Gericht | LG Cottbus 3. Zivilkammer | Entscheidungsdatum | 31.05.2022 | |
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Aktenzeichen | 3 O 19/21 | ECLI | ECLI:DE:LGCOTTB:2022:0531.3O19.21.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalles geltend, der sich am 20.03.2013 in …………………… auf der ……………………-Straße ereignete.
Der Kläger war Beifahrer des von seinem Arbeitgeber gehaltenen VW ………. Fahrer war der Arbeitskollege des Klägers, Herr ……………………. Der Kläger und Herr …………………… hatten die Aufgabe, einen Hydranten zu warten, der auf dem aus Richtung …………………… kommend linken Bürgersteig stand. Deshalb fuhr Herr …………………… mit dem VW ……… auf dem linken Bürgersteig.
Nach Erledigung der Arbeiten wollte Herr ……… die Fahrt in der Gegenrichtung fortsetzen. Deshalb überquerte er die Fahrbahn in ungefähr rechtem Winkel und fuhr in eine auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite befindliche Grundstückseinfahrt. Sodann setzte er zurück auf die Fahrbahn, um den Wendevorgang zu vollenden.
Als der VW ………… in ungefähr rechtem Winkel zum Fahrbahnverlauf in der Grundstückseinfahrt stand, befand sich rechts von ihm ein Baum. Es ist möglich, dass der VW ………. soweit vorgefahren war, dass der Fahrer an der der Fahrbahn abgewandten Seite des Baumes an dem Baum vorbei auf die Fahrbahn Richtung …………………… blicken konnte.
Aus Richtung …………………… näherte sich ein Notarztwagen des Rettungsdienstes des Beklagten. Bei diesem war Blaulicht eingeschaltet, jedoch nicht das Martinshorn. Es kam zur Kollision zwischen dem Notarztwagen und dem VW ………. Der Fahrer des Notarztwagens hatte zuvor bei einer Geschwindigkeit von 102 km/h eine Gefahrenbremsung eingeleitet. Zuvor hatte der Notarztwagen beschleunigt. Wäre der Notarztwagen mit max. 86 km/h gefahren, hätte eine Gefahrenbremsung die Kollision verhindert.
Der Unfallort befindet sich innerhalb einer geschlossenen Ortschaft, eine besondere Geschwindigkeitsbegrenzung ist dort nicht angeordnet.
Der Kläger wurde bei dem Unfall schwer verletzt. Wegen der Verletzungen, des Behandlungsverlaufes und der sonstigen Verletzungsfolgen wird auf die Darstellung in der Klageschrift (Seite 5 bis Seite 19) Bezug genommen.
Der Unfall wurde vom zuständigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung des Klägers als Arbeitsunfall anerkannt.
Mit Schreiben vom 28.01.2016 hat sich der Kommunale Schadenausgleich für den Beklagten verpflichtet, die Ansprüche des Klägers aus dem Unfall mit einer Haftungsquote von 50 % zu ersetzen (Seite 11 des genannten Schreibens; BI. 107 der Gerichtsakte). Der KSA leistete an den Kläger vorprozessual eine Schmerzensgeldzahlung i.H.v. insgesamt 40.000 €.
Der Kläger meint, im Verhältnis zwischen dem Fahrer des VW ……… und dem Fahrer des Notarztwagens liege die Verantwortung für den Unfall allein bei letzterem. Dies ergebe sich daraus, dass der Notarztwagen mit mehr als dem Doppelten der innerorts maximal zulässigen Geschwindigkeit gefahren sei.
Der Kläger meint, ihm sei durch den Unfall gegenüber dem Beklagten ein Schmerzensgeldanspruch i.H.v. 195.000 € (vor Abzug der gezahlten 40.000 €) entstanden. Er meinte deshalb, er habe noch einen Anspruch i.H.v. 155.000 €. In Bezug auf den Klageantrag heißt es auf Seite 23 der Klageschrift: „Aus prozessökonomischen Erwägungen wird im Rahmen der erforderlichen Bezifferung nur ein Betrag von 60.000 € angegeben, eine Bindung des Gerichts daran soll aber nicht bestehen“.
Der Kläger hat vorprozessual einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung seiner Ansprüche beauftragt. Dieser hat den KSA mit Rücksicht auf bereits erfolgte 15.000 € zur Zahlung weiterer 180.000 € aufgefordert. Ausgehend von einem Gegenstandswert von bis zu 200.000 € und einem Gebührensatz von 2,5 hat der Rechtsanwalt über seine Tätigkeit Rechnung gelegt i.H.v. 6.115,59 €. Wegen der einzelnen Rechnungspositionen wird auf die Darstellung auf Seite 28 der Klageschrift Bezug genommen. Hierauf leistete der KSA eine mit einem Gegenstandswert von 40.000 € und einem Gebührensatz von 1,8 berechnete Zahlung i.H.v. 2.193,65 €.
Der Kläger beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, das jedoch mindestens 60.000 € betragen sollte, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.06.2013 zu zahlen,
- festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus dem Unfall künftig entstehen, mit Ausnahme der Ansprüche, die auf Dritte, insbesondere Versicherungen und Sozialversicherungsträger, übergehen,
- den Beklagten zu verurteilen an ihn 4.125,07 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, d. h. seit dem 05.03.2021 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, der Notarztwagen habe sich im Unfallzeitpunkt in einem Noteinsatz befunden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Darlegungen im Schriftsatz vom 07.01.2022 Bezug genommen.
Der Beklagte meint, er hafte gegenüber dem Kläger nur insoweit, als er im Innenverhältnis gegenüber dem Fahrer/Halter des VW ……… haften würde, wenn diese nicht aufgrund des Umstandes, dass es sich um einen Arbeitsunfall handelt, von der Haftung befreit wären.
Der Beklagte meint, im hypothetischen Innenverhältnis treffe ihn lediglich eine Haftungsquote von 50 %. Er meint, die daraus resultierenden Ansprüche seien durch die erfolgten Zahlungen erloschen.
1. Der Klageantrag 1. ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
a. Der Arbeitgeber des Klägers als Halter des VW ……… und der Arbeitskollege des Klägers als Fahrer sind von der sich im Ausgangspunkt aus §§ 7, 18 StVG und § 823 BGB ergebenden Haftung gemäß §§ 104, 105 SGB VII befreit. Bestünde diese Haftungsbefreiung nicht, dann würden der Halter und der Fahrer des Pkw neben dem Beklagten als Gesamtschuldner in vollem Umfang haften.
Diese Haftungsbefreiung wirkt sich jedoch nicht dahingehend aus, dass der Kläger ohne Rücksicht auf Verursachungs- und Verschuldensanteile den Beklagten in voller Höhe in Anspruch nehmen könnte. Vielmehr führt der Wegfall der hypothetischen gesamtschuldnerischen Haftung des Halters und des Fahrers des VW ……… dazu, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger nur insoweit haftet, als er bei Hinwegdenken der Haftungsbefreiung im Innenverhältnis haften würde.
Es kommt in diesem Kontext nicht darauf an, ob der Beklagte bei Hinwegdenken der Haftungsbefreiung gemäß § 839 Abs. 1 S. 2 BGB seinerseits von der Haftung befreit wäre, weil gegebenenfalls eine anderweitige Ersatzmöglichkeit - nämlich der Schadensersatzanspruch gegen den Halter und/oder den Fahrer des VW ……… - bestünde. Darauf kommt es jedoch nicht an, denn der KSA hat für den Beklagten die Haftung mit einer Quote von 50 % anerkannt. Der Beklagte stellt nicht in Frage, dass diese Anerkenntniserklärung ihn rechtlich bindet.
b. Gemäß § 426 BGB i.V.m. § 17 Abs. 1 StVG und i.V.m. § 254 BGB würde sich die Haftungsquote im Innenverhältnis bei bestehender gesamtschuldnerischer Haftung zwischen dem Fahrer/Halter des VW ……… und dem Beklagten nach den beiderseitigen Verursachungsanteilen richten.
Die Annahme des Klägers, die alleinige Haftung des Beklagten ergebe sich allein aus dem (hier unterstellten) Umstand,, dass der Notarztwagen doppelt zu schnell gefahren ist, wie erlaubt, ist schon im Ausgangspunkt rechtlich unzutreffend. Die Bestimmung einer Haftungsquote nach § 17 Abs. 1 StVG bzw. nach § 254 BGB kann niemals allein durch die Betrachtung des Verhaltens eines der Unfallverursacher erfolgen, es ist immer das Verhalten aller, die eine potentiell haftungsbegründende Ursache gesetzt haben, zu betrachten.
Danach haftet der Beklagte nicht mit mehr als 50 %. Der Unfall ist nämlich in erheblichem Umfang auch durch den Fahrer des VW ……… verursacht und verschuldet worden.
aa. Vorprozessual hat der Sachverständige Dr.-Ing. …………………… am 28.01.2014 im Auftrag des KSA das als Anlage K1 zur Klageschrift vorgelegte Gutachten erstattet. Beide Parteien nehmen in ihren Schriftsätzen auf dieses Gutachten Bezug. Damit haben beide Parteien den Inhalt des Gutachtens zu ihrem Sachvortrag gemacht.
Der Sachverständige nimmt an, dass der VW ……… vor Beginn der unmittelbar zum Unfall führenden Rückwärtsfahrt in der Grundstückseinfahrt soweit vorgefahren war, dass der Fahrer auf der der Fahrbahn abgewandten Seite des Baumes an diesem vorbei sehen konnte. Gegebenenfalls konnte er nach den Feststellungen des Sachverständigen den auf der Fahrbahn herannahenden Notarztwagen in einer Entfernung von etwa 85 m sehen. Unter der Prämisse, dass der Fahrer des VW ……… vor der Rückwärtsfahrt die Fahrbahn in der Richtung, aus der sich der Notarztwagen näherte, beobachtet hat, hätte er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht nur den Notarztwagen als solchen wahrgenommen, sondern er hätte auch dessen Geschwindigkeit einschätzen können. Zur erforderlichen Sorgfalt gehört nämlich nicht nur die Wahrnehmung eines zumindest potentiell bevorrechtigten Fahrzeuges als solchen, sondern auch eine hinreichend lange Beobachtung dieses Fahrzeuges, um dessen Geschwindigkeit einschätzen zu können. Der aufgrund der Ausgangssituation grundsätzlich Wartepflichtige darf nämlich nur dann vor dem bevorrechtigten Fahrzeug auf die Fahrbahn auffahren, wenn er sicherstellen kann, dass er dadurch niemanden gefährdet und niemanden mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert. Deshalb beinhaltet die Wartepflicht die Verpflichtung, die Geschwindigkeit des anderen Fahrzeuges einzuschätzen.
Dem Gericht ist bewusst, dass der Notarztwagen, als er sich etwa 85 m vor der späteren Unfallstelle befand, nach den Feststellungen des Sachverständigen noch nicht mit der Bremsausgangsgeschwindigkeit von 102 km/h fuhr, sondern sich noch in einem Beschleunigungsvorgang befand. Nach dem Gutachten fuhr der Notarztwagen in diesem Zeitpunkt aber bereits mit einer Geschwindigkeit von etwa 95 km/h (vgl. Skizze Seite 23 des Gutachtens).
Der Fahrer des VW ……… hätte also ohne weiteres wahrnehmen können, dass der Notarztwagen deutlich schneller fährt als 50 km/h. Es kommt hinzu, dass der Fahrer des VW ……… bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt wahrgenommen hätte, dass am Notarztwagen das Blaulicht eingeschaltet ist. Daraus hätte er den Schluss ziehen müssen, dass sich der Notarztwagen im Einsatz befindet. Schon deshalb hätte der Fahrer des VW ……… damit rechnen müssen, dass der Notarztwagen mit einer höheren Geschwindigkeit als 50 km/h fährt.
Es kommt hinzu, dass für den VW ……… die erhöhten Sorgfaltsanforderungen des § 9 Abs. 5 StVO und des § 10 StVO galten. Er fuhr nämlich rückwärts aus einer Grundstückseinfahrt auf die Fahrbahn.
Bei der Gewichtung des Verursachungs- und Verschuldensanteils des Fahrers des Notarztwagens ist als unstreitig zu behandeln, dass sich dieser in einem Noteinsatz befand. Den dahingehenden konkreten Vortrag des Beklagten hat der Kläger nämlich nicht mit Substanz bestritten. Somit ist der Gewichtung zugrundezulegen, dass der Notarztwagen gemäß § 35 Abs. 5a StVO schneller fahren durfte als 50 km/h. Dies durfte er zwar gemäß § 35 Abs. 8 StVO nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Letztere Einschränkung steht aber nicht der Feststellung entgegen, dass die allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung für den Notarztwagen nicht galt und dass deshalb nicht angenommen werden kann, der Notarztwagen sei doppelt so schnell gefahren, wie erlaubt.
bb. Für die Haftungsquote gilt nichts anderes wenn man abweichend von der Einschätzung des Gutachtens annimmt, der Fahrer des VW ……… sei nicht so weit in die Grundstückseinfahrt vorgefahren, dass er an dem Baum vorbei sehen konnte. Gegebenenfalls hätte er zwar den herannahenden Notarztwagen nicht sehen können, weil der Baum im Weg stand. Auch in diesem Fall hätte er aber nicht auf die Fahrbahn fahren dürfen, ohne sich - z.B. durch Inanspruchnahme eines Einweisers - hinreichend zu versichern, dass er gefahrlos auf die Fahrbahn fahren kann. Wenn er die Fahrbahn nicht einsehen konnte, durfte er nicht darauf vertrauen, dass diese frei ist.
cc. Das Gleiche gilt für die Haftungsquote im dritten denkbaren Fall, dass der Fahrer des VW ……… zwar soweit vorgefahren ist, dass er an dem Baum hätte vorbei sehen können, er von dieser Wahrnehmungsmöglichkeit aber keinen Gebrauch gemacht hat. Auch in dieser Fallkonstellation ist er „blind“ auf die Fahrbahn gefahren, ohne sich Gewissheit zu verschaffen, dass dies gefahrlos möglich ist.
Soweit es in dem Gutachten auf Seite 25 heißt, der Unfall wäre für den Fahrer des VW ……… nur dann vermeidbar gewesen, wenn er sich hätte einweisen lassen, ist dies nicht richtig. Der Fahrer des VW ……… hätte den Unfall dadurch vermeiden können, dass er nicht auf die Fahrbahn fährt. Die Formulierung des Sachverständigen beruht erkennbar auf der Annahme, dass ein Einweisers dem Fahrer des VW ……… signalisiert hätte, dass die Fahrbahn nicht frei ist und dass der Fahrer des VW ……… deshalb nicht auf die Fahrbahn gefahren wäre. Diese Annahme ist plausibel, gleichwohl ist hier klarzustellen, dass das zum Unfall führende Fehlverhalten des Fahrers des VW ……… nicht primär darin besteht, dass er sich nicht hat einweisen lassen, sondern entweder darin, dass er auf die Fahrbahn gefahren ist, ohne dass er diese zuvor einsehen konnte und eingesehen hat, oder darin, dass er die Fahrbahn zwar eingesehen hat, aus dem Gesehenen aber nicht den richtigen Schluss gezogen hat, der Notarztwagen zunächst passieren zu lassen
Der Verursachungsanteil des Fahrers des VW ……… besteht also entweder darin, dass er „blind“ auf die Fahrbahn gefahren ist, oder darin, dass er sehenden Auges dem Notarztwagen in den Weg gefahren ist. Vor diesem Hintergrund ist der Verursachungsanteil des VW ……… nicht geringer als derjenige des Fahrers des Notarztwagens zu bewerten.
Eine konkrete Bestimmung der Haftungsquote kann vorliegend unterbleiben, denn der Verursachungsanteil des Fahrers des Notarztwagens ist jedenfalls nicht mit mehr als 50 % zu bewerten. Ob er geringer zu bewerten ist, kann dahinstehen, denn der KSA hat für den Beklagten die Haftung mit einer Quote von 50 % anerkannt.
c. Unter Berücksichtigung der unstreitigen Verletzungen und Verletzungsfolgen erachtet das Gericht ohne Berücksichtigung der Haftungsquote und ohne Berücksichtigung bereits erfolgter Zahlungen ein Schmerzensgeld i.H.v. 100.000 € für angemessen.
Da der Beklagte nur zu 50 % haftet, schuldete er ein Schmerzensgeld lediglich i.H.v. 50.000 €. Nachdem er hierauf bereits 40.000 € gezahlt hat, besteht noch ein Anspruch des Klägers i.H.v. 10.000 €.
d. Der geltend gemachte Anspruch auf Verzinsung des noch zu zahlenden Schmerzensgeldes ist nur teilweise begründet.
Ein Anspruch auf Verzinsung ergibt sich nicht aus § 3a Abs. 1 Nr. 2 PfIVersG. Voraussetzung dafür ist nämlich unter anderem ein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer gemäß § 115 Abs. 1 WG. Ein solcher Direktanspruch besteht aber nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 WG (die Voraussetzungen der Nrn. 2 und 3 liegen ersichtlich nicht vor) nur, soweit es sich um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handelt. Diese Voraussetzung liegt hier jedoch nicht vor, denn der Beklagte ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 5 PfIVersG von der Versicherungspflicht befreit.
Eine Verzinsungspflicht infolge Verzuges kann sich hier aus § 286 BGB ergeben. Das Gericht kann nicht feststellen, dass Verzug früher als durch Zugang des als Teil des Anlagenkonvoluts K 38 vorgelegten Rechtsanwaltsschreibens vom 04.12.2015 (einem Freitag) eingetreten ist. Das Gericht schätzt den Zugang dieses Schreibens auf spätestens Mittwoch, den 09.12.2015, sodass der Kläger Verzugszinsen ab dem 10.12.2019 zu beanspruchen hat.
2. a. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Beklagte seine Haftung mit einer Quote von 50 % anerkannt hat. Da der Kläger meint, der Beklagte hafte zu 100 % hat er trotz des partiellen Anerkenntnisses ein Rechtsschutzinteresse hinsichtlich der Feststellung der über die anerkannte Quote hinausgehenden Haftung. Ob die Klage insoweit begründet ist, ist für die Frage des Feststellungsinteresses unerheblich.
Der Zulässigkeit des Feststellungsantrages steht auch nicht entgegen, dass diese nicht zwischen der anerkannten Haftungsquote und der nicht anerkannten Haftungsquote differenziert. Da der Kläger in der Klageschrift (dort Seite 19) das Anerkenntnis der Haftung mit einer Quote von 50 % erwähnt und er dessen Wirksamkeit und Verbindlichkeit auch nicht in Frage stellt, ist der Klageantrag dahingehend auszulegen, dass festgestellt werden soll, dass der Beklagte nicht nur mit einer Quote von 50 % sondern mit einer Quote von 100 % haftet.
b. Der so verstandene Klageantrag ist aus den unter 1. b. dargestellten Gründen unbegründet. Der Beklagte haftet nicht mit einer höheren als einer 50-prozentigen Quote.
3. a. Der mit dem Klageantrag 3. geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ergibt sich im Ausgangspunkt aus der Haftung des Beklagten für die Unfallfolgen, ohne dass es insoweit auf die Verzugsvoraussetzungen ankommt.
Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes zur Durchsetzung der Ersatzansprüche ist nämlich adäquat kausale Folge des Unfalles selbst. Es kommt insoweit nicht darauf an, dass die unmittelbare Ursache für die Entstehung des Vergütungsanspruches - nämlich die Beauftragung eines Rechtsanwalts - durch den Kläger selbst gesetzt wurde. Dies war nämlich eine sachgerechte Reaktion auf das Unfallgeschehen und die Verletzung des Klägers.
b. Die Höhe des Schadensersatzanspruches richtet sich nach dem Betrag, den der Kläger an seinen Rechtsanwalt zu zahlen gehabt hätte, wenn er von vornherein einen Anspruch lediglich in der Höhe geltend gemacht hätte, in der sein Begehren begründet war.
aa. Aus den durch den Kläger vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem Schreiben des KSA vom 28.01.2016 ergibt sich, dass der Kläger einen Rechtsanwalt bereits vor der 1. Zahlung des KSA i.H.v. 15.000 € beauftragt hatte. Im Zeitpunkt der Beauftragung bestand daher ein Schadensersatzanspruch i.H.v. 50.000 €, dies ist der maßgebliche Gegenstandswert.
bb. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass ein höherer als der von dem Beklagten akzeptierte Gebührensatz von 1,8 angemessen ist. Weder die Bestimmung einer Haftungsquote nach einem Verkehrsunfall noch die Bestimmung eines angemessenen Schmerzensgeldes begründet einen solchen Umfang oder eine solche Schwierigkeit der Sache, dass ein höherer Gebührensatz als 1,8 gerechtfertigt wäre.
cc. Soweit der Kläger Ersatz für eine Versendungspauschale i.H.v. 12 € begehrt, ist nicht erkennbar, wodurch diese Kosten ausgelöst wurden und warum der Kläger bzw. sein Rechtsanwalt die kostenauslösende Maßnahme für erforderlich halten durfte.
Dies gilt auch, soweit Kosten für die Anfertigung von Fotokopien geltend gemacht werden. Der Kläger hat nicht dargelegt, welche Unterlagen er hat kopieren lassen, dementsprechend ist auch nicht feststellbar, dass der Kläger dies für erforderlich halten durfte.
Aus dem Ausgeführten (Gegenstandswert: 40.000 €; Gebührensatz: 1,8) ergibt sich bei Anwendung der hier noch maßgeblichen, bis zum 31.12.2020 geltenden Gebührentabellen eine Vergütung i.H.v. 2.514,95 € (einschließlich Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer).
Da der KSA für den Beklagten auf die Rechtsanwaltskosten unstreitig 2.193,65 € gezahlt hat, verbleibt eine Restforderung i.H.v. 321,30 €.
4) Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
5) Die Streitwertfestsetzung entspricht dem Interesse des Klägers an der mit der Klage begehrten Hauptsacheentscheidung.
Bei der Bewertung des Klageantrages 1. ist nicht auf den dort genannten Mindestbetrag von 60.000 € abzustellen, sondern auf den insgesamt begehrten Betrag von weiteren mindestens 155.000 €. Der Kläger hat in der Klageschrift nämlich ausdrücklich erklärt, dass das Gericht an die Bezifferung im Antrag nicht gebunden sein soll. Der Kläger wollte dem Gericht mit der Antragstellung und der diesbezüglichen Erläuterung auf Seite 23 der Klageschrift also die Möglichkeit einräumen, ihm ohne Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von (weiteren) 155.000 € zuzusprechen. Dieser Betrag ist daher für den Streitwert maßgeblich. Der Kläger verhält sich nämlich widersprüchlich, wenn er einerseits im Kosteninteresse einen Betrag von 60.000 € nennt, andererseits aber mit seiner Klage eine darüber deutlich hinausgehende Verurteilung ermöglichen will.
Den Klageantrag 2. bewertet das Gericht mit Blick auf die erheblichen Verletzungen des Klägers mit 20.000 €.
Der Klageantrag 3. hat keine Auswirkung auf den Streitwert (§ 43 GKG).
Der Streitwert beträgt somit insgesamt 175.000 €.