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Asyl, Flüchtlingseigenschaft, Maßstab, beachtliche Wahtrscheinlichkeit, richterliche Überzeugung, Syrien, Wehrdienstentziehung, (kein) Verweis auf Freikauf, (keine) Bestrafung oder Strafverfolgung, (keine) Beteiligung an Kriegsverbrechen, (keine) Frontbewährung, Inhaftierung und physische Gewalt, (keine) Verknüpfung mit Verfolgungsgrund


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 13.02.2024
Aktenzeichen OVG 3 B 22/23 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0213.OVG3B22.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 3 Abs 1 AsylG, § 3a Abs 2 Nr 5 AsylG, § 3a Abs 3 AsylG, § 3b Abs 1 Nr 5 AsylG, § 29 Abs 1 AsylG

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. August 2017 geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Verpflichtung, dem Kläger anstelle subsidiären Schutzes die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Der Kläger ist (ausweislich des dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgelegten Reisepasses) am X. Januar X in D___ geboren und syrischer Staatsangehöriger. Er ist nach eigenem Bekunden arabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit.

Er ist eigenen Angaben zufolge am X. September X auf dem Landweg in das Bundesgebiet eingereist und hat am X. November X Asyl beantragt. Bei der Anhörung durch das Bundesamt am X. Juli X gab er an, er habe nach dem Abitur in D___ Jura studiert und das Studium im August X mit einem Bachelor abgeschlossen. Danach sei er zurück in sein Dorf gezogen. Militärdienst habe er nicht geleistet. Er sei im August X geflohen, da der IS das Gebiet D____ X erobert habe und alle jungen Männer habe zwingen wollen, für sie zu kämpfen. Ein weiterer Grund sei der Militärdienst gewesen, den er hätte leisten müssen. Dieser sei bis September 2014 aufgeschoben gewesen. Normalerweise seien Akademiker im Dezember eingezogen worden. Eine Einziehung sei nicht erfolgt, da seine Region vom IS besetzt gewesen sei. Bei seiner Ausreise habe er Checkpoints des IS und der FSA, nicht aber solche des syrischen Regimes passiert. Zu seinem Reiseweg gab er an, er habe Syrien ca. am X. August X Richtung Türkei verlassen, wo er sich 20 Tage aufgehalten habe. Von Istanbul aus sei er nach Griechenland und von dort über Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland gelangt.

Mit Bescheid vom XX. Juli X erkannte das Bundesamt dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lägen nicht vor. Eine Kausalität zwischen möglichen Verfolgungshandlungen und Anknüpfungsmerkmalen sei nicht ausreichend substantiiert worden. Eine geltend gemachte Furcht vor der Einberufung zum Wehrdienst sei nicht substantiiert dargelegt worden.

Mit seiner am X. August X bei dem Verwaltungsgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger die Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Zur Begründung hat er unter anderem angeführt, ihm drohe aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung Verfolgung. Er lehne die Übernahme von Kriegsdienstverpflichtungen ab. Bei einem Wehrdienst drohe eine Beteiligung an völkerrechtswidrigen Maßnahmen. Die Ablehnung des Dienstes werde von der Regierung als Loyalitätsbruch gesehen. Weiter hat er geltend gemacht, er habe während seines Studiums (u.a. im März X) in D____ an Demonstrationen gegen A____ teilgenommen, festgenommen worden sei er jedoch nicht. Ein Cousin, mit dem er zusammengewohnt habe, sei nach Demonstrationsteilnahme verhaftet worden. Es sei zu befürchten, dass den Sicherheitskräften sein Name durch Handyauswertungen oder Fotos bekannt sei. Er hat sein Militärbuch in Kopie vorgelegt.

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom X. August X verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Es spreche bereits viel dafür, dass dem Kläger allein aufgrund seiner illegalen Ausreise, Asylantragstellung und des längeren Aufenthaltes im Bundesgebiet bei einer Rückkehr beachtlich wahrscheinlich Verfolgung drohe. Dies könne jedoch letztlich offenbleiben, weil er sich durch seine unerlaubte Ausreise dem Wehrdienst entzogen habe und ihm aufgrund dessen eine oppositionelle Gesinnung zugeschrieben werde.

Der Senat hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 12. Mai 2021 (OVG 3 B 60.18) zurückgewiesen. Der Kläger hatte im Berufungsverfahren geltend gemacht, er wolle den Wehrdienst in Syrien wegen der unrechtmäßigen Maßnahmen des syrischen Militärs nicht ableisten, und ein auf den 15. Januar 2015 datiertes Schreiben des Generalkommandos der Armee vorgelegt, wonach er „seine Situation vor 01.05.2015 begleichen“ müsse.

Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Januar 2023 (1 C 52.21) das Urteil des Senats vom 12. Mai 2021 aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Beteiligten haben sich nach der Zurückverweisung inhaltlich zum Verfahren nicht geäußert.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. August 2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Streitakte und die von der Beklagten und der Ausländerbehörde übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, so dass der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 22. Juli 2016 rechtmäßig ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Maßgeblich für die hier zu treffende Entscheidung ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Oberverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - juris Rn. 12; Urteil vom 25. November 2021 - 1 C 4.21 - juris Rn. 8; Urteil vom 11. Oktober 2023 - 1 C 35.22 - juris Rn. 7). Einschlägig sind daher das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 382), sowie die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl. L 337 S. 9).

1. Der Asylantrag des Klägers ist zulässig, weil keiner der Tatbestände des § 29 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AsylG vorliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. April 2019 - 1 C 28.18 - juris Rn. 13; Urteil vom 19. Januar 2023 - 1 C 22.21 - juris Rn. 14). Insbesondere kann der Kläger nicht im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG auf einen Drittstaat verwiesen werden. Nach dem im Rahmen der Anhörung vom 19. Juli 2016 geschilderten Reiseverlauf kann infolge der Kürze und der Illegalität der jeweiligen Aufenthalte des Klägers in der Türkei, in Mazedonien und in Serbien nicht angenommen werden, dass eine Einreisemöglichkeit sowie eine Wiederaufnahme- und Schutzbereitschaft für den Kläger bestünde. Die Vermutungsregel des § 27 Abs. 3 Satz 1 AsylG greift nicht ein.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Als Verfolgungshandlungen gelten nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Eine Verfolgungshandlung kann nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die dort im Einzelnen aufgeführten Handlungen gelten, etwa die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt (Nr. 1), gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (Nr. 2) und unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (Nr. 3). Gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG kann zu den Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a Abs. 1 AsylG auch Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt zählen, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, namentlich die Begehung von Kriegsverbrechen oder von Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG).

Die Verfolgungsgründe werden in § 3b Abs. 1 AsylG näher definiert. Unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist nach § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG unter anderem zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist. Gemäß § 3b Abs. 2 AsylG ist es unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Gemäß § 3a Abs. 3 AsylG muss zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG in Verbindung mit § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Ob die erforderliche Verknüpfung zwischen den Verfolgungsgründen einerseits und den erlittenen oder bevorstehenden Rechtsgutsverletzungen bzw. dem fehlenden Schutz vor solchen Handlungen andererseits besteht, ist im Sinne einer objektiven Gerichtetheit festzustellen (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 C 52.07 - juris Rn. 22 ff.). Die Verknüpfung ist also anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 - 10 C 11.08 - juris Rn. 13; Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 13; Urteil vom 22. Mai 2019 - 1 C 10.18 - juris Rn. 16; Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 31.18 - juris Rn. 14). Es kommt demzufolge nicht auf die ohnehin kaum feststellbaren (künftigen) subjektiven Vorstellungen der jeweils für den Akteur im Sinne des § 3c AsylG handelnden Person(en) an (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2009 - 10 C 52.07 - juris Rn. 24). Die Zielgerichtetheit muss nicht nur hinsichtlich der durch die Verfolgungshandlung bewirkten Rechtsgutsverletzung, sondern auch in Bezug auf die Verfolgungsgründe, an die die Handlung anknüpft, anzunehmen sein (BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 13; Urteil vom 22. Mai 2019 - 1 C 10.18 - juris Rn. 16). Für die Verknüpfung reicht ein Zusammenhang im Sinne einer Mitverursachung aus. Nicht erforderlich ist, dass ein bestimmter Verfolgungsgrund die zentrale Motivation oder die alleinige Ursache der Verfolgungsmaßnahme ist. Eine lediglich entfernte, hypothetische Verknüpfung mit einem Verfolgungsgrund reicht hingegen nicht aus (BVerwG, Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 13; Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 31.18 - juris Rn. 14).

Eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG liegt vor, wenn dem Ausländer bei verständiger (objektiver) Würdigung der gesamten Umstände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht, so dass ihm nicht zuzumuten ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Diese Würdigung hat eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit künftiger Geschehensabläufe zum Inhalt und bezieht sich vorliegend auf den Fall einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr, die aufgrund des dem Kläger zuerkannten subsidiären Schutzstatus nicht in Aussicht steht. Im Rahmen dieser Prognose ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es ist maßgebend, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Ausländers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann, ob also nach Abwägung aller bekannten Umstände eine (hypothetische) Rückkehr in den Herkunftsstaat unzumutbar erscheint. Ergeben die Gesamtumstände des Falles die „reale Möglichkeit“ einer politischen Verfolgung, wird ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Er wird bei der Abwägung aller Umstände auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Auch wenn bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2008 - 10 C 33.07 - juris Rn. 37; Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 - juris Rn. 32; Urteil vom 19. April 2018 - 1 C 29.17 - juris Rn. 14; Urteil vom 22. Mai 2019 - 1 C 10.18 - juris Rn. 17; Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 31.18 - juris Rn. 16; Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 37.18 - juris Rn. 13).

Es wird vermutet, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn der Antragsteller bereits verfolgt wurde oder unmittelbar von Verfolgung bedroht war. Die Vermutung kann widerlegt werden, wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass erneut eine solche Verfolgung droht (vgl. Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU; vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 37.18 - juris Rn. 14). Im Übrigen trägt grundsätzlich der Schutzsuchende die (materielle) Beweislast für das Vorliegen der (positiven) Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 37.18 - juris Rn. 16 ff.).

Von der Richtigkeit einer gewonnenen Prognose drohender Verfolgung muss das Gericht auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage die volle richterliche Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erlangt haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 18; Urteil vom 19. Januar 2023 - 1 C 22.21 - juris Rn. 51). Das Erfordernis der vollen Überzeugungsgewissheit bezieht sich sowohl auf die tatsächlichen Grundlagen als auch auf die Richtigkeit der auf dieser Basis gewonnenen Prognose einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 31.18 - juris Rn. 22). Dabei dürfen keine unerfüllbaren Beweisanforderungen gestellt und keine unumstößliche Gewissheit verlangt werden, vielmehr muss sich das Gericht in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 - juris Rn. 16; Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 31.18 - juris Rn. 21). Es obliegt dem Schutzsuchenden, selbst Tatsachen vorzutragen, die seine Furcht vor Verfolgung begründen (§ 25 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Hierzu gehört, dass er die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, unter Angaben genauer Einzelheiten in sich stimmig schildert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Oktober 2001 - 1 B 24.01 - juris Rn. 5). Bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, ob aufgrund des individuellen Schicksals des Schutzsuchenden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung droht, ist der sachtypische Beweisnotstand, in dem sich Schutzsuchende insbesondere hinsichtlich der Vorgänge im Herkunftsland befinden, zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 - juris Rn. 16 f.; Beschluss vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 - juris Rn. 3).

Das Regelbeweismaß der vollen richterlichen Überzeugung gilt auch bei unsicherer Tatsachengrundlage. In diesen Fällen bedarf es in besonderem Maße einer umfassenden Auswertung aller Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage im Herkunftsland; hierauf aufbauend muss das Gericht bei unübersichtlicher Tatsachenlage und nur bruchstückhaften Informationen aus einem Krisengebiet aus einer Vielzahl von Einzelinformationen eine zusammenfassende Bewertung vornehmen. Dabei sind gewisse Prognoseunsicherheiten als unvermeidlich hinzunehmen und stehen einer Überzeugungsbildung nicht grundsätzlich entgegen, wenn eine weitere Sachaufklärung keinen Erfolg verspricht. Die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit darf aber nicht unter Verzicht auf die Feststellung objektivierbarer Prognosetatsachen auf bloße Hypothesen und ungesicherte Annahmen gestützt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 1 C 31.18 - juris Rn. 22).

3. Nach diesen Maßstäben kann eine begründete Furcht des Klägers vor Verfolgung wegen eines flüchtlingsrelevanten Merkmals nicht bejaht werden.

a. Es steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger im Zeitpunkt seiner Ausreise aus Syrien im August 2015 verfolgt wurde oder unmittelbar von Verfolgung bedroht war. Die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU kommt ihm deshalb nicht zugute.

Es bestand für den Kläger im Zeitpunkt seiner Ausreise aus Syrien keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aufgrund einer Wehrdienstentziehung.

Nach dem vorgelegten Militärbuch war der Wehrdienst des Klägers aufgrund des Studiums bis März 2015 aufgeschoben. Ihm drohte bis dahin also formal keine Einziehung. Bei Ende dieses Aufschubs befand sich der Kläger nach seiner Schilderung nicht mehr im Machtbereich des syrischen Regimes, denn er war nach Abschluss seines Studiums im August 2014 in seine Heimatregion in der Provinz D___ zurückgekehrt. Diese stand seinerzeit unter der Kontrolle des Islamischen Staates (IS), der im Juli 2014 die Provinz fast vollständig eingenommen hatte (vgl. BFA, Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 54). Dementsprechend hat der Kläger in seiner Anhörung beim Bundesamt auch angegeben, dass nicht eine befürchtete Einziehung zur syrischen Armee, sondern der Rekrutierungsdruck des IS Anlass für seine Ausreise gewesen sei. Seine Ausreise erfolgte auch ohne Zugriffmöglichkeiten der syrischen Sicherheitskräfte, da er keine Checkpoints des Regimes habe passieren müssen. Das im Berufungsverfahren vorgelegte Schreiben vom 15. Januar 2015 führt - ungeachtet der Frage, wie seine Echtheit einzuschätzen wäre - vor diesem Hintergrund zu keiner anderen Bewertung.

Wenn man von einer dem Kläger damals drohenden Verfolgung durch den IS wegen seiner Ablehnung, für die Organisation zu kämpfen, ausgehen wollte - wogegen bereits spricht, dass der Kläger nach seiner eigenen Aussage die Checkpoints des IS bei seiner Ausreise, ohne aufgegriffen zu werden, passieren konnte -, wäre jedenfalls jetzt eine Wiederholung einer solchen Verfolgung ausgeschlossen, da der IS über keine relevante territoriale Macht in Syrien mehr verfügt (vgl. AA, Lagebericht vom 29. März 2023, S. 8; Lagebericht vom 2. Februar 2024, S. 8; BFA, Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 54).

Aus dem sonstigen individuellen Vorbringen des Klägers ergeben sich ebenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ihm zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus Syrien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung durch staatliche Akteure gedroht hätte. Soweit er mit der erstinstanzlichen Klagebegründung angeführt hat, dass er unter anderem im März 2014 an Demonstrationen in D___ teilgenommen habe, hat er lediglich Vermutungen geäußert, dass Sicherheitskräfte ihn in diesem Zusammenhang identifiziert haben könnten. Nachvollziehbare Belege oder auch nur Anhaltspunkte für einen auf seine Person konkretisierten Verdacht enthält sein Vortrag nicht. Zu berücksichtigen ist dabei nicht zuletzt der Umstand, dass er nach seinem Vortrag immerhin bis August 2014 unbehelligt weiter in Damaskus studieren konnte.

b. Auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich eine dem Kläger bei einer (hypothetischen) Rückkehr nach Syrien drohende Gefahr einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung nicht zur Überzeugung des Senats feststellen. Eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit ist aktuell insbesondere nicht im Hinblick auf eine mit der Ausreise verbundenen Wehrdienstentziehung feststellbar.

(1) Es liegen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger von einer Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG bedroht wäre. Danach kann als Verfolgung die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt gelten, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG (also im wesentlichen Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit) fallen. Zwar ist von einer Verweigerung des Militärdienstes durch die erfolgte Ausreise auszugehen, jedoch lässt sich weder feststellen, dass dem Kläger deshalb eine Bestrafung oder Strafverfolgung droht, noch dass dieser Militärdienst mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Beteiligung an Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit umfasst.

Der Kläger hat durch seine Ausreise vor Ableistung des Wehrdienstes diesen verweigert. Wenn das Recht des Herkunftsstaates die Möglichkeit der Verweigerung des Militärdienstes nicht vorsieht und es dementsprechend kein Verfahren zu diesem Zweck gibt, kann eine Verweigerung auch dadurch gegeben sein, dass der Betroffene aus seinem Herkunftsland geflohen ist, ohne sich der Militärverwaltung zur Verfügung zu stellen. Maßgeblich ist, dass diese Verweigerung das einzige Mittel darstellt, das es dem Antragsteller erlaubt, der Beteiligung an Kriegsverbrechen im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG zu entgehen. Ist diese Verweigerung nach dem Recht des Herkunftsstaates rechtswidrig und ist der Antragsteller durch die Verweigerung der Strafverfolgung und Bestrafung ausgesetzt, so kann von ihm vernünftigerweise nicht verlangt werden, dass er jene vor der Militärverwaltung zum Ausdruck gebracht hat (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19, EZ - Rn. 27 ff.; BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2023 - 1 C 22.21 - juris Rn. 22).

Eine Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen war und ist - ebenso wie ein Ersatzdienst - in Syrien grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. AA, Lagebericht vom 29. März 2023, S. 30; Lagebericht vom 29. November 2021, S. 15; Lagebericht vom 4. Dezember 2020, S. 14; BAMF, Kurzinformation - Syrien: Militärdienst, März 2023, S. 2; EUAA, Country Guidance: Syria, Februar 2023, S. 68 f.; EASO, Syria - Military Service, April 2021, S. 14).

Eine Vermeidung des Wehrdienstes durch Freikauf, also durch Zahlung eines Wehrersatzgelds, kam und kommt für den Kläger nicht in Betracht.

Grundsätzlich sieht das syrische Militärdienstgesetz vor, dass sich syrische Männer im Militärdienstalter und mit Wohnsitz im Ausland durch Entrichtung einer Gebühr von der Wehrpflicht befreien können. Das Wehrersatzgeld ist seit November 2020 gestaffelt nach der Anzahl der Jahre des Auslandsaufenthalts und beträgt 10.000 USD (ein Jahr), 9.000 USD (zwei Jahre), 8.000 USD (drei Jahre) bzw. 7.000 USD (vier Jahre). Bei einem Aufenthalt ab fünf Jahren kommen pro Jahr weitere 200 USD Strafgebühr hinzu (BFA, Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 123; AA, Lagebericht vom 29. November 2021, S. 15; BFA, Anfragebeantwortung: Wehrdienstgesetze, 16. September 2022, S. 46 ff.; EASO, Syria - Military Service, April 2021, S. 30). Auch Männer, die Syrien illegal verlassen haben, können inzwischen durch die Zahlung der Gebühr vom Militärdienst befreit werden, wobei sie allerdings zuvor ihren rechtlichen Status durch einen individuellen „Versöhnungsprozess“ bereinigen müssen (BFA, Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 124; MinBZ, Report on Syria, August 2023, S. 55; MinBZ, Report Syria, Mai 2022, S. 85; EASO, Syria - Military Service, April 2021, S. 30 f.; DIS, Syria - Military Service, Mai 2020, S. 23, 26; DIS, Syria - Military Service, Januar 2024, S. 16).

Zwar spricht nach den aktuellen Erkenntnissen Überwiegendes dafür, dass sich die syrischen Behörden im Allgemeinen an die Vorschriften über die Freistellungsgebühr halten und bei Zahlung des Ersatzgeldes nicht mehr versuchen würden, den Betreffenden zum Wehrdienst einzuziehen (vgl. MinBZ, Report on Syria, August 2023, S. 52; EUAA, Syria - Targeting of Individuals, September 2022, S. 45; EUAA, Syria - Country Focus, Oktober 2023, S. 30; DIS, Syria - Military Service, Mai 2020, S. 25, 28; DIS, Syria - Military Service, Januar 2024, S. 16; BFA, Anfragebeantwortung: Rückkehrer, 14. Oktober 2022, S. 23). Es ist aber nicht erkennbar, dass dem Kläger die Möglichkeit eines solchen Freikaufs tatsächlich zugänglich wäre. Unabhängig von der Frage, ob er über die hierfür notwendigen erheblichen finanziellen Mittel verfügt, ist die Zahlung des Wehrersatzgeldes an die Vorlage von Dokumenten geknüpft, die eine Vielzahl der ins Ausland Geflüchteten aufgrund der Umstände ihrer Flucht nicht beibringen können oder die nicht ohne ein Führungszeugnis der Sicherheitsdienste des syrischen Regimes nachträglich erworben werden können, wie etwa einen Nachweis über Aus- und Einreisen (Ausreisestempel) oder die Vorlage eines Personalausweises (vgl. AA, Lagebericht vom 2. Februar 2024, S. 26).

Unabhängig von der Frage der Freikaufmöglichkeit ist jedenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger wegen der Verweigerung des Militärdienstes eine Bestrafung oder eine Strafverfolgung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG droht. Diese Begriffe sind nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck des Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU, den § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG umsetzt, dahingehend zu interpretieren, dass die Strafverfolgung das Handeln der Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft, Polizei) meint, wozu alle strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen zählen, während der Begriff der Bestrafung das Urteil des Strafgerichts selbst und dessen Vollstreckung durch die Strafvollstreckungsorgane erfasst, nicht dagegen über derartige strafrechtliche Maßnahmen hinausgehende (sonstige) Sanktionen (BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2023 - 1 C 22.21 - juris Rn. 28; Urteil vom 19. Januar 2023 - 1 C 52.21 - juris Rn. 23). Den herangezogenen Erkenntnissen kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden, dass dem Kläger bei einer unterstellten Rückkehr gegenwärtig eine Strafverfolgung oder Bestrafung in diesem Sinne drohte.

Zwar ist die Wehrdienstverweigerung formal nach dem syrischen Militärstrafgesetzbuch strafbar, denn dessen Art. 98 sieht für den Fall einer Entziehung von der Einberufung eine Strafe in Form von Haft zwischen einem und sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten vor. Wer das Land verlässt, ohne eine Adresse zu hinterlassen, unter der er immer erreichbar ist, und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft. Für Desertion im eigentlichen Sinn werden in Art. 101 fünf Jahre Haft angedroht bzw. fünf bis zehn Jahre, wenn der Deserteur das Land verlässt. Erfolgt die Desertion in Kriegszeiten oder während des Kampfes, beträgt die Haftstrafe 15 Jahre; Desertion im Angesicht des Feindes wird gemäß Art. 102 mit lebenslanger Haft bzw. bei Überlaufen zum Feind mit Exekution bestraft. Bereits die nicht genehmigte und somit unerlaubte Ausreise wird wie ein Wehrdienstentzug geahndet (AA, Lagebericht vom 29. März 2023, S. 30 f.; Lagebericht vom 29. November 2021, S. 15; BFA, Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 133; BAMF, Kurzinformation - Syrien: Militärdienst, März 2023, S. 5 f.).

Die Informationen, wie diese Bestimmungen umgesetzt werden, sind allerdings uneinheitlich. Zwar ist ihnen zu entnehmen, dass ein reales Risiko besteht, dass ein Betroffener in Haft genommen wird (mit all den in Syrien damit verknüpften Begleitrisiken vor allem in Form von Folter und Verschwindenlassen). Neben Berichten, dass Betroffene lediglich sofort eingezogen werden (vgl. EASO, Syria - Military Service, April 2021, S. 33; DIS, Syria - Military Service, Mai 2020, S. 31; DIS, Syria - Military Service, Januar 2024, S. 24), finden sich Angaben, dass zunächst eine Inhaftierung für einige Tage bis Wochen erfolgt (vgl. DIS, Syria - Military Service, Mai 2020, S. 31; BFA, Anfragebeantwortung: Wehrdienst, 27. Januar 2022, S. 12; EUAA, Syria: Targeting of Individuals, September 2022, S. 46; DIS, Syria - Military Service, Januar 2024, S. 24). Nach Einschätzung des UNHCR droht Wehrdienstentziehern in der Praxis statt einer strafrechtlichen Sanktion und Haftstrafen nach dem Militärstrafgesetzbuch mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Festnahme und kurzfristige Inhaftierung, bevor sie eingezogen werden (UNHCR, Erwägungen zum Schutzbedarf (6. Fassung), März 2021, S. 132 f.). Nach anderen Angaben werden Wehrdienstverweigerer, die in Gebieten unter Kontrolle der syrischen Regierung an Kontrollpunkten aufgegriffen werden, entweder dazu aufgefordert, sich innerhalb einer bestimmten Frist beim zuständigen Rekrutierungsbüro zu melden, oder sie werden festgenommen und zum Zweck des Militärdienstes an die Militärpolizei ausgehändigt (BFA, Themenbericht: Syrien - Grenzübergänge, 25. Oktober 2023, S. 4, 28; EUAA, Syria - Country Focus, Oktober 2023, S. 33 f.). Laut dem niederländischen Außenministerium bleibt ein aufgegriffener Wehrdienstverweigerer in den Händen der Militärpolizei, bis ein neuer Grundausbildungskurs für Wehrpflichtige beginnt (MinBZ, Report on Syria, August 2023, S. 55).

In diesen Berichten fehlt es an ausreichenden Hinweisen darauf, dass die geschilderten freiheitsentziehenden Maßnahmen auf eine Strafverfolgung bzw. Strafvollstreckung zur Umsetzung des Militärstrafrechts zielen, also mehr sind als ein bloßes Festhalten zur Durchsetzung der Wehrpflicht oder Ausdruck des ohnehin willkürlichen Systems des syrischen Regimes (s. zu totalitärem Staat, Geheimdiensten, Willkür in Syrien: VGH Mannheim, Urteil vom 27. März 2019 - A 4 S 335/19 - juris Rn. 28 ff.). Für letzteres sprechen jedenfalls die Angaben des UNHCR (UNHCR, Erwägungen zum Schutzbedarf (6. Fassung), März 2021, S. 132 f.), des BFA (BFA, Themenbericht: Syrien - Grenzübergänge, 25. Oktober 2023, S. 4, 28), des DIS (DIS, Syria - Military Service, Mai 2020, S. 31) und der EUAA (EUAA, Syria - Country Focus, Oktober 2023, S. 33 f.; EUAA, Syria - Targeting of Individuals, September 2022, S. 46), nach denen Wehrdienstentziehern statt einer strafrechtlichen Sanktion und Haftstrafen nach dem Militärstrafgesetzbuch mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Festnahme und kurzfristige Inhaftierung drohen, bevor sie eingezogen werden, und sie entweder dazu aufgefordert werden, sich innerhalb einer bestimmten Frist beim zuständigen Rekrutierungsbüro zu melden, oder festgenommen und zum Zweck des Militärdienstes an die Militärpolizei ausgehändigt werden. Die letztlich zu unterschiedlichen Angaben zu den Konsequenzen einer Wehrdienstentziehung tragen nicht den Schluss einer drohenden Strafverfolgung oder Bestrafung. Vielmehr spricht Überwiegendes dafür, dass, wie es in einer aktuellen Auskunft des Danish Immigration Service heißt, die Folgen einer Wehrdienstentziehung in der Praxis von den Umständen des Einzelfalls abhängen (DIS, Syria - Military Service, Januar 2024, S. 24). Die auch im jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amts enthaltene Aussage, dem rückkehrenden Wehrpflichtigen drohe eine „mehrmonatige Haftstrafe wegen Desertion“ (vgl. AA, Lagebericht vom 2. Februar 2024, S. 26; Lagebericht vom 29. März 2023, S. 31; Lagebericht vom 29. November 2021, S. 31) steht dem schon deshalb nicht entscheidend entgegen, weil angesichts des Wahl des Wortes „Desertion“ nicht klar wird, ob sie sich auch auf „bloße“ Wehrdienstentzieher bezieht.

Eine andere Bewertung ist auch nicht mit der Erwägung zu rechtfertigen, einem Rückkehrer drohten andere, härtere Sanktionen, wenn er erneut und fortgesetzt den Wehrdienst verweigere (so aber VG Berlin, Urteil vom 25. Oktober 2023 - VG 8 K 196/21 A - juris Rn. 51 ff.), und jedenfalls eine fortgesetzte Verweigerungshaltung würde mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu Inhaftierung und Folter führen (VG Berlin, Urteil vom 25. Oktober 2023 - VG 8 K 196/21 A - juris Rn. 57). Bei der für diese Annahme angeführten Quelle handelt es sich um eine vereinzelt gebliebene Äußerung des Syrien-Experten A___ aus dem Jahr 2021, nach der eine Verweigerung des Militärdienstes aus Gewissensgründen als Hochverrat angesehen und mit Inhaftierung oder dem Tode bestraft würde (EASO, Syria - Military Service, April 2021, S. 14). Diese Äußerung wird in der Erkenntnis nicht näher erläutert und eingeordnet oder gar mit Angaben zu Beispielsfällen versehen. Sie findet sich in vergleichbarer Weise in der Folgezeit weder in anderen Stellungnahmen noch in späteren Äußerungen A___.

Darüber hinaus und unabhängig davon lässt sich aus den Erkenntnismitteln nicht zur Überzeugung des Senats ableiten, dass ein Wehrdienst in Syrien gegenwärtig mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verbrechen oder Handlungen umfasst, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG (Art. 12 Abs. 2 RL 2011/95/EU) fallen. Bei der vorzunehmenden Tatsachenwürdigung, lässt sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht feststellen, dass die Gesamtsituation die Begehung der behaupteten Kriegsverbrechen plausibel erscheinen lässt (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19, EZ - Rn. 35).

Die vorliegenden Quellen bieten - auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass ein Wehrpflichtiger keinen Einfluss darauf hat, in welcher Einheit und an welchem Ort er eingesetzt werden wird (vgl. DIS, Syria - Military Service, Juli 2023, S. 12; EUAA, Syria - Country Focus, Oktober 2023, S. 26) - keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass der Militärdienst gegenwärtig mit einer direkten oder indirekten Beteiligung an der Begehung von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit verbunden wäre.

Der Konflikt in Syrien befindet sich derzeit in einer Patt-Situation ohne Aussicht auf baldige Beilegung. Die Gewalt hat deutlich abgenommen, entlang der Konfliktlinien zwischen den Machtbereichen des Regimes (ca. 60 bis 70 % des Territoriums) und den Gebieten im Nordwesten und im Nordosten sowie im Süden (Provinz Dara’a) kommt es jedoch weiterhin zu kleineren Scharmützeln (vgl. BFA, Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 3), die allerdings nicht stets unter Beteiligung der syrischen Streitkräfte erfolgen. So stehen im Norden/Nordosten insbesondere türkische Kräfte (Armee, von der Türkei gestützte Milizen) kurdischen Einheiten gegenüber (vgl. EUAA, Syria - Security Situation, Oktober 2023, S. 17; MinBZ, Report Syria, Mai 2022, S. 21; AA, Lagebericht vom 2. Februar 2024, S. 7, 8). In praktisch allen Landesteilen kann es jederzeit zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Intensität kommen (AA, Lagebericht vom 29. März 2023, S. 7, 9; BFA, Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 17). Das Konfliktgeschehen ist grundsätzlich von sporadischen Gefechten geringer Intensität entlang der Kontaktlinien mittels Langwaffen, Artillerie, Raketen sowie vereinzelt Drohnen und Kampfflugzeugen geprägt, die jedoch immer wieder in Phasen höherer Intensität und breiterer Fläche eskalieren (AA, Lagebericht vom 2. Februar 2024, S. 7). Dabei verübt die syrische Armee weiterhin Boden- und Luftangriffe auch auf von Zivilisten bewohnte Gebiete und die dortige zivile Infrastruktur, was zu entsprechenden Opfern führt (vgl. AA, Lagebericht vom 29. März 2023, S. 8; Lagebericht vom 2. Februar 2024, S. 8; EUAA, Syria - Security Situation, Oktober 2023, S. 26, 35 f.). Allerdings basiert die militärische Durchsetzungsfähigkeit des Regimes fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Irans unterstützte Milizen, einschließlich der Hizbollah (AA, Lagebericht vom 2. Februar 2024, S. 6; BFA, Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 18). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses auch als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten (BFA, Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 20).

In den Berichten der vom UN-Menschenrechtsrat eingerichteten Untersuchungskommission zur Menschenrechtslage in Syrien, von Herbst 2022, Frühjahr 2023 und Herbst 2023 (UN-HRC, Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic, vom 17. August 2022, S. 8 f., vom 7. Februar 2023, S. 5 ff., vom 14. August 2023, S. 9 ff.) werden jeweils verschiedene wahllose oder gezielte Angriffe auf zivile Einrichtungen (Wasserstation, Markt, Wohnhäuser) aufgezählt. Auch berichtet das Auswärtige Amt (AA, Lagebericht vom 29. März 2023, S. 8; Lagebericht vom 2. Februar 2024, S. 8), dass durch das Regime und seine Verbündeten im Gebiet von Idlib neben Stellungen der bewaffneten Opposition nicht zuletzt die zivile Infrastruktur in den Zielgebieten, darunter auch für die humanitäre Versorgung kritische Einrichtungen angegriffen worden seien und es im Gouvernement D___ zu Beschuss von zivilen Gebieten durch Regimetruppen gekommen sei. Jedoch wird aus diesen Berichten nicht hinreichend deutlich, inwiefern die jeweiligen Attacken der syrischen Armee zugeordnet werden könnten. Die Untersuchungskommission spricht beispielsweise allgemein von „pro-government forces“ bzw. EUAA von „GoS forces and allied militias“ oder „GoS and pro-GoS forces“ (EUAA, Syria - Security Situation, Oktober 2023, S. 53 f., 67).

Auch die Opferzahlen, die das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in seinem jüngsten Länderinformationsblatt Syrien aufführt (BFA, Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 22), lassen eine hinreichend klare Zuordnung zu Angriffen der syrischen Armee nicht zu (ähnlich EUAA, Syria - Security Situation, Oktober 2023, S. 57, 71). Von den 1.057 zivilen Opfern, die von Syrian Network for Human Rights (SNHR) für 2022 gezählt wurden, werden 196 der syrischen Armee und dieser zuzurechnenden Milizen zugeordnet. Der größte Anteil der Opfer geht auf Gewalt von Gruppen, deren Zuordnung oder Ideologie nicht bekannt sind, bzw. auf den IS zurück (MinBZ, Report on Syria, August 2023, S. 22; s. auch BFA, Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 20). Bezogen auf die Region Idlib gibt EUAA für den Zeitraum August 2022 bis August 2023 häufige angebliche russische Luftangriffe als die Hauptursache für den dokumentierten Tod von Zivilisten an (EUAA, Syria - Security Situation, Oktober 2023, S. 54). Die Erkenntnismittel geben keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass derartige Angriffe auf einem gemeinsamen Vorgehen mit den syrischen Streitkräften beruhten. Hierauf käme es aber an, weil Wehrpflichtige gerade zum Dienst in der Armee mit ihren unterschiedlichen Teilstreitkräften, nicht aber zu Milizen oder russischen Militärkräften herangezogen werden.

Ohne Erfolg verweist der Kläger auf das ACCORD-Themendossier Wehrdienst vom 16. Januar 2024. Dieses wertet im Wesentlichen die auch vom Senat herangezogenen Erkenntnisse aus und bietet damit keine Grundlage für eine abweichende Bewertung der Situation. Gleiches gilt im Hinblick auf den militärischen Konflikt Israels mit der Hamas im Gaza-Streifen seit Oktober 2023. Für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Begehung von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch syrische Streitkräfte infolge eines Eingreifens in die Auseinandersetzung, das gegenwärtig nicht vorliegt, fehlt es an tragfähigen Anhaltspunkten, da die mögliche Entwicklung im Zeitpunkt der Senatsentscheidung viel zu ungewiss ist. Auch der Hinweis auf wieder verstärkt auftretende Demonstrationen in Syrien führt nicht zu einer anderen Einschätzung, denn den Berichten hierzu lässt sich nicht entnehmen, dass die syrischen Streitkräfte unter Einbeziehung von Wehrdienstleistenden gegen solche Demonstrationen eingesetzt würden.

Soweit das OVG Bremen (Urteil vom 23. März 2022 - 1 LB 484/21 - juris Rn. 54-61) zu einer abweichenden Einschätzung gelangt, beruht diese Entscheidung zum einen auf älteren Erkenntnissen, die im Schwerpunkt bis 2021 reichen und naturgemäß die jüngere Entwicklung nicht widerspiegeln. Zum anderen berücksichtigt die Entscheidung die für eine tragfähige Bewertung des Risikos einer Beteiligung an Kriegsverbrechen notwendige Differenzierung unzureichend, so wenn insbesondere russische Luftangriffe unterschiedslos aufgezählt werden.

(2) Aus einem möglichen Einsatz von rekrutierten Wehrdienstentziehern an der Front nach nur einer kurzen Ausbildung bzw. einer „Frontbewährung“ - die die Voraussetzungen einer Strafverfolgung oder Bestrafung im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG nicht erfüllen - kann eine drohende Verfolgung weder in der Form einer Anwendung physischer Gewalt (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG) noch als eine administrative Maßnahme, die als solche diskriminierend ist oder in diskriminierender Weise angewandt wird (§ 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG), abgeleitet werden.

Die aktuellen Erkenntnismittel tragen jedenfalls die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer solchen Behandlung nicht. Eine Praxis der „Frontbewährung“ wird bei Wehrdienstentziehern nicht generell oder systematisch eingesetzt (ACCORD, Anfragebeantwortung: Wehrdienstverweigerung und Desertion, 8. September 2022, S. 13). Vielmehr wird berichtet, dass eingezogene vormalige Wehrdienstverweigerer in der Armee nicht anders als regulär rekrutierte Soldaten behandelt würden (EUAA, Country Guidance: Syria, Februar 2023, S. 73; EUAA, Syria: Targeting of Individuals, September 2022, S. 41) und wie diese potenziell an die Front abkommandiert werden könnten (DIS, Syria - Military Service, Mai 2020, S. 13). Die Schilderung, dass Rekruten aus ehemaligen Oppositionsbastionen (auch solche mit Versöhnungsabkommen) als Form der Bestrafung für mangelnde Loyalität an die vorderste Front geschickt worden seien, wird ausdrücklich mit der Angabe versehen, dass dies in der Vergangenheit geschehen sei (AA, Lagebericht vom 29. März 2023, S. 31; Lagebericht vom 2. Februar 2024, S. 26; BFA, Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 73, 119; EUAA, Country Guidance: Syria, Februar 2023, S. 71; DIS, Syria - Military Service, Mai 2020, S. 15), so dass sich keine hinreichenden Schlüsse auf die gegenwärtige Handhabung ziehen lassen. Gerade vor dem Hintergrund der geschilderten geänderten militärischen Lage mit einer generellen Abnahme von Kampfhandlungen kommt dem aber für die Bewertung der beachtlichen Wahrscheinlichkeit maßgebliche Relevanz zu.

Das vom Kläger angesprochene ACCORD-Themendossier Wehrdienst vom 16. Januar 2024 führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Abgesehen davon, dass dieser Bericht insoweit keine über die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 8. September 2022 hinausgehenden Quellen anführt, ist der darin zitierte Bericht des Think Tank Jusoor for Studies nicht geeignet, zu einer hinreichend belastbaren Einschätzung der Gefahr einer „Frontbewährung“ zu gelangen, da er nur davon spricht, dass Deserteure und Wehrdienstverweigerer „eher als andere“ in sehr gefährliche Kampfsituationen eingebunden würden.

(3) Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht Wehrdienstentziehern allerdings bei einer Inhaftierung die Anwendung physischer Gewalt im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG. Wie ausgeführt besteht grundsätzlich eine Gefahr, dass aufgegriffene Wehrdienstentzieher in Haft genommen werden, die in Syrien mit einem hohen Risiko von Misshandlungen und Folter verbunden ist. Angesichts der Schwere des drohenden Eingriffs ist nach den oben beschriebenen Maßstäben einer qualifizierenden Betrachtung die Wahrscheinlichkeit beachtlich, auch wenn aus den Erkenntnismitteln eine einigermaßen treffende Prognose zur Verwirklichung des Risikos nicht abgeleitet werden kann. Im Übrigen ist der Senat stets von einem real risk für (willkürliche) Inhaftierungen sowie Misshandlung und Folter durch syrische Sicherheitskräfte ausgegangen, das die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG rechtfertigt (vgl. Urteil vom 22. November 2017 - OVG 3 B 12.17 - juris Rn. 25).

Jedoch lässt sich nicht zur Überzeugung des Senats feststellen, dass eine solche Verfolgungshandlung eine Verknüpfung im Sinne des § 3a Abs. 3 AsylG mit einem Verfolgungsgrund nach § 3b AsylG aufweist.

Ernsthaft in Betracht kommt allein der Verfolgungsgrund der (unterstellten) politischen Überzeugung im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 AsylG. Insbesondere bilden Wehrdienstentzieher keine bestimmte soziale Gruppe (§ 3b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 AsylG), denn es fehlt jedenfalls an dem nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AsylG erforderlichen gemeinsamen Merkmal oder einer von allen Wehrdienstentziehern geteilten „Glaubensüberzeugung“, die sie als eine Gruppe zusammenfassen ließe. Der Weigerung, den obligatorischen Militärdienst abzuleisten, kann, muss aber nicht zwangsläufig eine politische oder ethische Überzeugung zugrunde liegen, sondern erfolgt aus einer Vielzahl von verschiedenen Motiven (vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19, EZ - Rn. 48; OVG Lüneburg, Urteil vom 22. April 2021 - 2 LB 147/18 - juris Rn. 68 ff.).

Unabhängig von der Frage, ob das syrische Regime Wehrdienstentziehern wie dem Kläger generell Opposition zum Regime und dessen System und eine politische Überzeugung im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 AsylG unterstellt, fehlt es jedenfalls an der gemäß § 3a Abs. 3 AsylG erforderlichen Verknüpfung der hier zugrunde gelegten Verfolgungshandlung (Inhaftnahme und Misshandlung/Folter) mit diesem Verfolgungsgrund. Es kann nicht mit der erforderlichen Überzeugungsgewissheit festgestellt werden, dass die Wehrdienstentziehern drohenden Maßnahmen nach ihrer objektiven Gerichtetheit davon getragen sind, eine ihnen unterstellte regimefeindliche politische Überzeugung zu treffen.

Hierbei geht der Senat davon aus, dass die vom EuGH (Urteil vom 19. November 2020 - C-238/19, EZ - Rn. 57, 61) für die unionsrechtliche Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 Buchst. e RL 2011/95/EU (§ 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG) entwickelte starke Vermutung insoweit nicht fruchtbar gemacht werden kann. Zum einem spricht nichts dafür, dass diese Rechtsprechung auf andere Fallgruppen des Art. 9 Abs. 2 RL 2011/95/EU (§ 3a Abs. 2 AsylG) übertragbar ist, da sie explizit auf die in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e RL 2011/95/EU „näher erläuterten Voraussetzungen“ Bezug nimmt. Zum anderen liegen die Voraussetzungen dieser starken Vermutung auch nicht (mehr) vor, da es - wie dargelegt - an einer laufenden intensiven Bürgerkriegslage fehlt, in der es zu schwerwiegenden Kriegsverbrechen kommt.

Angesichts der immer wieder beschriebenen in Syrien generell herrschenden Willkür und Brutalität von Sicherheitsorganen lässt sich nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit feststellen, dass eine Folter oder Misshandlung in Haft genommener Männer, die sich dem Militärdienst entzogen hatten, auf eine ihnen unterstellte politische Haltung bezogen waren. Auch aus den neueren Erkenntnissen ist nicht hinreichend eindeutig abzuleiten, dass jeder militärdienstflüchtige Mann bei einer Rückkehr nach Syrien als „Oppositioneller“ mit regimekritischer Meinung oder Grundhaltung verfolgt wird (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 23. Oktober 2018 - A 3 S 791/18 - juris Rn. 39, 41; Urteil vom 27. März 2019 - A 4 S 335/19 - juris Rn. 38; Beschluss vom 22. Dezember 2020 - A 4 S 4001/20 - juris Rn. 16; anders für Desertion: VGH Mannheim, Urteil vom 30. November 2021 - A 3 S 280/19 - juris Rn. 33 ff.). Die jüngsten Lageberichte des Auswärtigen Amtes bieten zu dieser Frage keinerlei Anhaltspunkte (vgl. AA, Lagebericht vom 2. Februar 2024, S. 25 f.; Lagebericht vom 29. März 2023, S. 30 f.). Auch der Danish Immigration Service äußert sich hierzu nicht (vgl. DIS, Syria - Military Service, Januar 2024; Syria - Military Service, Juli 2023; Syria - Treatment upon return, Mai 2022; Syria - Military Service, Mai 2020). Das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und - diesem folgend - die Europäische Asylagentur stellen sehr weit gespannte Einschätzungen von Einzelpersonen nebeneinander. So heißt es einerseits, die syrische Regierung nehme nicht automatisch an, der Wehrdienstverweigerer sei oppositionell, da sie wisse, dass viele einfach nur nach dem Universitätsabschluss ins Ausland gegangen seien, weil sie nicht im Krieg sterben wollten; das Regime sehe inzwischen nicht mehr jeden Wehrdienstverweigerer als oppositionell an; andererseits wird angeführt, die syrischen Behörden sähen Verweigerer sehr negativ, im besten Fall würden sie als Feiglinge gesehen und im schlimmsten Fall als Verräter; die Entziehung vom Wehrdienst werde vom Regime als politischer Dissens betrachtet, weil sie bedeute, A___gegenüber nicht loyal zu sein, so dass Wehrdienstverweigerer potentielle Verräter seien, wobei diese eher auf einer individuellen Basis als im Rahmen systematischer Maßnahmen behandelt würden (vgl. BFA, Anfragebeantwortung: Wehrdienst, 27. Januar 2022, S. 7 ff.; BFA, Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 132; BFA, Themenbericht: Syrien Grenzübergänge, 25. Oktober 2023, S. 32 f.; EUAA, Syria: Targeting of Individuals, September 2022, S. 46; s. auch ACCORD, Anfragebeantwortung: Wehrdienstverweigerung und Desertion, 8. September 2022, S. 13). ACCORD wiederum zitiert Quellen, nach denen zwar zu Beginn des Konflikts Wehrdienstverweigerer und Deserteure mit der Opposition assoziiert worden seien, dies aber mittlerweile nicht mehr (unbedingt) der Fall sei. Die Sicherheitskräfte würden zwischen Wehrdienstverweigerern, die sich dem Militärdienst aufgrund von Notlagen entziehen, und solchen, die sich dem Militärdienst aus Gründen entziehen, die mit einer negativen Einstellung gegenüber der Regierung zusammenhängen, unterscheiden, wobei letztere beschuldigt würden, Verbindungen zu den Oppositionsgruppen zu haben (ACCORD, Anfragebeantwortung: Wehrdienstverweigerung und Desertion, 8. September 2022, S. 13 f.). Aus dieser disparaten Auskunftslage lässt sich kein hinreichend eindeutiges Bild tragfähig ableiten, mit welcher Zielrichtung die syrischen Behörden und Sicherheitskräften die in Rede stehenden Maßnahmen gegenüber Wehrdienstentziehern ergreifen.

c. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung aus flüchtlingsschutzrelevanten Gründen folgt hier auch weder daraus, dass der Kläger sich im westlichen Ausland aufgehalten und hier einen Asylantrag gestellt hat, noch wegen seiner Herkunft aus D___.

Hinsichtlich einer Verfolgung allein wegen der (illegalen) Ausreise aus dem Herkunftsland, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Bundesgebiet ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass Schutzsuchenden, die unverfolgt aus Syrien ausgereist sind, aus diesen Gründen bei einer Rückkehr nach Syrien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus einem der in § 3 Abs. 1 AsylG aufgeführten Gründe droht, und auch die Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sunniten kein gefahrerhöhendes Merkmal darstellt (vgl. zuletzt Urteil vom 28. Mai 2021 - OVG 3 B 90.18 - juris Rn. 50; s. zudem Urteil vom 22. November 2017 - OVG 3 B 12.17 - juris; Urteile vom 21. März 2018 - OVG 3 B 23.17 - juris Rn. 20 und - OVG 3 B 28.17 - juris Rn. 23; Urteil vom 12. Februar 2019 - OVG 3 B 27.17 - juris Rn. 17 ff.; so auch die Rechtsprechung der anderen Obergerichte vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 27. März 2019 - A 4 S 335/19 - juris Rn. 45; Urteil vom 18. August 2021 - A 3 S 271/19 - juris Rn. 50; OVG Lüneburg, Urteil vom 3. April 2019 - 2 LB 341/19 - juris Rn. 29 f.; Urteil vom 22. April 2021 - 2 LB 147/18 - juris Rn. 42 ff.; Beschluss vom 15. Mai 2023 - 2 LB 444/19 - juris Rn. 35 f.; OVG Münster, Urteil vom 23. August 2022 - 14 A 3389/20.A - juris Rn. 69 ff.; Beschluss vom 13. Juni 2023 - 14 A 156/19.A - juris Rn. 47 ff.; Beschluss vom 9. November 2023 - 14 A 1853/21.A -; OVG Bremen, Urteil vom 20. Februar 2019 - 2 LB 122/18 - juris Rn. 29-35; Urteil vom 24. März 2021 - 2 LB 123/18 - juris Rn. 30; OVG Weimar, Urteil vom 16. Juni 2022 - 3 KO 178/21 - juris Rn. 112; VGH München, Urteil vom 2. Mai 2022 - 21 B 19.34314 - juris Rn. 22 ff.; OVG Magdeburg, Urteil vom 1. Juli 2021 - 3 L 154/18 - juris Rn. 55 ff.; Beschluss vom 8. März 2022 - 3 L 74/21 - juris Rn. 34 ff.; OVG Bautzen, Urteil vom 22. September 2021 - 5 A 855/19.A - juris Rn. 32 ff.; Urteil vom 21. Januar 2022 - 5 A 1402/18.A - juris Rn. 30 f.; VGH Kassel, Urteil vom 23. August 2021 - 8 A 1992/18.A - juris Rn. 35 ff.; OVG Greifswald, Urteil vom 26. Mai 2021 - 4 L 238/13 - juris Rn. 40; Beschluss vom 22. Dezember 2022 - 4 LB 71/18 - juris Rn. 39).

An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Es liegen keine neuen Erkenntnisse vor, die eine andere Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse rechtfertigen. DIS erklärt weiterhin, dass die Asylantragstellung als solche im Ausland nicht zu Misshandlung führt (DIS, Syria - Treatment upon return, Mai 2022, S. 9). EASO nennt zwar auch Personen, die Syrien illegal verlassen haben, als eine Gruppe, die Gefahr laufe, von syrischen Behörden bei ihrer Rückkehr verhaftet, verhört oder gefoltert zu werden, ohne aber anzugeben, dass dem jeweils ein Verfolgungsgrund zugrunde läge (vgl. EASO, Syria - Lage der Rückkehrer aus dem Ausland, Juni 2021, S. 27 f.; s. auch EUAA, Syria - Targeting of Individuals, September 2022, S. 32; MinBZ, Report on Syria, August 2023, S. 82). Der UNHCR hat keine neuere Stellungnahme abgegeben (zuletzt UNHCR, Relevant Country of Origin Information, 7. Mai 2020, S. 21).

Soweit im aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes ausgeführt wird, dass Rückkehrende vom Regime häufig als „Verräter/innen“ deklariert würden und sich daher oft mit weitreichender systematischer Willkür bis hin zu vollständiger Rechtlosigkeit konfrontiert sähen (AA, Lagebericht vom 2. Februar 2024, S. 18), und UNCOI, die Unabhängige internationale Untersuchungskommission zu Syrien, in einem Bericht über den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2023 Fälle von Rückkehrern aus dem Ausland in von der syrischen Regierung kontrollierte Gebiete beschrieb, die entweder erpresst, festgenommen, inhaftiert, zwangsverpflichtet, gefoltert wurden oder gewaltsam verschwunden sind (EUAA, COI Query, Syria: Major human rights, security and socio-economic developments, 6. Dezember 2023, S. 11; s. auch ACCORD, Anfragebeantwortung: Wiederansiedlung von Personen, die im Ausland waren, und Binnenvertriebenen, 9. Juni 2023, S. 3 f.), lässt dies nicht mit hinreichender Sicherheit die Annahme zu, dass Rückkehrende allein wegen des Aufenthalts und der Asylantragstellung im Ausland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sind. Die weiteren Angaben des Auswärtigen Amtes, dass eine belastbare Einschätzung der individuellen Gefährdungslage aufgrund des Herrschaftssystems in Syrien, seiner teilweise rivalisierenden Geheimdienste sowie regimenaher Milizen ohne umfassende zentrale Steuerung nicht möglich sei, dass es jederzeit zu unvorhergesehenen Vorladungen und/oder Verhaftungen durch Sicherheitsbehörden oder Dritte kommen könne und Rückkehrer in besonderer besondere Gefahr stünden, Ziel staatlicher und von Willkür geprägter Repression zu werden (AA, Lagebericht vom 2. Februar 2024, S. 18), sprechen vielmehr gegen die Annahme zielgerichteter und an Verfolgungsgründe anknüpfender staatlicher oder dem Staat zurechenbarer Handlungen. Dementsprechend heißt es in einem aktuellen Bericht der Europäischen Asylagentur, die Rückkehr nach Syrien aus dem Ausland gleiche aufgrund der dokumentierten Menschenrechtsverletzungen gegen Rückkehrer wie willkürliche Inhaftierung, Folter und Verschwindenlassen einem Glückspiel („gamble“; EUAA, Syria - Country Focus, Oktober 2023, S. 21). Auch das österreichische Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gibt an, dass kein klares Gesamtmuster der Behandlung von Rückkehrern auszumachen sei, sondern willkürliche Übergriffe an Grenzübergängen und Kontrollpunkten, einschließlich willkürlicher Verhaftungen, Erpressungen und Verschwindenlassen eine Rückkehr begleiten könnten, und die Behandlung von Menschen, die nach Syrien einreisen, stark vom Einzelfall abhängt (BFA, Themenbericht: Syrien Grenzübergänge, 25. Oktober 2023, S. 3, 25; BFA Länderinformation Syrien, 17. Juli 2023, S. 253, 272).

Eine Zugehörigkeit zur sunnitischen Religion findet in den aktuellen Quellen keine Erwähnung als ein Faktor, der die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung begründen würde.

Der Auskunftslage lässt sich weiterhin nicht entnehmen, dass Syrern allein wegen der Herkunft aus einem vormals von oppositionellen Gruppen beherrschten Gebiet eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und sie hieran anknüpfend der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt sind, so dass auch insoweit auf die Rechtsprechung des Senats verwiesen werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21. März 2018 - OVG 3 B 28.17 - juris Rn. 46 (Homs); Urteil vom 10. Oktober 2018 - OVG 3 B 24.18 - juris Rn. 26 (Aleppo); Urteil vom 19. Februar 2019 - OVG 3 B 27.17 - juris Rn. 46 ff. (Idlib); Urteil vom 28. Mai 2021 - OVG 3 B 90.18 - juris Rn. 51 (Deir ez-Zor)). Aus neueren Erkenntnissen folgt nichts anderes. So führt insbesondere der Danish Immigration Service aus, dass Rückkehrer, die aus einem ehemals von der Opposition kontrollierten Gebiet stammen oder dort gelebt haben, bevor sie Syrien verlassen haben, in der Regel nicht allein deshalb Misshandlungen oder Verstößen ausgesetzt sind, weil sie aus diesem Gebiet stammen oder dort gelebt haben. Wenn eine Person oder eine Gruppe von Personen aus einem bestimmten Gebiet an den Kontrollpunkten Probleme hat, ist dies nach dem Bericht vielmehr höchstwahrscheinlich auf die Entscheidung des einzelnen Beamten oder derjenigen zurückzuführen, die den jeweiligen Kontrollpunkt kontrolliert, und nicht der Herkunft des Rückkehrers geschuldet (DIS, Syria - Treatment upon return, Mai 2022, S. 13, 23).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Auch eine Zulassung der „Tatsachenrevision“ nach Maßgabe des § 78 Abs. 8 Satz 1 AsylG ist trotz der anderslautenden Rechtsprechung des OVG Bremen im Urteil vom 23. März 2022 - 1 LB 484/21 - (juris) nicht angezeigt, weil diese auf einer Erkenntnislage beruht, die nicht mehr aktuell ist.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Hardenbergstraße 31, 10623 Berlin, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist bei dem oben genannten Gericht einzureichen.

Rechtsanwälte, Behörden, juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Vertretungsberechtigte, die über ein elektronisches Postfach nach § 55a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 VwGO verfügen, sind zur Übermittlung elektronischer Dokumente nach Maßgabe des § 55d VwGO verpflichtet.

Im Beschwerdeverfahren müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. In Angelegenheiten, die ein gegenwärtiges oder früheres Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis betreffen, und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind auch die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 VwGO als Bevollmächtigte zugelassen; sie müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Ein als Bevollmächtigter zugelassener Beteiligter kann sich selbst vertreten. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; das Beschäftigungsverhältnis kann auch zu einer anderen Behörde, juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem der genannten Zusammenschlüsse bestehen. Richter dürfen als Bevollmächtigte nicht vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören.