstlichen Verfahrensaufspaltung und die damit verbundene überflüssige Inanspruchnahme justizieller Ressourcen auf der Hand.

e) Von der ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart gehen bei gleicher Sachverhaltskonstellation auch andere Landgerichte aus. So hat das Landgericht Göttingen bereits in einem Beschluss vom 28. Oktober 2013 (4 O 183/13) ausgeführt:

„Sollte das Vorbringen der Beklagten in der Klageerwiderung zutreffen, die Klagepartei klage wegen des fehlerhaften Emissionsprospekts betreffend den Fonds „(…)" auch vor dem Landgericht Stuttgart gegen den persönlich haftenden Gründungsgesellschafter F., hätte die Klagepartei etwaige Schadensansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb der Fondsanteile gegen den Vermittler und gegen den Gründungsgesellschafter, die einem einheitlichen Lebenssachverhalt entspringen, willkürlich aufgespalten und durch die getrennte Klageerhebung die an sich nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO auch für die vorliegende Klage gegebene ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart unterlaufen. Durch eine solche Vorgehensweise werden nicht nur Mehrkosten für die Parteien verursacht, die nach der Rechtsprechung des BGH wegen Rechtsmissbrauchs nicht erstattungsfähig sind (BGH, Beschluss v. 20.11.2012 - VI ZB 3/12, juris Rn. 8 ff), sondern es wird die Justiz durch das ineffiziente Vorgehen der Klägervertreter auch doppelt beansprucht, was nicht nur zur Folge hat, dass sich für jede Klägerpartei ohne sachlichen Grund parallel mindestens zwei Gerichte mit dem umfangreichen und komplexen Sachverhalt befassen müssen. Da es sich nach eigenen Angaben der Klägervertreter um ein Massenverfahren handelt, müssten sich neben dem für den Gründungsgesellschafter zuständigen Landgericht Stuttgart bundesweit sämtliche Gerichte, an denen nur eine Klägerpartei wegen eines Parallelverfahrens einen besonderen Gerichtsstand hätte, in den Sachverhalt einarbeiten und mit den behaupteten Prospektfehlern befassen."

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an. Der Kammer ist zudem bekannt, dass für Kapitalanlagerecht zuständige Kammern des Landgerichts Berlin die Prozessrechtslage in gleicher Weise beurteilen.

f) Selbst wenn man die Voraussetzungen eines ausschließlichen Gerichtsstandes in den vorliegenden Fällen verneinen wollte, ergäbe sich aus den Darlegungen der Klagepartei kein örtlicher Gerichtsstand bei dem Landgericht Neuruppin. Zu den Voraussetzungen der wohl allein in Betracht kommenden § 29 Abs. 1 ZPO (Erfüllungsort des Beratungsvertrages) und § 29a Abs. 1 ZPO (Haustürgeschäft) finden sich in den von Textbausteinen geprägten Schriftsätzen der Klagepartei keine Ausführungen.

2. Der Antrag auf Durchführungen eines Kapitalanleger-Musterverfahrens ist vor dem erkennenden Gericht schon deshalb unzulässig, weil die Entscheidung darüber gemäß § 2 Abs. 2 KapMuG dem Prozessgericht vorbehalten ist.

3. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Streitwert: 30.063,97 € für 80 % Feststellungsantrag; vgl. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG