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Aufwandsüberschreitungsverbot, Erforderlichkeitsgrundsatz, Erstattungsbegehren, Komplexverband Mittlerer Süden (KMS), MunR-Werte, Prozesszinsen, teilweise übereinstimmende Erledigungserklärung, Trinkwasseranschlussbeitrag, unplausible Beitragskalkulation


Metadaten

Gericht VG Cottbus 6. Kammer Entscheidungsdatum 30.05.2024
Aktenzeichen VG 6 K 12/24 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2024:0530.6K12.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen §§ 37 II, 155 I, 236, 238, 239/1 AO, § 188 II BGB, §§ 8,12 KAG, §§ 90; 113 IV, I Satz 2, 161, 162 VwGO

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit teilweise übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Der Beitragsbescheid vom 10. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2023 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.398,57 Euro nebst Zinsen aus einem Betrag von 1.500 Euro in Höhe von 0,5 % für jeden vollen Monat vom 28. April 2018 bis zum 20. Juni 2019 und in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr ab dem 21. Juni 2019 zu zahlen, hinsichtlich der bereits erfolgten Erstattung bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung durch die Beklagte.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Trinkwasseranschlussbeitrag durch die Beklagte.

Sie ist Eigentümerin des G_____. Dieses Grundstück liegt im Verbandsgebiet des von der Beklagten vertretenen Zweckverbandes K_____ (im Folgenden: K_____), der dort u. a. die Trinkwasserversorgungsanlage betreibt.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2016 veranlagte die Beklagte die Klägerin zu einem Anschlussbeitrag für die Herstellung der öffentlichen Trinkwasserversorgungsanlage für das eingangs genannte Grundstück in Höhe von 1.543,88 Euro.

Die Klägerin erhob hiergegen am 2. März 2016 über ihren Prozessbevollmächtigten Widerspruch, den sie nicht näher begründete.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2023 hob die Beklagte den Beitragsbescheid vom 10. Februar 2016 insoweit auf, als dort ein Betrag von mehr als 1.398,57 Euro festgesetzt und gefordert worden war und wies den Widerspruch im Übrigen zurück. Den überzahlten Betrag in Höhe von 145,31 Euro erstattete sie kurz danach an die Klägerin. Zur Begründung führte die Beklagte aus: Die Verbandsversammlung des K_____ habe am 13. September 2022 die Wasseranschlussbeitragssatzung neu gefasst und in deren § 3 Abs. 10 den Beitragssatz reduziert; dem liege der Beschluss der Verbandsversammlung zur Korrektur der Beitragskalkulation Trinkwasser zugrunde.

Die Klägerin hat am 28. April 2018 Klage erhoben, zunächst als Untätigkeitsklage, wobei sie das Verfahren nach Erlass des Widerspruchsbescheides weiterführte. Zur Begründung führt sie aus: Auch der reduzierte Beitragssatz aus der neuen Beitragssatzung sei rechtswidrig überhöht.

Im Umfang der Aufhebung des Beitragsbescheides durch den Widerspruchsbescheid haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, wobei der Beklagte insoweit die Übernahme der Verfahrenskosten erklärt hat.

Die Klägerin beantragt nunmehr (sinngemäß),

  1. den Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2023 aufzuheben,
  2. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin den an sie gezahlten und noch nicht erstatteten Betrag in Höhe von 1.398,57 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt der Zahlung, hilfsweise sei Rechtshängigkeit zu erstatten,
  3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 145,31 Euro seit dem Zeitpunkt der Zahlung durch die Klägerin bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung durch die Beklagte zu zahlen und
  4. die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus: Für das betreffende Grundstück sei die Anschlussmöglichkeit erst im Jahre 2003 geschaffen worden.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte gemäß §§ 87a Abs. 2 und 3, 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Wege des schriftlichen Verfahrens durch den Berichterstatter entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit jeweils einverstanden erklärt haben (Schriftsatz des Klägervertreters vom 5. Januar 2024, Schriftsatz des Beklagten vom 19. Februar 2024).

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (vgl. unten die Begründung der Kostenentscheidung).

Hinsichtlich des verbleibenden Teils des Streitgegenstandes hat die Klage überwiegend – in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - Erfolg.

Soweit die Klägerin die Aufhebung des Beitragsbescheides begehrt, ist die Klage als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO) statthaft und auch sonst zulässig, wobei die Klägerin die Klage zunächst in zulässiger Weise in Form der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhoben hatte, da sie gegen den Bescheid fristgerecht Widerspruch eingelegt und die Beklagte diesen Widerspruch ohne zureichenden Grund bis zur Klageerhebung nicht beschieden hatte. Die zunächst als Untätigkeitsklage erhobene Anfechtungsklage führt die Klägerin nach Einbeziehung des Widerspruchsbescheides nach dessen Erlass in zulässiger Weise weiter.

Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Der Beitragsbescheid des Beklagten vom 10. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2023 ist in der nach der Teilabhilfe verbliebenen Höhe rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Als Rechtsgrundlage der Beitragsforderung ist § 8 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) in Verbindung mit der – insoweit wegen der nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten anzunehmenden Unwirksamkeit des vorangegangenen Trinkwasserbeitragssatzungsrechts allein in Betracht kommenden - Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung des Zweckverbandes K_____ – Wasseranschlussbeitragssatzung – vom 13. September 2022 (TWBS 2022) in den Blick zu nehmen.

Diese Satzung kann jedoch nicht Rechtsgrundlage für die Beitragsforderung sein, weil sie unwirksam ist. Der in § 3 Abs. 10 TWBS 2022 geregelte Beitragssatz als Satzungsmindestbestandteil gemäß § 2 Abs.1 Satz 2 KAG verstößt gegen das gesetzliche Aufwandsüberschreitungsverbot gemäß § 8 Abs. 4 Satz 8 KAG.

Danach soll der Beitragssatz so kalkuliert werden, dass das veranschlagte Beitragsaufkommen die umlagefähigen Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht übersteigt. Die Einhaltung des Aufwandsüberschreitungsverbots ist durch eine methodisch korrekte und im Übrigen plausible Beitragskalkulation zu belegen, die spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen muss (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2011 - OVG 9 B 14.09 -, juris Rn. 35). Aus der vorzulegenden Kalkulation muss nachvollziehbar hervorgehen, dass der Beitragssatz bereits aus der Sicht des Satzungsinkrafttretens dem Aufwandsüberschreitungsverbot gerecht geworden ist. Insoweit besteht eine Bringschuld der Gemeinde oder des Gemeindeverbandes (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, vom 15. Juni 2021 - OVG 9 A 5.12 -, juris Rn. 19 ff.). Gelingt es der abgabenerhebenden Stelle mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln (wozu auch die Beauftragung eines Sachverständigen zählen kann) nicht, die Erforderlichkeit der angesetzten Aufwendungen spätestens im Gerichtsverfahren zu plausibilisieren, dann geht dies zu ihren Lasten und ist schon deshalb von der Ungültigkeit der entsprechenden Regelung auszugehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Juni 2021 - OVG 9 A 5.12 -, Rn. 21; Urteil vom 2. November 2021 - OVG 9 A 10.12 -, juris Rn. 22).

So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat ihre Beitragskalkulation aus dem Jahr 2010 (unter Berücksichtigung des Nachtrags aus dem Jahr 2014) zwar nach dem klagestattgebenden Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg im Normenkontrollverfahren (Urteil vom 2. November 2021 – 9 A 10.12 -, juris) im Jahr 2022 korrigiert. Auch danach sind indessen auf der Aufwandsseite der Kalkulation Anschaffungs- und Herstellungskosten angesetzt worden, die hinsichtlich ihrer Höhe nicht plausibilisiert worden sind. Das führt unbeschadet der Frage, ob weitere Bedenken gegen die Wirksamkeit der Satzung bestehen, dazu, dass der satzungsmäßige Beitragssatz in einem Maße überhöht ist, das nicht mehr als unbeachtlich angesehen werden kann.

Auf der Aufwandsseite der Kalkulation dürfen nur beitragsfähige Kosten bzw. beitragsfähiger Aufwand angesetzt werden. Das betrifft nicht nur die abstrakte Beitragsfähigkeit, sondern auch die Frage, ob die Aufwendungen der Sache und der Höhe nach erforderlich gewesen sind (sachbezogene und kostenbezogene Erforderlichkeit). Die insoweit zu prüfende Erforderlichkeit ist nicht im Sinne einer Beschränkung auf das Notwendigste zu verstehen. Nach dem Grundsatz der kostenbezogenen Erforderlichkeit, der auch im Anschlussbeitragsrecht gilt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 1997 - 8 B 105.97 -, juris Rn. 6; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2011 - OVG 9 B 14.09 -, juris Rn. 41 ff.), steht der abgabenerhebenden Stelle bei der Beurteilung der Angemessenheit der Kosten ein weiter Entscheidungsspielraum zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013 - 9 C 11.11 -, juris Rn. 24; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Januar 2011 - OVG 9 B 14.09 -, juris Rn. 42). Demgemäß wird auch insoweit für die Erforderlichkeit der aufgewendeten Kosten lediglich eine äußerste Grenze markiert. Diese ist erst dann überschritten, wenn sich die abgabenerhebende Stelle ohne rechtfertigende Gründe nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind, das heißt, wenn die Kosten in für die abgabenerhebende Stelle erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreicht haben, also sachlich schlechthin unvertretbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013, a. a. O.; Beschluss vom 30. April 1997, a. a. O.). Dabei ist auch bei einer nachträglichen Rechtfertigung des Beitragssatzes eine „ex ante-Perspektive“ einzunehmen, d. h. es ist auf die Verhältnisse und Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Erstellung der Kalkulation bzw. des Inkrafttretens der Satzung (hier: 1. Januar 2011) abzustellen (vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1. Dezember 2005 - OVG 9 A 3.05 -, juris Rn. 29). Maßgeblich ist, was ein verständiger Beitragsgläubiger zu diesem Zeitpunkt für angemessen halten durfte. Beruht die Auftragsvergabe auf einem ordnungsgemäß durchgeführten Vergabeverfahren, dann indiziert dies die Erforderlichkeit der Kosten (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013, a. a. O., Rn. 26). Fehlt es mangels ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens an der entsprechenden Indizwirkung, ist im gerichtlichen Verfahren zu klären, ob durch den Vergaberechtsverstoß augenfällige Mehrkosten entstanden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013, a. a. O, Rn. 27). Dabei ist es in erster Linie Sache der abgabenerhebenden Stelle darzutun, dass die angefallenen Kosten sach- und marktgerecht gewesen sind. Denn die zur Beurteilung der Erforderlichkeit der Kosten notwendigen Kenntnisse und Informationen liegen in ihrer Sphäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2013, a. a. O., Rn. 29; vgl. zum Ganzen: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 2. November 2021 - OVG 9 A 10.12 -, juris Rn. 24).

Dem wird die Korrektur der Beitragskalkulation Trinkwasser nicht gerecht, denn die Anschaffungs- und Herstellungskosten für Maßnahmen aus dem Zeitraum 1992 bis 1997, die das Oberverwaltungsgericht in seinem Normenkontrollurteil vom 2. November 2021 (- OVG 9 A 10.12 -) in voller Höhe von 14.940.094,64 EUR für nicht plausibilisiert erachtet hat, werden nur zum Teil – nämlich in Höhe von 3.132142,55 Euro - aus der Kalkulation ausgeschieden, ohne dass nunmehr für den verbliebenen Teil eine Plausibilisierung erfolgt wäre. Das gilt sowohl für die Investitionen in den Hochbehälter Z_____, das Wasserwerk L_____ und bestimmte Investitionen in das Rohrnetz in Höhe von insgesamt 4.674.938,19 Euro einerseits als auch für bestimmte Investitionen in das Rohrnetz in Höhe von 7.142.014,50 Euro andererseits.

Hinsichtlich der Investitionen in den Hochbehälter Z_____, das Wasserwerk L_____ und das Rohrnetz in Höhe von 1.700.839,95 Euro ist jenseits der bloßen Behauptung, dass diese Kosten – teilweise nach Ausschreibung durch Dritte – in der angesetzten Höhe angefallen sein sollen, eine Plausibilisierung weder durch Schriftsätze noch durch Unterlagen im vorliegenden oder in Parallelverfahren erfolgt.

Dies gilt zunächst für die Investitionen in den Hochbehälter Z_____ (und die betreffende Trinkwasserleitung Z_____), für die der Zweckverband einen umlagefähigen Betrag von 2.564.473,24 Euro angesetzt hat. Die Beklagte weist insoweit kalkulatorisch (lediglich) darauf hin, dass diese Maßnahmen nicht vom K_____ ausgeschrieben und beauftragt worden seien, sondern auf einem Überleitungsvertrag vom 25. November/19. Dezember 1991 beruhten. Mit diesem Vertrag sei der zwischen den P_____ (P_____), dem K_____ und der B_____ geschlossene Bauwerksvertrag auf den K_____ übertragen worden. Dem entsprechende, den Betrag auch nur der Höhe nach belegende, Unterlagen sind im vorliegenden und in Parallelverfahren allerdings nicht vorgelegt worden (vgl. in diesem Sinne auch etwa VG Potsdam, Urteil vom 26. Juni 2023.- 9a 2600/22 -, S. 9 des E.A.).

Hierzu hätte aber Veranlassung bestanden, da die in Rede stehenden Kosten für den Hochbehälter Z_____ bereits Gegenstand des Normenkontrollverfahrens OVG 9 A 10.12 waren, in dem der 9. Senat des OVG Berlin- Brandenburg mit Urteil vom 2. November 2021 festgestellt hat, dass die kostenbezogene Erforderlichkeit der Maßnahmen aus den Jahren 1992 bis 1997 vom Antragsgegner nicht plausibilisiert worden sei (juris Rn. 61). Soweit der Beklagte in Parallelverfahren auf einen „Überleitungsvertrag vom 25. November/19. Dezember 1991“ Bezug nimmt, scheint ein solcher nicht zu existieren, sondern ausweislich der von der Beklagten dort eingereichten Unterlagen lediglich ein – undatierter – Überleitungsvertrag zu einem unter dem 25. November/19. Dezember 1991 geschlossenen Bauwerkvertrag (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2024 – 9 N 109/23 -, juris, Rn. 18). Unklar bleibt weiter, ob dieser Überleitungsvertrag wirksam geschlossen worden ist (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Urteil vom 14. Mai 2024, a.a.O., Rn. 18). Unbeschadet dessen beschränkte sich dieser Vertrag - entgegen dem Vorbringen der Beklagten - nicht darauf, den ursprünglichen Bauwerkvertrag auf den Verband zu „übertragen“. Der Überleitungsvertrag bestimmte vielmehr u. a. einen neuen Vergütungsbetrag i. H. v. 4.760.300  DM (= 2.433.902,74 EUR), und zwar „für die im Protokoll vom 30.06.93 beschriebenen Leistungen“. Ferner wurden „aus der Baubehinderung resultierenden Mehrkosten“ i. H. v. 255.434,61 DM (= 130.601,64 EUR) vereinbart. Abgesehen davon, dass die Beklagte weder die vorgenannte Leistungsbeschreibung vorgelegt noch die Mehrkosten erläutert hat und deshalb die Angemessenheit der Vergütung schon im Ansatz nicht nachvollzogen werden kann, handelte es sich bei dem Überleitungsvertrag nicht um einen bloßen Eintritt in einen zuvor anderweitig ausgehandelten Vertrag, sondern angesichts der dargestellten Regelungen um ein - auch die Höhe der geltend gemachten  Kosten beeinflussendes - wirtschaftliches Tätigwerden des Verbandes. Wie das OVG Berlin- Brandenburg im Urteil vom 2. November 2021 (a.a.O.) unter Hinweis auf die entsprechenden Prüfberichte ausgeführt hat, bestehen insoweit durchgreifende Zweifel, ob der Verband im Zeitraum 1992 bis 1997 das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachtet hat (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2024, a.a.O.).

Soweit der Beklagte hinsichtlich des Hochbehälters Z_____in Parallelverfahren geltend gemacht hat, die Aufwendungen seien im Hinblick auf das Urteil des Senats im Verfahren OVG 9 A 5.12 jedenfalls mit einem Abzug von 31,8 % in der Kalkulation zu berücksichtigen, kann dem gleichfalls nicht gefolgt werden. Zur Begründung wird auf die nachfolgenden Ausführungen zu den Investitionen in das Rohrnetz Bezug genommen. Die dort angestellten Erwägungen gelten erst recht für den Hochbehälter Z_____, der keinen erkennbaren Bezug zu dem die Abwasserentsorgung betreffenden Untersuchungsgegenstand des MUNR-Katalogs oder zu Maßnahmen aufweist, die Gegenstand des Normenkontrollverfahrens OVG 9 A 5.12 waren.

Der Vorwurf der fehlenden Plausibilisierung gilt auch für die geltend gemachten Aufwendungen für Investitionen in das Wasserwerk L_____. Dieses ist ausweislich der Ausführungen in der Kalkulation im Jahre 1985 errichtet und vom Bundesvermögensamt an den K_____ übertragen worden; soweit die Übertragung unentgeltlich erfolgt sei, seien die Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht als beitragsfähiger Aufwand berücksichtigt worden. Für den verbleibenden Betrag von 409.624,51 Euro ist eine (weitere) Plausibilisierung indes nicht erfolgt. Die von der Beklagten in Parallelverfahren vorgelegten Rechnungsunterlagen sind nicht mit der Behauptung der Beklagten in Einklang zu bringen, der Verband habe lediglich Rechnungen für noch von der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte und/oder sonst beauftrage Leistungen bezahlt. So ist in der Rechnung 2_____ von einem Auftrag des Verbandes vom 28. Juni 1994 die Rede, er wird auch durchgehend als Bauherr bezeichnet. Entsprechendes gilt für die vorgelegten Unterlagen zur Erweiterung Wasserwerk bzw. zum Bau von 2 Brunnen. Soweit die Beklagte auch hinsichtlich der Aufwendungen für das Wasserwerk L_____ hilfsweise geltend zu machen scheint, diese seien jedenfalls mit einem Abzug von 31,8 % berücksichtigungsfähig, vermag dies nicht zu überzeugen. Auch das Wasserwerk L_____ weist keinen Bezug zum Gegenstand des Verfahrens OVG 9 A 5.12 auf, so dass auf die entsprechenden Ausführungen zum Hochbehälter Z_____ oben verwiesen werden kann (vgl. in diesem Sinne auch OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2024, a.a.O., Rn. 21 f.).

Hinsichtlich der Investitionen in das Rohrnetz in Höhe von 1.700.839,95 Euro geht die Beklagte in der Korrektur ihrer Kalkulation davon aus, dass, anders als das Oberverwaltungsgericht es seinem Normenkontrollurteil zugrunde gelegt hatte, Kosten in dieser Höhe nach Durchführung eines (ordnungsgemäßen) Vergabeverfahrens entstanden seien. Es handele sich um sieben Maßnahmen, die durch die Mitgliedsgemeinden ausgeschrieben worden und nach der Ausschreibung, Beauftragung oder Fertigstellung ins Anlagevermögen an den K_____ übergeben worden seien. Diese Behauptung belegende Unterlagen sind nicht vorgelegt worden, weshalb die Vorgänge insgesamt nicht nachvollzogen werden können. Dies gilt hinsichtlich der Höhe der Kosten, aber auch der Frage, in welchen Jahren die entsprechenden Maßnahmen durchgeführt worden sein sollen, zumal die Mitgliedsgemeinden seit der Gründung des K_____ im August 1992 nicht mehr Träger der Aufgabe der Trinkwasserversorgung waren.

In Summe sind damit 4.674.937,70 Euro (2.564.473,24 Euro + 409.624,51 Euro + 1.700.839,95 Euro) an Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Korrektur der Beitragskalkulation aufwandserhöhend berücksichtigt worden, für die die kosten-bezogene Erforderlichkeit nicht überprüft werden kann und die damit nicht von der Beklagten, was aber deren Aufgabe wäre, plausibilisiert worden sind. Schon der Ansatz dieses Aufwandes in der Kalkulation führt dazu, dass der Beitragssatz in einem Maße überhöht ist, das nicht mehr als unbeachtlich angesehen werden kann. Ein um diesen Betrag niedrigerer umlagefähiger Aufwand (25.934.786,47 Euro – 4.674.937,70 Euro = 21.259.848,77 Euro) würde zu einem um ca. 18 % niedrigeren Beitragssatz (nach Berücksichtigung des Deckungsgrades: 0,63 Euro/m² anstelle von 0,77 Euro/m²) führen, was als beachtlich anzusehen ist (vgl. OVG für das Land Brandenburg, Urteil vom 22. Mai 2002 - 2 D 78/00.NE -, juris Rn. 138).

Die kostenbezogene Erforderlichkeit der weiteren Investitionen in das Rohrnetz aus dem Zeitraum 1992 bis 1997, die sich aus einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen zusammensetzen, bei denen ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren jeweils nicht durchgeführt worden ist und welche die Beklagte nach Vornahme eines Abschlages in Höhe von 7.142.014,50 Euro aufwandserhöhend berücksichtigt hat, ist gleichfalls nicht dargelegt.

Die Beklagte hat – unter Verweis auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg in dem Normenkontrollverfahren betreffend die Schmutzwasseranschlussbeiträge (Urteil vom 15. Juni 2023 - OVG 9 A 5.12) – in der überarbeiteten Kalkulation von den ursprünglich in Höhe von 7.142.014,50 Euro angesetzten Kosten 30,42 %, d. h. einen Betrag von 3.123.142,55 Euro abgezogen. Den Abschlagssatz von 30,42 % leitet sie in ihrer Korrektur der Kalkulation daraus ab, dass im Bereich Schmutzwasser für Abwasserdruckleitungen zum einen Kosten in Höhe von 4.050.812,33 Euro entstanden seien, die innerhalb der „MNUR“-Werte (gemeint wohl „MUNR“, s. dazu sogleich) lägen und zum anderen Kosten in Höhe von 9.819.837,36 Euro entstanden seien, die diese Werte überschritten. Die Kostenüberschreitung betrage 4.220.120,62 Euro, was zu einem Anteil der Kostenüberschreitung an den Gesamtkosten für Abwasserdruckleitungen von 30,42 % führe.

Diese Vorgehensweise ist nicht geeignet, die in der Kalkulation als Aufwand berücksichtigten Investitionskosten in die Rohrnetze für Maßnahmen aus den Jahren 1992 bis 1997 zu plausibilisieren.

Dies gilt schon deshalb, weil die Vergleichbarkeit von Schmutz- und Trinkwasserdruckleitungen nicht, schon aufgrund unterschiedlicher Rohrdurchschnitte, offenkundig ist. Dagegen, dass die Werte des MUNR-Katalogs – eine vom damaligen Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung herausgegebene Druckschrift mit dem Titel „Abwasserentsorgung in Brandenburg – Orientierungswerte für den Kostenaufwand bei der Abwasserableitung und -behandlung“ – auf den Trinkwasserbereich übertragbar sind, spricht im Übrigen, dass das Oberverwaltungsgericht in seinem die Wasseranschlussbeitragssatzung betreffenden Normenkontrollurteil (vom 2. November 2021 - OVG 9 A 10.12), das mehrere Monate nach dem entsprechenden Urteil zu den Schmutzwasseranschlussbeiträgen gefällt worden ist, nicht auf den MUNR-Katalog rekurriert, sondern die Anschaffungs- und Herstellungskosten für die Jahre 1992 bis 1997 in Gänze für nicht plausibilisiert erachtet hat.

Dessen ungeachtet entspricht die Vorgehensweise der Beklagten in der Korrektur der Kalkulation aus dem September 2022 auch nicht derjenigen des Oberverwaltungsgerichts in dem Normenkontrollurteil Schmutzwasser (Urteil vom 15. Juni 2023 - OVG 9 A 5.12 -).

Im letztgenannten Verfahren hatte der K_____ die Möglichkeit in Betracht gezogen, die kostenbezogene Erforderlichkeit der Maßnahmen aus den Jahren 1992 bis 1997 anhand der Orientierungswerte des MUNR-Katalogs zu plausibilisieren (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O., Rn. 34 ff.). Dabei ist festgestellt worden, dass der Vergleich der oberen Sollkosten des MUNR-Katalogs, d. h. der die maximalen Baukosten und Zuschläge berücksichtigenden Werte, mit den maßgeblichen Kosten des K_____ eine Kostenüberschreitung von – unsaldiert, d. h. die Überschreitungen der MUNR-Vergleichswerte sind summiert (und nicht mit Unterschreitungen verrechnet) worden, was nach Auffassung des 9. Senats die maßgebliche Methode ist – ca. 73 % ergeben hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O., Rn. 41). Da qualitative Gründe, wie etwa höhere Grundwasserstände, aus Sicht des Oberverwaltungs-gerichts nicht geeignet waren, die Überschreitung in dieser Höhe zu rechtfertigen, schied eine Plausibilisierung auf Basis eines Kostenvergleichs anhand des MUNR-Katalogs aus.

Das OVG Berlin- Brandenburg hat allerdings – weil dem MUNR-Katalog ein sehr ambitionierter Ansatz zugrunde liege und sich dieser als Werkzeug für eine Minimierung der Abwasserentsorgungskosten verstehe –, angenommen, dass Abweichungen von bis zu 30 % von den MUNR-Vergleichswerten als gerechtfertigt angesehen werden könnten. Die Einhaltung der Katalogwerte sei zwar ein hinreichendes, aber kein notwendiges Kriterium für die Beitragsfähigkeit der Kosten in dem Sinne, dass es bei einer Überschreitung dieser Werte gleichsam automatisch an der kostenbezogenen Erforderlichkeit fehle. Auf der Basis eines Aufschlags von 30 % auf die oberen MUNR-Vergleichswerte hat der 9. Senat bei den Investitionen im Bereich Schmutzwasser aus den Jahren 1992 bis 1997 einen Betrag von EUR als durch Kostenvergleich plausibilisiert erachtet (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, a. a. O., Rn. 45).

Dem entspricht die Vorgehensweise der Beklagten in der Korrektur ihrer Beitragskalkulation Trinkwasser indes nicht. Denn hier ist nicht ein Aufschlag von 30 % auf die sich aus dem MUNR-Katalog ergebenden Werte betreffend Abwasserdruckleitungen vorgenommen worden. Vielmehr ist in einem ersten Schritt die prozentuale Kostenüberschreitung anhand eines Vergleichs der MUNR-Werte mit den maßgeblichen Kosten des K_____ im Bereich Schmutzwasser bestimmt worden, die den Wert von 30,42 % ergeben haben soll und sind sodann in einem zweiten Schritt von den Kosten des K_____ für Rohrleitungen im Bereich Trinkwasser diese 30,42 % abgezogen worden. Es ist aber das Eine, auf einen Vergleichswert – ausgehend davon, dass dieser zu restriktiv bemessen ist – 30 % aufzuschlagen; es ist aber etwas Anderes, eine tatsächliche prozentuale Überschreitung der Kosten anhand von Vergleichswerten im Bereich Schmutzwasser zu ermitteln und diesen Prozentsatz dann im Bereich Trinkwasser von den hier maßgeblichen Kosten abzuziehen. Davon abgesehen bestehen aber auch gegen die Berechnung an sich – die in Ermangelung entsprechender, dies belegender Unterlagen nicht weiter nachvollzogen werden kann – schon deshalb erhebliche Bedenken, weil das Oberverwaltungsgericht in seinem Normenkontrollurteil bei einem Vergleich der oberen Sollkosten mit den Kosten des K_____ eine Kostenüberschreitung von mehr als 70 % ermittelt hatte (s. dazu schon oben); dass die Überschreitung – wie von der Beklagten in der Korrektur der Kalkulation zugrunde gelegt – lediglich 30,42 % für Abwasserdruckleitungen bzw. 52,92 % für Pumpwerke betragen haben soll, ist damit nicht in Einklang zu bringen (vgl. zum Ganzen auch VG Potsdam, Urteil vom 26. Juni 2023, a.a.O., S. 10 ff. des E.A.).

Soweit die Beklagte in Parallelverfahren geltend gemacht hat, für die Maßnahmen der Investitionen in das Rohrnetz könnten zwar tatsächlich Vergabeverstöße des Verbandes nicht ausgeschlossen werden, dem habe sie aber durch eine Kürzung der Anschaffungs- und Herstellungskosten um 30,42 % Rechnung getragen, wobei bei der Ermittlung der beitragsfähigen Investitionskosten die Trinkwasserleitungen mit Abwasserdruckleitungen durchaus vergleichbar seien, überzeugt dies nicht.

Bezüglich des in der Korrektur der Beitragskalkulation vom Dezember 2021 angenommen Abschlagswertes von 30,42 % setzt sich der Beklagte auch in diesen Verfahren weder damit auseinander, dass dieser Wert nicht mit den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg im Urteil vom 15. Juni 2021 in Einklang zu bringen ist, wonach die Überschreitung der oberen MUNR-Vergleichswerte mehr als 70 % betragen habe, noch gibt er eine nachvollziehbare Begründung für den vorgenannten Abschlagswert. Soweit die Beklagte unter Hinweis auf das Urteil des OVG Berlin- Brandenburg vom 15. Juni 2021 geltend macht, dass allenfalls eine Reduzierung der Kosten um 31,81 % notwendig sei, um deren Erforderlichkeit zu plausibilisieren, greift das nicht. Die Feststellungen im Urteil vom 15. Juni 2021 beruhen auf einem Vergleich der in die Beitragskalkulation (Schmutzwasser) eingeflossenen Kosten mit den entsprechenden Orientierungswerten des MUNR-Katalogs (a. a. O., Rn. 34 ff.). Zielsetzung des vom damaligen Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung herausgegebenen MUNR-Katalogs ist es gewesen, Orientierungswerte für den Kostenaufwand bei der Abwasserableitung und -behandlung zur Verfügung zu stellen. Dass diese Orientierungswerte vom Anspruch des Kataloges her auf den Trinkwasserbereich übertragen werden können, legt die Beklagte nicht dar. Hinzu kommt, dass sich die im Normenkontrollurteil vom 15. Juni 2021 angenommene Kostenüberschreitung auf die vom Verband zwischen 1992 und 1997 im Schmutzwasserbereich durchgeführten Maßnahmen bezog, die die Beklagte in der sog. "A3-Tabelle (SW)" aufgeführt hatte. Bei etlichen diesen Maßnahmen lässt sich kein sachlicher oder örtlicher Bezug zu den im Trinkwasserbereich in den Jahren 1992 bis 1997 getätigten Investitionen erkennen, für die die Beklagte im Rahmen der zur Trinkwasserbeitragssatzung durchgeführten Normenkontrollverfahren eine entsprechende "A3-Tabelle (TW)" erstellt hatte. Dies gilt zunächst für die Investitionen in die Kläranlage H_____, daneben aber auch für die Maßnahmen Ortsentwässerung G_____, Ortsentwässerung D_____, Ortsentwässerung G_____, Ortsentwässerung K_____, Ortsentwässerung W_____ sowie die Überleitung L_____. Bei mehreren der vorgenannten Maßnahmen wurden nach der von der Beklagten im Verfahren OVG 9 A 5.12 vorgelegten Untersuchung die (oberen) MUNR-Werte eingehalten oder nur geringfügig überschritten, was sich für die Beklagte günstig auf die festgestellte Kostenüberschreitung im Schmutzwasserbereich auswirkte. Umgekehrt findet sich für die in der A3-Tabelle (TW) aufgeführten Maßnahmen in P_____ und K_____ keine Entsprechung in der A3-Tabelle (SW). Auch bei allen anderen Maßnahmen fehlt jede Darlegung, dass sie in technischer und örtlicher Hinsicht vergleichbar waren. Die behauptete gemeinsame Ausschreibung von Trink- und Schmutzwassermaßnahmen besagt noch nicht, dass sich etwaige Kostenüberschreitungen in beiden Bereichen decken. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten angeführten Feststellung im Urteil vom 2. November 2021 (- OVG 9 A 10.12 -, juris Rn. 30). Das OVG Berlin-Brandenburg hat dort lediglich mit Blick auf die den Geschäftsbereich Abwasserentsorgung betreffenden Jahresabschlussprüfungen 1992-1994 festgestellt, es sei lebensfremd anzunehmen, dass die wiederholt und fortlaufend festgestellten Verstöße gegen das Vergaberecht nicht auch den Trinkwasserbereich betroffen hätten. Daraus folgt nicht, dass die Konsequenzen der Vergaberechtsverstöße und die Möglichkeit einer anderweitigen Plausibilisierung der Kosten in beiden Bereichen notwendigerweise deckungsgleich wären (vgl. in diesem Sinne auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Mai 2024, a.a.O., Rn. 13 f.).

Soweit die Beklagte in Parallelverfahren die Behauptung einer Ausschreibung durch Mitgliedsgemeinden wiederholt hat, hat sie nach wie vor keine Ausschreibungsunterlagen vorgelegt.

Damit sind weitere Anschaffungs- und Herstellungskosten in Höhe von 7.142.015,50 Euro aufwandserhöhend in der Korrektur der Beitragskalkulation berücksichtigt worden, deren kostenbezogene Erforderlichkeit die Beklagte nicht belegt hat. Der Ansatz dieses Aufwandes in der Kalkulation führt (für sich) dazu, dass der Beitragssatz in einem Maße überhöht ist, das nicht mehr als unbeachtlich angesehen werden kann.

Unterliegt damit der angefochtene Beitragsbescheid der Aufhebung, so ist auch das mit der Klage darüber hinaus verfolgte Erstattungsbegehren zulässig und begründet.

Der Zulässigkeit des Leistungsantrags steht nicht entgegen, dass die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG grundsätzlich voraussetzt, dass darüber durch einen vorherigen Abgabenbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 2 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) KAG entschieden worden ist, da die Abgabenordnung über die Regelung des § 12 Abs. 1 KAG nur als Landesrecht anwendbar ist, gegenüber welchem die bundesrechtliche Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO Vorrang hat. Danach ist die Verbindung des auf die Folgenbeseitigung gerichteten Antrags mit der Anfechtungsklage zulässig, ohne dass insoweit ein Verwaltungsverfahren stattgefunden haben muss. Es handelt sich um einen bundesrechtlich geregelten Fall der Stufenklage, der leerlaufen würde, wenn die Rückzahlung gezahlter Beiträge von einem vorherigen Verwaltungsverfahren abhängig gemacht würde (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 11. August 2016 – 6 K 911/13 –, S. 11 d. EA.; Urteil vom 7. Oktober 2020 – 6 K 1564/16 -, juris, Rn. 54; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 15. Dezember 2009 – 1 L 167/08 –, juris Rn. 30; VG Koblenz, Urteil vom 11. Dezember 2000 – 8 K 1417/00.KO -, juris Rn. 30).

Auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben, da die Beklagte nicht ausdrücklich die Erstattung für den Fall der Aufhebung der Beitragsbescheide zugesagt hat und es sich auch sonst nicht ergibt, dass es keiner Inanspruchnahme des Gerichts bedarf (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998 – 1 C 38/97 – juris Rn. 14). Vielmehr hat sich die Beklagte zu dem mit der Klage ebenfalls anhängig gemachten Leistungsantrag nicht weiter eingelassen.

Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG liegen vor. Die Klägerin hat nach ihrem von der Beklagten nicht widersprochenen Vortrag vor Rechtshängigkeit der Klage den geltend gemachten Betrag in Höhe von 1.543,88 Euro auf ihre Rechnung an die Beklagte gezahlt. Nach der Teilaufhebung des Beitragsbescheides im Widerspruchsbescheid hat die Beklagte unstreitig einen Teilbetrag in Höhe von 145,31 Euro – nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin: unverzinst (vgl. dazu noch unten) – an die Klägerin zurückerstattet. Der Rechtsgrund für diese Zahlung entfällt mit der Aufhebung des Beitragsbescheides im hiesigen Klageverfahren. Die Rechtskraft des Urteils braucht nicht abgewartet zu werden, da § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO von der Möglichkeit einer Stufenklage ausgeht (vgl. VG Cootbus, Urteil vom 7. Oktober 2020, a.a.O., Rn.; 56; VG Koblenz, Urteil vom 11. Dezember 2000 – 8 K 1417/00.KO -, juris Rn. 32).

Die Klage hat nach Maßgabe des Tenors auch insoweit Erfolg, als die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen begehrt.

Der Zulässigkeit des Begehrens steht nicht entgegen, dass es an einem vorherigen Verwaltungsverfahren, in dessen Ergebnis gem. § 239 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) KAG ein Zinsbescheid zu erlassen gewesen wäre, fehlt. Wegen § 113 Abs. 4 VwGO kann das Zinsbegehren aus prozessökonomischen Gründen auch ohne ein solches behördliches Verfahren neben der Anfechtungsklage gegen die Beitragsbescheide geltend gemacht werden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. August 2019 – 9 N 197.17 –, juris Rn. 22; Beschluss vom 2. Juli 2018 – 9 N 128.16 –, juris Rn. 10; Beschluss vom 27. Juni 2018 – 9 N 121.16 –, juris Rn. 13; Beschluss vom 12. Juni 2018 – 9 N 122.16 -, juris Rn. 13; VG Cottbus, Urteil vom 11. August 2016 – 6 K 911/13 –, S. 12 f. d. EA.; Urteil vom 7. Oktober 2020, a.a.O., Rn. 58).

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt dem Grunde nach aus § 236 Abs. 1 und 2 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. b). KAG. Der festgesetzte Anschlussbeitrag wird durch das vorliegende Urteil aufgehoben. Infolgedessen ist der zu erstattende Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit an (§ 90 VwGO) und nicht - wie die Klägerin dies beantragt hat – ab Zahlungseingang bei der Beklagten zu verzinsen. Einen weitergehenden Zinsanspruch kennt die Abgabenordnung nicht. Vorliegend wurde der Leistungsantrag mit der am 28. April 2018 bei Gericht eingegangenen Klageschrift anhängig gemacht, so dass der Zinsanspruch ab diesem Zeitpunkt besteht.

Die Berechnung der Prozesszinsen richtet sich nach § 238 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) KAG. Gemäß § 238 Abs. 2 AO wird für die Berechnung der Zinsen der zu verzinsende Betrag auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet (hier: 1.500 Euro), wobei vorliegend berücksichtigt wurde, dass zwar eine Teilrückzahlung nach teilweiser Aufhebung des Beitragsbescheides im Widerspruchsbescheid aber keine Verzinsung dieses Betrages erfolgt ist. Dieser Betrag ist vom Tage der Rechtshängigkeit an (hier: 28. April 2018) bis zum 20. Juni 2019 mit 0,5 % für jeden vollen Monat zu verzinsen. Der Zinslauf richtet sich in diesem Zeitraum also nicht nach Kalendermonaten, sondern nach Monatszeiträumen im Sinne des § 108 Abs. 1 AO i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB i. V. m. § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) KAG. Liegt zwischen dem letzten Monatszeitraum und dem Auszahlungstag kein voller Monat, so bleibt diese Zeitspanne gemäß § 238 Abs. 1 Satz 2 AO außer Ansatz.

Allerdings ist der Zinssatz gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) KAG durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Abschaffung der Beiträge für den Ausbau kommunaler Straßen vom 19. Juni 2019 (GVBl.I/19, [Nr. 36] vom 20. Juni 2019) mit Wirkung zum 21. Juni 2019 (vgl. insoweit Artikel 3 des benannten Gesetzes) geändert worden. Nach der neuen Fassung des § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. b) KAG gelten die §§ 238 bis 240 AO mit der Maßgabe, dass die Höhe der Zinsen abweichend von § 238 Absatz 1 Satz 1 AO zwei Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB jährlich beträgt.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils des Streitgegenstandes auf § 161 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit der Kostenüber-nahmeerklärung der Beklagten im Schriftsatz vom 20. März 2023 und hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils des Streitgegenstandes auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Die Zuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren war notwendig im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, weil es der Klägerin aus der Sicht einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei nicht zuzumuten war, den Rechtsstreit ohne anwaltliche Hilfe zu führen. Dies gilt insbesondere für das Kommunalabgabenrecht, da hier der Bürger in aller Regel nicht in der Lage ist, seine Rechte gegenüber der Verwaltung ohne rechtskundigen Rat ausreichend zu wahren (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg, Beschlüsse vom 6. Dezember 1999 – 2 E 34/99 -, - 2 E 36/99 – und 2 E 38/99 -).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).; aufgrund der Höhe des Streitwerts machen die vorläufig vollstreckbaren Kosten voraussichtlich mehr als 1.500 EUR aus.

Rechtsmittelbelehrung: