Gericht | OLG Brandenburg 2. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 16.05.2024 | |
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Aktenzeichen | 2 ORs 35/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0516.2ORS35.23.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I.
Das Amtsgericht Bad Freienwalde (Oder) hat gegen den Angeklagten mit Urteil vom 12. Februar 2020 wegen schweren Bandendiebstahls in sieben Fällen, begangen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und in einem Fall zusätzlich in Tateinheit mit Urkundenfälschung eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Erlangten in Höhe von 47.000,00 Euro angeordnet.
Auf die Berufung des Angeklagten ordnete das Landgericht Frankfurt (Oder) - kleine Strafkammer - Termin zur Hauptverhandlung an. Die Ladung des Angeklagten unter seiner („Land 01“) Anschrift mit Einschreiben-Rückschein konnte nicht mit Erfolg bewirkt werden. Daraufhin ordnete das Landgericht mit Beschluss vom 20. Juni 2023 die öffentliche Zustellung der Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung gemäß § 40 Abs. 2 StPO an. Zu dem Termin zur Berufungshauptverhandlung am 17. Juli 2023 erschien lediglich der Verteidiger, nicht jedoch der Angeklagte. Daraufhin verwarf das Landgericht Frankfurt (Oder) die Berufung gemäß § 329 Abs. 1 StPO. Das Urteil wurde dem Verteidiger am 16. August 2023 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 18. Juli 2023, der noch am gleichen Tag bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) einging, legte der Angeklagte Revision ein, die er mit Schriftsatz vom 25. August 2023 begründete. Mit seiner Revision rügt er die Verletzung von § 40 Abs. 3 StPO, da er zuvor nicht gemäß § 35a Satz 2 StPO belehrt und der Aushang der öffentlichen Zustellung nicht in die („Land 01“) Sprache übersetzt worden sei. Zudem rügt er eine Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO, da er seinen Verteidiger schriftlich mit seiner Vertretung im Sinn von § 329 Abs. 2 StPO bevollmächtigt habe. Zugleich stellte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 329 Abs. 7 StPO, den er ebenfalls auf eine fehlerhafte öffentliche Zustellung nach § 40 Abs. 3 StPO stützt.
Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Beschluss vom 6. Februar 2024 als unzulässig verworfen, da der Antrag nicht binnen der Frist des § 45 StPO gestellt worden sei. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit seiner am 15. Februar 2024 erhobenen sofortigen Beschwerde.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen sowie auf die Revision des Angeklagten das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 17. Juli 2023 aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen.
II.
1. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 6. Februar 2024 war als unbegründet zu verwerfen, da der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht fristgemäß gestellt wurde. Gemäß § 329 Abs. 7 StPO ist ein solcher Antrag binnen einer Woche nach der Zustellung des Urteils anzubringen. Im Hinblick auf die Zustellung des Urteils am 16. August 2023 endete die Frist daher mit Ablauf des 23. August 2023, so dass der erst mit Schriftsatz vom 25. August 2023 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verspätet war.
Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kommt nicht in Betracht. Zwar ist anerkannt, dass diese in den Fällen der nicht wirksamen Ladung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung zu gewähren sein kann (vgl. OLG Brandenburg, NStZ 2018, 117; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1996, 75; OLG Köln, NStZ-RR 2002, 142). Erforderlich ist jedoch ein fristgerecht eingegangener Wiedereinsetzungsantrag (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.), was vorliegend - wie ausgeführt - nicht der Fall ist.
2. Die Revision ist unzulässig, da die geltend gemachten Verfahrensrügen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen.
Nach dieser Norm muss der Revisionsführer im Rahmen einer Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen grundsätzlich so genau und vollständig darlegen, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird, über den geltend gemachten Mangel endgültig zu entscheiden (vgl. BGH, NStZ 2023, 443). Im Rahmen der Rüge des Fehlens einer ordnungsgemäßen Ladung sind sämtliche hierfür maßgeblichen Umstände umfassend und vollständig mitzuteilen (vgl. KG, NStZ 2009, 111 f. m. w. N.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 329 Rn. 48). Dem Erfordernis der genauen Tatsachenangabe ist schon dann nicht genügt, wenn die zur Begründung der Verfahrensrüge herangezogenen Tatsachen unzutreffend sind (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2017, 1 StR 186/16, BeckRS 2017, 101479).
Nach diesen Grundsatz stellen sich die erhobenen Verfahrensrügen als unzulässig dar.
Soweit der Angeklagte mit der Verfahrensrüge eine Verletzung von § 40 Abs. 3 StPO wegen der fehlenden Belehrung nach § 35a Satz 2 StPO geltend macht, ist der diesbezügliche Tatsachenvortrag unzutreffend und daher unzureichend. Entgegen des Vortrags des Angeklagten hat das Landgericht Frankfurt (Oder) ausweislich des Beschlusses vom 20. Juni 2023 die öffentliche Zustellung auf Grundlage des § 40 Abs. 2 StPO - und nicht wie vom Revisionsführer ausgeführt § 40 Abs. 3 StPO - angeordnet. Soweit der Angeklagte in diesem Zusammenhang im Rahmen seiner Gegenerklärung vom 22. Dezember 2023 erstmalig rügt, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der öffentlichen Zustellung nach § 40 Abs. 2 StPO nicht vorgelegen hätten, erweist sich diese Verfahrensrüge ebenfalls als unzulässig, da sie nicht binnen der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO, die mit Ablauf des 16. September 2023 endete, erhoben wurde.
Soweit der Revisionsführer eine Verletzung von § 40 StPO durch eine fehlende Übersetzung des Aushangs zur öffentlichen Zustellung der Ladung geltend macht, hat er diese Tatsache nicht hinreichend bestimmt behauptet. Verfahrensfehler sind als Tatsachen vorzutragen und zu behandeln (vgl. KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 344 Rn 33 m. w. N.). Das Vorbringen des Revisionsführers stellt sich hingegen als reine Mutmaßung dar. Die für eine revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Tatsachen werden nicht konkret und substantiiert dargelegt. Die bloße Behauptung, „es sei davon auszugehen“, dass sich ein bestimmtes Verfahrensgeschehen ereignet bzw. nicht ereignet habe, genügt nicht (vgl. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, 48, KK-StPO/Gericke, a.a.O.).
Soweit der Angeklagte eine Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO rügt, ist der diesbezügliche Tatsachenvortrag nicht hinreichend im Sinn von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der Angeklagte legte lediglich ein undatiertes, in („Land 01“) Sprache abgefasstes Schreiben, mit dem er seinen Verteidiger mit seiner Vertretung auch in Abwesenheit bevollmächtigt haben will, vor und trägt diesbezüglich vor, der Inhalt des Schreibens laute, dass „(„Name 01“) Rechtsanwalt („Name 02“) aus („Stadt 01“) für das Verfahren 228 Js 24805/15 bittet, seine Vertretung zu übernehmen“. Im Hinblick darauf, dass der Inhalt des Schreibens in seiner Gesamtheit für die Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der Angeklagte seinen Verteidiger (namentlich auch zur Abwesenheitsvertretung in der Berufungshauptverhandlung) bevollmächtigt hat, maßgebend ist, wäre erforderlich gewesen, dass der Angeklagte den vollständigen Inhalt des Schreibens in („Land 02“) Sprache (auf der Grundlage einer offiziellen Übersetzung) vorträgt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2022, 4 StR 380/22, BeckRS 2022, 40930; BGH, Beschluss vom 19. August 2021, 4 StR 410/20, BeckRS 2021, 28659 m.w.N.). Eine solche vollständige Übersetzung liegt indes nicht vor, lässt sich doch aus dem vorgelegten („Land 01“) Schreiben angesichts dessen Länge sowie der Angaben „VW Caddy“ und „2.10.2015“ unschwer erkennen, dass die vorgelegte Übersetzung nicht den gesamten Text erfasst. Nur ergänzend wird angemerkt, dass sich dem Vortrag des Angeklagten zum Inhalt der zitierten „Vertretungsvollmacht“ und deren Wortlaut nicht entnehmen lässt, dass darin eine spezifische Ermächtigung enthalten war, die über die allgemeine Befugnis zur Verteidigung hinausging (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2023, 3 StR 386/21, BeckRS 2023, 3996 Rn. 10).
3. Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.