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Entscheidung 11 U 278/22


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 11. Zivilsenat Entscheidungsdatum 09.08.2023
Aktenzeichen 11 U 278/22 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2023:0809.11U278.22.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 7. September 2022 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin - 6 O 370/21 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils und dieses Beschlusses gegen ihn vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 290.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger als Versicherungsnehmer verlangt von der Beklagten als Versicherer die Rückzahlung von Prämien und Leistung aus einem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag wegen Berufsunfähigkeit seiner als Kommunikationsdesignerin tätigen Ehefrau und versicherten Person dieses Vertrages.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne nicht von einer Berufsunfähigkeit der Ehefrau des Klägers im Sinne des § 2 AVB-BUV ausgegangen werden. Eine Berufsunfähigkeit folge nicht bereits aus § 2 (4) AVB-BUV, weil aus Zeiten der Arbeitsunfähigkeit der Ehefrau des Klägers sich nicht ableiten lasse, dass diese berufsunfähig sei. Das Landgericht hat im Ergebnis einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Ehefrau des Klägers, der Zeugin Sch…, auch nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen können, dass der Beruf der Zeugin S… so ausgestaltet gewesen sei, wie dies in der Anlage K7 wiedergegeben worden ist. Zwar genügten die Darstellungen in der Anlage K7 den Substanziierungserfordernissen. Das Landgericht hat jedoch nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Darstellungen gemäß der Anlage K7 einer typischen Arbeitswoche der Zeugin Sch… entsprechen würden. Die Aussage der Zeugin Sch… sei unergiebig. Offen sei schon geblieben, welche durchschnittliche tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit die Zeugin tatsächlich entfaltet habe. Darüber hinaus lasse sich aus der Aussage auch nicht ableiten, in welchem zeitlichen Umfang die Zeugin im Durchschnitt mit welcher Tätigkeit ihres Arbeitsspektrums befasst gewesen sei. Die Zeugin habe auf Fragen des Gerichts dazu keine klärenden Antworten geben können, sondern lediglich immer wieder ausgeführt, dass dies immer wieder anders gewesen sei. In Ansehung dessen sei auch die Anlage K7 nicht als Ausprägung einer typischen Arbeitswoche anzusehen. Hinreichende Anknüpfungstatsachen für die Einholung eines medizinischen Gutachtens könnten der Aussage der Zeugin Sch… danach nicht entnommen werden.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er die Klageanträge weiterverfolgt.

Der Kläger beruft sich darauf, er habe durch die Vernehmung der Zeugin Sch… den Nachweis der konkreten Arbeitsbeschreibung erbracht. Soweit das Landgericht der Meinung sei, aus der Aussage der Zeugin könne nicht abgeleitet werden, wie eine typische Arbeitswoche ausgesehen habe, könne dies nicht dazu führen, dass das Gericht nicht in die medizinische Beweisaufnahme eintrete. Einerseits sei es geradezu typisch für die Arbeit eines Selbständigen, dass weder jeder Tag, noch jede Woche, noch jeder Monat gleich und typisch verlaufe. Von daher sei es für Selbständige wie auch für die Versicherte, die projektweise gearbeitet habe, gar nicht möglich, einen typischen Arbeitszeitraum zu schildern und zu beweisen. Deshalb dürften die Anforderungen an die Darlegung und den Beweis von Art und Umfang der beruflichen Tätigkeit nicht überspannt werden. Es sei unstreitig, dass die Versicherte als Kommunikationsdesignerin selbständig tätig gewesen sei. Anhand der von der Zeugin zu Art und Umfang ihrer beruflichen Tätigkeit gemachten Angaben wäre es für das Landgericht geboten gewesen, in die medizinische Beweisaufnahme einzutreten, die eine mindestens 50%ige Berufsunfähigkeit der Versicherten ergeben hätte. Hierbei dürfe auch nicht aus dem Blick geraten, dass gerade bei psychischen Erkrankungen der medizinische Sachverständige häufig eine Berufsunfähigkeit für alle vorher ausgeübten beruflichen Tätigkeiten attestiere.

Der Kläger beantragt,

I. Das Urteil des Landgerichts Neuruppin - 6 O 370/21 - vom 7.9.2022 wie folgt     abzuändern:

I.1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 135.868,34 € zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 120.851,84 € ab dem 5.1.2021 sowie auf jeweils 2.502,75 € ab dem 2.2., 2.3., 2.4., 4.5., 2.6. und 3.7.2021.

I.2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zur Versicherungsnummer 6569096 beginnend ab August 2021 bis längstens 1.10.2033 bis zum 1. Werktag eines jeden Monats im Voraus eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von jeweils 2.251,02 € zu zahlen und die Rentenzahlung jeweils zum 1.10. eines jeden Jahres um 3 % zu erhöhen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf und zwar jeweils ab dem auf den ersten Werktag eines jeden Monats folgenden Tag für den Fall, dass die Zahlung durch die Beklagte nicht am ersten Werktag eines jeden Monats erfolgt.

I.3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Prämienzahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung zur Versicherungsnummer 6569096 ab dem 1.8.2021 bis längstens zum 1.01.2033 zu befreien.

Hilfsweise beantragt der Kläger,

das Urteil des Landgerichts Neuruppin - 6 O 370/21 - vom 7.9.2021 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Neuruppin zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat den Kläger durch Beschluss vom 7.7.2023 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, dessen Berufung als offensichtlich unbegründet zurückweisen.

Der Kläger hat zu diesem Hinweis mit Schriftsatz vom 31.7.2023 Stellung genommen.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senates vom 7.7.2023 Bezug genommen.

Die vom Kläger mit Schriftsatz vom 31.7.2023 vorgetragenen Einwände führen zu keiner anderen Bewertung.

1. Ohne Erfolg rügt der Kläger, die Zeugin sei nicht zu der durch den Kläger vorgelegten Anlage K7 in ihren Einzelheiten durch das Landgericht befragt worden.

Damit macht der Kläger in der Sache geltend, entscheidungserhebliche Tatsachen seien nicht oder nicht richtig festgestellt worden, weil das Landgericht fehlerhaft Beweis erhoben habe. Dem folgt der Senat nicht.

Zum einen hat das Landgericht bereits die Zeugin Sch… in rechtlich nicht zu beanstandender Weise erschöpfend vernommen. Das Landgericht hat die Zeugin zu Beginn der Vernehmung im Zusammenhang berichten und aussagen lassen. Die Zeugin hatte dadurch Gelegenheit, dem Landgericht durch ihre geschlossene Darstellung einen plastischen Eindruck von ihrem Berufsbild und den von ihr ausgeübten Tätigkeiten zu vermitteln. Die Zeugin ist ausweislich des Protokolls ihrer Vernehmung auch auf die verschiedenen Facetten ihres Berufes, d.h. die von ihr im Einzelnen ausgeübten Tätigkeiten, eingegangen. Dabei ist sie auch auf die von ihr in der Anlage K7 aufgezeichnete Beispielswoche eingegangen, für die sie einen Kalender zur Hand genommen und eine Woche rausgesucht habe. Sie hat allerdings in unmittelbarem Zusammenhang damit sofort betont, dass im Grunde jede Woche anders war. Bereits daraus, also unmittelbar aus der Aussage der Zeugin selbst, ergibt sich, dass die vom Kläger unter Beweis gestellte „Beispielswoche“ eben keine in dem Sinne war, dass sie selbst im Falle ihres Beweises den Durchschnitt ihrer Tätigkeit darstellte. Das hat bereits das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend festgestellt und im Einzelnen auf Seite 7 f. ausgeführt. Im Übrigen ist die Zeugin ausweislich des Protokolls ihrer Vernehmung auch zu Einzelheiten der von ihr in Anlage K7 dargestellten „Beispielswoche“ ausführlich befragt worden, die ihr z.B. vorgehalten worden ist und zu der sie auf Nachfrage bekundet hat, dass sie diese selbst erstellt hat und ganz gut anhand ihres Kalenders nachvollziehen konnte. Das Landgericht hat folgerichtig deshalb auch im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht angenommen, dass der Kläger die Richtigkeit der Anlage K7 nicht bewiesen habe. Es hat sich vielmehr in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nicht davon überzeugen können, dass der Beruf der Zeugin Sch… so ausgestaltet war, wie dies in Anlage K7 wiedergeben worden ist (LGU S. 5, vorletzter Absatz) bzw., dass die Darstellungen gemäß der Anlage K7 einer typischen Arbeitswoche der Zeugen Sch… entsprachen (LGU S. 6, letzter Absatz am Anfang und nochmals LGU S. 7, zweiter Absatz am Anfang).

Ohne dass es nach Vorstehendem noch darauf ankäme, hatte im Übrigen der Klägervertreter Gelegenheit, Fragen an die Zeugin zu stellen, soweit es ihm notwendig erschienen wäre.

2. Jedenfalls im Ergebnis verhilft die Rüge, das Landgericht habe die Hinweispflicht nach § 139 ZPO verletzt, der Berufung des Klägers nicht zum Erfolg.

Selbst unterstellt, das Landgericht hätte tatsächlich in der vom Kläger gerügten Weise die Hinweispflicht aus § 139 ZPO verletzt, wären diese Hinweise im angefochtenen Urteil erteilt worden, ohne dass der Kläger - wie es für den Erfolg der Berufung erforderlich gewesen wäre - in der Berufungsbegründung dazu ergänzend vorgetragen hat. Zudem hat der Senat den Kläger im letzten Absatz seines Hinweisbeschlusses vom 7.7.2023 - nochmals - ausdrücklich darauf hingewiesen, ohne dass der Kläger spätestens in seiner Stellungnahme zum Hinweisbeschluss den erforderlichen Vortrag gehalten hat.

3. Soweit der Kläger schließlich meint, er müsse die berufliche Tätigkeit der Versicherten überhaupt nicht beweisen, erschließt sich dies dem Senat nicht. Dass die Beweislast für das Berufsbild beim Versicherungsnehmer liegt, entspricht der Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt (z.B. BGH, Urteil vom 29.11.1995, IV ZR 233/94, Rn. 14; Urteil vom 30.9.1992, IV ZR 227/91, Rn. 17).

Anders als der Kläger gestützt auf eine Entscheidung des Landgericht Kleve (Urteil vom 29.12.2022, 6 O 15/21) und auf Wermeckes/Seggewiße („Darf sich der Berufsunfähigkeitsversicherer im Prozess zum Berufsbild des Versicherten mit Nichtwissen erklären?“ in VersR 2019, 271 ff.) meint, ist der „medizinischen Beweisaufnahme“ nicht die Darstellung der beruflichen Tätigkeit der Versicherten zugrunde zu legen, die auch die Beklagte vorgerichtlich den von ihr beauftragten Gutachtern B… und M… zur Prüfung der Berufsunfähigkeit der Versicherten aufgegeben hat. Das gilt schon deshalb, weil der Kläger in diesem Rechtsstreit das Berufsbild der Versicherten gemäß Anlage K7 vorgetragen hat, das auch Gegenstand der Beweisaufnahme war. Das Berufsbild der Versichrten gemäß Anlage K7 lag mithin vor der Einleitung dieses Prozesses noch nicht der Leistungsprüfung der Beklagten zugrunde und diese konnte sich dazu noch nicht erklären. Andererseits hat der Kläger das gegenüber der Beklagten vorgerichtlich vorgetragene Berufsbild der Versicherten nicht zum maßgeblichen Inhalt seines Vortrages zum Berufsbild der Versicherten im Rechtsstreit gemacht.

Darauf, ob das Landgericht Kleve (a.a.O.) gestützt auf Wermeckets/Seggewiße (a.a.O.) darin zu folgen ist, dass es dem Versicherer, hier der Beklagten, nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, die berufliche Tätigkeit der Versicherten vor Eintritt der geltend gemachten Berufsunfähigkeit mit Nichtwissen zu bestreiten, weil sich der Versicherer in der vorprozessualen Leistungsprüfung mit den Angaben zum Berufsbild des Versicherten begnügt und auf dieser Grundlage die Berufsunfähigkeit medizinisch prüfen lassen, mithin sie zur Kenntnis genommen und für wahr und ausreichend erachtet hat, kommt es schon deshalb nicht an, weil die Beklagte das Berufsbild der Versicherten gemäß Anlage K7 nicht lediglich mit Nichtwissen bestritten, sondern dem Vortrag des Klägers insoweit substantiiert entgegengetreten ist und sie aus ihrer Sicht bestehende Widersprüche, Inplausibilitäten etc. aufgezeigt hat. Zudem hatte im Fall des Landgerichts Kleve der Versicherer seine Leistungspflicht ab einem bestimmten Zeitpunkt anerkannt. Schließlich stehen dieser Auffassung grundsätzlich Bedenken entgegen, weil dem Verhalten der Parteien vor Einleitung des Gerichtsverfahrens kein derart weitgehender prozessualer Erklärungswille beigemessen werden kann, dass sie konkludent eine prozessvertragliche Abrede schlössen, wonach sich der Versicherer nicht mehr auf ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) zum Berufsbild berufen dürfte, wenn er außergerichtlich auf der Basis der Informationen des Versicherungsnehmers ein Gutachten einhole. Weder gehen die Parteien zu diesem Zeitpunkt von der Durchführung eines Gerichtsverfahrens aus, noch kann man den Handlungen der Parteien deshalb einen solchen prozessualen Erklärungswillen entnehmen (Neuhaus, BUV, 4. A., Rn. 12 zu Kap. 18).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 S. 2, 711 ZPO. Der Beschluss des Senates ist gemäß § 794 Nr. 3 ZPO hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens ohne weiteres vollstreckbar, so dass es insoweit keines besonderen Ausspruches bedarf.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 S. 1 GKG.