Gericht | OLG Brandenburg 6. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 07.05.2024 | |
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Aktenzeichen | 6 U 37/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0507.6U37.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 25.000 € festgesetzt.
I.
Der klagende Verein nimmt die Beklagte unter dem Vorwurf, bei der Werbung für verschiedene Produkte gegen Kennzeichnungspflichten verstoßen zu haben, auf wettbewerbliche Unterlassung und auf Zahlung einer Abmahnpauschale in Anspruch.
Die streitgegenständlichen Produkte – ein Fernseher, ein Geschirrspüler, ein Gefrierschrank, eine Kühl-Gefrierkombination, ein Kühlschrank und eine Waschmaschine – waren von Handelsgesellschaften an Endkunden verkauft, von diesen zurückgegeben und von den Handelsgesellschaften daraufhin an die Beklagte, die gewerblich mit Retourwaren handelt, verkauft worden. Die Beklagte bot die Artikel im Juli 2022 in ihrem Online-Shop zum Kauf an. In den einzelnen Inseraten (Anlagen K1-K6) hieß es jeweils:
„… B-Ware einwandfrei …
Zustand: Der Artikel kann zu Testzwecken ausgepackt und ausprobiert worden sein. Er ist in seiner Funktion einwandfrei. Die Verpackung kann beschädigt sein oder fehlen. …“
An anderer Stelle des Internetangebots der Beklagten war ausgeführt (Anlagen K12 und B8):
„Was ist B-Ware? Unsere B-Waren sind zumeist Retouren, die aufgrund minimaler optischer Mängel nicht die Anforderungen eines ‚neuen‘ Artikels erfüllen, oder zu Testzwecken kurzzeitig in Gebrauch genommen worden sind.“
Das Energielabel und das Produktdatenblatt der betreffenden Produkte waren in den Inseraten jeweils nicht dargestellt. Der Kläger mahnte die Beklagte deshalb mit Schreiben vom 18.07.2022 (Anlage K7) ab. Zugleich gab er ihr Gelegenheit zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und forderte er sie zur Erstattung der ihm durch die Abmahnung entstandenen Kosten in Höhe von pauschal 290 € bis zum 03.08.2022 auf. Die Beklagte wies die Forderung nach Abgabe einer Unterlassungserklärung mit der Begründung zurück, bei den beworbenen Produkten handele es sich um gebrauchte Artikel.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im Fernabsatz von TV-Geräten, Haushaltsgeschirrspülern, Gefrierschränken, Kühl-Gefrierkombinationen, Kühlschränken und Waschmaschinen nicht deren gesetzlich vorgeschriebene Energielabel und/oder das Produktdatenblatt bereitzustellen, wenn dies wie aus den Anlagen K1 bis K6 ersichtlich geschieht. Ferner hat es auf die Verpflichtung der Beklagten erkannt, an den Kläger 290 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.08.2022 zu zahlen. Es hat aus näher ausgeführten Erwägungen gemeint, dem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierten Kläger stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 3a, 5a, 5b Abs. 4 UWG i.V. mit Art. 4 lit. b), Anhang VIII Nr. 1 und 4 der Verordnungen (EU) 2019/2013, 2019/2014, 2019/2016 bzw. 2019/2017 diese wiederum i.V. mit der Verordnung (EU) 2017/1369 zu, da die Beklagte die streitgegenständlichen Produkte nicht in der danach gebotenen Weise gekennzeichnet habe. Der Umstand, dass es sich um Retourwaren gehandelt habe, rechtfertige keine andere Würdigung. Denn hieraus folge nicht, dass es sich um gebrauchte Produkte gehandelt habe.
Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie rügt eine fehlerhafte Auslegung der unionsrechtlichen Vorschriften. Zudem habe das Landgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass alle streitgegenständlichen Artikel erkennbare Gebrauchsspuren aufgewiesen hätten. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Sie beantragt der Sache nach,
das am 24.05.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin, Az. 7 O 46/22, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung, wobei auch er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der überreichten Unterlagen, im Übrigen auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die statthafte Berufung ist zulässig, insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Gegen das der Klage insgesamt stattgebende Urteil ist nichts zu erinnern.
1.
Die Klage ist zulässig.
a)
Der Unterlassungsantrag ist hinreichend bestimmt.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2019 – I ZR 184/17 – Energieeffizienzklasse III, GRUR 2019, 746, Rn. 15 m.w.N.).
Diesen Anforderungen trägt die Klage Rechnung. Der Unterlassungsantrag verweist hinsichtlich Inhalt und Darstellung der Informationen, die die Beklagte nach Ansicht des Klägers beim Fernabsatz der hier in Rede stehenden Produkte bereitzustellen hat, zwar lediglich auf deren „gesetzlich vorgeschriebene Energielabel und/oder das Produktdatenblatt“, also – wie dem weiteren Klagevorbringen zu entnehmen ist – die sich aus den Delegierten Verordnungen (EU) 2019/2013, 2019/2017, 2019/2016 und 2019/2014 für Händler im Fernabsatz ergebenden Anforderungen. Der insofern die gesetzlich geregelten Gebotstatbestände wiederholende Unterlassungsantrag ist dennoch zulässig, weil der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er keine Unterlassung im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Begehren an den konkreten Verletzungshandlungen orientiert und sich der zwischen den Parteien bestehende Streit, ob die beanstandeten Verhalten vom Geltungsbereich der Verordnung (EU) 2017/1369 und der auf deren Grundlage erlassenen Delegierten Verordnungen erfasst sind, auf die rechtliche Qualifizierung dieser Verhaltensweisen im Hinblick auf die Ausnahmevorschrift des Art. 1 Abs. 2 lit. a) VO (EU) 2017/1369 beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2015 – I ZR 224/13 – Kopfhörer-Kennzeichnung, GRUR 2015, 1021, Rn. 12).
b)
Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs befugt.
Nach der Vorschrift stehen die Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG denjenigen rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen zu, die in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG eingetragen sind, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt. Diese Voraussetzungen, die nicht nur im Zeitpunkt der beanstandeten Wettbewerbshandlung vorgelegen haben müssen, sondern als Sachurteilsvoraussetzung darüber hinaus in jeder Lage des Verfahrens – und damit auch im Berufungsrechtszug – gegeben sein müssen und von Amts wegen zu prüfen sind (vgl. BGH, Vorabentscheidungsersuchen vom 28.05.2020 – I ZR 186/17 – App-Zentrum, GRUR 2020, 896, Rn. 32; Urteil vom 13.09.2018 – I ZR 26/17 – Prozessfinanzierer, GRUR 2018, 1166, Rn. 12 jeweils m.w.N.) werden vom Kläger erfüllt.
Davon, dass der Kläger in die beim Bundesamt für Justiz nach § 8b UWG geführte Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragen ist, hat sich der Senat durch Einsichtnahme in die im Internetangebot der Behörde veröffentlichte Liste überzeugt. Dass dem Kläger eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Haushaltselektrogeräte und Geräte der Unterhaltungselektronik auf dem deutschen Markt über das Internet vertreiben, ist mit der als Anlage K10 zur Akte gereichten eidesstattlichen Versicherung der Frau D…H… vom 26.08.2022 und der hiervon umfassten Mitgliederliste glaubhaft gemacht. Danach gehören dem Kläger sowohl für den Internethandel mit Haushaltselektrogeräten als auch für den Internethandel mit Geräten der Unterhaltungselektronik mehr als 20 unmittelbare Mitglieder an, womit die Mitglieder in beiden maßgeblichen Märkten in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2015 – I ZR 158/14 – Der Zauber des Nordens, GRUR 2015, 1240, Rn. 14). Auf die Anzahl der mittelbaren Mitglieder des Klägers und darauf, ob es sich bei den in den vorgelegten Mitgliederlisten unter gleichen Firmen aufgeführten Mitgliedern jeweils um (eigenständige) Unternehmer handelt, kommt es nicht mehr an. Auch ist nicht zweifelhaft, dass die vom Kläger geltend gemachten Wettbewerbsverstöße nicht nur Interessen einzelner Mitbewerber der Beklagten betreffen, sondern die angegriffenen Handlungen in einem Zusammenhang mit den Belangen seiner in den betreffenden Branchen tätigen Mitglieder stehen und deren Interessen berühren.
2.
Die Klage ist begründet.
a)
Der streitgegenständliche Unterlassungsanspruch rechtfertigt sich zwar nicht – wie das Landgericht u.a. angenommen hat – aus § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG. Denn die Unlauterkeit der vorliegend in Rede stehenden Verletzung von die kommerzielle Kommunikation betreffenden Informationspflichten beurteilt sich nicht nach § 3a UWG, sondern nach § 5a Abs. 1 und § 5b Abs. 4 UWG (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2022 – I ZR 143/19 – Knuspermüsli II – GRUR 2022, 930, Rn. 16 ff.). Nach diesen Vorschriften i.V. mit § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 1 UWG, Art. 6 Satz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 und mit Art. 4 lit c), Ziffer 1 Satz 1 und Ziffer 4 Satz 1 des Anhangs VIII der Delegierten VO (EU) 2019/2013, mit Art. 4 lit. b), Ziffer 1 Satz 1, Ziffer 4 Satz 1 des Anhangs VIII der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2017, mit Art. 4 lit. b), Anhang VIII Ziffer 1 Satz 1, Ziffer 4 Satz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2016 bzw. mit Art. 4 lit. b), Anhang VIII Ziffer 1 Satz 1, Ziffer 4 Satz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2014 ist der Anspruch aber begründet.
aa)
Nach Art. 6 Satz 1 lit. a) der Verordnung (EU) 2017/1369 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2017 zur Festlegung eines Rahmens für die Energieverbrauchskennzeichnung und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/30/EU müssen Lieferanten und Händler in visuell wahrnehmbarer Werbung oder in technischem Werbematerial für ein bestimmtes Modell auf die Energieeffizienzklasse des Produkts und das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen gemäß dem einschlägigen delegierten Rechtsakt hinweisen.
Für Fernsehgeräte und andere elektronische Displays wird diese Verpflichtung durch die Delegierte Verordnung (EU) 2019/2013 der Kommission vom 11.03.2019 ergänzt und präzisiert (allg. zum Verhältnis der Verordnung [EU] 2017/1369 zu den delegierten Rechtsakten s. EuGH, Beschluss vom 05.10.2023 – C-761/22 – Verband Wirtschaft im Wettbewerb Verein für Lauterkeit in Handel und Industrie e. V. ./. Roller GmbH & Co. KG, GRUR 2024, 58, Rn. 32 ff.). Nach deren Art. 4 lit c) i.V. mit Ziffer 1 Satz 1 und Ziffer 4 Satz 1 des Anhangs VIII der Verordnung haben Händler beim Fernabsatz über das Internet sicherzustellen, dass Label und Produktdatenblatt, die gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. g) und h) der Verordnung vom Lieferanten bereitzustellen sind, auf dem Anzeigemechanismus in der Nähe des Produktpreises dargestellt werden. Entsprechende Pflichten treffen Händler beim Fernabsatz von Haushaltsgeschirrspülern gemäß Art. 4 lit. b) i.V. mit Anhang VIII Ziffer 1 Satz 1, Ziffer 4 Satz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2017, beim Fernabsatz von Kühlgeräten über das Internet gemäß Art. 4 lit. b) i.V. mit Anhang VIII Ziffer 1 Satz 1, Ziffer 4 Satz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2016 sowie beim Fernabsatz von Haushaltswaschmaschinen und Haushaltswaschtrocknern über das Internet gemäß Art. 4 lit. b) i.V. mit Anhang VIII Ziffer 1 Satz 1, Ziffer 4 Satz 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2014.
Gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. a) VO (EU) 2017/1369 gelten diese Verordnung und damit auch die Delegierten Verordnungen nicht für gebrauchte Produkte, sofern sie nicht aus einem Drittland importiert werden. Erwägung 5 VO (EU) 2017/1369 zufolge wird hiermit klargestellt, dass alle erstmals in der Union in Verkehr gebrachten Produkte, einschließlich importierter gebrauchter Produkte, in den Geltungsbereich der Verordnung fallen, nicht aber Produkte, die zum zweiten oder ein weiteres Mal auf dem Unionsmarkt bereitgestellt werden.
bb)
Die vom Kläger beanstandeten Inserate der Beklagten waren demnach gesetzeswidrig, weil diese keine Darstellungen des (Energie-)Labels und des Produktdatenblattes nach Ziffer 1 Satz 1, Ziffer 4 Satz 1 des Anhangs VIII der jeweils einschlägigen Delegierten Verordnungen beinhalteten.
(1)
Die Voraussetzungen nach Art. 6 Satz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 liegen vor.
Die Beklagte ist als eine juristische Person, die im Rahmen einer Geschäftstätigkeit entgeltlich Produkte an Kunden zum Kauf anbietet, Händlerin im Sinne von Art. 2 Nr. 13 VO (EU) 2017/1369 und damit Adressatin der durch Art. 6 Satz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 begründeten Pflicht, in visuell wahrnehmbarer Werbung für ein bestimmtes Modell auf die Energieeffizienzklasse des Produkts und das Spektrum der auf dem Etikett verfügbaren Effizienzklassen gemäß dem jeweils einschlägigen delegierten Rechtsakt hinzuweisen.
Die hier in Rede stehenden Haushaltsgeräte stellen Produkte dar (Art. 2 Nr. 1 VO [EU] 2017/1369), die in die von den vorgenannten Delegierten Verordnungen erfassten Produktgruppen fallen. Die inkriminierten Inserate waren visuell wahrnehmbare Werbung, nämlich Äußerungen bei der Ausübung eines Handels mit dem Ziel, den Absatz von Waren zu fördern (vgl. Art. 2 lit. a der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über irreführende und vergleichende Werbung, ABl. L 376, 21; s. auch BGH, Urteil vom 15.12.2015 – VI ZR 134/15 – „No-Reply“-E-Mails, GRUR 2016, 530, Rn. 16 m.w.N.). Die Inserate bezogen sich mit der Angabe des Namens des Herstellers und der Modellkennung jeweils auf ein bestimmtes Modell i.S. von Art. 2 Nr. 4 VO (EU) 2017/1369.
(2)
Die inkriminierten Inserate liegen auch nicht nach Art. 1 Abs. 2 lit. a) VO (EU) 2017/1369 außerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung. Denn hiermit sind keine gebrauchten Produkte beworben worden.
Ausgehend vom natürlichen Wortsinn, wonach unter gebrauchten Produkten solche zu verstehen sind, die in Gebrauch genommen, also ihrer Bestimmung gemäß verwendet worden sind, erfasst die Vorschrift nur Produkte, die bereits in Betrieb bzw. bestimmungsgemäße Benutzung genommen worden sind, bevor sie ein zweites oder weiteres Mal auf dem Markt bereitgestellt wurden (vgl. Abänderung 4 der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zum Vorschlag der Kommission vom 06.07.2016, Dokument TA/2016/304/P8). Dem entspricht das Verständnis, das dem Begriff gebrauchter Produkte auch in anderen Rechtsakten der Europäischen Union beigemessen wird (s. etwa Erwägung 3 der VO [EU] 2017/745: „Mit dieser Verordnung sollen nicht die Vorschriften harmonisiert werden, die die weitere Bereitstellung auf dem Markt von bereits in Betrieb genommenen Medizinprodukten, etwa im Zusammenhang mit dem Verkauf gebrauchter Produkte, betreffen“; nahezu wortgleich Erwägung 3 der VO [EU] 2017/746; vgl. auch Magnus, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, 40. Auflage 2009, RL 1999/44/EG, Art. 7, Rn. 15).
Anderes ergibt sich auch nicht aus Erwägung 5 Satz 2 VO (EU) 2017/1369. Die gegenteilige Auffassung der Berufung, hieraus sei abzuleiten, die Pflicht zur Energieverbrauchskennzeichnung entfalle bereits ab der zweiten Bereitstellung auf dem Unionsmarkt, ohne dass es auf einen zwischenzeitlichen Gebrauch des Produkts ankomme, ließe die Verordnung weitgehend leerlaufen. Denn die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Unionsmarkt liegt nach der Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 8 VO (EU) 2017/1369 bereits im Inverkehrbringen des Produkts. Die Kennzeichnungspflicht träfe dann allein den Lieferanten (Art. 2 Nr. 14), sodass das Ziel der Verordnung, den Kunden (Art. 2 Nr. 16) in die Lage zu versetzen, sachkundige Entscheidungen auf der Grundlage des Energieverbrauchs von energieverbrauchsrelevanten Produkten zu treffen, um ihren Energieverbrauch zu verringern (s. Erwägung 2 Satz 1 und Art. 1 Satz 2), allein im Falle des unmittelbaren Erwerbs des Kunden vom Lieferanten erreicht würde. Eine solche Lesart der Erwägung 5 wäre daher ganz offensichtlich mit der Verordnung, die von mehrgliedrigen Lieferketten ausgeht (s. Erwägung 22) und neben den Pflichten der Lieferanten (Art. 3, 4, 6) explizit – nach der Auffassung der Beklagten praktisch gegenstandslose – Pflichten der Händler als Mittler zwischen Lieferanten und Kunden statuiert (Art. 5, 6), nicht zu vereinbaren. Die für sich betrachtet missverständliche Formulierung in Erwägung 5 Satz 2 VO (EU) 2017/1369 ist vor diesem Hintergrund nicht geeignet, ernstliche Zweifel an dem nach Wortlaut und Regelungsziel der Verordnung eindeutigen Auslegungsergebnis zu wecken, wonach es für die Annahme eines gebrauchten Produkts im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. a) VO (EU) 2017/1369 nicht allein auf die Anzahl der Bereitstellungen dieses Produkts auf dem Unionsmarkt ankommt.
Dass mit den inkriminierten Inseraten in diesem Sinne gebrauchte Produkte zum Kauf angeboten worden sind, ist nicht festzustellen. Dabei kommt es nicht auf den tatsächlichen Zustand derjenigen Produkte an, mit denen die Beklagte auf Grundlage der Inserate etwaig zu Stande kommende Kaufverträge zu erfüllen beabsichtigte. Insbesondere kann daher offen bleiben, ob die hier beworbenen Geräte – wie die Beklagte behauptet und der Kläger, entgegen dem Berufungsvorbringen, bestritten hat – tatsächlich erkennbare Gebrauchsspuren aufwiesen. Der Gegenstand der Kaufverträge, auf deren Abschluss die Inserate abzielten, ist vielmehr danach zu bestimmen, wie der angesprochene Verkehrskreis die Inserate verstehen musste. Diese Frage kann der Senat anhand des üblichen Sprachgebrauchs und allgemeiner Lebenserfahrung selbst beantworten, da sich die Inserate an ein allgemeines Publikum richten, sodass die Senatsmitglieder dem angesprochenen Verkehrskreis angehören. Nach diesem Maßstab ist den Inseraten nicht zu entnehmen, dass hiermit gebrauchte Produkte beworben wurden.
Die Bezeichnung als „B-Ware“ lässt nicht darauf schließen, dass die Geräte bereits bestimmungsgemäß benutzt worden sind. Der Begriff knüpft an die in vielen Bereichen gebräuchliche Qualitätskennzeichnung nach mit alphabetisch aufsteigenden Buchstaben benannten Kategorien an, die beispielsweise dem Handelsklassenschema für Hühnereier nach der Verordnung (EU) 1308/2013 zu Grunde liegt und die sich auch in der Bezeichnung der Energieeffizienzklassen nach der hier in Rede stehenden Verordnung (EU) 2017/1369 und den auf deren Grundlage erlassenen Delegierten Verordnungen widerspiegelt. Er wird nach mittlerweile üblichem Sprachgebrauch als Oberbegriff für Artikel verwendet, die aus unterschiedlichen Gründen aus dem normalen Verkauf herausfallen, etwa weil sie mit kleineren Mängeln behaftet sind, ihre Originalverpackung fehlt oder beschädigt ist (s. etwa test, Ausgabe 12/2023, „Geld sparen mit B-Ware“). Auch fallen hierunter sog. „Ladenhüter“ (vgl. LG Essen, Urteil vom 25.02.2016 – 43 O 83/15, GRUR-RS 2016, 05609, Rn. 44) oder Artikel, die bereits – etwa als Retouren aus dem Versandhandel – einmal ausgepackt, vorgeführt oder repariert worden sind (vgl. LG Karlsruhe, Urteil vom 28.09.2007 – Ns 84 Js 5040/07, BeckRS 2007, 17333). Dass die Artikel darüber hinaus bereits ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung zugeführt worden waren, ist damit nicht ausgedrückt (OLG Hamm, Urteil vom 16.01.2014 – I-4 U 102/13, ZVertriebsR 2014, 248).
Diesem Verständnis entspricht die Beschreibung der Geräte in den hier in Rede stehenden Inseraten der Beklagten, wonach die Artikel „zu Testzwecken ausgepackt und ausprobiert worden sein“ können und deren Verpackung beschädigt sein oder fehlen kann. Hinweise auf einen Betrieb, der über eine zu Testzwecken durchgeführte Probe hinausgeht, beinhalten die Inserate nicht. Erst recht lässt sich diesen nichts dafür entnehmen, dass die Geräte – wie die Beklagte behauptet – erkennbare Gebrauchsspuren aufwiesen. Vielmehr legen die unstreitig im Internetauftritt der Beklagten abrufbar gewesenen Erläuterungen zu den von ihr für die Beschreibung ihrer Produkte verwendeten Kategorien „neuwertig“, „einwandfrei“, „gebraucht“ und „sonstiges“ das Gegenteil nahe. Denn danach weisen Artikel lediglich in den Kategorien „gebraucht“ und „sonstiges“ (leichte) Gebrauchsspuren auf. Bei Waren, die – wie die in den inkriminierten Inseraten beworbenen Geräte – als „einwandfrei“ kategorisiert sind, ist hingegen auch nach diesen Erläuterungen lediglich zu erwarten, dass die Artikel „zu Testzwecken ausgepackt und ausprobiert worden“ sind. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass nach dem Vortrag der Beklagten in der Fußleiste ihrer Internetseite darauf hingewiesen wird, ihre „B-Waren sind Retouren, die aufgrund minimaler optischer Mängel nicht die Anforderungen eines ‚neuen‘ Artikels erfüllen, oder zu Testzwecken kurzzeitig in Gebrauch genommen worden sind.“
Vor diesem Hintergrund kann sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg darauf berufen, in der Praxis sei regelmäßig nicht zu ermitteln, ob und in welchem Umfang die Geräte, die sich möglicherweise über mehrere Wochen im Besitz der Erstkäufer befunden haben, von diesen genutzt worden sind. Denn nach der Beschreibung der vorgenannten Kategorien nimmt die Beklagte für sich gerade die Fähigkeit in Anspruch, unterscheiden zu können, ob ein Artikel „kurze Zeit in Benutzung [war] und … daher leichte Gebrauchsspuren aufweisen [kann]“ und deshalb als „gebraucht“ zu kategorisieren ist, oder aber lediglich zu Testzwecken ausgepackt und probiert worden sein kann, und deshalb in die Kategorie „einwandfrei“ einzuordnen ist.
Aus denselben Erwägungen vermag die Beklagte nicht mit dem Einwand durchzudringen, bei den streitgegenständlichen Elektroartikeln bestehe wegen des Versands zum und vom Erstkäufer eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für erschütterungsbedingte Schäden der Elektronik. Nach der Zustandsbeschreibung aller Inserate konnte der Käufer nämlich einwandfrei funktionierende Geräte erwarten. Die Fragen, ob bei Retouren hochwertiger Elektroartikel eine (nennenswert) höhere Wahrscheinlichkeit für die von der Beklagten behaupteten Schäden an der Elektronik besteht und ob Interessenten nach den streitgegenständlichen Inseraten überhaupt davon ausgehen mussten, dass es sich um Retourwaren handelt, können daher an dieser Stelle dahingestellt bleiben.
Eine andere Würdigung rechtfertigt sich allerdings auch nicht, wenn zu Gunsten der Beklagten unterstellt wird, der angesprochene Verkehrskreis schließe aus ihrer in den Inseraten genannten Firma „R…“ und dem dort wiedergegebenen, an das universelle Recycling-Zeichen erinnernden Firmenlogo, dass alle in dem Online-Shop angebotenen Produkte Retourwaren sind. Denn hieraus ergibt sich nach dem Vorstehenden nicht, dass es sich bei diesen Waren um gebrauchte Produkte handelt.
cc)
Die weiteren Voraussetzungen nach § 5a Abs. 1, § 5b Abs. 4 UWG sind ebenfalls gegeben.
Bei dem (Energie-)Label und dem Produktdatenblatt, dass der Händler nach Art. 6 Satz 1 lit. a) VO (EU) 2017/1369 i.V. mit Ziffer 1 Satz 1, Ziffer 4 Satz 1 des Anhangs VIII der nach dem Vorstehenden jeweils einschlägigen Delegierten Verordnungen bei visuell wahrnehmbarer Werbung darzustellen hat, handelt es sich um wesentliche Informationen (§ 5b Abs. 4 UWG), die der Verbraucher benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten dazu geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Informationen über effiziente und nachhaltige energieverbrauchsrelevante Produkte versetzen den Kunden nämlich in die Lage, sachkundige Entscheidungen auf der Grundlage des Energieverbrauchs von energieverbrauchsrelevanten Produkten zu treffen (s. Erwägung 2 VO [EU] 2017/1369). Das Fehlen dieser Informationen ist daher geeignet, die angesprochenen Verbraucher dazu zu bewegen, ein Produkt zu erwerben, das sie in Kenntnis des Energieverbrauchs möglicherweise nicht in Betracht gezogen hätten (vgl. BGH, Urteil vom 13.09.2018 – I ZR 117/15 – YouTube-Werbekanal II, a.a.O., Rn. 46 ff. m.w.N.).
dd)
Die für den Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr ist aufgrund des festzustellenden Wettbewerbsverstoßes zu vermuten.
b)
Die Forderung des Klägers nach Ersatz seiner für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen rechtfertigt sich aus § 13 Abs. 3 UWG. Der insofern geltend gemachte Pauschalbetrag von 290 € ist hinreichend substantiiert dargelegt und von der Beklagten nicht bestritten. Die insofern erhobene Zinsforderung begründet sich aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB.
3.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, §§ 711, 709 Satz 2 ZPO.
Anlass für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze, sodass die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
Auch ist eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV nicht veranlasst. Im Streitfall stellt sich gemäß den vorstehenden Ausführungen keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Insbesondere unterliegt es aus den ausgeführten Erwägungen keinem Zweifel, dass die Vorschrift des Art. 1 Abs. 2 lit. a) VO (EU) 2017/1369, die gebrauchte Produkte (sofern diese nicht aus einem Drittland importiert werden) vom Geltungsbereich der Verordnung ausnimmt, nur solche Produkte erfasst, die zum Zeitpunkt der betreffenden Bereitstellung auf dem Unionsmarkt bereits in Gebrauch genommen waren.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 51 Abs. 2 Satz 1 GKG.