Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Kostenfestsetzung, Erinnerung, Beschwerde, Notwendigkeit der Hinzuziehung...

Kostenfestsetzung, Erinnerung, Beschwerde, Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 27.05.2024
Aktenzeichen OVG 6 K 30/24 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2024:0527.OVG6K30.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen §§ 165, 151, 162 Abs 2 Satz 2 VwGO, § 15 Abs 2 RVG

Leitsatz

Besteht der Streitgegenstand aus mehreren in einer Klage zusammengefassten Verfahren, denen jeweils ein eigenes Vorverfahren vorangegangen ist, und handelt es sich gebührenrechtlich nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG, sind von der Vorschrift ggf. die Kosten sämtlicher Vorverfahren erfasst.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. April 2024 wird zurückgewiesen.

Der Erinnerungsführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

Der Erinnerungsgegner hat als Kläger des Ausgangsverfahrens Klage erhoben mit dem Antrag, unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2010 festzustellen, dass sein Nettoeinkommen verfassungswidrig zu niedrig bemessen sei, hilfsweise festzustellen, dass die Besoldung nicht mit dem Alimentationsgrundsatz vereinbar und der Erinnerungsführer/Beklagte verpflichtet sei, ihm ein höheres Nettoeinkommen zu gewähren. Gegenstand des genannten Widerspruchsbescheides waren die Bezüge des Erinnerungsgegeners/Klägers im Jahr 2009. Während der Anhängigkeit des Klageverfahrens wurden die Widersprüche des Klägers gegen seine Besoldung in den Folgejahren in das Klageverfahren einbezogen (vgl. Widerspruch vom 12. Dezember 2012, Widerspruch vom 5. November 2013, Widerspruch vom 20. August 2014 und Widerspruch vom 11. Dezember 2015). Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit, soweit er nicht abgetrennt wurde, übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, erlegte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Februar 2022 - VG 7 K 369/20 - die Kosten des Verfahrens dem Beklagten des Ausgangsverfahrens, also dem hiesigen Erinnerungsführer, auf und erklärte die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig. Die gegen die Notwendigerklärung gerichtete Beschwerde des Erinnerungsführers wies das erkennende Gericht durch Beschluss vom 4. Juli 2022 - OVG 4 L 9/22 - zurück. Auf den Antrag des Erinnerungsgegners vom 25. November 2022 setzte der Kostenbeamte Kosten für die vorgenannten vier Widerspruchsverfahren fest. Die hiergegen gerichtete Erinnerung wies das Verwaltungsgericht mit dem mit der hiesigen Beschwerde angegriffenen Beschluss vom 3. April 2024 mit der Begründung zurück, es handele sich bei den für die jeweiligen Haushaltsjahre 2012 bis 2015 eingelegten Widersprüchen gebührenrechtlich nicht um dieselbe Angelegenheit. Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde macht die Bezirksrevisorin geltend, es werde nicht in Abrede gestellt, dass jedes Widerspruchsverfahren eine Angelegenheit darstelle und jeweils eine Geschäftsgebühr entstanden sei. Zu trennen davon sei jedoch die Erstattungsfähigkeit durch die unterlegene Partei. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren sei für „das“ Vorverfahren für notwendig erklärt worden, somit nur für ein Widerspruchsverfahren.

Die Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung über die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung, §§ 165, 151 VwGO) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist unbegründet.

Die Frage, was „das“ Vorverfahren im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist, richtet sich im Ausgangspunkt nach dem Streitgegenstand des dem Vorverfahren nachgehenden Klageverfahrens. Besteht der Streitgegenstand aus mehreren in einer Klage zusammengefassten Verfahren, denen jeweils ein eigenes Vorverfahren vorangegangen ist, und handelt es sich gebührenrechtlich nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG, sind von der Vorschrift ggf. die Kosten sämtlicher Vorverfahren erfasst. Dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für „das“ Vorverfahren für notwendig erklärt werden kann, schließt diese Annahme nicht aus. Die Formulierung im Singular ist dem Umstand geschuldet, dass der Gesetzgeber vom Regelfall ausgeht, bei dem lediglich ein Vorverfahren stattgefunden hat. Daher folgt auch aus der Formulierung des an den Gesetzeswortlaut anknüpfenden Beschlusstenors vom 15. Februar 2022, wonach die Zuziehung eines Bevollmächtigten für „das“ Vorverfahren für notwendig erklärt wird, nichts Anderes. Die Höhe der zu erstattenden Aufwendungen richtet sich nach den Gebühren des Rechtsanwalts (Neumann/Schaks, in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 162 Rn. 108). Kann ein Rechtsanwalt gegenüber seinem Mandanten jeweils eine Geschäftsgebühr für mehrere Vorverfahren abrechnen, gilt dies auch im Verhältnis zum Verfahrensgegner, wenn dieser zur Kostenerstattung verpflichtet ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Verwaltungsgericht für das Klageverfahren insgesamt einen einheitlichen Streitwert in Höhe des Auffangstreitwertes nach § 52 Abs. 2 GKG festgesetzt hat. Dass der Streitwert des Vorverfahrens der Höhe nach auf den Streitwert des Klageverfahrens begrenzt ist, wie die Beschwerde ausführt, ist insoweit ohne Belang. Diese Begrenzung verdeutlicht, dass § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nur anwendbar ist, wenn sich an das Vorverfahren ein Klageverfahren angeschlossen hat (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. Mai 2015 - OVG 3 M 37.15 -, NVwZ 2015, 1396 f., juris Rn. 3; ferner BVerwG, Urteil vom 29. Juni 2006 - 7 C 14.05 -, NVwZ 2006, 1294 f., juris Rn. 13). Damit wäre ein - etwa aufgrund abweichenden Streitgegenstandes - ggf. höherer Streitwert im Vorverfahren nicht vereinbar. Dementsprechend erfolgte im vorliegenden Verfahren, bei dem nach den von der Beschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts die Tätigkeit in den Widerspruchsverfahren jeweils als Tätigkeit in verschiedenen Angelegenheiten anzusehen ist, die Festsetzung der Kosten zu Recht für alle vier Widerspruchsverfahren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren eine Festgebühr vorgesehen ist (vgl. KV Nr. 5502 der Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).