Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 23.05.2024 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 S 25/24 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0523.OVG1S25.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123 VwGO, § 14 Abs 1 BbgStrG, § 18 Abs 1 BbgStrG, § 2 Abs 13 BbgMobG, § 25 Abs 2 BbgMobG, § 1 eKFV, § 11 Abs 5 eKFV |
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 19. Februar 2024 wird geändert. Der Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig eine Sondernutzungserlaubnis für den Betrieb von 300 E-Rollern zu erteilen, hilfsweise für den Betrieb von „mindestens“ 200 E-Rollern, wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird für beide Instanzen auf je 67.200 EUR festgesetzt.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt die Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht mit der für die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache im vorläufigen Rechtsschutzverfahren erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.
A. Die Antragstellerin stellt bereits seit 2022 im sog. Freefloating-Modell E-Roller zur Miete im Stadtgebiet der Antragsgegnerin zur Verfügung und erhielt dafür jeweils befristete Sondernutzungserlaubnisse. Freefloating-Modell bedeutet, dass das Abholen und/oder Zurückbringen der E-Roller nicht nur an einem bestimmten Ort möglich ist, sondern die Fahrzeuge an jedem beliebigen Ort innerhalb eines definierten Gebietes in Betrieb genommen und zurückgegeben werden können. Sie beantragte mit Schreiben vom 11. Dezember 2023 die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Jahr 2024 zum Anbieten von 300 E-Rollern im Stadtgebiet der Antragsgegnerin sowie in den Ortsteilen G____, S____ und L____.
Ohne Anhörung lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag mit Bescheid vom 21. Dezember 2023 ab. Dagegen erhob die Antragstellerin am 28. Dezember 2023 Widerspruch und stellte am 11. Januar 2024 einen vorläufigen Rechtsschutzantrag, gerichtet auf die vorläufige Verpflichtung zur Erteilung der Sondernutzungserlaubnis. Das Verwaltungsgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 19. Februar 2024 festgestellt, das gewerbliche Anbieten von Elektrokleinstfahrzeugen im Gebiet der Antragsgegnerin unterfalle dem Gemeingebrauch und bedürfe daher keiner Sondernutzungserlaubnis.
B. Die dagegen seitens der Antragsgegnerin erhobene Beschwerde hat Erfolg.
Der Senat lässt dahinstehen, ob das Erstgericht mit seiner vorläufigen Feststellung der Erlaubnisfreiheit für das Anbieten der E-Roller bereits entgegen § 88 i. V. m. § 122 Abs. 1 VwGO über das Begehren der Antragstellerin hinausgegangen ist. Sowohl mit der Feststellung der Erlaubnisfreiheit des Vorhabens als auch mit der von der Antragstellerin erstinstanzlich begehrten vorläufigen Verpflichtung zur Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Aufstellen von 300, „mindestens“ 200 E-Rollern im Stadtgebiet der Antragsgegnerin sowie in drei Ortsteilen für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2024 würde eine Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen werden, da die Antragstellerin in beiden Fällen bereits ihr endgültiges Ziel erreichen würde. Eine bestands- bzw. rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache kann innerhalb dieses Zeitraums voraussichtlich nicht erlangt werden.
Eine solche Vorwegnahme der Hauptsache ist dem vorläufigen Rechtschutzverfahren grundsätzlich fremd und kommt nur ausnahmsweise im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG in Betracht. Voraussetzung hierfür ist, dass nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Obsiegen in der Hauptsache mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Rechtsschutzsuchenden anderenfalls schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die nachträglich durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rückgängig gemacht werden können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2011 - BVerwG 7 VR 6.11 - juris Rn. 6; BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 10 C 9.12 - BVerwGE 146, 189, juris Rn. 22; OVG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 28. April 2017 - OVG 3 S 23.17 - juris Rn.1).
Unabhängig von der Frage, ob der Antragstellerin bei einem Verweis auf ein Hauptsacheverfahren schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, kann sie mit ihrem Begehren bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil sie einen Anordnungsanspruch nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht hat, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.
Insbesondere hat sie nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, dass die von ihr beabsichtigte Art der Nutzung des öffentlichen Straßenraums dem Gemeingebrauch unterfällt (I.). Sollte sie einer Sondernutzungserlaubnis bedürfen, hat sie nicht glaubhaft gemacht, dass ihr ein Anordnungsanspruch auf Erteilung einer solchen für das Angebot von 300 E-Rollern (II.), oder „mindestens“ von 200 E-Rollern zusteht (III.). Schließlich vermag sie auch mit ihrem Bescheidungsbegehren nicht durchzudringen (IV.).
I. Die Antragsgegnerin weist zu Recht darauf hin, dass sich die Frage, ob das gewerbliche Anbieten von E-Rollern auf öffentlicher Verkehrsfläche einer Sondernutzungserlaubnis bedarf oder dem Gemeingebrauch unterfällt, nicht bereits anhand der bisherigen Rechtsprechung des Senats beantworten lässt. Denn soweit das Verwaltungsgericht Potsdam für seine gegenteilige Auffassung auf den Beschluss des Senats vom 26. Oktober 2022 im Verfahren OVG 1 S 56/22 (NVwZ 2023, 184 sowie juris) Bezug nimmt, hat es übersehen, dass der Senat in der genannten Entscheidung ausdrücklich offengelassen hat, ob seine zum stationsungebundenen Car-Sharing im Land Berlin ergangene Entscheidung auf die Situation von Mietfahrrädern oder von E-Scootern entsprechende Anwendung finden kann (Beschlussabschrift, S.6).
Die jetzt entscheidungserhebliche Frage, ob sich die Antragstellerin bei der von ihr beabsichtigten Nutzung öffentlichen Straßenraums durch das Bereitstellen und Vermieten von E-Roller im Freefloating-Modell noch im Rahmen des Gemeingebrauchs bewegt oder ob diese Art der Nutzung schon eine Sondernutzung darstellt, betrachtet der Senat im jetzigen Verfahrensstand als offen. Jedenfalls hat die Antragstellerin nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht hat, dass es sich bei der von ihr beabsichtigen Art der Nutzung öffentlichen Straßenraums noch um Gemeingebrauch handelt.
a) Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 des Brandenburgischen Straßengesetzes vom 28. Juli 2009 (in der Fassung vom 5. März 2024 (GVBl. S. 79), im Folgenden: BbgStrG,) steht der Gebrauch einer öffentlichen Straße im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen jedermann offen. Entsprechendes bestimmt § 1 Abs. 3 der Satzung über die Erlaubnisse und Gebühren für die Sondernutzungen an öffentlichen Straßen für das Stadtgebiet von O____ (in der Fassung vom 12. Dezember 2016 - im Folgenden: Sondernutzungssatzung). Lediglich der Gebrauch der öffentlichen Straße über den Gemeingebrauch hinaus ist eine Sondernutzung, die der Erlaubnis bedarf (§ 18 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BbgStrG, § 1 Abs. 4 Satz 1 der Sondernutzungssatzung).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts bestimmt das bundesrechtlich abschließend geregelte Straßenverkehrsrecht, inwieweit eine zulässige Teilnahme am Straßenverkehr und mithin keine Sondernutzung vorliegt, wenn die Straße straßenrechtlich dem öffentlichen Verkehr und insbesondere dem unbeschränkten Kraftfahrzeugverkehr gewidmet ist (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1984 - 2 BvL 10/82 - BVerfGE 67, 299 ff., juris Rn. 65; BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1982 - 7 C 73.79 - Buchholz 442.151 § 12 StVO Nr. 5; juris Rn. 11 m.w.N.). Der Verkehr ist zwar in erster Linie auf Fortbewegung angelegt („fließender Verkehr“), umfasst notwendigerweise aber auch, dass ein Fahrzeug zwischen den „fließenden“ Verkehrsvorgängen abgestellt wird („ruhender Verkehr“, OVG Hamburg, Beschluss vom 19. Juni 2009 - 2 Bs 82/09 - juris Rn.6). Daher ist auch das Parken von Kraftfahrzeugen, das § 12 Abs. 2 StVO als verkehrsüblichen und gemeinverträglichen Vorgang des ruhenden Verkehrs regelt, hinsichtlich seiner Zulässigkeit ausschließlich nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen (BVerwG, a. a. O.), und zwar unabhängig davon, wie viele Personen und Fahrzeuge jeweils am Verkehr teilnehmen und ob sich Probleme aus der "massenhaften" oder gefährlichen Ausübung der danach zugelassenen Verkehrsarten für die Verkehrsteilnehmer oder für Außenstehende ergeben (BVerfG, a. a. O. Rn. 67).
Für die Beurteilung der Frage, ob sich ein Fahrzeug vorrangig zu Verkehrszwecken oder verkehrsfremd im öffentlichen Straßenraum bewegt bzw. parkt, ist eine auf die objektiven Gegebenheiten abstellende Gesamtschau aus der Perspektive eines objektiven Betrachters vorzunehmen; auf subjektive Motive des Straßennutzers, die in den konkreten Umständen der Straßenbenutzung nicht hervortreten, kommt es nicht an (BVerwG, Beschluss vom 28. August 2012 - 3 B 8/12 - Buchholz 407.4 § 8 FStrG, juris Rn. 12 ff.; BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1982, a. a. O. Rn. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Oktober 2022, a.a.O.).
b) Bei der mithin vorzunehmenden Gesamtschau lassen sich zwischen der vom Senat im Beschluss vom 26. Oktober 2022 (a. a. O.) behandelten Nutzung der Straße in Gestalt des stationsungebundenen Car-Sharings und der beabsichtigten Nutzung des Straßenraums durch das Angebot von E-Rollern in der von der Antragstellerin betriebenen Form Unterschiede feststellen (worauf etwa M. Kaufmann, NVwZ 2021, 745, 749, zutreffend hinweist), die eine Qualifizierung der hier in Frage stehenden Nutzung als Gemeingebrauch nicht mit der für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderliche Gewissheit erlauben.
aa) Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BbgStrG ist nur der Gebrauch der Straßen „innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen“ als Gemeingebrauch zulässig. Fraglich ist, ob sich die Nutzung der Straße in der von der Antragstellerin praktizierten Form noch innerhalb dieser Grenzen bewegt. So stellt sie - wie sich aus den vorliegenden Bildern ergibt und von ihr auch nicht in Frage gestellt wird - die zur Anmietung bereitgestellten E-Roller nicht einzeln, sondern regelmäßig in größeren Einheiten von mehreren E-Rollern auf dem Gehweg auf. Dadurch wird der öffentliche Straßenraum für Fußgänger in mitunter erheblicher Weise begrenzt und eingeschränkt. Darüber hinaus kommt es - wie sich ebenfalls aus den vorliegenden Bildern ergibt - in nicht unerheblichem Umfang durch auf Fuß- und Radwegen nicht ordnungsgemäß abgestellte, umgeworfene oder umgefallene E-Roller zu Behinderungen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es in diesem Zusammenhang ohne Belang, ob die genannten Behinderungen durch die Antragstellerin selbst beim Aufstellen der Fahrzeuge, durch die Nutzer beim Abstellen der Fahrzeuge oder durch Dritte durch Verstellen oder Umwerfen der abgestellten Fahrzeuge verursacht werden. Die genannten Vorgänge sind jedenfalls typische und häufige Folge der von ihr angebotenen Nutzung und dürften ihr daher zurechenbar sein. Hinzukommt, dass bei dem Angebot von E-Rollern im Freefloating-Modell oftmals planmäßig mehr Fahrzeuge im Verkehrsraum verteilt werden, als voraussichtlich genutzt werden (vgl. hierzu etwa A. Kaufmann/J. Kurczinski, NZV 2024, 207, 208 m.w.N.).
bb) Wird grundsätzlich auch der ruhende Verkehr vom Gemeingebrauch erfasst, wird dieser Verkehrsbezug allerdings dann aufgehoben, wenn ein aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht umgehend betriebsbereites oder ein vorrangig zu anderen Zwecken als zur Inbetriebnahme abgestelltes Fahrzeug den öffentlichen Straßengrund in Anspruch nimmt und somit - nicht anders als jeder beliebige sonstige körperliche Gegenstand - zu einer auf die Straße aufgebrachten verkehrsfremden „Sache“ wird. So ist das Abstellen eines nicht betriebsbereiten Kraftfahrzeuges kein Parken i. S. d. § 12 StVO und damit auch kein Gemeingebrauch i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 BbgStrG, sondern Sondernutzung. Denn Voraussetzung für ein Parken im Rechtssinn ist es, dass es sich um ein zum Straßenverkehr zugelassenes und jederzeit (technisch) betriebsbereites Kraftfahrzeug handelt. Wenn dieses objektive Merkmal der Möglichkeit einer jederzeitigen Inbetriebnahme des Kraftfahrzeugs nicht gegeben ist, kann eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung der Straße vorliegen (vgl. OVG Münster, Urteil vom 17. September 2020 - 11 A 2961/19 - juris Rn. 46). Derartige Vorgänge fallen aus der Widmung zum Verkehr und damit aus dem Gemeingebrauch heraus, da sie nicht „zum Verkehr“ geschehen (vgl. zu allem BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1984 - 2 BvL 10/82 – juris Rn. 70 ff; BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1982, a. a. O. Rn. 11; OVG Hamburg, Beschluss vom 19. Juni 2009, a.a.O., juris Rn 6).
Der Senat verkennt nicht, dass E-Roller gemäß § 1 der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung - eKFV vom 6. Juni 2019 [BGBl. I S. 756]) als Elektrokleinstfahrzeuge einzustufen sind. Als solche finden gemäß § 11 Abs. 5 eKFV die für Fahrräder geltenden Parkvorschriften entsprechende Anwendung mit der Folge, dass auch das Abstellen von E-Rollern auf Gehwegen vorbehaltlich der Grundregel des § 1 Abs. 2 StVO grundsätzlich ohne Einschränkungen möglich ist (vgl. OVG Hamburg, a.a.O., juris Rn. 7). Wie dargelegt, setzt allerdings die Teilnahme auch eines parkenden Fahrzeugs am Straßenverkehr voraus, dass es zugelassen und jederzeit betriebsbereit ist. Dass dies auch hinsichtlich der von der Antragstellerin betriebenen Fahrzeuge in ausreichendem Umfang gewährleistet ist, hat sie nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Die von ihr für die Anmietung durch einzelne Nutzer im Freefloating-Modell zur Verfügung gestellten E-Roller mögen zwar bei ihrer Aufstellung durch die Antragstellerin betriebsbereit sein. Allerdings kommt es - anders als bei Car-Sharing-Fahrzeugen - regelmäßig vor und ist Teil des Vertriebsmodells auch der Antragstellerin, dass die E-Roller auch dann an jedem beliebigen (vertraglich zugelassenen) Ort zurückgelassen werden können, wenn sie defekt sind oder der Akku leer ist. Möglich ist auch, dass ein Fahrzeug längere Zeit nicht gemietet wird und sich der Akku daher bereits während der Standzeit entladen hat. In all diesen - systemimmanent vorkommenden - Fällen ist die jederzeitige Inbetriebnahme des Fahrzeugs und eine bestimmungsgemäße Teilnahme am Verkehr nicht möglich. Die Antragstellerin hat selbst angegeben, es sei „völlig natürlich, dass Mietfahrzeuge im Rahmen des Einsatzes verkehrsuntüchtig werden können“. Werde dies erkannt, würden die Fahrzeuge entfernt werden. Es sei denknotwendig als Annex von der bestehenden Sondernutzung erfasst, dass Fahrzeuge, die nach dem gewerblichen Einbringen auf die Straße verkehrsuntüchtig geworden sind, dort noch weiter stehen können, bis sie möglichst zeitnah entfernt werden (Antragsschrift S.26).
Abgesehen davon, dass die Antragstellerin hierbei selbst von einer Sondernutzung ausgeht, hat sie mit diesem Vorbringen weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass eine fehlende Betriebsfähigkeit der Fahrzeuge umgehend behoben wird. Denn nach ihren Angaben erfolgt ein Entfernen der fahruntüchtigen Fahrzeuge, „wenn dies erkannt werde“ mit der Konsequenz, dass - sollte die Betriebsunfähigkeit nicht erkannt werden - die Fahrzeuge auch länger im öffentlichen Straßenraum stehenbleiben. Soweit sie ferner darauf hinweist, dass fahrunfähige Fahrzeuge „möglichst zeitnah“ entfernt werden würden, hat sie auch damit nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, in welchem Zeitraum die Entsorgung stattfindet bzw. stattfinden kann. Soweit sie im Schriftsatz vom 29. Januar 2024 behauptet, im Sondernutzungszeitraum Juli bis Dezember 2023 habe „die Lage auf der Straße deutlich optimiert werden können“ (Schriftsatz S.20) bzw. im Schriftsatz vom 12. April 2024 mitteilt, die Fahrzeuge würden regelmäßig zur Wartung in die Werkstatt gebracht (Schriftsatz S.3), ergibt sich daraus nichts anderes. Gleiches gilt für ihr Angebot an die Antragsgegnerin zur Mitarbeit bei der Evaluation und Optimierung der Prozesse. Die Antragstellerin hat mithin nicht glaubhaft gemacht, dass die Betriebsbereitschaft ihrer Fahrzeuge unmittelbar wiederhergestellt wird. Vielmehr kann nach ihren Angaben einige Zeit verstreichen, bis das Fahrzeug nach Austausch des Akkus wieder in Betrieb genommen werden kann, wobei sich der Austausch der Akkus vor Ort als verkehrsfremder Vorgang darstellen würde. Gleiches gilt für den Umstand, dass die E-Roller in einer Weise beschädigt sind, die zur Fahrunfähigkeit führt. Denn auch wenn - wie die Antragstellerin behauptet - die Reparatur nicht auf der Straße, sondern in einer Werkstatt durchgeführt wird, steht der fahruntüchtige E-Roller bis zur Abholung durch das Servicepersonal im Verkehrsraum, ohne betriebsbereit zu sein. Auch insoweit hat die Antragstellerin - wie dargelegt - nicht glaubhaft gemacht, dass die Abholung zeitnah erfolgt.
Ferner hat die Antragstellerin nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Zeiten, in denen aus technischen Gründen die jederzeitige Inbetriebnahme des E-Rollers nicht möglich ist, so ungewöhnlich oder selten sind, dass dadurch der Verkehrsbezug nicht unterbrochen werden kann. Denn auftretende technische Defekte, insbesondere aber leere Akkus, gehören bei der Vermietung von E-Rollern mit einer begrenzten Akkuleistung zum normalen Betriebsablauf, zumal bei einem Angebot von 300 Fahrzeugen.
cc) Die Frage, ob sich das Erfordernis einer Sondernutzungserlaubnis des von der Antragstellerin geplanten Anbietens von E-Rollern im Free-Floating-Modell auch daraus ableiten lässt, dass die im öffentlichen Straßenraum abgestellten E-Roller als Aufforderung zum Abschluss eines Mietvertrages anzusehen sind und der Mietvertrag über den für den Abschluss eines Mietvertrages unentbehrlichen E-Roller erst auf der Straße zustande kommt (OVG Münster, Beschluss vom 20. November 2020 – 11 B 1459/20 – juris Rn. 35 ff für Mietfahrräder; OVG Münster, Beschluss vom 26. Oktober 2023 – 11 A 339/23 – juris Rn. 52 ff für E-Scooter), bedarf angesichts der obigen Ausführungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren keiner Entscheidung. Bedenken könnten insoweit deshalb bestehen, weil ausweislich der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin bereits durch den (erfolgreichen) Registrierungsabschluss über die App ein Nutzungsvertrag zwischen der Antragstellerin und dem Nutzer zustande kommt (§ 2 Abs. 2 der AGB). Wird dann ein Fahrzeug über die App reserviert, unterbreitet der Nutzer durch einen „Klick“ auf die Schaltfläche „Kostenpflichtig starten“ in der App ein verbindliches Angebot zur Miete, das durch Freischalten des Fahrzeuges durch die Antragstellerin angenommen wird (§ 4 Abs. 3 der AGB). Ob ein auf diese Art und Weise abgeschlossener Mietvertag die Annahme des Erfordernisses einer Sondernutzungserlaubnis rechtfertigen oder ob darin nicht lediglich eine Art „Schlüsselübergabe“ in digitaler Form gesehen werden kann, bleibt einer Prüfung und Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.
dd) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergibt sich die Zuordnung der beabsichtigten Nutzung der Antragstellerin zum Gemeingebrauch auch nicht aus den Regelungen des Mobilitätsgesetzes des Landes Brandenburg vom 9. Februar 2024 (BbgMobG - GVBl. S. 24). Zwar wird gem. § 2 Abs. 13 BbgMobG auch die Nahmobilität mit Elektrokleinstfahrzeugen von dem Gesetz erfasst. Allerdings enthält das Gesetz keine Regelungen zur straßenrechtlichen Einordnung der im Gesetz genannten Mobilitätsformen. Zudem lässt die Regelung in § 25 Abs. 2 BbgMobG eher den Schluss zu, dass das Gesetz in erster Linie stationsbasierte Modelle bei den Elektrokleinstfahrzeugen im Blick hat, nicht das von der Antragstellerin beabsichtigte Freefloating-Modell. Gleiches gilt im Ergebnis auch in Bezug auf die Ausführungen der Antragstellerin zur Verkehrswende und urbanen Mobilität. Ob insoweit Gemeingebrauch angenommen werden kann oder eine Sondernutzung vorliegt, ergibt sich erst aus der konkret beabsichtigten oder bereits realisierten Nutzung. Dass die hier von der Antragstellerin konkret beabsichtigte Nutzung dem Gemeingebrauch zuzuordnen ist, hat die Antragstellerin - wie oben dargelegt - nicht glaubhaft gemacht.
II. Bedarf die Antragstellerin nach allem mangels hinreichend sicherer Feststellbarkeit des Gemeingebrauchs einer Sondernutzungserlaubnis - so wie sie dies auch beantragt hat -, so hat sie keinen Anordnungsanspruch hierauf mit dem für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Die Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis steht gem. § 18 Abs. 2 Satz 3 BbgStrG im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Damit der Antragstellerin daher ein Anspruch auf Erteilung einer straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis zusteht, müsste das der Behörde zustehende Ermessen „auf Null“ reduziert sein, d.h. jede andere Entscheidung als die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis an die Antragstellerin müsste ermessensfehlerhaft sein. Dies hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.
Ihr ist zwar darin zuzustimmen, dass die Antragsgegnerin die ohne vorherige Anhörung ergangene Versagung des Antrags auf der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis mit Bescheid vom 21. Dezember 2023 nicht darauf hätte stützen dürfen, dass die Antragstellerin die nach § 4 Abs. 3 der Sondernutzungssatzung erforderlichen Angaben nicht gemacht habe. Denn bereits in der Vergangenheit hat die Antragsgegnerin Sondernutzungserlaubnisse an die Antragstellerin ausgereicht, ohne dass diese die nunmehr geforderten Angaben gemacht hatte. Wenn die Antragsgegnerin daher nunmehr zu dem Schluss gekommen ist, diese Angaben seien für die Entscheidung über den Antrag erforderlich, so hätte sie die Antragstellerin darauf hinweisen und um Nachreichung der erforderlichen Angaben bitten müssen. Dies hat sie jedoch nicht getan. Allein daraus resultiert für die Antragstellerin allerdings noch kein Anspruch auf Erteilung der begehrten Erlaubnis.
Dass allein die Erteilung der beantragten Sondernutzungserlaubnis die einzig rechtmäßige Entscheidung der Behörde sein könnte, hat die Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft gemacht.
Die Antragsgegnerin hat im angegriffenen Bescheid vom 21. Dezember 2023 auch darauf abgestellt, dass nach den bisherigen Erfahrungen mit der Antragstellerin, die seit September 2022 das Anmieten von E-Rollern im Bereich der Antragsgegnerin anbietet, durchaus signifikante Mängel in Erscheinung getreten sind, die die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs beeinträchtigt haben. So seien defekte, umgestürzte und falsch geparkte E-Roller im Stadtgebiet an die Antragstellerin gemeldet worden, die aber nur mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung auf die mitgeteilten Missstände reagiert habe. Diese Gesichtspunkte der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, die grundsätzlich bei der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis Berücksichtigung finden können (VGH Mannheim, Beschluss vom 16. Dezember 1993 - 1 S 1957/93 - juris Rn. 10; Herber, in: Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Auflage 2021, 26. Kapitel, Rn. 30 m. w. N.), hat die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht hinreichend ausräumen können. Sie hat die von der Antragsgegnerin beschriebenen Mängel nicht grundsätzlich in Abrede gestellt, sondern vielmehr ausgeführt, dass diese in Anbetracht der Dauer des Angebotes zu vernachlässigen, in 2023 ohnehin rückläufig und im Übrigen nicht schwerwiegend seien. Diese Einwände - unterstellt sie treffen zu - sind aber nicht per se geeignet, eine Ermessensreduzierung auf Null zu begründen. Vielmehr sind sie bei der Ermessensentscheidung mit dem ihnen zukommenden Gewicht zu berücksichtigen und mit dem Schutzgut der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs abzuwägen.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin vermittelt auch eine wiederholte befristete Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen kein schutzwürdiges Vertrauen und kein Anspruch auf Erteilung einer weiteren Erlaubnis unter Hintanstellung anderer sachgerechter Auswahlkriterien (vgl. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Aufl. 2020, Rn.406).
Schließlich führt auch der Hinweis der Antragstellerin auf ihr Grundrecht aus Art. 12 GG nicht zur Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null. Dem Interesse der Antragstellerin an ihrer Berufsausübung muss nicht zwangsläufig dadurch Rechnung getragen werden, dass es den Belangen des Fußgängerverkehrs vorgezogen wird. Wie bereits dargelegt, steht die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde und wird auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 12 Abs. 1 GG zu einer gebundenen Entscheidung (vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. Juni 2022 – 11 ZB 21.2468 – juris Rn. 36 m.w.N.). Die Antragstellerin übt ihr Unternehmen nicht auf eigenen oder angemieteten Betriebsflächen aus, sondern auf öffentlichem, dem Verkehr gewidmeten Straßenraum. Das „knappe Gut des öffentlichen Straßenraums“, das in Innenstädten faktisch nicht vermehrbar ist, kann nur durch Vergaberegelungen, wie sie dem § 18 Abs. 1 BbgStraG zugrunde liegen, sinnvoll bewirtschaftet werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 7. Juni 2022, a.a.O.).
III. Der Hilfsantrag der Antragstellerin, mit dem sie eine Sondernutzungserlaubnis für eine E-Rollerflotte von „mindestens“ 200 E-Roller begehrt, unterscheidet sich – wörtlich genommen – nicht vom Hauptantrag, denn durch die Verwendung des Wortes „mindestens“ ist die Anzahl der bereit gestellten Fahrzeuge nach oben unbegrenzt. Versteht man den Antrag jedoch dahingehend, dass sie damit die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Sondernutzung für zumindest 200 Fahrzeuge begehrt, hat sie auch insoweit einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, denn die obigen Ausführungen gelten dafür in gleicher Weise.
IV. Schließlich vermag sie auch mit ihrem Bescheidungsbegehren nicht durchzudringen.
Denn unabhängig von der Frage, ob ein Anspruch auf Neubescheidung bei bestehender Eilbedürftigkeit im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 123 VwGO durch Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Neubescheidung überhaupt sicherungsfähig ist oder nicht (vgl. zum Meinungsstand: bejahend: SächsOVG, Beschluss vom 25. Juli 2022 - 6 B 16/22 -, juris Rn. 28; Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, Werkstand: 44. EL März 2023, § 123 Rn. 159 f.; verneinend: HessVGH, Beschluss vom 12. Juli 2022 - 10 B 851/22 - juris Rn. 23; VGH Mannheim, Beschluss 30. April 982 - 4 S 609/82 - juris Rn. 23), kommt ein solcher Ausspruch allenfalls dann in Betracht, wenn nur dadurch ein der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG genügender effektiver Rechtsschutz erreicht werden kann (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 123 Rn. 12) und es ferner überwiegend wahrscheinlich ist, dass eine erneute - fachgerechte - Ausübung des Ermessens zugunsten der Antragstellerin ausgehen wird (OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. Juni 2008 - 4 ME 184/08 - juris Rn. 5; Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 106 ff., jeweils m.w.N).
Letzteres hat die Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr erscheint es auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens im Verfahren als offen, ob das der Behörde zustehende Ermessen zu ihren Gunsten ausgeübt werden kann. Denn die Antragstellerin hat – wie oben bereits dargelegt – nicht glaubhaft gemacht, auf welche Art und Weise sie für die Dauer der Sondernutzungserlaubniszeitraums sicherstellen will, dass durch das Zurverfügungstellen von E-Rollern die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht über das hinzunehmende Maß hinaus beeinträchtigt wird. Sie hat keinerlei Konzepte oder Vorschläge vorgelegt, aus denen sich ergibt, welche ihre zumutbaren Schritte sie unternimmt, diesem Ziel näher zu kommen. Soweit sie die von der Antragsgegnerin aufgelisteten und teilweise dokumentierten Beeinträchtigungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs lediglich als nicht schwerwiegend oder nur vereinzelt abtut, wird sie diesem Erfordernis ebenso wenig gerecht wie das von ihr unterbreitete Angebot auf gemeinsame Evaluierung. Soweit sie sich zu einer Optimierung der Abläufe bereit erklärt hat, bleibt offen, wie diese Optimierung aussehen soll.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Dabei hat der Senat unter Anwendung der Ziff. 43.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 den zu erwartenden Jahresgewinn aufgrund der von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 12. April 2024 mitgeteilten Beträge mit 67.200 Euro zugrunde gelegt. Eine Reduzierung des Betrages wegen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens kam wegen der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.