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Entscheidung 9 WF 83/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 29.05.2024
Aktenzeichen 9 WF 83/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:0529.9WF83.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Königs Wusterhausen vom 03.04.2024, erlassen am 04.04.2024, (Az. 5 F 3062/23) aufgehoben.

2. Dem Antragsteller wird mitgeteilt, dass der Antragsgegner zulässige Einwendungen gegen die Festsetzung gemäß § 252 Abs. 2 und Abs. 4 FamFG erhoben hat und der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens gestellt werden kann.

3. Von der Erhebung von Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Gründe

I.

Der Antragsgegner ist der Vater des am … 2011 geborenen (Kind 1), sowie der am … 2008 geborenen (Kind 2), die im Haushalt der Kindesmutter leben. Der Antragsteller gewährte für die Kinder seit Mai 2023 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.

Mit Antrag vom 01.12.2023 beantragte der Antragsteller aus übergegangenem Recht neben der Festsetzung rückständigen Kindesunterhalts (jeweils) für die Zeit vom 01.05.2023 bis 31.12.2023 in Höhe von 1.718 € für (Kind 1) und in Höhe von 2.188 € für (Kind 2) auch die Festsetzung des laufenden Kindesunterhalts in Höhe von jeweils 100 % des Mindestunterhalts der dritten Altersstufe abzüglich des für ein erstes Kind zu zahlenden Kindergeldes seit dem 01.01.2024.

Dem Antragsgegner wurde der Festsetzungsantrag verbunden mit dem Hinweis auf die zeitlich befristeten Einwendungsmöglichkeiten unter Beifügung des Einwendungsvordrucks am 11.01.2024 zugestellt. Unter dem 25.01.2024 reichte der Antragsgegner Gehaltsnachweise von November 2022 bis Dezember 2023 sowie mit Schreiben vom 27.02.202024 - unter Hinweis darauf, kein Formular erhalten zu haben - u. a. eine (gefilterte) Umsatzübersicht für den Zeitraum vom 01.01.2023 bis 31.12.2023 zur Akte. Mit gerichtlicher Verfügung vom 28.02.2024 wurde dem Antragsgegner das Einwendungs-Formular mit Hinweisblatt übersandt und für die Rücksendung sowie der Einreichung von Lohnbescheinigungen der letzten 12 Monate eine Frist von 2 Wochen gesetzt. Am 03.04.2024 ging bei dem Amtsgericht das von dem Antragsgegner ausgefüllte - nicht unterschriebene - Datenblatt für Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt nebst Unterlagen - u. a. der Gehaltsnachweise von Dezember 2022 bis März 2024 - ein.

Mit Beschluss vom 03.04.2024, erlassen am 04.04.2024, hat das Amtsgericht den beantragten Kindesunterhalt festgesetzt.

Gegen diese ihm am 08.04.2024 zugestellte Entscheidung richtet sich das am 19.04.2024 bei dem Amtsgericht eingegangene, als Einspruch bezeichnete Rechtsmittel des Antragsgegners. Er beruft sich auf Leistungsunfähigkeit.

II.

Das als Beschwerde auszulegende Rechtsmittel des Antragsgegners ist gemäß §§ 256 Satz 1, 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch zulässig.

Sie hat in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache zur weiteren Bearbeitung an das Amtsgericht.

Soweit das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss die Einwendung der fehlenden Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt hat, weil die von dem Antragsgegner erhobenen Einwendungen zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung (noch) nicht vorlagen und damit nicht rechtzeitig erhoben wurden, kann dies keinen Bestand haben.

Nach § 252 Abs. 5 FamFG sind verspätete Einwendungen, auch soweit sie nach der gemäß § 251 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 FamFG dem Antragsgegner gesetzten Frist von 1 Monat vorgebracht werden, zu berücksichtigen, solange der Festsetzungsbeschluss noch nicht erlassen ist. Gemäß § 38 Abs. 3 S. 3 FamFG wird ein nicht verkündeter Beschluss - wie vorliegend - durch Übergabe an die Geschäftsstelle erlassen (vgl. auch Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO/FamFG, 45. Aufl. 2024, § 253 FamFG Rn 14). Dies ist ausweislich des Erlassvermerkes am 04.04.2024 erfolgt. Damit sind die am 03.04.2024 beim Amtsgericht eingegangenen Einwendungen des Antragsgegners - wenn auch verspätet, so doch - rechtzeitig vorgebracht und zu berücksichtigen.

Die Einwendungen sind auch in zulässiger Weise erhoben. Gemäß § 252 Abs. 2 FamFG sind Einwendungen nach den Absätzen 3 und 4 zulässig, wenn der Antragsgegner zugleich erklärt, inwieweit er zur Unterhaltsleistung bereit ist und dass er sich insoweit zur Erfüllung des Unterhaltsanspruchs verpflichtet. Hierdurch soll der Antragsgegner angehalten werden, sich über die Berechtigung des Unterhaltsanspruchs Klarheit zu verschaffen und sich dazu gegebenenfalls rechtlich beraten zu lassen. Der Antragsgegner kann auch die Erklärung abgeben, keinen Unterhalt zahlen zu wollen, da er insgesamt leistungsunfähig ist. Bei dem Einwand eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit muss der Antragsgegner allerdings zugleich Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen erteilen und bei nicht selbständiger Arbeit seine Einkünfte für die letzten zwölf Monate belegen (vgl. Bömelburg in: Prütting/Helms, FamFG, § 252 Rn. 22 m. w. N.).

Gemessen hieran hat der Antragsgegner die Einwendung der fehlenden Leistungsfähigkeit bereits in erster Instanz formgerecht erhoben und damit rechtzeitig im Sinne des § 256 Satz 2 FamFG in Verbindung mit § 252 Abs. 2 und Abs. 4 FamFG.

Der Antragsgegner hat mit – beim Amtsgericht am 03.04.2024 eingegangenen – ausgefülltem Formblatt unter Vorlage - insbesondere - der Gehaltsnachweise für die Monate November 2022 bis März 2024 mitgeteilt, dass er weder über Einkommen noch über Vermögen verfüge, das ihm eine Unterhaltszahlung erlaube. Damit hat er hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass er nicht in der Lage ist, den geforderten Unterhalt zu zahlen. Die in § 252 Abs. 2 FamFG verlangte Erklärung des Unterhaltsschuldners, inwieweit er zu Leistungen bereit ist, kann sich in diesem Zusammenhang lediglich darauf beziehen, dass der Unterhaltsschuldner zum Teil leistungsfähig ist. Ist er vollständig leistungsunfähig, reicht die Angabe, weder über Einkommen noch Vermögen zu verfügen, das ihm eine Unterhaltszahlung erlaube, aus (OLG Bamberg, FamRZ 2017, 1414; Bömelburg, FamRB 2017, 330). Aus den Angaben des Antragsgegners ist eindeutig zu entnehmen, dass er die Einwendung der vollständigen Leistungsunfähigkeit erhebt. Die Abschnitte E (Einkommen) und F (Vermögen) des Formblattes hat der Antragsgegner vollständig ausgefüllt und gemäß § 252 Abs. 4 Satz 1 FamFG seine Einkünfte - jedenfalls - für die letzten zwölf Monate belegt. Zwar ist das überreichte und ausgefüllte Formblatt nicht vom Antragsgegner unterzeichnet. Eine fehlende Unterschrift ist jedoch unschädlich, wenn anderweitig feststellbar ist, wer Urheber der Erklärung ist, und diese als rechtserheblich gemeint ist (vgl. Zöller-Feskorn, ZPO, 35. Auflage 2024, § 252 FamFG Rn. 1 m. w.N.). Hiervon ist angesichts der dem Formblatt beigefügten Unterlagen, die dem Antragsgegner eindeutig zugeordnet werden können, auszugehen.

Der Einwand der Leistungsunfähigkeit ist damit rechtzeitig und in zulässiger Weise in erster Instanz erhoben worden. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 03.04.2024, erlassen am 04.04.2024, ist gemäß § 69 Abs. 1 FamFG aufzuheben und dem Antragsteller gemäß § 254 FamFG mitzuteilen, dass zulässige Einwendungen erhoben worden sind (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 29.01.2019 – 12 WF 198/18 -, zitiert nach juris; erkennender Senat, Beschluss vom 06.07.2020 – 9 WF 131/20 -).

Eine darüber hinausgehende Entscheidung in der Sache kann durch das Beschwerdegericht angesichts der Besonderheiten des vereinfachten Unterhaltsverfahrens, in dem eine materiell-rechtliche Prüfung von zulässigen Einwendungen im Sinne von § 252 Abs. 2 FamFG nicht vorgesehen ist, nicht getroffen werden. Eine Entscheidung darüber, in welcher Höhe gegebenenfalls Unterhalt aus übergegangenem Recht zu leisten ist, bleibt dem streitigen Verfahren vorbehalten, soweit dessen Durchführung innerhalb der 6-Monatsfrist des § 255 Abs. 6 FamFG beantragt wird.

III.

Von der Erhebung von Gerichtskosten wird aufgrund der unrichtigen Sachbehandlung durch das Amtsgericht abgesehen (§ 20 Abs. 1 FamGKG). Die Kostenentscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem Amtsgericht vorbehalten (vgl. Sternal in: Keidel, FamFG, 19. Auflage, § 69 Rn. 39a). Nach § 255 Abs. 5 FamFG sind die Kosten des vereinfachten Verfahrens Teil der Kosten eines streitigen Verfahrens.