Gericht | OLG Brandenburg Vergabesenat | Entscheidungsdatum | 04.06.2024 | |
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Aktenzeichen | 19 Verg 1/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2024:0604.19VERG1.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 02.04.2024 gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 08.03.2024 - Az. VK 23/23 - wird als unzulässig verworfen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Auftraggeberin.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Auftraggeberin.
4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 5.000 € festgesetzt.
Der mit der sofortigen Beschwerde vom 02.04.2024 angefochtene Beschluss der Vergabekammer des Landes Brandenburg vom 08.03.2024 ist durch die vor Eintritt seiner Bestandskraft und mit weiterem Schriftsatz vom 02.04.2024 noch vor der Beschwerdeeinlegung erfolgte Rücknahme des dem Vergabekammerbeschluss zugrundeliegenden Fortsetzungsfeststellungsantrags vom 02.11.2023 wirkungslos geworden. Die Beschwerde war daher schon zum Zeitpunkt ihrer Einlegung mangels Beschwer nicht mehr statthaft und als unzulässig zu verwerfen. Infolgedessen ist vom Senat nur noch über die Verfahrenskosten zu entscheiden. Diese fallen insgesamt der Antragstellerin einschließlich der notwendigen Auslagen zur Last, die der Auftraggeberin entstanden sind.
1. Durch die Rücknahme des Fortsetzungsfeststellungsantrags im Sinne des § 168 Abs. 2 GWB, die in der freien Disposition des Antragstellers steht und auch noch im Beschwerdeverfahren ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten erklärt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 24.03.2009 - X ZB 29/08, juris Rn. 12), ist das diesbezüglich vor der Vergabekammer geführte Verfahren zeitlich bereits vor Einlegung der Beschwerde beendet worden.
a) Weil die Entscheidung der Vergabekammer durch Verwaltungsakt ergeht (§ 168 Abs. 3 Satz 1 GWB), ist es gerechtfertigt, ergänzend zu den Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrengesetzes und dessen Rechtsgrundsätze über die Behandlung von Verwaltungsakten zurückzugreifen. Danach können Anträge auf Erlass eines Verwaltungsaktes, soweit nichts anderes geregelt ist, noch bis zum Abschluss des Verfahrens zurückgenommen werden, das heißt bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung, und zwar selbst dann, wenn in der Zwischenzeit gegen den ergangenen Verwaltungsakt Rechtsbehelfe eingelegt worden sind. Ein ergangener und noch nicht bestandskräftig gewordener Verwaltungsakt wird dann - jedenfalls in den reinen Antragsverfahren - durch Antragsrücknahme wirkungslos. Entsprechendes gilt für den verfahrensgegenständlichen Beschluss der Vergabekammer, der (als Verwaltungsakt) seine Grundlage in einem Fortsetzungsfeststellungsantrag des Antragstellers hat (vgl. Senat, Beschluss vom 18.05.2010 - Verg W 1/08, juris Rn. 8; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.04.2003 - Verg 47/02, juris Rn. 6; BayObLG, Beschluss vom 26.10.2021 - Verg 4/21, juris Rn. 2; Ziekow/Völlink/Steck, Vergaberecht, 5. Auflage, GWB § 168 Rn. 54; Schäfer in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Auflage, § 178 GWB Rn. 29).
b) Die Rücknahme des Fortsetzungsfeststellungsantrags hat die Antragstellerin mit um 14:18 Uhr per Fax bei der Vergabekammer eingegangenem Schriftsatz vom 02.04.2024 erklärt. Der Beschluss der Vergabekammer ist dadurch - abgesehen von der dort enthaltenen Gebührenfestsetzung für das vor ihr geführte Verfahren (vgl. BayObLG, aaO) - hinfällig geworden und infolgedessen wirkungslos. Die Rücknahme des Fortsetzungsfeststellungsantrages hat rückwirkend das durch diesen Antrag hergestellte verfahrensrechtliche Verhältnis der Beteiligten untereinander entfallen lassen und damit zugleich der Kostenentscheidung der Vergabekammer, auch wenn deren Erlass im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die gesetzlichen Regelungen gedeckt war, die Grundlage entzogen (vgl. Senat, aaO; BayObLG, aaO).
c) Die von der Antragstellerin mit weiterem Schriftsatz vom 02.04.2024 eingelegte und bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht erst nach Rücknahme des Fortsetzungsfeststellungsantrags - nämlich um 16:15 Uhr - eingegangene sofortige Beschwerde richtete sich vor diesem Hintergrund bereits nicht mehr gegen eine wirksame Entscheidung der Vergabekammer, sondern war zur Zeit ihrer Einlegung unstatthaft. Nach § 171 Abs. 1 Satz 1 GWB setzt die sofortige Beschwerde eine wirksame Entscheidung der Vergabekammer als Beschwerdegegenstand voraus; das Rechtsmittel ist mithin unzulässig, wenn es zur Zeit seiner Einlegung an einem solchen fehlt (siehe nur BeckOK VergabeR/Michaels/Reinhardt, 31. Edition vom 01.02.2023, GWB § 171 Rn. 12 mwN). Die unzulässige Beschwerde war daher wie geschehen vom Senat als Rechtsmittelgericht zu verwerfen.
2. Verfahrensabschließend hat der Senat noch über die Verfahrenskosten zu entscheiden. Die wegen der Wirkungslosigkeit des Vergabekammerbeschlusses neu zu treffende Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und über die Tragung von diesbezüglich notwendigen Aufwendungen der Beteiligten hat gemäß § 182 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 Satz 3 GWB nach billigem Ermessen zu erfolgen. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin, die sich durch die Rücknahme ihres im Nachprüfungsverfahren sachlich zuletzt verfolgten und vor der Vergabekammer ohne Erfolg gebliebenen Fortsetzungsfeststellungsantrages in die Rolle der Unterlegenen begeben hat (vgl. BayObLG aaO; OLG München, Beschluss vom 06.11.2020, Verg 9/20, juris Rn. 4; OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 08.10.2020 - Verg 13/20, juris Rn. 15 und vom 20.05.2019 - VII-Verg 60/18, juris Rn. 9; st. Rechtsprechung des Senats), die Verfahrenskosten und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Auftraggeberin aufzuerlegen. Gründe, die im Sinne der Billigkeit dafür sprächen, hiervon abweichend der Auftraggeberin Kosten aufzuerlegen, sind nicht gegeben.
Zwar beanstandet die Antragstellerin mit Grund, dass die Vergabekammer den der Auftraggeberin zum ursprünglichen Nachprüfungsantrag erteilten rechtlichen Hinweis vom 20.09.2023 zum ursprünglichen Nachprüfungsantrag nicht zur Kenntnis gegeben hat. Bei Einreichung des Fortsetzungsfeststellungsantrages vom 01.11.2023 war der Antragstellerin indes bekannt, dass die Auftraggeberin das Verfahren in den Stand der Angebotswertung zurückversetzt und ihr die Erteilung des Zuschlags für das Los 1 in Aussicht gestellt hatte, denn daraufhin hatte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25.09.2023 das Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Umstand der unterlassenen Bekanntgabe des der Auftraggeberin erteilten Hinweises war mithin nicht ursächlich für den späteren auf Feststellung der Rechtsverletzung gerichteten Fortsetzungsfeststellungsantrag. Ein solcher Antrag war auch nicht etwa deshalb veranlasst, um eine Kostenentscheidung für das Verfahren vor der Vergabekammer zu erlangen. Die Kostenentscheidung ist nach sachlicher Erledigung des Nachprüfungsverfahrens von Amts wegen zu treffen. Mithin zutreffend hat die Vergabekammer die Beteiligten mit Schreiben vom 26.09.2023 über die Einstellung des Verfahrens und darüber unterrichtet, dass eine Kostenentscheidung durch gesonderten Beschluss ergehen wird. Abgesehen von vorstehenden Erwägungen rechtfertigte es ein Verfahrensversäumnis zum Nachteil eines Beteiligten grundsätzlich nicht, aus Billigkeitsgründen Kosten dem anderen Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen.
3. Bezüglich des vor dem Senat geführten Beschwerdeverfahrens beruht die Kostenentscheidung auf § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 GWB. Es entspricht der Billigkeit, der im Beschwerdeverfahren unterlegenen Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Auftraggeberin aufzuerlegen.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens richtet sich nach den Verfahrenskosten des Verfahrens vor der Vergabekammer, denn die sofortige Beschwerde war von vornherein allein darauf gerichtet, nach Rücknahme des Fortsetzungsfeststellungsantrages eine Kostenentscheidung zu Gunsten des Antragstellers für das Verfahren vor der Vergabekammer zu erreichen. In einem solchen Fall findet § 50 Abs. 2 GKG keine Anwendung, der Wert ist in entsprechender Anwendung von § 3 ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers an der erstrebten Kostenentscheidung zu bestimmen (vgl. Senat, Beschluss vom 21.05.2012 - Verg W 1/12, juris Rn. 21; OLG Koblenz, Beschluss vom 16.01.2017 - Verg 5/16, juris Rn. 25; OLG Dresden, Beschluss vom 10.06.2010 - WVerg 04/10, juris Rn. 7).
Unter Ansatz des Gebührenstreitwertes von bis zu 45.000 € gemäß § 50 Abs. 2 GKG (5 % des Nettoauftragswertes von 863.808,99 € für maximal drei an einen Auftraggeber zu vergebenden Losen, hier im Wege der Schätzung entsprechend der Summe der Nettoauftragswerte für die Lose 1 bis 3) und der Rechtsanwaltsgebühren nach Nr. 3201 VV RVG (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23.09.2008 - X ZB 19/07, juris Rn. 9 ff.) ist ein Wert von bis zu 5.000 € sachgerecht.